und kamen noch e<strong>in</strong>mal, trügerisches Hoffendurch friedliches Land.Tür stand uns offenbei jenen, die nicht unser Leiden gekannt.Sie kamen, sie w<strong>in</strong>kten, sie reichten uns Brot, -sie luden die Notan warmem Herde zu sich als Gast.Scheune und Stroh rief Müde zur Rast.Doch wir konnten nicht bleiben.Wir zogen vorüberWagen an Wagen.Und hörten durch Sturm und Flockentreibendas Glockenlied ihrer Türme nochund hörten dochdas Dröhnen des Krieges, der h<strong>in</strong>ter uns zog.Und vom Wegkreuz bog,blutend, mit ausgebreiteten Armen,sich dorngekrönter Liebe Erbarmen.Wir konnten nicht halten, wir konnten nicht knien.Sie kamen h<strong>in</strong>ter uns, Wagen an Wagen, -unsre Herzen nur schrien:O blick nach uns h<strong>in</strong>!Wir wandern, wir wandern, endloser Zug,Volk, das die Geißel des Krieges schlug,entwurzelter Wald, von der Flut getragen, –Woh<strong>in</strong>?Woh<strong>in</strong>? —Agnes Miegel14
<strong>Vor</strong> der FluchtVon Ida GosdeckAm 21. Januar 1945, e<strong>in</strong>em Sonntag(Tag des Russene<strong>in</strong>falls <strong>in</strong> Allenste<strong>in</strong>),gegen 13 Uhr, verließ ichme<strong>in</strong>en Arbeitsplatz im Landgerichtsgebäude<strong>in</strong> der Kaiserstraße.Kurz zuvor hatte uns LandgerichtspräsidentDr. Peetz beschworen:„Rette sich, wer kann!“Ich g<strong>in</strong>g durch die Magisterstraßeund bog <strong>in</strong> die H<strong>in</strong>denburgstraßee<strong>in</strong>. Auf den unteren Stufen der Freitreppezum Treudanktheater lagenLebens- und Genussmittel: Brot,Käse, Sch<strong>in</strong>ken, Konserven, Spirituosenu.a. Die Straße war menschenleer.Auf der Kreuzung H<strong>in</strong>denburg-/Bahnhofstraße fiel mir unwillkürliche<strong>in</strong> Vers e<strong>in</strong>, den ich nach dem ErstenWeltkrieg im OstpreußischenEvangelischen Gebetsvere<strong>in</strong> gelernthatte: „Gedenke an de<strong>in</strong>en Schöpfer<strong>in</strong> de<strong>in</strong>er Jugend, ehe denn die bösenTage kommen und die Jahreherzutreten, da du wirst sagen: Siegefallen mir nicht.“Ich war betroffen und blieb stehen.Ich dachte nun an den Gebetsraum,der zunächst <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Holzhäuschenwar. Später wurden die Gebetsstunden<strong>in</strong> e<strong>in</strong>em schönen Anbau desneuen Hauses des Regierungsober<strong>in</strong>spektorsBudz<strong>in</strong>ski, Kurze Straße,abgehalten. Kniend beteten wir, Gottmöge uns unsere Heimat erhalten.Prediger war Regierungsober<strong>in</strong>spektorBudz<strong>in</strong>ski; Gastprediger warenPfarrer F<strong>in</strong>ger und PostassistentWiede aus Allenste<strong>in</strong> sowie PredigerGoroncy vom Gebetsvere<strong>in</strong> Ortelsburg.In Gedanken g<strong>in</strong>g ich den Weg zurückund sah das Fotoatelier Pfeifer,das Vere<strong>in</strong>shaus der NeuapostolischenGeme<strong>in</strong>de und verweilte beim„Fernblick“ auf der Eisenbahnbrücke.E<strong>in</strong>ige Schritte weiter der altekatholische Friedhof: Über dem E<strong>in</strong>gangdie schwarzlackierte Tafel mitder tröstlichen Mahnung <strong>in</strong> goldenerSchrift: „Es ist e<strong>in</strong> heiliger und heilsamerGedanke, für die Verstorbenenzu beten (2.Makk.12,45)“Ich g<strong>in</strong>g <strong>in</strong> Richtung Tunnel. DerSchnee auf dem alten Friedhof lagunberührt. Die Telegrafendrähte amBahndamm wispelten zart. In derKönigstraße rechts das Hotel„Schwarzer Adler“, daneben dasHaus des Glasermeisters Skibowski,von dem aus wir bei Kriegsbeg<strong>in</strong>n imJahre 1914 nach Friedeberg flüchteten.L<strong>in</strong>ks die Löwenapotheke unddie Papierwarenhandlung Weiß,daneben die Auffahrt zur Kavalleriekaserne.Und über allem lag e<strong>in</strong>ewundersame Stille. Ich dachte anme<strong>in</strong>en Großvater Michael Dorka,der als Veteran nach dem ErstenWeltkrieg Jahr für Jahr um die Zeitder Kirschenernte jeweils für e<strong>in</strong>enTag Gast des Reiterregiments se<strong>in</strong>durfte.In der Wadanger Straße, h<strong>in</strong>ter demehemals Schleim’schen Kolonialwarengeschäft,er<strong>in</strong>nerte ich mich, dassich mir die Beschädigungen an e<strong>in</strong>emHaus <strong>in</strong> der Frauenstraße ansehenwollte. Tags zuvor nämlich, umdie Mittagszeit, wurde das Haus, <strong>in</strong>dem die Germania-Drogerie war und15