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Chaos im Quadrat - Anna-Lena Tsutsui

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Baby DollsVideoinstallationLoop2008Die Boxen werden lebensgroß projiziert.Ihre Anzahl (12 - 35) und damit die Größe der Installationhängt vom Ausstellungsort ab.The boxes are projected life-sized.Their number (12-35) and thus the size of the installationdepend on the exhibition space.Les boîtes sont projetées en échelle un.Leur nombre (12-35) et donc la taille de l’installationdépend de l’espace d’exposition.Die Installation “Baby Dolls” (2008) von <strong>Anna</strong>-<strong>Lena</strong> <strong>Tsutsui</strong> setzt sich mit aggressiver Buntheit<strong>im</strong> Straßenbild durch. Die Arbeit bedient sich genau derselben Strategien wie die Werbung,um Aufmerksamkeit herzustellen: neonbunte Farben, grelles Licht, schnelle Bewegungenund die emotionale Wirkung süßer, niedlicher Hundewelpen best<strong>im</strong>men diese Arbeit.Tatsächlich stammen die Bilder ja auch aus einem Geschäft, einer Tierhandlung in Japan.Dort werden eben diese Mittel eingesetzt, um den Kaufanreiz zu wecken. Die jungen Hundewerden wie jede andere Ware so präsentiert, dass sie möglichst viel Interesse auf sichziehen. <strong>Anna</strong>-<strong>Lena</strong> <strong>Tsutsui</strong> hat die einzelnen Boxen abgefilmt und <strong>im</strong> Maßstab 1:1 zu einerVideowand zusammenmontiert, die den Maßen des Schaufensters entspricht und dabeidie originale Präsentation in Japan bei weitem übertrifft. So eingepasst in die Architektursteigert sich die Starrheit der fast quadratischen Boxen ebenso ins Unerträgliche wie die <strong>im</strong>heftigen Gegensatz dazu stehende Ruhelosigkeit der manischen, ungelenken Bewegungender Welpen. Gefangen in dieser festgezurrten Form verlieren die Tiere alle Kennzeichenvon etwas Selbstbest<strong>im</strong>mten: Ihre Bewegungen werden zur reinen Mechanik, zu einemabsurden Ballett fremdgesteuerter Marionetten. Der leere Aktionismus lebendiger Wesenverwandelt sich in abstrakte Bewegungsmuster.Dazu hören wir Geräusche, von denen sich der sanfte weibliche Gesang irgendeinesPopsongs, menschliche St<strong>im</strong>men, geschäftiges Klappern und Tierlaute unterscheidenlassen. Zunächst wirken die Geräusche wie der gewöhnliche Klangteppich in einemEinkaufszentrum, bis sich nähere Beziehungen zu den Bildern herstellen. Die Tierlauteentpuppen sich als herzzerreißendes Jaulen. Immer deutlicher setzt sich ein seltsamesKlopfen durch, als dessen Urheber schließlich ein besonders hektisch in seinem Gefängnisherumhopsender kleiner schwarzer Hund identifiziert wird. Das anfangs bunte und lustigeBild und die einlullenden Geräusche verändern sich in der Wahrnehmung: Sie bleiben ansich zwar gleich, weil sich die kurzen Sequenzen mit der sogenannten Loop-Technik wiein einer Endlosschleife permanent wiederholen, aber durch die Struktur der Wiederholungentsteht eine Art Gegenbewegung. Wie die Tiere in den Boxen bleibt die Geräuschkulissein sich gefangen, sie dreht sich <strong>im</strong> Kreis. Es gibt kein vor und zurück.Der Eindruck der Isolation wird auch dadurch verstärkt, dass jede Box ihr eigenes T<strong>im</strong>inghat, ihre eigene Dynamik in der Schnittfolge. Dadurch, dass die Boxen von innen beleuchtetsind, erinnern sie an Bildschirme in bunten Gehäusen. Die verzweifelten Versuche der Tiere,aus den Käfigen herauszukommen, wirken wie Darbietungen zur Belustigung der Zuschauer.Extrem gegensätzliche Gefühle, Mitleid, Fürsorge und Belustigung, wechseln sich ab.Einerseits identifizieren wir uns mit den Tieren und empfinden ihre Leiden emphatisch mit,andererseits gibt es diese Distanz – in der Projektion durch das rigide Raster der Käfigevisualisiert – die es uns ermöglicht, uns die Tiere physisch und psychisch vom Leib zu halten.Bei “Baby Dolls” verdichtet sich die Realität je nach den räumlichen Gegebenheiten desProjektionsortes in einem fest zusammengefügten Bild, in dem sich die Empfindung desEingeschlossensein potenziert. Dieses Eingepasste fordert den Widerstand gegen dieunverrückbaren Strukturen geradezu heraus. Indem sich die Installation mit dem Ort gemeinmacht, gewinnt sie an Glaubwürdigkeit und Relevanz.Sabine Elsa Müller, 20133637

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