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Zur Bewegung starrer Körper - SFZ-WEB-Seite Mathematik-Server

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<strong>Zur</strong> <strong>Bewegung</strong> <strong>starrer</strong> <strong>Körper</strong>Peter BreitfeldStörck-GymnasiumBad Saulgau5. September 2011Inhaltsverzeichnis1 Beliebige <strong>Bewegung</strong> <strong>starrer</strong> <strong>Körper</strong> • 21.1 Physikalische Größen und <strong>Bewegung</strong>sgleichungen • 21.2 Abspaltung der Schwerpunktbewegung • 31.3 Kreiselbewegung • 41.4 Der kräftefreie Kreisel • 61.5 Spezialfälle beim kräftefreien Kreisel • 82 Analytische Beschreibung der Kreiselgleichungen • 92.1 Eulersche Kreiselgleichungen • 92.2 Kräftefreier symmetrischer Kreisel • 112.3 Schwerer symmetrischer Kreisel • 142.4 Elementare Betrachtung zur Präzession • 15Abbildungsverzeichnis1 Zum Trägheitsellipsoid • 62 Symmetrischer kräftefreier Kreisel • 83 Eulersche Winkel • 12In diesem Skript soll die <strong>Bewegung</strong> eines starren <strong>Körper</strong>s erläutert werden. Insbesonderewird der Kreisel behandelt. Dabei greife ich auf Tensoren zurück, wiesie in meinem Skript [3], Abschnitt 3 behandelt werden. Vektoren werden als fettekursive Zeichen, Tensoren als serifenlose, senkrechte Zeichen dargestellt, nur derEinheitstensor als 1.


̇kreisel.tex 5. September 20111. Beliebige <strong>Bewegung</strong> <strong>starrer</strong> <strong>Körper</strong>1.1. Physikalische Größen und <strong>Bewegung</strong>sgleichungenWir denken uns den starren <strong>Körper</strong> aus Massenpunkten m n an den Orten r n aufgebaut,die den <strong>Bewegung</strong>sgleichungenm n r̈n = F n + Z n (1)gehorchen. Dabei sind die Z n die Zwangskräfte, die den Zusammenhalt des <strong>Körper</strong>sbewirken. Sie sorgen dafür, dass die gegenseitige Lage der Massenpunkte sich nicht ändert.Da nach dem Wechselwirkungsgesetz die Zwangskräfte paarweise entgegengesetztgleich sind, ist die von ihnen geleistete Arbeit bei einer Verrückung δr n Null, somit gilt Z n δr n = 0 und δW = (F n + Z n )δr n = F n δr n (2)nMit der Starrheit des <strong>Körper</strong>s verträgliche Verrückungen sind nun nur Verschiebungenum δr und Drehungen um einen Winkel δφ. Eine durch diese beiden Verrückungenbewirkte Änderung bedingt für die Massenelemente die Ortsveränderungnδr n = δr + δφ × r n (3)Durch diese Gleichung wird die allgemeinste Veränderung der Lage eines starren <strong>Körper</strong>sbeschrieben. Setzt man diese Verrückung in Gleichung (2) ein, dann erhält man:(δr + δφ × r n )Z n = δr Z n + δφ r n × Z n (4)nDa aber δr und δφ beliebig gewählt werden können, muss gelten:n Z n = 0 und r n × Z n = 0 (5)nDer Gesamtimpuls p, Gesamtdrehimpuls L und die gesamte kinetische Energie T sinddefiniert durch:p = nm n ṙnL = nnr n × m n ṙnnT = nnm n r ̇ n (6)Für die zeitlichen Änderungen von p und L gelten die Gleichungen (vgl. auch [1], Abschnitt2.2.7)dpdt = F = dLF n unddt = τ = r n × F n (7)nnwobei τ das Drehmoment ist. Die Änderung der kinetischen Energie istdTdt = nm n ṙn r̈n = r n F n (8)Da ein <strong>starrer</strong> <strong>Körper</strong> sechs Freiheitsgrade besitzt, müssen die 6 skalaren Gleichungenvon Gl. (7) zur Beschreibung der <strong>Bewegung</strong> ausreichen.n2


̄̄̄̄̄̄̄̄5. September 2011 kreisel.tex1.2. Abspaltung der SchwerpunktbewegungEs sei s der Schwerpunkt des <strong>Körper</strong>s. Dann kann man setzen:r n = s + r̄n (9)dann ist r̄n der Ort des Massenpunktes in einem System, dessen Ursprung der Schwerpunktist. Dann gilt für kleine Änderungen für die r n :dr n = ds + dr̄n mit dr̄n = dφ × r̄n (10)Da ja die Abstände | r̄n | vom Schwerpunkt konstant bleiben, setzt sich die <strong>Bewegung</strong> auseiner Translation des Schwerpunkts und einer durch dφ beschriebenen Drehung um eineAchse durch den Schwerpunkt zusammen. Daraus folgt nun für die GeschwindigkeitenDa nun giltṙn = s ̇ + ṙn mit ṙn = ω × r̄n (11)nm n ̇ ̄r n = ω × nm n r̄n = 0weil die letzte Summe gerade den m-fachen Ort des Schwerpunkts im Schwerpunktsystemangibt, also Null ist. Somit hat man für den Gesamtimpuls einfachp = mṡmit der Gesamtmasse m = m n (12)und der Impulssatz von Gleichung (7) geht innms ̈ = F (13)über. Allgemein könnte F außer von t, s und ṡnoch von der Lage des <strong>Körper</strong>s undvon ω abhängen. Dies kann allerdings dann nicht auftreten, wenn F nur aus masseproportionalenKräften wie der Schwerkraft aufgebaut ist. In diesem Fall kann also dieSchwerpunktsbewegung absepariert werden.Für Drehimpuls L, Drehmoment τ und kinetische Energie T bekommt man dannL = m n (s + r̄n ) × ( s ̇ + ṙn ) = ms × s ̇ + m n r̄n × ṙn ≡ L s + Lnτ = s × F + r × F n ≡ τ s + τ̄T = nnm n ( s ̇ + ṙn ) = ms + nnm nr ̇n ≡ T s + T̄(14)Damit sind alle Größen in zwei Teile zerlegt, deren einer durch den Schwerpunkt alleinbeschrieben wird, während der zweite unabhängig vom Schwerpunkt ist.3


̇̇̄̇̄kreisel.tex 5. September 2011Ausfolgt mit Gleichung (13)Weiter ist wegeṅ L =dL sdt= ms ̇ × s ̇ + ms × s ̈ = s × ms̈L s + L = τ = τ s + τ̄danṅ L s = s × F = τ s (15)L ̇̄ = τ ̄(16)Nun betrachten wir noch die Änderung der kinetischen Energie:aus der mit r̄̇n = ω × r̄n entsteht:T = ( s ̇ + ṙn )F n = sF ̇ + r̄̇n F nnnT ̇ = sF ̇ + ω × τ ̄(17)1.3. KreiselbewegungDer Kreisel ist ein <strong>starrer</strong> <strong>Körper</strong>, der in einem Punkt festgehalten wird. Er hat also dreiFreiheitsgrade weniger als der frei bewegliche starre <strong>Körper</strong>. Die drei verbleibendenFreiheitsgrade sind Drehungen des starren <strong>Körper</strong>s, bei denen die Abstände zum festgehaltenenPunkt in gleicher Weise konstant bleiben, wie vorher die zum Schwerpunkt.Daher wählt man zweckmäßigerweise den festgehaltenen Punkt als Koordinatenursprung.Drehimpuls und Drehmoment sind wie bisher durchL = m n r n × ṙn und τ = r n × F nnbestimmt, nun aber mit dem festgehaltenen Punkt als Bezugspunkt. Die <strong>Bewegung</strong> wirdwieder durch den DrehimpulssatzL ̇ = τbeschrieben. (Beim frei beweglichen <strong>Körper</strong> wie im vorigen Abschnitt hätte man hier die„gequerten“ Größen einzusetzen.)Da bei allen <strong>Bewegung</strong>en die Abstände |r n | konstant bleiben müssen, giltdr n = dφ × r n = ω × r n dt ⇒ ṙn = ω × r n (18)Damit wird der Drehimpuls unter Verwendung des Entwicklungssatzes für dreifacheVektorprodukte (vgl. [2], Abschnitt 1.4) zuL = m n r n × (ω × r n ) = m n [ω ⊗ r n − ωr n ⊗ r n ]nnn4


̇̇5. September 2011 kreisel.texMit dem in [3], Abschnitt 3.5 eingeführten Trägheitstensor (dort in Integralform statt inSummenform)bekommt man dannJ = m n [r n 1 − r n ⊗ r n ]nL = Jω = ωJDie Vertauschung der Reihenfolge der Faktoren ist möglich, weil der Trägheitstensorsymmetrisch ist.Auch die kinetische Energie lässt sich mit dem Trägheitstensor ausdrücken:T = n m n ̇ r n = nm n (ω × r n ) = m n ω[r n × (ω × r n )] = ωL = ωJω nDaraus folgt für die zeitliche Änderung der kinetischen Energie schließlich:T = r n F n = (ω × r n )F n = ω r n × F n = ωτnnnZusammengefasst haben wir nun die folgenden Beziehungen und Definitionen:L = Jω T = ωJω dLdt = τdTdt= ωτ (19)Hier kann man sehr schön die Analogie zur „translativen“ Schwerpunktsbewegungsehen:p = mv T = sms dpdt = FdTdt = vFmit v = ṡals Schwerpunktsgeschwindigkeit.Man kann die Winkelgeschwindigkeit in Betrag und Richtung zerlegt schreiben, alsoω = ωa, ̂ wobei âein Einheitsvektor in Richtung der Drehachse ist, dann giltaL ̂ ≡ LaJ ̂ â≡ J( a) ̂aτ ̂ ≡ τwobei nun die rechten <strong>Seite</strong>n die Drehimpulskomponente, bzw. das Trägheitsmomentbzw. die Drehmomentkomponente in Richtung âdarstellen. Dann gehen die Gleichungen(19) über inL = J( a)ω ̂T = J( ̂ a)ωâL ̇ = τ̇ T = ωτ (20)Diese Gleichungen scheinen nur einfacher als die Gleichungen (19) zu sein, denn imAllgemeinen ist auch âneben ω von t abhängig.5


kreisel.tex 5. September 2011∇ ω TLω(â)ω ′ωω ′′ω LyT(ω)=constJ(â)=1/r 2 (â)Abb. 1 Lage des Trägheitsellipsoids J( a) ̂ = 1/r ( a) ̂ und des Energieellipsoids T(ω) bezüglich des DrehimpulsesL. Die Figuren sollten als ebene Figuren betrachtet werden.1.4. Der kräftefreie KreiselEin kräftefreier Kreisel ist genau im Schwerpunkt unterstützt. Dadurch übt die Schwerkraftkein Drehmoment auf ihn aus. Damit ist in den Gleichungen (19) überall τ = 0zu setzen. Somit sind die Ableitungen von L und T Null, also bleiben Drehimpuls undkinetische Energie erhalten.Zunächst bringen wir den Trägheitstensor auf seine Hauptachsendarstellung (vgl. dazu[3], Abschnitt 3.2.2). Das dabei entstehende Tensorellipsoid heißt hier sinnvollerweiseTrägheitsellipsoid. Alle Stellungen des Kreisels werden dann durch die Lage des mit ihmfest verbundenen Trägheitsellipsoids beschrieben.Wie in [3] beschrieben, bekommt man die Gleichung des Tensorellipsoids aus derGleichungyJy = y i J ik y k = 1i,kMit y = ra ̂ (hier ist âein Einheitsvektor) und J( a) ̂ = aJ ̂ âals dem zur Richtung âgehörendenTrägheitsmoment lautet diese GleichungaJ ̂ a ̂ = J( a) ̂ = 1r ( a) ̂(21)Zu jeder vom Mittelpunkt des Ellipsoids ausgehenden Richtung âliefert also der Abstandr nach (21) ein Maß für das zugehörige Trägheitsmoment. In der Abb. 1 ist die gestrichelteEllipse das Trägheitsellipsoid. Hier sind zunächst beliebige Werte für ω erlaubt. Ist nunaber die kinetische Energie konstant – so wie hier beim kräftefreien Kreisel, so kann man6


5. September 2011 kreisel.texmit ω = ωâschreiben:T = ωJω = ω aJ ̂ a ̂ = J( ̂ a)ω = ω2r Dadurch wird der Betrag, aber nicht die Richtung von ω bei beliebiger Lage des Trägheitsellipsoidsdurch die kinetische Energie festgelegt, nach obiger Gleichung zuω = ω( a) ̂ = √2T r( a) ̂(22)Der Betrag von ω unterscheidet sich also vom „Radius“ r( a) ̂ des Trägheitsellipsoids nurum einen konstanten Faktor. Damit liegen die Endpunkte der bei gegebener Lage desTrägheitsellipsoids und gegebener kinetischer Energie möglichen Winkelgeschwindigkeitenauf einem zum Trägheitsellipsoid ähnlichen Ellipsoid (in Abb. 1) voll gezeichnet).Ist nun neben der kinetischen Energie auch der Drehimpuls L vorgegeben, dann bleibtvon den möglichen Winkelgeschwindigkeiten bei vorgegebener Lage des Trägheitsellipsoidsnur noch eine einzige übrig:L = ωJ = Jω = ∇ ω ⊗ ωJω = ∇ ωT(ω) = const (23)wo ∇ ω der Gradient bezüglich der Koordinaten von ω ist. Dieser Gradient ist ein Vektor,der in Richtung der Flächennormale des T(ω)-Ellipsoids weisen muss. (vgl.[2], Abschnitt2.2.3).Besitzt also der Drehimpuls die in Abb. 1 eingetragene Richtung, so muss man diejenigeunter den Ebenen mit Normale L aufsuchen, die gleichzeitig Tangentialebene an dasT(ω)-Ellipsoid ist. Im Berührpunkt von Ellipsoid und Tangentialebene liegt dann derEndpunkt des Vektors derjenigen Winkelgeschwindigkeit ω, die bei gegebener Lage desTrägheitsellipsoids und gegebenen Werten von L und T allein verbleibt.Da L und T konstant sind, aber T = Lω gilt, muss nun auch die Komponente ω L vonω in Richtung von L konstant sein. In der Abb. 1 hat sie die Bedeutung des Abstands derTangentialebene vom Mittelpunkt des Energieellipsoids (das folgt aus Gleichung (22)).Die Tangentialebene ist also raumfest. Damit kann der Kreisel nur solche <strong>Bewegung</strong>enausführen, bei denen das Energieellipsoid die Tangentialebene ständig berührt.Die Drehachse, die durch den Berührpunkt von Tangentialebene und Energieellipsoidlauft, besteht definitionsgemäß aus allen Punkten, die bei der Drehung invariant bleiben.Zu diesen gehört auch der Berührpunkt selbst. Damit bleibt dieser während eines kurzenZeitintervalls in erster Näherung unverändert. In zweiter Näherung ändert er sich nurdadurch, dass ω selbst sich ändert. Während ω ein Stück weitergerückt ist, wird er senkrechtabgehoben. Das hat zur Folge, dass das Energieellipsoid an der Tangentialebenenicht „schleifen“, sondern nur rollen kann. Wäre dies nicht so, würde also die Winkelgeschwindigkeitnicht durch den Berührpunkt gehen, wie ω ′ und ω ″ in Abb. 1 rechts,so entstünde ein Schleifen an der Tangentialebene. Wegen der Ähnlichkeit von EnergieundTrägheitsellipsoid rollt auch das Trägheitsellipsoids auf seiner Tangentialebene ab.7


kreisel.tex 5. September 2011LFLωωFLFLFNutNutSpurωPolωSpurPolAbb. 2 Die Abbildungen links beziehen sich auf einen langgestreckten, die rechts auf einen abgeplattetensymmetrischen Kreisel. In der oberen Reihe sind die Trägheitsellipsoide und die Tangentialebene auf der sieabrollen gezeichnet in der unteren Reihe die <strong>Bewegung</strong>en auf den verschiedenen Kegeln. F ist die Figurenachse,Nut der Nutationskegel, Spur der Spurkegel und Pol der Polkegel.1.5. Spezialfälle beim kräftefreien KreiselDer einfachste Fall ist dann gegeben, wenn alle drei Hauptträgheitsmomente gleich großsind, dann ist das Trägheitsellipsoid eine Kugel und es giltL = Jω = J(ω)Nun sind die Richtungen von L und ω gleich. Die möglichen <strong>Bewegung</strong>en sind alsoRotationen mit konstanter Winkelgeschwindigkeit um beliebige Achsen.Nun betrachten wir Kreisel, bei denen zwei Hauptträgheitsmomente gleich sind, J = J aber J > J (in dieser Richtung verlängerter Kreisel), oder J < J (in dieser Richtungabgeplatteter Kreisel). Die Symmetrieachse zeigt dann in Richtung der Achse von J undwird Figurenachse genannt.Beim Abrollen des Trägheitsellipsoids auf der Tangentialebene beschreiben die Drehachseω und die Figurenachse F je einen Kegel um L als Achse (siehe Abb. 2). Dies ist der8


̇̇5. September 2011 kreisel.texSpurkegel bzw. der Nutationskegel. Betrachtet man daneben die Gesamtheit der Punkte,die ω auf dem Trägheitsellipsoid durchstößt, so entsteht ein Kegel um die Figurenachse,der Polkegel.Die <strong>Bewegung</strong> wird dadurch beschrieben, dass dass der Polkegel am Spurkegel abrollt,wobei sich die Figurenachse gleichzeitig auf dem Nutationskegel bewegt. Spurkegel undNutationskegel sind raumfest. Je nachdem, ob das Ellipsoid verlängert oder abgeplattetist, rollt der Polkegel mit der Außen- oder Innenseite am Spurkegel ab.2. Analytische Beschreibung der Kreiselgleichungen2.1. Eulersche KreiselgleichungenDie <strong>Bewegung</strong>sgleichungen des Kreisels sind durch Gleichung (19) bestimmt. Insbesonderebenötigen wir hierdLL = Jω = ωJ und = τ (24)dtZunächst ist zu beachten, dass der Trägheitstensor eines sich bewegenden <strong>Körper</strong>s imAllgemeinen ebenfalls zeitabhängig sein muss, wir bestimmen deshalb die Änderungvon L direkt:dLdt = d dt m n r n × ṙn = d dt m n r n × (ω × r n )nndenn es istund= m n ṙn × ṙn + m n r n × d dt (ω × r n)nn= 0 + m n r n × ( ω ̇ × r n ) + m n r n × [ω × (ω × r n )]nr n × ( ω ̇ × r n ) =ω ⊗ r n − r n ⊗ r n ω =nω[r ̇ n1 − r n ⊗ r n ]r n × [ω × (ω × r n )] = ω ⊗ r n (ω × r n ) − (ω × r n ) ⊗ r n ω = 0 + ω × [r n × (ω × r n )]= ω × [ω ⊗ r n − r n ⊗ ωr n ]= ω × [ω(r n1 − r n ⊗ r n )]Summiert man diese Gleichungen über die m n , so steht jeweils rechts wieder der Trägheitstensor.Schreibt man die Gleichung (25) in Komponenten hin, so bekommt man die berühmtenEulerschen Kreiselgleichungen.(25)dLdt = ωJ ̇ + ω × Jω = τ (26)Dieses – im allgemeinen Fall nur sehr schwierig zu lösende – Gleichungssystem beschreibtnun die <strong>Bewegung</strong> des Kreisels vollständig.9


̂̇̇̇̇kreisel.tex 5. September 2011Wir betrachten nun ein Bezugssystem b k , das sich mit dem Kreisel bewegt, und dessenAchsen mit den Hauptachsen zusammenfallen. Dann istDie Einheitsvektoren b k rotieren mit dem Kreisel gemäß:so dass man für die Drehimpulsänderung bekommt:dLdt = kL = ω k (t)J k b k (t) (27)k̇ b k = ω × b k (28)ω k J k b k + b k J k ω k = ωJ ̇ + ω × Jω (29)kwas wieder die Eulersche Gleichung ist, denn Vektorgleichungen sind vom Koordinatensystemunabhängig.Nun zerlegen wir Gleichung (26) in Komponenten. Dabei entsteht das Gleichungssystem ω k J ki + ε ikl ω k J lm ω m = τ ikk,l,mwobei ε ikl als Komponentedarstellung des Spatprodukts definiert werden kann:a(b × c) = ε ikl a i b k c l = a b c a b c a b c ikl(30)Im Falle des körperfesten Bezugssystem der b k , wo der Trägheitstensor diagonal ist,vereinfachen sich diese Gleichungen beträchtlich, weil nun J lm = δ lm J m geschriebenwerden kann. (δ lm ist das Kronecker-Symbol, also 1 für l = m und sonst Null.) Damitvereinfacht sich die Gleichung zu:ω i J i + ε ikl ω k J l ω l = τ i (31)k,lHier erstreckt sich die Summe nur über k und l. In der Gleichung (30) kann man alsoz. B. für âjeweils einen der Vektoren (1, 0, 0), (0, 1, 0) oder (0, 0, 1) einsetzen, und danndie Determinante nach der ersten Zeile entwickeln, so erhält man die Komponentendarstellung:ω J + ω ω (J − J ) = τ ω J + ω ω (J − J ) = τ (32)ω J + ω ω (J − J ) = τ 10


̇̇̇̇̇̇̇̇5. September 2011 kreisel.texDie jeweilige Lage im Raum kann durch die Eulerschen Winkel φ, ψ und θ beschriebenwerden (vlg.[3], Abschnitt 3.4.4; dort wurde u i statt b i geschrieben). Die durch dieseWinkel ausgezeichnete Achse b wird sinnvollerweise mit einer der Hauptachsen zusammengelegt,bei einem symmetrischen Kreisel mit der Figurenachse. Die <strong>Bewegung</strong>des Kreisels in einer kurzen Zeitspanne dt besteht aus einer infinitesimalen Drehungωdt, bei der sich die drei Eulerschen Winkel ändern. Sie kann also, weil infinitesimaleDrehungen vertauschbar sind, beschrieben werden durchωdt = dψ + dθ + dφ (33)Der Drehtensor einer infinitesimalen Drehung ist nach [3], Abschnitt 3.4.5 gegebendurchD = 1 + dφ × 1 dφ = e ψ dψ + e θ dθ + e φ dφDann istdφ = ωdt ω = e ψ ψ ̇ + e θ θ + e φ φAus der Abbildung 3 kann man nun die Drehachsen im raumfesten und im körperfestenSystem entnehmen. Im raumfesten System gilt:e ψ = e ze θ = e ′ x = e x cos ψ + e y sin ψe φ = b = −e ′ y sin θ + e z cos θ = (e x sin ψ − e y cos ψ) sin θ + e z cos θ(34)Im körperfesten System entsprechend:e φ = b e θ = e ′ x = b cos φ − b sin φe ψ = e z = e ″ y sin θ + b cos θ = (b sin φ + e cos φ) sin θ + b cos θ(35)Nun kann man diese Ergebnisse in ω einsetzen und erhält für die Winkelgeschwindigkeitim System (e x , e y , e z ) bzw. (b , b , b ):ω = e x ( θ̇cos ψ + φ sin θ sin ψ) + e y ( θ̇sin ψ − φ sin θ cos ψ) + e z ( ψ ̇ + φ cos θ)ω = b ( θ̇cos φ + ψ sin θ sin φ) − b ( θ̇sin φ − ψ sin θ cos φ) + b ( φ ̇ + ψ cos θ)(36)Die Komponenten ω und ω des körperfesten Systems kann man zu einer komplexenWinkelgeschwindigkeit Ω zusammenfassen:Ω = ω + iω = ( ̇ θ + i ̇ ψ sin θ)e −φ (37)2.2. Kräftefreier symmetrischer KreiselDie Hauptträgheitsmomente seien nun wie obenJ = J = A und J = B11


kreisel.tex 5. September 2011e zb 2b 3e ′′ye ′ yθψ φb 1e ye xe ′ xAbb. 3 Eulersche Winkel.Die Vektoren des Dreibeins e x , e y und e z werden in das Dreibein b , b , b gedreht. Bei jedem Drehschritt hatman wieder ein kartesisches Dreibein.Die erste Drehung erfolgt mit dem Winkel ψ um die Achse e z , also parallel zur x-y-Ebene. Dabei geht (e x , e y , e z )in (e ′ x , e′ y , e z ) über.Die zweite Drehung kippt die x-y-Ebene mit dem Winkel θ um die neue Achse e ′ x . Dabei geht (e′ x, e ′ y, e z ) in(e ′ x , e″ y , b ) über.Schließlich wird noch um die Achse b mit dem Winkel φ gedreht, also parallel zur gekippten Ebene. Dabeibleibt b erhalten, und (e ′ x, e ″ y, b ) geht in (b , b , b ) über.12


̇̇̇̇̇5. September 2011 kreisel.texDadurch werden die Kreiselgleichungen vereinfacht zuWir führen die folgenden Abkürzungen ein:ω̇ A − ω ω (A − B) = τ ω̇ A − ω ω (B − A) = τ (38)ω̇ B = τ μ = τ + iτ Aν = τ Bα =A − BA(39)Damit entsteht für die komplexe Winkelgeschwindigkeit Ω:Ω ̇ = iω̇ + iω̇ = αω (ω − iω ) + μ = −iαω (ω + iω ) + μ (40)Zusammengefasst lauten die <strong>Bewegung</strong>sgleichungen dann:̇ Ω + iαω Ω = μω̇ = ν (41)In μ und ν ist das äußere Drehmoment enthalten. Es verschwindet beim kräftefreienKreisel, so dass dann μ = ν = 0 ist und ω = const. Dann kann man Gl. (41) leicht lösenund erhältμ = ν = 0; ω = const; Ω(t) = Ω e −αω t (42)mit beliebigen Zahlenwerten für die Integrationskonstanten ω und Ω .Wählt man im raumfesten System die Richtung des Drehimpulses als e z und die Richtungder Figurenachse als b im körperfesten System. Dann ist θ der Winkel zwischen e zund b , wie man der Abb. 3 entnimmt. Nach Gl. (27) ist ω B die Drehimpulskomponentein Richtung der Figurenachse im körperfesten System. Damit ist dannω B = L cos θ (43)Nach Gl. (42) ist aber die linke <strong>Seite</strong> von (43) konstant. Daraus folgtθ = const also ̇ θ = 0 (44)für den Eulerschen Winkel θ. Gemäß den Gleichungen (36) und (37) gilt dann mit (42):ψ cos θ + φ = ω und ( θ ̇ + iψ̇sin θ)e −φ = Ω e −αω t(45)Mit θ = 0 aus (44) und der Forderung, dass die Beträge und Argumente beider <strong>Seite</strong>ngleich sein müssen, folgt dann | ψ̇sin θ| = Ω und φ = ω − ψ cos θ̇ ψ sin θ = const und φ(t) = φ + αω t (46)13


̇kreisel.tex 5. September 20112.3. Schwerer symmetrischer KreiselFzWir betrachten den nebenstehenden Kreisel, dessenSchwerpunkt S, an dem die Gewichtskraft mg angreift,außerhalb des Befestigungspunkts P liegt. Seine <strong>Bewegung</strong>wird durch die Eulersche KreiselgleichungωJ ̇ + ω × Jω = τ (47)beschrieben. Er unterliegt dem DrehmomentSmgsθPτ = s × F G = s × mg (48)der Schwerkraft. Dabei sei s der Vektor von P zumSchwerpunkt. Zwischen den Einheitsvektoren imraumfesten und körperfesten System gilt die ausGl. (35) folgende Beziehung:e z = (b sin φ + b cos φ) sin θ + e cos θ (49)Die <strong>Bewegung</strong>sgleichung wird unter Verwendung der Erhaltungssätze gelöst. Nach(48) steht das Drehmoment immer senkrecht auf s, der in der Figurenachse liegt undauf g, der in die negative z-Richtung zeigt. Damit ist der Gesamtdrehimpuls zwar keineErhaltunsgröße mehr, aber wohl aber seine Komponenten L F und L z in Richtung derFiguren- bzw. z-Achse.Nun istL z = ω B = B( ψ̇cos θ + φ) (50)Der Drehimpuls in z-Richtung ergibt sich so, wobei wie oben A = J = J und B = J fürHauptträgheitsmomente gesetzt wurde:L z = ωJe z = ωJ[sin θ(b sin φ + b cos φ) + b cos θ]= A sin θ(ω sin φ + ω cos φ) + ω B cos θ= Aψ̇sin θ + L F cos θ(51)wobei die ω i mittels Gleichung (36) ausgedrückt wurden.Jetzt schreiben wir noch den Energiesatz an E = E kin + E pot :E = ωJω + E pot (52)Hier ist E pot = mgz = mgs cos θ ≡ D cos θ. Im körperfesten System bekommt man dannfür die Gesamtenergie E:2E = A(ω + ω ) + Bω + 2D cos θ (53)Da B und nach Gl. (50) auch Bω konstant sind, ist auch Bω konstant, kann also in dieGesamtenergie hineingearbeitet werden (das ist nur eine Verschiebung des Nullniveaus14


̇̇5. September 2011 kreisel.texder Lageenergie), die wir als 2W bezeichnen, also gilt2W = A( ̇ ψ sin θ + ̇ θ ) + 2D cos θ (54)Die Gleichungen (50), (51) und (54) beschreiben nun die <strong>Bewegung</strong> vollständig.Löst man (51) nach ψ auf, dann erhält man die Präzessionsfrequenz:Auflösen von Gleichung (50) nachψ ̇ = L z − L F cos θA sin θ̇ φ unter Verwendung von Gl. (55) ergibt:(55)φ ̇ = L FB −ψ cos θ = L FB + L F cos θ − L z cos θA sin θNun fehlt noch die Gleichung für θ(t), hat man dies, so kann man mit den beidenletzten Gleichungen sofort φ(t) und ψ(t) berechnen. Nach dem Energiesatz in der Form(54), wo man ψ̇mittels (55) ersetzt, folgt:(56)A θ ̇+ L z − L F cos θ + 2D cos θ = 2W (57)A sin θWir multiplizieren diese Gleichung mit (1/A) sin θ durch und führen die Variableu = cos θ ein. Dann entsteht:u̇ = 1 A [(1 − u )(2AW − 2ADu) − (L z − L F ) ] (58)als Bestimmungsgleichung für u(t). Die rechte <strong>Seite</strong> ist im Wesentlichen ein Polynomdritten Grades in u, die man faktorisieren kann. Dann bekommt man mit den Nullstellenu i :u̇ = 2D A (u − u )(u − u )(u − u ) (59)Untersucht man die Nullstellen – was hier nicht gemacht werden soll – erkennt man,dass zwei der Nullstellen im Intervall zwischen −1 und +1 liegen, die dritte rechts diesesIntervalls. Da die linke <strong>Seite</strong> der Gleichung positiv ist, können nur <strong>Bewegung</strong>en zwischenden Stellen −1 ⩽ u , u ⩽ 1 stattfinden. Sie begrenzen die <strong>Bewegung</strong> der Figurenachseauf einen Bereich zwischen θ min und θ min . Die geschlossene Lösung dieser Gleichungführt auf elliptische Integrale.2.4. Elementare Betrachtung zur PräzessionAuṡ L = τ bekommt man mittels Gl. (48) die BeziehungdL = τdt ⇒ dL = mgs sin θdtNimmt man nun an, dass L in Richtung der Figurenachse zeigt, dann präzediert L aufeinem Kegel um die z-Achse, seine Spitze beschreibt also einen Kreis mit dem Radius15


kreisel.tex 5. September 2011R = L sin θ um die z-Achse. In der Zeit dt läuft sie auf dem Kreis das Stück Rdα, es istalsoRdα = dL = mgs sin θdtDaraus erhält manω P = dαdt=mgs sin θR=mgs sin θL sin θ= mgsL= mgsJ ω = mgsBω (60)für die Präzessionsfrequenz.Wie hängt dies mit der Gleichung (55) zusammen?Literatur[1] Peter Breitfeld: Abriss der Mechanik; Skriptenreihe des <strong>SFZ</strong> in Bad Saulgau, http://docs.sfz-bw.de/phag/downinfo.html; 1999ff; Dynamik des Massenpunkts, Erhaltungssätze,Starre <strong>Körper</strong>.[2] Peter Breitfeld: Abriss der Vektorrechnung; Skriptenreihe des <strong>SFZ</strong> in Bad Saulgau,http://docs.sfz-bw.de/phag/downinfo.html; 1999ff; Vektoralgebra und Vektoranalysis.[3] Peter Breitfeld: Sammelsurium zur <strong>Mathematik</strong>; Skriptenreihe des <strong>SFZ</strong> in Bad Saulgau,http://docs.sfz-bw.de/phag/downinfo.html; 1999ff; Matrizen, Tensoren,Variationsrechnung.16

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