Wie drei Journalisten die Auftragserfüllung der Armee gefährden - CH
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© TagesAnzeiger; 12.04.2007; Seite 3gesInlandGES<strong>Wie</strong> <strong>drei</strong> <strong>Journalisten</strong> <strong>die</strong> <strong>Auftragserfüllung</strong> <strong>der</strong> <strong>Armee</strong> <strong>gefährden</strong>Ein Geheim<strong>die</strong>nstchef verstrickt sich in Wi<strong>der</strong>sprüche, ein Major verweigert den Dienst, undein Unschuldiger wird abgehört: Der Prozess wegen <strong>der</strong> CIAFaxAffäre trägt kafkaeskeZüge.Von Daniel FoppaBis zu fünf Jahren Zuchthaus droht den «SonntagsBlick»Reportern Sandro Brotz undBeat Jost sowie dem früheren Chefredaktor Christoph Grenacher. Sie stehen amDienstag vor Militärgericht, weil sie im Januar 2006 einen vom StrategischenNachrichten<strong>die</strong>nst (SND) abgefangenen Fax veröffentlicht haben, <strong>der</strong> <strong>die</strong> Existenz vonCIAGefängnissen in Osteuropa bestätigen soll. Die Öffentlichkeit ist zum Prozess in St.Gallen nur teilweise zugelassen. Sie muss den Saal verlassen, wenn SNDDirektor HansWegmüller als Zeuge <strong>die</strong> Folgen <strong>der</strong> FaxAffäre darlegt.Hans Wegmüller bereut seine WorteLaut Anklageschrift haben <strong>die</strong> <strong>Journalisten</strong> den «Lebensnerv» des SND getroffen.An<strong>der</strong>e Staaten hätten wegen des Lecks Gegenmassnahmen beschlossen, bishergenutzte Kanäle seien versiegt. Die Veröffentlichung habe «<strong>die</strong> Informationsbeschaffungmassiv beeinträchtigt, partnerschaftliche Kontakte schwer belastet, Personenzusätzlichen Risiken ausgesetzt und <strong>die</strong> Glaubwürdigkeit des Dienstes als Ganzes inFrage gestellt» was letztlich <strong>die</strong> «<strong>Auftragserfüllung</strong> <strong>der</strong> <strong>Armee</strong>» gefährde. Diese höchstdramatische Einschätzung wi<strong>der</strong>spricht einer Aussage, <strong>die</strong> Wegmüller im Juni 2006gegenüber <strong>der</strong> «Berner Zeitung» machte. Auf <strong>die</strong> Frage, ob <strong>die</strong> Indiskretion dem Ruf desSND geschadet habe, erwi<strong>der</strong>te Wegmüller: «Das einmal erreichte gegenseitigeVertrauen zwischen Partner<strong>die</strong>nsten kann durch solche Indiskretionen nicht beschädigtwerden.» Zudem bezeichnete er <strong>die</strong> Angelegenheit im Vergleich mit <strong>der</strong> Affäre um <strong>die</strong>Bespitzelung von <strong>Journalisten</strong> durch den deutschen Bundesnachrichten<strong>die</strong>nst als«idyllisch». Gemäss Insi<strong>der</strong>n bereut Wegmüller <strong>die</strong>se Aussage heute zutiefst.Gegenüber dem TA wollte we<strong>der</strong> <strong>der</strong> SNDChef noch <strong>der</strong> militärische Staatsanwalt,Major Beat Hirt, Stellung nehmen.«Normalerweise in Diktaturen»«Wenn <strong>die</strong> Angelegenheit nicht so ernst wäre, müsste man darüber lachen, wie einfach<strong>der</strong> Nachrichten<strong>die</strong>nst zu erschüttern ist», sagt <strong>der</strong> Angeklagte Sandro Brotz. DerJournalist spricht <strong>der</strong> Militärjustiz <strong>die</strong> Zuständigkeit ab und for<strong>der</strong>t <strong>der</strong>en Auflösung: «Esist inakzeptabel und einmalig in Europa, dass Militärrichter gegen Zivilisten vorgehen.»Brotz kündigt an, das Urteil in jedem Fall weiterzuziehen wenn nötig bis vor denEuropäischen Gerichtshof in Strassburg. Erfreut zeigt sich <strong>der</strong> Journalist, <strong>der</strong> <strong>die</strong>Öffentlichkeit mit einer Reportage ausführlich über seine Befindlichkeit vor dem Prozessinformiert hat, über zahlreiche Solidaritätsbekundungen. So beschwerte sich <strong>der</strong> OSZEBeauftragte für Me<strong>die</strong>nfreiheit beim Bundesrat. Internationale <strong>Journalisten</strong>verbändeboten Unterstützung an. Und ein Komitee «Freie Me<strong>die</strong>n statt militärischeSon<strong>der</strong>gerichte» wurde ins Leben gerufen. Dem Komitee gehört unter an<strong>der</strong>em FDP
Stän<strong>der</strong>at Dick Marty an, <strong>der</strong> den Prozess als «absurd» bezeichnet: «So etwasgeschieht normalerweise in Diktaturen.»Auf politischer Ebene ist einmal mehr <strong>der</strong> Grüne Zuger Nationalrat Jo Lang aktivgeworden. Er for<strong>der</strong>t mit einer parlamentarischen Initiative, dass Zivilpersonen nichtmehr vor Militärgericht gestellt werden dürfen. Langs Ansinnen könnte jedochkontraproduktiv wirken, hat doch das Parlament in den letzten Jahren mehrere ähnlicheVorstösse abgelehnt und damit <strong>die</strong> Militärjustiz politisch legitimiert.Das Haus auf den Kopf gestelltDen Prozess in St. Gallen wird auch <strong>der</strong> freigestellte SNDSprecher Roman Weissen mitInteresse verfolgen. Er wurde verdächtigt, den Fax herausgegeben zu haben, und gerietin <strong>die</strong> Fänge <strong>der</strong> Militärjustiz. Offenbar wurde dem leutseligen Weissen zum Verhängnis,dass er wie «SonntagsBlick»Journalist Beat Jost Walliser ist und sich auf Grund vonPresseanfragen intern erkundigt hat, ob <strong>der</strong> SND etwas von USGefangenenflügen überSchweizer Territorium wisse eine für einen Pressesprecher nachvollziehbare Handlung.Weissens Telefon wurde monatelang abgehört, sein Haus auf den Kopf gestellt und erselbst in Untersuchungshaft gesteckt gefunden haben <strong>die</strong> Fahn<strong>der</strong> nichts. Auch <strong>die</strong>«SonntagsBlick»<strong>Journalisten</strong> bekräftigen, we<strong>der</strong> Weissen noch <strong>der</strong> ebenfalls ins Visier<strong>der</strong> Militärjustiz geratene frühere VBSInformationschef hätten etwas mit <strong>der</strong> Sache zutun. Die Bundesanwaltschaft, <strong>die</strong> gegen beide ermittelte, hat ihr Verfahren ergebnisloseingestellt. Die Mühlen <strong>der</strong> Militärjustiz mahlen <strong>der</strong>weil weiter, wenngleich von <strong>der</strong> einstfür Herbst 2006 in Aussicht gestellten Anklage nur noch im Konjunktiv <strong>die</strong> Rede ist.Weissen leidet noch heute unter <strong>der</strong> Behandlung durch <strong>die</strong> Militärjustiz und muss damitrechnen, seinen Job definitiv zu verlieren. Und <strong>der</strong> ehemalige VBSAngestellte erklärtverbittert, er werde keinen Tag mehr Militär<strong>die</strong>nst leisten <strong>der</strong> Mann ist Major imGeneralstab. Für Weissens Anwalt Hugo Feuz ist klar: «Der veröffentlichte Fax enthältkein militärisches Geheimnis.» Im Übrigen sei <strong>der</strong> SND eine zivile Organisation und nicht<strong>Armee</strong>chef Christophe Keckeis unterstellt.Der Anwalt hat gegen <strong>die</strong> Überwachung von Weissens Telefon Beschwerde eingereicht.Das MilitärKassationsgericht befindet voraussichtlich noch im April über den Fall.Weissen überlegt sich <strong>der</strong>weil, ob er auf Schadenersatz klagen sowie dem Drängeneines namhaften Verlags nachgeben und ein Buch über seine Geschichte verfassen soll in enger Anlehnung an Franz Kafkas «Der Process».