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Texte von Gefangenen 1988 bis 1992 - Social History portal

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(9~1.. f'-- t J .--'- ,l.tJ5»Der Sprung ist vielmehrein langwieriger und harterProzeß« (Lukacs)<strong>Texte</strong> <strong>von</strong> <strong>Gefangenen</strong> aus RAP und Widerstandaus den Jahren <strong>1988</strong><strong>bis</strong> <strong>1992</strong>GNN*VERLAGIr •••••••.Ia_ollta I


ImpressumHerausgeber:AKDrinnen&Drau8enCe1leVerlag:GNN, Gesellschaft für Nachriehtenertilssungund Nachrichtenverbreitung,~PolitischeBeriehtembH,SOOOKöln IFotos:Marily Stroux (28)Hinrieh Schultze (18)Gunter Zint (I)DrQck:Druckwerk,München'NT.INSTITUUTsoc. GESCH'EO~~'S3 n "'01/ rgg2.1. Autlage:2000, Juli <strong>1992</strong>ISBN 3-926922-14-1BestellUDge.Dan :GNN-~rIag. Zülpicher SIr. 7Postfach 260226, SOOOKöln IPreis: 10,- DM


VorwortAlle politischen <strong>Gefangenen</strong> aus RAF undWiderstand müssen raus! Doch das fiilltnicht in den Schoß, das muß erkämpftwerden über eine Veränderung des gesellschaftlichenKräfteverhältnisses. Wirmeinen, daß sich der revolutionären Linkenhierbei auch die Aufgabe stellt, ausder Aufarbeitung der eigenen Geschichteund der Analyse veränderter Bedingungenzu einer Neubestimmung ihrer Politikzu finden. Die Diskussion muß <strong>von</strong> allengeführt werden. Die politischen <strong>Gefangenen</strong>haben seit dem Hungerstreik 1989immer wieder eindringlich darauf hingewiesen.Diesen Diskussionsprozeß zu befördern,ist Absicht der jetzt vorliegendenBroschüre.Ende Februar haben wir alle <strong>Gefangenen</strong>aus RAF und Widerstand mit der Bitteangeschrieben, uns <strong>Texte</strong> zu Fragen zuschicken, mit denen sie sich in letzter Zeitintensiver auseinandergesetzt haben. DieResonanz, auch bei <strong>Gefangenen</strong>, die sichnicht mit Beiträgen beteiligen, war durchwegpositiv. In dieser Textsammlungäußern sich jetzt sieben Gefangene aus derRAF und neun aus dem Widerstand zuraktuellen Situation, zur Geschichte, zuPerspektiven. Die Beiträge sind nicht speziellfür diese Broschüre geschrieben. Eshandelt sich meist um längere Passagenaus Brieftm, also der Kommunikationsform,die für Gefangene mit repressivenBesuchsregelungen eine zentrale Schienezum Kontakt mit draußen bildet.Als "AK Drinnen & Draußen" besuchenwir, sieben Menschen aus Celle, seitSeptember 1990 zu regelmäßigen GruppendiskussionenKarl-Heinz Dellwo,Knut Folkerts und Lutz Taufer. Für unswar und ist dieser Kontakt menschlich undpolitisch <strong>von</strong> einem Wert, wie wir esdraußen nur selten erleben. Wir habendaraus auch die Erkenntnis gezogen, daßes um mehr gehen muß, als sich über dieHaftbedingungen und die Notwendigkeitder Freilassung zu den <strong>Gefangenen</strong> in einVerhältnis zu setzen. Es sollte für alle, diean dem Ziel der "Assoziation, in der diefreie Entwicklung eines / einer jeden dieBedingung fUr die freie Entwicklung allerist': festhalten, um die politische Auseinandersetzungmit den <strong>Gefangenen</strong> und umeine gemeinsame Bestimmung revolutionärerPolitik gehen. Diese Broschüre willdas ein Stück weit erleichtern."Der Sprung ist ein langwieriger undharter Prozeß" - wir finden, dieses Lulaics-Zitatbildet (obwohl es sich im Kontextauf die Übergangssituation vom Kapitalismuszum Sozialismus bezieht) für vieleder hier versammelten Beiträge dengemeinsamen Nenner:"Der Sprung vielmehr ein langwierigerund harter Prozeß. Sein Sprungcharakterdrückt sich aber darin aus, daß er jedesmalein Sichwenden in die Richtungauf etwas qualitativ Neuesdarstellt; daß in ihm das bewußte Handeln,dessen Intention auf das erkannteGanze der Gesellschaft gerichtet ist, zumAusdruck kommt; daß er also - seiner Intentionund seinem Grunde nach - imReich der Freiheit beheimatet ist. SonstfUgt er sich in Form und Gestalt dem langsamenUmwandlungsprozeß der Gesellschaftein, ja er kann seinen Sprungcharakternur dann echt bewahren, wenn ervöllig in diesen Prozeß eingeht, wenn ernichts weiter ist als der bewußt gewordeneSinn eines jeden Momentes, seine bewußtgewordeneBeziehung aufs Ganze, diebewußte Beschleunigung in der notwendigenRichtung des Prozesses. Eine Beschleunigung,die dem Prozeß um einenSchritt vorangeht; die ihm keine fremdenZiele und selbstgemachten Utopien aufdrdngenwill, sondern bloß den ihm innewohnendenZweck aufdeckend ergreift,wenn die Revolution ,vor der. Ungeheuerlichkeitihrer eigenen Zwecke' zurückschreckt,zu schwanken und in Halbheitenzu verfallen droht. " (Georg Lulaics, Geschichteund Klassenbewußtsein, Darmstadt1970,S. 395)AK Drinnen & Draußen CelleWeil 's nicht selbstverständlich war, hiernoch ein besonderer Dank an die AutorInnen,die uns viel Vertrau~ entgegengebrachthaben, an den GNN-Verlag, derengagiert die verlegerische Seite übernommenhat, und schließlich an MarilyStroux, die mit der Überlassung ihrer Fotosfür die visuelle Spannung gesorgt hat.3


InhaltKad-Heinz DellwoWir wollen ein Leben ohne Verkaufund Verrat 5Eva HauleEine revolutionäre Situation ist dort,wo es Arbeit für uns gibt<strong>Texte</strong>, Briefe und Dokumente <strong>von</strong>Eva Haule, Rolf-Clemens Wagner,Helmut Pohl, Sven Schmidzusammengestellt<strong>von</strong> Eva Haule '" 6Knut FolkertsDas Wesentliche ist der gesellschaftlicheAneignungsprozeßAus Briefen vom August undNovember 1991 19Andrea SieveringEine ,Ordnung' wird es nichtgeben, sondern nur eine Verschärfung.derWidersprüche und KämpfeAus einem Briefvom Oktober 1991 54Bernhard Rosenkötter, Ali Jansen,Michael DietikerDer Erlkönig lebt! Zur Hebung derantizionistischen Verkehrssicherheitbei Nacht und Wind 59Martina Bick, Rosmarie Prieß,Mareile Schmegner, Rosita TimmUnser Kampffiir das Lebe9 - Freiheitfür alle politischen <strong>Gefangenen</strong> .... 68Karl-Heinz DellwoVon der Ersatzlosigkeit des Insistierensin der realen Lebenspraxisauf der Wahrheit vor sich und anderenAus Briefen vom August undNovember 1991 22RolfHeisslerDie Kluft zwischen staatlichem Redenund herrschender Realität ist nochimmer tief und weit 27Norbert HofmeierÜber die Mühen des Kampfes ..... 35Norbert HofmeierEs gab nicht nur den bewaffneten KampfAntwort auf "Unser Kampffür das Leben" 70Lutz TauferSuche nach der Strategie des GlücksNotizen nach einem Gespräch mit deJIlThpamaro Luis Rosadilla 74RAFErklärung vom 10.4. <strong>1992</strong> 80ITJIlgardMöllerErklärung vom 15.4.<strong>1992</strong> 83Carlos GrosserWas waren die wichtigen Dinge, wasist zu kritisieren? Adressen 84Aus Briefen vom Dezember 1991,Januar und März <strong>1992</strong> 41GabiHanka,SiggiHappe... in konkreten Schritten fürreale VeränderungenAus <strong>Texte</strong>n vom Oktober 1990undOktober 1991zu,,500-Jahre-Conquista" sowie einBrief an die Hamburger Frauen .... 48SvenSchmidEine strategische Allianz, die sich andem Ziel Umwälzung orientiertAus Briefen vom Januar 1991<strong>bis</strong>Januar <strong>1992</strong> 514


Karl-HeinzDeUwoWir wollen ein Lebenohne Verkauf und Verrat"alle, denen ich eniihlt habe, wie langeihr teilweise schon im knast seid, warenganz erschrocken, und bei 20 jahren habensie nachgefragt, ob sie sich nicht verhörthaben oder falsch abersetzJ wordensei. das konnten sie nicht glauben. "so schrieb uns kürzlich eine genossinnach ihrer rückkehr aus uruguay über gesprächemit menschen dort, die selber unterder militärdiktatur im gefiingniswaren.hier ist das falsche ,normal'. die härte,die entfremdung, die verdinglichung. diemacht des staates und die des kapitals.wenn menschen in uruguay, die eine brutalemilitärdiktatur hinter sich haben, erschrockenund verblüfft sind über unserelange haft, menschen also, die den innergesellschaftlichenkriegszustand kennenund trotzdem irgendwie <strong>von</strong> grenzen ausgehen- was sagt das über diese gesellschaftund ihre lebensverhältnisse aus?kürzlich lasen wir, daß die bundesdeutschestaatsschutzjustiz nach 1956 ca.150000 politische verfahren durchgeführthat. nicht, wie man erwarten könnte, gegennazis, kriegsverbrecher, die steigbügelhalterund profiteure des nazi-faschismusaus wirtschaft, staat und kultur. nein !gegen. kommunisten, pazifisten, gewerkschafter!gegen die, die den nazi-faschismusbekämpften und <strong>von</strong> ihm verfolgtworden sind und nach '45 einen bruch mitder vergangenheit wollten. sie wurdenauch in der brd verfolgt, kriminalisiertund gesellschaftlich niedergemacht. dieführungselite der brd umfußt nach angabender "zeit", die es eigentlich wissenmüßte, ca. 3000 personen. 3000 setzendie verfolgung <strong>von</strong> 150000 durch, um jedeveränderungstendenz inder gesellschaftzu ersticken.das hat in deutschland, wo der nationwerdungsprozeßmit der preußischen militärdiktaturentstand, tradition. das hatsich später gegen die ,68er-bewegung'fortgesetzt, und wir finden es heute in dersog; ,aufarbeitung des real-sozialismus'wieder: ,das andere' soziale muß ,ausgetilgt'werden. bevor etwas gesellschaftlichanderes zu sich kommt, muß es bereitsniedergemacht sein. wir erinnern unshier an die hausbesetzung in wiesbadenoder an die mainzer straße: vom staat auskrieg gegen den versuch, sich einen eigenensozialen entwicklungsraum zu schaffen.es geht nicht nur um uns. ,,da,, wo derandere ist," schreibt jessica benjamin inihrem buch "die fesseln der liebe",1 "istdie leerstelle." das ist in deutschland diegeschichtlich durchgesetzte beziehungsstrukturin der gesellschaft. ohne diese<strong>von</strong> oben durchgesetzte zerstörung des .sozialen wäre die strategie der judenvernichtungnicht möglich gewesen. das istallerdings nicht eine metaphysisch abgeleiteteperfidie der herrschenden klasse,sondern sie hat geschichtlich wie kaumeine andere der logik des kapitals freiebahn verschafft und besitzt daraus heutesoviel soziales wie eine registrierkasse.,der andere als leerstelle' - so wird <strong>von</strong>der macht aus über andere geredet und gehandelt.ob es sog. ,asylanten' sind, diejunkies, obdachlose, arbeitslose, menschen,dienicht die logik des kapitals lebenwollen, andere völker und kulturen,vor allem jene außerhalb der metropolengrenzenusw. - das andere ist immer das,dem keine eigengeltung zugebilligt wird.der einzige maßstab, der hier gelebt werdendarf, ist der des profitstrebens, jedergegen jeden. die zerstörung des sozialenist hier zur normalität geworden, die demverhältnis des staates zu politischen undsozialen .widersprüchen entspricht. dassoziale empfmden der menschen haben siedamit in die defensive gebracht, nicht repressionund zerstörung gegen menschenund natur sind es, die sich rechtfertigenmüssen, sondern das soziale und weltverantwortlichebemühen der menschen istes, das unter rechtfertigungszwang gerät,das sich selbst gegenüber als ,urinatüdich'. entfremdet ist. das ist eine gesellschaft,die geschichtlich unterwegs ist, das eigenkriteriumder menschen und der natur auszurotten.das ist die ,geschichtliche mission'des kapitals, das als vehikel der politischendurchsetzung die staatliche machtauf seiner seite hat.gegen diese macht, die <strong>von</strong> anfang animmer alles austreten will, mußte sich derwiderstand erst einmal konstituieren. dasvernichtungsverhältnis ist das erste gewesen,das überwunden werden mußte. anderswäre alles illusion geblieben. wir haben22 jahre lang gezeigt, innerhalb undaußerhalb des knastes, daß sich der gegenangriffhalten läßt, daß der versuch dermacht, das andere auszutilgen, sichdurchbrechen läßt. wir sehen das als einepotenz, die wir für diese linke erkämpfthaben. die andere seite weiß heute, daß siekeinen krieg führen kann, ohne nicht aufeine entsprechung <strong>von</strong> unten zu stoßen.ohne das würde auch jeder andere sozialeorganisierungsversuch auf das dumpfe reaktionsmusterdes schlagstocks treffen.dieses soziale ist das, was heute entwikkeltwerden muß. wir wollen ein lebenohne verkauf und verrat, ohne ausbeutungund diskriminierung , ohne herrschaftüber andere, eins, das sich zum menschenhinwendet und seine soziale entwicklungoffen läßt. wir brauchen dazu andere gesellschaftlicheparameter. gegen die logikdes kapitals, der verwertung <strong>von</strong> allem lebendigenals selbstzweck, gegen die sozial-zweckfreieökonomische rationalitätder warenproduktion brauchen wir eineandere, eine sinnliche vernunft. wir müssendas soziale unter den menschen neuherauskämpfen. das ist keine frage an diemacht. <strong>von</strong> dort wird es keine gesellschaftlicheumkehr geben. an ihrem verhältniszu unseren selbstorganisierungsversuchenwird sich nur zeigen, ob dasbestand haben kann, was die raf derzeitversucht: das konfrontationsverhältnisauf eine ebene außerhalb des krieges zustellen und neu teil des sozia len findungsprozesseszu werden. wenn auf der anderenseite alles beim alten bleibt, wird dieserlinken auch nur bleiben, sich entwedermit der ohnmacht abzufinden oder dasausrottungsverhältnis gegen sich anzugreifen.das entwickeln eines eigenen sozialenraums ist die aufgabe <strong>von</strong> uns allen.sonst steht der versuch der raf auch aufunserer seite im leeren. handlungsanleitungengibt es dazu nicht, schon gar nichtaus dem knast heraus. die verantwortungfür eine revolutionäre entwicklung ist ­gegen die falsche arbeitsteilung der vergangenenjahre - an jede/n zurückgegeben.nur so hat man auch sein eigenes leben.alles, was uns für eine grundsätzlichegesellschaftliche veränderung fehlt, könnenwir nur gemeinsam finden.Karl-Heinz Dellwo, 27. 4. <strong>1992</strong>1 benjamin, jessica: die fesseln der liebe.psychoanalyse, feminismus und das problem dermacht, frankfurt 19905


EvaHauleEine revolutionäre Situation ist dort,wo es Arbeit für uns gibt! 1<strong>Texte</strong>, Briefe und Dokumente <strong>von</strong> Eva Haule, Rolf-Clemens Wagner,Helmut Pohl, Sven Schmid - zusammengestellt <strong>von</strong> Eva HauleIdas hier habe ich im proze8 in stammheim'88 gesagt zu : einheit der internationalensituation, kämpfe um lebensbedingungen,internationalismus.es spiegelt ein stück unsere diskussionwider zu den umbrüchen seit Mitteder 80er jahre - so weit wir sie damalssehen konnten.die unerträglichkeit der strategie des profits,die der gesamten menschheit die lebensnotwendigenressourcen entzieht undzerstört, um sie in die absicherung der kapitalverwertungzu stecken, stößt zusammenmit dem bewußtsein, daß diesergrundwiderspruchgegen jede menschlicheentwicklung nur in der gemeinsamenanstrengung der kämpfe aller besitzlosenum würde, um die produktive existenz dermenschen entschieden werden kann.wenn wir sagen: revolutionäre politikin der metropole muß diese strategie angreifenund die politische praxis mit denbefreiungsprozessen im süden zu einemgemeinsamen kampf verbinden, geht es<strong>von</strong> anfang an um den ganzen begriff. siebedeutet im süden weiter eskalierendeselend in einer lage, die für 2/3 der weltbevölkerungheute schon absolute armutheißt. in der metropole die marginalisierungbreiter gesellschaftsschichten, desintegration,technologische versklavungund zerstörung menschlicher substanz aufneuer stufe. die situation in der metropoleund der 3. welt muß als eine im kern einheitlichesituation begriffen und <strong>von</strong> daaus muß gedacht und gehandelt werden.castro hat gesagt, daß sich das leiden dermenschen im süden nicht nur in materiellen,sondern vor allem in moralischen kategorienzeigt: im ständigen sich-erniedrigt-fühlenals mensch, weil man für dassystem nur ein dreck ist. das moralischeelend drückt sich in der metropole umgekehrtauch darin aus, das massenhaftesterben in der 3. welt als ,normal' hinzunehmenoder gar nicht mehr wahrzunehmen.der mechanismus, mit dem die existenziellenot der massen im süden - die ihrenursprung hier hat - verdrängt wird, <strong>bis</strong>hin zum entfremdeten blick vieler linkendarauf, dem chauvinismus der weißensklaven - ist ausdruck der abstumpfungder menschen in der metropole <strong>bis</strong> in dieseele.6wenn wir hier <strong>von</strong> der wiederherstellungder vollen dimension des menschenals dem inhalt und ziel des befreiungskampfsreden, bedeutet das, sich in der lageund dem kampf der untersten massenweltweit wiederzuentdecken und das eigeneerfahrene elend ins verhältnis zu setzendazu, was imperialistische destruktiondort bedeutet.die identität der lage des proletariats inder metropole und den 3 kontinenten begreifenheißt:es spielt überhaupt keine rolle - nur fürdie, die es immer noch ,besser' finden,hier als objekt des systems zu kriechen,als dort zu verhungern -, ob eine/r in dermetropole als subjekt erdrückt, <strong>bis</strong> in dieletzte faser und die wahrnehmung deformiertwird oder ob dort eine/r gezwungenwird, im materiellen elend zu vegetieren.es gibt keine abstufung in der vernichtung,wo sie existentiell ist, außer manwill den schein dafür halten: das ist derkonsum, der volle ranzen, der individualismus.die herrschaft des imperialismus, seinestrategien bedeuten weltweit die ausschaltungdes menschen, materiell durch verhungernlassen und völkermordpolitik imsüden, in der metropole durch die maschinerieund die totalität der unterdrückungim system.identisch ist es darin, daß in beidem jedersinn für die menschen liquidiert ist,ihre substanz und würde zerstört und siezu einer existenz als nicht-menschen gezwungenwerden. das ist die realität derausgebeuteten, ausgestoßen~n weltweit.dagegen bedeutet revolutionäre identität,sich in der lage und im kampf der internationalausgebeuteten wiederzuerkennenund aus dieser globalen realität zu begreifen,daß alles subjektiv und materiellein e konfrontation geworden ist.und nicht die unterschiedliche bestimmungkonkreter und notwendiger etappenzielein den kämpfen ist entscheidend,sondern die identität in inhalt und ziel:im kampf gegen den imperialismus diewiederherstellung des menschen, seinerwürde, seiner globalen solidarischen gesellschaftlichenbeziehungen.so begriffen hat proletarischer internationalismusheute noch mal eine neue bedeutung:er ist aus diesem bewußtsein der einheitder situation direkt der weg der ausgebeutetsten,um sichals menschen durchzusetzengegen das vernichtungs system im gemeinsameninternationalen kampf.das hat nichts mit ,ideologie' oder einerentfernt am horizont liegenden möglichkeitzutun. es ist der jetzt notwendige undmögliche materielle prozeß der einheitdes kampfs in der internationalen frontgegen die imperialistische barbarei undnur in ihm wird der weg aus der destruktionmöglich.internationalismus bedeutet in der metropoleauch die radikale negation der politik,<strong>von</strong> oben', die hier darauf abzielt, jede/neinzelne/n zurückzustoßen in den täglichenüberlebenskampf, konkurrenz undrassismus zwischen den ausgebeuteten zuschüren - als versuch, wenigstens dieeigene haut rüberzuretten gegenüber existenzunsicherheit,der permanenten bedrohungdurch die totalmaschinerie usw.- und sich dagegen ganz in den kampf dermenschen weltweit zu stellen.die frage nach sinn und zweck <strong>von</strong> produktion,politischen und sozialen entwicklungenfür die menschen ist jetzt derexplosive kern in allen widersprüchen undkämpfen. denn auf diese frage gibt es nureine einzige, das ist die revolutionäre antwort:es muß schluß sein mit der destruktion,die machtverhältnisse müssen umgewälzturtd eine grundsätzlich andere, an denmenschen orientierte entwicklungsrichtungdurchgesetzt werden.das ist die aktuelle notwendigkeit, die inden millionen hungertoten und den aus jedersozialen entwicklung ausgeschlossenenmassen im süden genauso evident istwie an der degradation der subjekte in dermetropole zu reinem menschenmaterialfür die maschinerie.es muß schluß sein mit dem hunger undden massakern im süden, den imperialistischenkriegen, der folter in den gefiingnissen,tickenden atombomben in akws,menschenfeindlichen technologien, umweltzerstörung,dem totalen überwachungsstaatund sozialen tod in der metropole.und dagegen geht es in den kämpfen jetztüberall darum, daß die ausgebeuteten sichdie bestimmung über ihr leben, die ökonomischenmittel und gesellschaftlichen entwicklungenaneignen.es ist dieser aneignungsprozeß in denkonkreten auseinandersetzungen, in dem


----sie das kapital system grundsätzlich in fragestellen, weil es in ihm objektiv und subjektivkeine lösungen mehr gibt, die destruktionund das auseinanderreißen dergesellschaften durch jedes seiner restrukturierungsprojektenur immer weiter getriebenwerden.in diesem prozeß werden die ausgebeutetenfiihig zur selbstbestimmung, zurautonomen organisierung und aktion,einer neuen art der solidarität in den gesellschaftlichenbeziehungen hier undweltweit.das ist die möglichkeit und brisanz,die in den aktuellen widersprüchen undkämpfen steckt.und es ist der boden, auf dem revolutionärepolitik zum bezugspunkt werden unddie inhaIte vom kampf für den kommunismuslebendig machen kann.die subjekte brauchen keine ideologischenmodelle - ob sie marxistisch-leninistisch,sozialrevolutionär oder antiimperialistischgenannt werden -, und siebrauchen keine phrasen <strong>von</strong> ,zerschlagungdes systems'.sie brauchen die politik, die ihre lageumwälzt, leben möglich macht und diereale perspektive auf ein ende des systemsentwickelt. das ist revolutionäre politik.daneben kann es gar keine geben, istalles abstraktion.und nur so kommt man auch zum begriffrevolutionärer strategie jetzt.der zusammenstoß mit dem herrschaftssystemund seiner destruktivität läuft injeder einzelnen auseinandersetzung, unddie notwendigen und gewollten veränderungenmüssen gegen die gesamte machtstrukturdurchgesetzt werden.die lösungen der vielen, unmittelbarexistentiellen probleme können nicht warten,<strong>bis</strong> der imperialismus abgeschafft ist,umgekehrt können wirkliche lösungennur erreicht werden im prozeß der umwälzungund schließlich der abschaffung deskapitalismus.das ist die objektive situation weltweit .die ganze entwicklung ist da angekommen,daß beides gleichzeitig zwingendist: die umwälzung des ganzen systems,also langfristige, internationalistischestrategie - und unmittelbare veränderungen,die erkämpft werden müssen, weileine ganze reihe <strong>von</strong> entwicklungen ver~nichtung bedeutet.die situation verlangt konkrete lösungen,sowohl für die unmittelbare lebensrealitätder ausgebeuteten als auch in derverhinderung der vernichtungsprojekte,der pläne ,<strong>von</strong> oben' zur absicherungihrer herrschaftsinteressen. sie könnennur gefunden werden in den vielen, konkretenauseinandersetzungen, in denen,<strong>von</strong> unten' die bestimmungen für neuegesellschaftliche entwicklungen angeeignetwerden, schritte, die in einem langwierigenund widersprüchlichen prozeßdie umwälzung der herrschenden verhältnisseentwickeln.11aus einem brief an eine genossin,dezember '88... es ist ja auch teil meiner eigenen geschichte,antiimperialistischer widerstand,wie das war in der zeit 80-84 (dahabe ich es direkt erfahren, aber im prinziphat sich später nichts verändert), undich hab hier im knast dann ziemlich vieldarüber nachgedacht, was da eigentlichgelaufen ist bzw. nicht. für mich selbstund insgesamt ...mir ist vor allem eins aufgefallen, alsich mir· diese ganze zeit überlegt habe(was es politisch damals alles war, antinato-mobilisierung,häuserkampf, gefangene)- daß es total wenig oder sogar garnicht um die leute selbst ging. um mich,uns, alle damals im widerstand. nie wurdendie erfuhrungen, die wurzeln des aufbruchsin politische begriffe gebracht,nicht mal sich richtig bewußt gemacht.also nicht politisiert.die radikalität hatte gar keine ,namen' ;es wurde z. b. oft gesagt "existentiellerhunger nach einem anderen leben", aberes wurde nicht entwickelt, was das dennbedeutet, wer man selber ist und wie mansich/ sein leben, die beziehungen will ­alles das, was ein anderes, selbstbestimmtesleben sein soll - und wie das malWirklichkeit werden kann.mir fielen die ganzen treffen ein (in derzeit "plenum gegen imperialistischenkrieg" oder zu den großen demos in berlin'81 und '82) - da wurde überhaupt nieüber "uns" geredet, und alle haben so getan,als wäre jedem einzelnen und allenzusammen die eigene motivation politischbewußt und die ziele klar und man könnequasi loslegen zusammen mit den politisch-praktischenschritten gegen die nato.und so waren auch die diskussionen,alle. zum teil ja so extrem, daß dann inden flugblättern stand: "unser ziel ist die. zerschlagung der nato" - nichts da <strong>von</strong>befreiung, vermittlung der subjektiven er­. filhrungen und ziele. daß man anders lebenwill, kam immer nur in standardsätzenvor.auch wenn "irgeftdwie" allen klar war,daß die ganzen "alternativen" nicht mehrgehen· und es keine perspektive im systemgibt, es gab keine einzige diskussion, wodas mal als gemeinsame klarheit festgehaltenwurde, was eigentlich der subjektiveausgangspunkt ist, über die besonderenerfilhrungen jedes einzelnen raus ...allen war zwar klar, daß es ähnlichegrunderfuhrungen sind, aus denen jederaufgestanden ist, und daß es ähnliche zielegibt. aber mehr auch nicht.und für mich blieb immer das gefühl zurück:scheiße, was solls eigentlich, dumachst zwar permanent politische praxis,auch starke initiativen, aber es ändert sichnichts in meiner lebensrealität. nirgendsauch nur ne spur <strong>von</strong> einem anderen leben.duhast zwar immer mehr wissen angehäuft,aber ein anderer mensch <strong>bis</strong>t dunicht geworden. da sind mir zig beispieleeingefallen, haig-demo ist eins - logisch,muß sein, gute sache mit internationalerwirkung - aber hinterher gehts einem genausobeschissen wie vorher. und es gabzeiten, wo ich zigmal mehr über die nato,us-imperialismus usw wußte als übermich und die leute, mit denen ich zu tunhatte.die versuche, das mal anders anzupakken,sind schnell in ein schema gerutscht,auf der ebene "es geht um o~anisierung"oder andere formen vom widerstand,aber alles ohne inhalt und ziel - und sokonnte auch nichts draus werden.in einen satz gepackt würde ich es so sagen:es lief eine trennung zwischen subjektenund politischer praxis, zwischenmir und dem, was im widerstand die politischeninitiativen waren. das war generellso, überall, egal welcher ansatz <strong>von</strong> widerstandes war.und obwohl es so war, daß in der zeitzum ersten mal seit langem wieder <strong>von</strong>vielen über revolutionäre umwälzungnachgedacht wurde und ein starker driveam anfang war, für ein anderes leben zukämpfen - ist das nicht entwickelt worden.in nichts !was dann passiert, das ist, daß du denmotor deines aufbruchs aus den augenverlierst. der rumort zwar weiter, aber esist nicht bewußt motivation, die integriertist in politik, sondern nur als unzufriedenheitspürbar. klar, die ist es dann, irgendwannplatzt dir der kragen. ich hab das nielang ausgehalten, war immer auf der suche,wie und wo das für mich wahr werdenkann mit leuten, und das hat auch beider entscheidung, zur raf zu gehen, einegroße rolle gespielt.wenn es damals diskussionen gab übersubjektiven prozeß, eigene ziele, warensie so abstrakt oder psychomäßig (die wenigen,die es überhaupt gab), das war fastschlimmer als schweigen. ist auch ganzlogisch, wenns nicht zugleich konkret entwickelt,also gemacht, realisiert wird.und das ist genau ausdruck dieser trennung,die ich oben meine. dabei ist subjektivität,eigene identität (als prozeß begriffen)erst das, was die politik revolutionärmacht. naja, aber das war so eben nieder punkt, und das heißt auch immer, daßdie politisierung oberflächlich, äußerlichbleibt. ich weiß auch ganz genau, wie dasläuft - das straighte gehabe als panzergegen die fundamentalen fragen, das messergegen andere im widerstand, ausbeutungder gefangenen, sich-umhängen derguerilla-politik usw - dieser dünne lack,anti-imperialistisch', hinter dem nurstagnation und fäulnis ist, es war immeram extremsten in situationen, wo es umeinen schritt nach vom ging, und das kannja nur bedeuten: schritt auch zu sich, werbin ich eigentlich, und was will ich. (undich weiß noch gut meine "sprachlosigkeit"bei den ersten treffen mit den illegalen,als sie vor allem darüber was <strong>von</strong> mirwissen wollten. ich hatte keine worte ...für mich.)ich denk, das ist eine zwangsläufige entwicklung,die erst durchbrachen werdenkann, wenn diese trennung zwischen subjektund politik, eigener lebensrealität undpolitischer praxis angegangen und im7


praktischenhobenwird.prozeß, lebensprozeß aufge­das ist grade hier in der metropole auchtotal scharf: alles, was diese subjektivetiefe nicht hat, wird irgendwann vom systemüberrollt, egal wie 's dann rauskommt,die alte scheiße hat einen wieder.die eigene geschichte - sich nichts zuzutrauen,angst vor anderen menschen, 'deinleben lang wird dir eingebleut, daß du"nichts" <strong>bis</strong>t, nichts kannst und auch garnichts können sollst außer konsumierenund funktionieren ... - überholt einenwieder, wenn die subjektiven ziele odereinfach die ganze subjektivität der personnicht in der politischen praxis enthaltenist.in der ganzen anti-naw.:mobilisierung,wo waren denn da die menschen, als konkretepersonen?und ich würde sagen, als erfahrung istes da schon klargeworden: es kann keinepolitik geben, losgelöst <strong>von</strong> der veränderungder eigenen lebensrealität, losgelöst<strong>von</strong> den subjekten.alles, egal welcher schritt, muß als ausgangspunktdie subjekte haben und wiederauf sie zurückführen, als veränderung <strong>von</strong>sich selbst, den beziehungen, dem ganzenaneignungsprozeß, in dem selbstbestimmungschließlich real wird.also klar, darauf bin ich damals dauerndgestoßen, aber ich habs mehr als meinevereinzelte erfahrung genommen (unddann mit der entscheidung raf für mich gelöst,<strong>von</strong> da aus auch in den beziehungenzu denen, mit denen wir zu tun hatten) ­und nicht als "politisches problem", alsdenhier.hemmklotz des ganzen prozessesdas war in der zeit damals ja schon so,daß ganz viele sich kein leben mehr vorstellenkonnten außerhalb vom widerstand,aber zugleich konnte kaum jemandsich vorstellen, daß es möglich ist, hieretwas zu verändern, das hat der staat unsja auch mit dem knüppel in die köpfe gehauen- das ist auch was spezifisches zurmetropole, wo sie dir <strong>von</strong> antimg an einhämmern,daß du gar nichts erreichenkannst gegen diese macht. und darauskommt schnell eine haltung: es gibt nichtsanderes als "widerstand für immer", weildie macht sich verewigt hat, imperialismusfür immer. das ist auch aus den kräfteverhältnissenin der metropole, wo daskapital schon immer stärker war und diemacht scheinbar doch alles verschluckenkann, was sich an widerstand regt, totaltiefdrin.und das sprengst du nur durch deinesubjektivität; wille, entscheidung und'immer wieder. da gehts weiter.das heißt ja aber auch sofort, daß dievorstellungen <strong>von</strong> einem anderen lebenkonkret entwickelt, realisiert werdenmüssen - und wie das im einzelnen aussehenkann, weiß niemand vorher. das istes wieder: die selbsttätigkeit der konkretenpersonen, selbständige initiative ­nur darüber "wächst" alles. das lief damalsüberhaupt nicht, und auch deshalb istalles immer wieder zerfallen. denn mankann ja nichts "festhalten" an politischerkraft, die erfilhren wurde, wenn das nicht8durchgeht <strong>bis</strong> zur eigenen lebensrealitätund zur immer wieder neuen eigenen initiative.das habe ich jedesmal wieder gemerkt.und noch was anderes: zum verhältnistheorie! analytische arbeit und politischepraxis - das steht solange auf dem kopf,wie die menschen nicht im zentrum stehen,ihre subjektivität, ihre eigene identität.nur so kommt das auf die füße: mittelfür die revolutionierung der lebensverhältnisse.und für einen selbst notwendigeinstrumente, um die praxis richtig bestimmenzu können, den durchblick zu kriegenfür den gesamten prozeß, in dem die zielereal werden.aber ich meine ja subjektivität! identitätnicht nur im individuellen sinn, sonderndann gleich als kraft vom· widerstandüberhaupt. die menschen, ihre ziele, wiesie leben wollen .und sich zusa.mri:tendurchsetzen gegen die machtfür ihre eigenesache (so weit das' konkret entwickeltist, also in den konkreten auseinandersetzungen,nicht abstrakt) - das alles war inder zeit damals nicht im zentrum der prozesse.aber das hat angetimgen, sich zu verändern,weil es mußte. nicht nur subjektiv,weil die, die noch was spüren und wollen,gemerkt haben, es geht so nicht weiter, siewerden schwächer statt stärker - sondernauch durch die verstärkte repression unddiese dimension der zerstörung, die auchin der metropole jetzt erfahrbar ist. also eshat auch objektive gründe, warum das antimgder 80er noch so laufen konnte.jetzt kommen die ganzen fundamentalenfragen auf den tisch - und damit auchdie kritik an politik-ansätzen, die keinegreifbaren antworten auf diese fragen haben.der widerspruch knallt einfach auf.eine neue realität muß geschaffen werdengegen die zerstörung, es gibt nichts anderes,die alternative wäre, sich und die zieleaufzugeben.das bedeutet umgekehrt, daß die fragenganz direkte sind: wie ist es möglich, wiegeht das jetzt sofort, selbstbestimmtes lebenanzutimgen und die zerstörung in allenlebensbereichen zu stoppen, eine neuerealität dagegen durchzusetzen in denkonkreten auseinandersetzungen.wer auf diese fragen nur global-timfarenabläßt ... naja, das ist doch klar, damitkann kein mensch was anfangen, demes ernst ist. aber umgekehrt können sichjetzt auch alle leichter zusammenfinden ­immer an der konkreten sache -, die eswirklich anpacken wollen, ohne alle formelnund abstraktionen.die bezüge und beziehungen verandernsich, es entsteht neues interesse am sichmitkriegen,an auseinandersetzungen (dasmerken wir getimgene ja auch) ...ja, das denke ich auch, wie du es jetztschreibst - wo überall neue ansätze <strong>von</strong>widerstand! bewegungen hochkommen,die direkt aus der erfahnmg der destruktionin der eigenen lebensrealität entstehen(und das in einem umfassenden sinn,dazu gehören auch die kriege und dasmassenelend im süden) und dagegen eineneue, an den menschen und ihren interessenorientierte gesellschaftliche realitäterkämpfen wollen - da kommt die kritik,der widerspruch zu politischen ansätzen,die dieses moment nicht in sich haben, dienicht ne neue realität schaffen und si nd ,einfach raus ...das ist es einfach, diese neue dimensionder zerstörung reißt auch viel <strong>von</strong> der entfremdungweg. der zusammenstoß zwischenden eigenen vorstellungen <strong>von</strong> leben,arbeit, menschenwürde und realerlebenssituation, politik und projekten <strong>von</strong>staat! kapital läuft in allem direkt, es istnichts mehr dazwischen, und darauskommt das auch, daß sich kaum jemandmehr politische initiativen vorstellenkann, die das moment: veränderung dereigenen lebensrealität - nicht in sich haben.das ist heute zwingend ge~rden,und es betrifft viel mehr leute als damalsIIIaus einem brief<strong>von</strong> rolf-clemens,märz 91es gibt die tendenz zum globalisierten bürgerkrieg,wobei sich die ,klassischen'konfrontationslinien immer mehr verwischenund bedeutungslos werden. es istein allgemeiner kampf um den kuchen, esgeht ums fressen, um die verfügung überressourcen, um den weltmarkt.leit-ideen wie nation, religion, (völker-)recht, befreiung werden beliebige vehikelfür alles.also: omnipräsenter kriegszustand. politikals suche nach lösungen für gesellschaftlicheoder zwischenstaatliche konfliktefindet kaum noch statt.wir haben es beim letzten hungerstreikerlebt: sollen sie doch verrecken, wir machennichts.wie wir gesagt haben: die gewalt, diedann kommt, ist sozusagen der inbegriff<strong>von</strong> nicht-politik, ist mafiose struktur, istanschlag auf schäuble oder lafontaine, istfußballrandale, naja eben zerfallsprodukt,kaum noch zu beeinflussen, kaum noch zureprimieren.aus krieg aber resultiert höchstens kurzfristjgefriedhofsruhe. sie können uns niedermachen,sie können den irak zerstören(und kuweit gleich mit), aber sie könnennicht auf dauer ein paar milliarden menschenda<strong>von</strong> abhalten, leben zu wol­Ie n, sie schaffen es nicht einmal richtig- trotz militäreinsatz -, sich die kriegsundweltmarktflüchtlinge vom hals zu halten.bushs ,neue weltordnung' wird es nichtgeben, sondern krieg in permanenz. gegendiese finstere perspektive <strong>von</strong> brutalitätund zerstörung <strong>von</strong> menschen, umwelt,ressourcen und kapital gibt es nureins: die wiedereinführung der politik indie auseinandersetzung. das kriterium dafürist, auf den allgemeinen nenner gebracht,durchsetzung <strong>von</strong> lebensinteressen,und das kann, weil herrschaftsinteressenextrem lebensfeindlich sind, nur revolutionärepolitik sein, also auch - so istdas nun mal - politik gegen die linke hierund ihren bürgerrechtsblick und bieder-


männischen pazifismus, gegen das systemimmanentedenken, gegen den falschenkonsens.die politik kriegt man nicht über globalanalysenund fette texte wieder ins spiel,sondern nur durch konkretion. wir müssen,einfache', klare fragen stellen, wassoll an diesem konkreten punkt geschehen,wie soll jene frage entschieden werden,dieses problem gelöst werden. undzwar deshalb, weil es der zwang der entwicklungist und wir keine andere wahlhaben.in der komplexität und zuspitzung undschnellen veränderlichkeit der lage undder tatsache, daß an jedem punkt, in jedembereich, eben weil es keine politik mehrgibt, praktisch sofort die totalität deskriegszustandes erreicht ist, können wiruns politisch nur noch bewegen, daß wiran jedem auftauchenden punkt, an jedembrocken, der auf uns zugeflogen kommt,sagen: hosen runter, was wollt ihr (oderauch an uns, die gefangenen, was wollenwir), und im klartext, bitteschön.ein wahlloser griff in die beispielkiste :technologiepolitik, knast, exportwirtschaft,verschuldung, die häuser, massenflucht,die katastrophe in der alten ddr,der zerfall der su, nimm, was du willst ­wenn du nicht genau genug guckst, siehstdu krieg und eine in der bewegung sichpermanent gegenseitig beeinflussende gemengelage,die an beliebigen punkten explodierenkann (bzw. ja schon dauerndhochgeht) und der man mit den üblichen,teils abgehobenen oder ideologisierten,teils korrumpierten diskussionsformendes linken betriebs nicht mehr beikommt.ganz erfassen können wir die situationeh nicht (und auch sonst niemand), nichtnur, weil wir tatsächlich viel zu wenig infoshaben, sondern weil sie prinzipiellnicht voll durchschaubar ist. wir habenimmer nur einen bornierten ausschnitt,jeder aus seiner sicht, <strong>von</strong> sich selbst ausgehend.weil die unzulänglichkeiten unserer erkenntnisunvermeidlich sind, können wiruns immer nur in konkreten situationenfür oder gegen etwas entscheiden unddann das, was wir als individuen odergruppe wollen, wieder ins gesellschaftlichebringen. naja, eben: praxis ist dieunmittelbare wirklichkeit (lenin). übersolche praktischen entscheidungen löstsich ja auch die frage der kooperation mitanderen.wir haben es am hafen gesehen und inwackersdorf, wo sich die unterschiedlichstenleute dafür bzw. dagegen entschiedenhaben, jenseits aller ideologie, aller ldassenzugehörigkeit(und daß sie im fall wakkersdorfnach frankreich ausweichenkonnten, zeigt nur einmal mehr die wichtigkeitdes internationalismus).IVaus einem brief <strong>von</strong> sven,märz'91so wie im trikont die einhellige meinungist, daß die 80er jahre ein verlorenes jahrzehnt- in jeder hinsicht, der kampf umsnackte überleben, um mit dem unterhemdzumindest ins nächste jahrtausend zukommen - diese realität wird jede auseinandersetzungbestimmen.das, was momentan in der ehemaligenddr abläuft, liefert einen vorgeschmackauf die entwicklung, die sich zwangsläufignach <strong>1992</strong> einstellen wird, und das inwesteuropäischer dimension.was in den kleineren osteuropäischenländern geschieht, läuft grad mal so nebenbei.dazu ein paar fakten: z. b. polen,weil ihnen ja auch grade die schulden geschenktwurden und das hochgelobt wurde- tatsache ist: es ging gar nicht anders.bei anderen ost europäischen ländernsiehts nicht anders a1,1s ..polen hat z. b. eineschuldendienstquote für 1990 <strong>von</strong> deroecd auf 71 % geschätzt, bei einer gleichzeitigenabnahme des wirtschaftswachsturnsum 15% usw. usf.das sieht in anderen ländern nicht andersaus, und sie stehen erst am anfangdieser entwicklung.diese wirklichkeit <strong>von</strong> kontinent zukontinent und <strong>von</strong> land zu land ließe sichins endlose fortsetzen, genauso wie sichdie folgen der folgen der folgen ins unermeßlichepotenzieren. wenn man sich dasalles mal vor augen führt, wird deutlich,daß es keine politische antwort auf dieseentwicklung gibt.der qualitative umschlag lief mitte der80er, und das ist nicht gesehen wordenbzw. nur <strong>von</strong> einem teil, castro 1985 z. b.oder was <strong>von</strong> den palästinensern zu dieserzeit gesagt wurde, ,wir brauchen raumund zeit',oder <strong>von</strong> der anderen seite, brady-plan2zur schuldenkrise, einzelne stimmen in internationalengremien, aber da<strong>von</strong> ist heutenichts mehr zu hören. und die jetzigemarschrichtung ist deutlich ...die heute beschriebenen ,szenarien'werden im lauf der kommenden jahremehr und mehr zur wirklichkeit, und diese.wirklichkeit wird die kämpfe bestim-.men: hungerrevolten - enteignungen ­land- und wohnraumbesetzungen - ghet-.toaufstände - arbeitskämpfe gegen umstrukturierungen,entlassungen, für mehrlohn ~ wanderströme <strong>von</strong> menschen ­und das alles in größenordnungen,heute noch unvorstellbar sind.diewas das heute und jetzt unmittelbar heißt,kann ich so nicht sagen, dafür müssen wirzusammen dran reden, arbeiten. ich kannnur sagen, daß wir diese entwicklung imauge haben müssen, sonst stehen wir politisch'handlungsunfiihig dem ganzen gegenüberwie zum teil heute auch, denn daspolitische dilemma heute resultiert auchdaraus, daß die entwicklung nicht wahrgenommenwurde, das heißt, welche konsequenzendaraus zu ziehen sind. ich meinsicher nicht, sich jetzt hinzusetzen undabzuwarten, sondern eben die politikauf diese entwicklung hinauszurichten."brennt sich selbst aus", sich gegendiese entwicklung zu stemmen - der gedankegeht da<strong>von</strong> aus, wie sich die realitätenin den letzten 10Jahren entwickelt habenund grad nochmal in den letzten 2 jahrenwoauch die auswirkungen reingehören,die sich aus dem zusammenbruch desRGW ergeben, wo ökonomische lückengerissen werden, die niemand auffangenkann, und <strong>von</strong> der politischen seite her,daß sich keine wirklichen alternativenaufgetan haben, nicht geschaffen werdenkonnten, und diese ganze blockierte undgepreßte auseinandersetzung hat einenunheimlichen handlungsdruck geschaffen,dem die revolutionären und fortschrittlichenbewegungen nicht entsprechen- auch gar nicht entsprechen können,weil aus den entwicklungen konsequenzengezogen werden müssen, die sichnicht über nacht mal auftun. und die notwendigenlösungen der probleme werdenimmer mehr - und dafür braucht es neueideen und vorstellungen, die sich herauskristallisieren,bewähren müssen, bevorsich dieser handlungsdruck politischemanzipatorischtransformieren läßt.daraus sind heute die treibenden konfrontationengegen die macht (aus diesergepreßtheit heraus) verschlungen und deformiert- wo auch erst ,hinter' und sicherquer durch die explosionen dieserzum teil schlitternden auseinandersetzungenund kämpfe der raum und die zeit entsteht,wirkliche emanzipatorische prozesseaufzubauen, unter den neuen anforderungen.und das meinte ich, ganz nüchtern betrachtet,daß man sich nicht einfach dagegenstemmenkann bzw. das ruder nochrumreißen, das schafft selbst falscheorientierungen, weil wir uns genauso indieser entwicklung zurechtfinden und politischeausgangspositionen erobern müssenbzw. unsere haltung zu dieser entwikklungdeutlich machen müssen, auch wiewir uns schrittweise den weg vorstellen,um aus dieser blockierten situation auszubrechen...eine andere sache ist noch, daß in einemsolchen politischen vakuum, wie es heuteexistiert, reaktionäre und faschistischetendenzen und bewegungen sich im gesellschaftlichenleben ausbreiten und ihreentsprechenden politischen ausdrucksformenfinden - das ist eine historische erfahrung,und das zeigt auch die aktuelleentwicklung. ich mein das gar nicht sosehr in form <strong>von</strong> ,neuen rechten organisationen',sondern vielmehr daher, wie sichdiese entwicklungen aus der gesellschaftselbst erheben, rassismus / apartheid,chauvinismus, anti-semitismus ... oderauch diese law-and-order-mentalität.vaus einem brief <strong>von</strong> mir an eine genossinaus der hafenstraße anläßlichdes ,europäischen aktionstages' zubesetzten häusern und zentren (mai '91)daß es verstärkt diskussionen unter euchin westeuropa gibt, erste ansätze für gemeinsamesanpacken, ist natürlich sehrgut. wegen ,lust', wie es da steht (im aufrufzum aktionstag), aber ja vor allem9


auch, weil das genau ein stück vom internationalismusist jetzt, wie er notwendiggeworden ist gegen einen urnnittelbarengemeinsamen feind, seine pläne und daskonkrete, immer mehr einheitliche, westeuropäisch-institutionalisiertevorgehengegen die häuser und zentren.und es ist auch eine erfahrung aus denletzten jahren, daß die ausschließlicheorientierung auf das eigene ,dorf - diefür eine bestimmte zeit notwendig seinkann - keine perspektive hat. nicht nurbezogen auf den prozeß revolutionärerveränderungen insgesamt, sondern weilaus der entwicklung nur in einer stadt,einem land allein die ziele, die mit denhäusern/zentren verfolgt werden, nichterreicht werden können.wenn nicht eine politische kraft entstehtaus den verschiedenen städten - sicherunterschiedliche bedingungen, leute, ansätze,aber doch verbunden in den lebensinteressen-, die die ganze häuser-sacheals einen zentralen teil und ausdruck gesellschaftlicherkonflikte hier und in westeuropain die auseinandersetzung bringtund durchschlägt <strong>bis</strong> ins zentrum dermacht - dann kann der staat, können diemedien das ganze leicht auf die ebeneeiner konfrontation "autonome - polizei","minderheit / chaoten / außenseiter /terroristen / kriminelle - justiz"bringen und immer wieder zuruckschlagen.technokratisch-repressives managementstatt politisch-gesellschaftlicher auseinandersetzungen.oder, wie ihr in derjanuar-presseerklärung gesagt habt: politikwird durch krieg ersetzt.ein authentischer ausdruck sozialer politischerkämpfe in der metropole wird systematischnegiert, entpolitisiert - unddas ist die bedingung, der hebel, über dendie repressionsoll.läuft und funktionierenmir ist das als eine entscheidende veränderungim vergleich zu der zeit anfang der80er jahre aufgefallen - wie es damalspolitisch getobt hat rund um die hausbesetzungen,die politischen parteien, ganzeheere <strong>von</strong> soziologen ... ,jugendrevol- _te', ,soziale probleme', wohnungsmarktusw., und wie es heute ist, da labern zwarmanchmal noch ein paar spd'ler oder grune,aber es darf sozusagen keine politischeauseinandersetzung mehr stattfinden überdie gesellschaftlichen konflikte, denn dashieße sofort, daß es lösungen geben mußfür die existentiellen probleme hier, undzwar für die menschen, um die es da konkretgeht, entwicklungen, die ihren interessenentsprechen; also veränderungen inder politik <strong>von</strong> staat und kapital und damitsofort einschränkungentionen.ihrer machtposi­so ,eng' und absolut ist es inzwischengeworden, es gibt gar keine oder kaumnoch eine vermittlung zwischen den plänen<strong>von</strong> staat/kapital z. b. zur ,umstrukturierung'der städte - mit den folgen: zerstörungund auseinanderreißen aller sozialen,kulturellen, politischen strukturen,die nicht urnnittelbar funktional sindfür ihre profit-und machtstrategien ~und dem, was die unterdtiicJaen, ausgestoßenenbrauchen, um zu leben, wasihren bedürfnissen nach sinnvollem, solidarischemleben entspricht.daher die nicht-politik des staates. soschließt sich dieser kreis; ausschaltungder menschen .(ihrer realen lebenssituationund bedürfnisse, der ursachen undziele ihres widerstands) - technik stattpolitik ("wohnungsnot, jaja, aber alleseine frage <strong>von</strong> management und markt")- krieg statt politik.wenn das laufen soll - und es muß ja -,daß noch viel mehr selbst betroffene menschensich wiedererkennen in euremkampf, ,dann ist es sicher notwendig, daßihr euch anders vermittelt. es sind dochknallharte probleme und fragen, mit denendie ausgestoßenen, die kids auf derstraße, die immigrantInnen ... konfrontiertsind, und ihr selbst, die meisten jedenfalls,doch auch. was sollen sie anfangenmit ,werten', ,sozialer sinn', wenn ihrnicht sagt und zeigt, was damit gemeintist, inhalte. das ist doch, als wenn ihrjemand, der hunger hat, ein marsh mallowhinlegt. süße ... luft.die unmittelbar erfahrene situation siehtdoch für euch und alle betroffenen (materiell,psychisch, subjektiv aus der unvereinbarkeitmit den herrschenden verhältnissen)viel härter aus, und ich finde es absolutwichtig, alles so auszusprechen, wiees wirklich ist. nicht nur, weil sich nurdatiiber andere mit ihren erfahrungenwiederfinden können, sondern wie dergenaue begriff der realen, täglich spürbaren,sichtbaren situation die bedingungist, um die richtige-notwendige politik zumachen. das ist heute überhaupt keinspruch mehr, sondern tatsache: so radikalsein wie die wirklichkeit, anders geht keinepolitik mehr.mir fällt das in vielem auf, jetzt in diesemaufruf auch wieder: eine inhaltliche unschärfezur metropolenrealität heute. lebensrealität.es wird vor allem oder fust nur noch <strong>von</strong>den ,alten' formen der entfremdung undverelendung gesprochen - was auchwichtig bleibt, und sie verschärfen sich japermanentaberwas kaum· vorkommt, das ist dieganze nackte gewalt und brutalität, diesich hier (wie überall) in den letzten jahrenin der gesellschaft breitmacht. die jugendgangs,die jungen fuschos, die hools,aber zum teil auch schon in den politisiertenscenes - die explodierende gewaltohne klare politische ziele (oder völlig diffus;verbogen) - die zunehmende gewaltin beziehungen, familie, schule, das ganzebrutale menschenelend der immigrantInnen(ihre lebensbedingungen, die angriffegegen sie), der obdachlosen, derausgestoßenen und der junkies, die derstaat zu hunderten draufgehen läßt - undda gehörenrein.rassismus und sexismus mitdas ist eine entwicklung, in den letztenjahren sprunghaft, die, so begreifen wirdas, ihre ursache in der härte des (über-)lebenskampfes hat - wieder: materiell inden lebensbedingungen, psychisch, subjektiv- auch hier in den metropolen,und darin, daß es faktisch keine politikmehr gibt, um die sozialen, gesellschaftlichenprobleme und konflikte zu lösen.auf die untersten überall kommt dieganze objektive situation: die destruktivität,keine lösungen der existentiellen probleme,die liquidation auch nur desscheins <strong>von</strong> ,demokratie' - als gewalt zuruckund sie sehen oft keinen anderen wegals den: selbst genauso werden.zuschlagen. besser drogendealer werdenals degradiert zum bittsteller auf demsozi oder ganz raus, nichts; besser sichzusammentun und zuruckschlagen gegenden sexismus und rassismus, als dem alleinausgesetzt zu sein und rumgestoßenzu werden wie ein tier, und zum teil schonein erbitterter kampf, um wenigstens dieeigene haut zu retten, den eigenen bauchvollzukriegen,holen ...seinen teil vom kuchen zuund der staat, die macht verwaltet diekonflikte fast nur noch technologisch, repressiv-militärisch.der (über- )lebenskampf ist zu einembrutalen jeder-gegen-jeden geworden, dasist nicht mehr ,nur' die altbekannte konkurrenz,sondern in der zuspitzung derexistentiellen probleme und der blockierungihrer lösungen macht jeder jeden nieder... darauf läuft es raus. ,,das rennender wölfe", wie che] die konkurrenz zwischenden menschen im kapitalismus genannthat, ist umgeschlagen dahin, daß"die wölfe"schen.sich gegenseitig zerflei­nicht mehr ,nur' das sich durchschlagenin der vereinzelung, sondern jeder gegenjeden.sicher, das ist hier in der brd noch nichtso zugespitzt wie im tnkont oder in denusa, frankreich, großbritannien ... aberin der tendenz und realen, sichtbaren entwicklungist es das : krieg aß den sozialenrissen der (einen) welt, quer durch allekontinente, länder, gesellschaften.ich weiß, da sagen einige immer, sie findendas ,gleichmacherisch', wenn wir soreden, und weisen auf die unterschiede inden materiellen lebensbedingungen hin.aber das ist banal, weil sowieso klar.es geht darum, wie die ganze situationbegriffen wird, "in welcher welt manlebt" -und die ist, das ist objektiv so, nicht etwaeine ,bestimmung' <strong>von</strong> uns, weltweitgekennzeichnet <strong>von</strong> destruktivität undgewalt, es gibt heute kein ,woanders'mehr, es gibt nur noch eine welt, undwenn wir sagen, daß die kapitalistischenzentren zu einem schnittpunkt potentiellaller auseinandersetzungen werden, dannist damit genau die wirkung dieser objektivensituation hier gemeint.deutlich sichtbar z. b. an den kriegsundweltmarktflüchtlingen oder an derverschärfung der sozialen lage auch in denmetropolen selbst.mir ist das ein rätsel, wie ihr die situationhier und in westeuropa als ,imperialisti-13


schen frieden' bezeichnen könnt. das widersprichtdoch allen euren erfilhrungenund auch denen in anderen ländern, weiles durchgängig so ist, daß die militarisierungder auseinandersetzungen läuft, gewaltdas bestimmende, ,nonnale' gewordenist in den gesellschaftlichen strukturen.die räumungen <strong>von</strong> der mainzer straße... in frankreich knallen die flics4 ara<strong>bis</strong>chejugendliche ab, in spanien werdenkids auf der straße totgeprügelt, und ihrselbst habt permanent den ganzen apparatamhals.überall weigert sich die herrschende p0­litische klasse, eine politische auseinandersetzungfür lösungen der auch hier existentiellgevw>rdenen gesellschaftlichenprobleme zu führen und andere entwicklungen(die an den interessen ,<strong>von</strong> unten'orientiert sind statt an der kapitallogik)zuzulassen,und überall ist die frage, wie genau gegendiese entwicklung und die ,perspektive',die in ihr liegt - noch mehr zerstörung,zerfiill, auseinanderbrechen in dergesellschaft -, eingegriffen, politik gemachtwerden kann, um lösungen zu erzwingen,und wie dafür diejenigen gesellschaftlichenkläfte mobilisiert werdenkönnen, die diese entwicklung stoppenund umsteuern wollen.es ist auch falsch - es wird hier keine,friedhofsruhe' geben. das ist vorbei. odervielleicht für einen kurzen moment, aberdann gehts in der nächsten umdrehungweiter.viel eher als friedhofsruhe wird es immermehr gewaltsame explosionen geben,immer mehr verelendung und desintegration.da können sie westeuropäische projekteplanen, wie sie wollen, wenn es keine lösungengibt für die sozialen, ökologischen,politischen probleme - hier undinternational, weil es ein system, ein einzigerzusammenhang heute ist -, dannwerden die widersprüche über kurz oderlang nur noch explodieren, es wird katastrophaleentwicklungen geben, die niemand,auch sie nicht, kontrollieren können.genau da muß heute radikale politik anjedem zentralen punkt der auseinanderset ­zung ansetzen, eingreifun, es ist ein widerspruch,aus dem sie nicht mehr herauskommen.ihre vision <strong>von</strong> einer abgeschotteten ,insel'oder bestimmten ökonomisch potenten,kernen' weltweit und in westeuropaselbst (eine ,insel', auf der sich die bonien,die politiker, die junge upper dasseinbunkern) -und drumherum eskalierendes elend,gewalt, zerfiillwirdnicht funktionieren.in dem zusammenhang stehen heuteauch die häuserkämpfe, oder besser: siekönnten, wenn es politisch entwickeltwird - und es ist genau, wie ihr gesagthabt (vom hafen): ,vernünftige lösungen',darum gehts.sie haben keine.14aus der presseerklärung4.1.91vom baten,... sie haben kein recht und erst recht keinelegitimation, unser leben hier zu zerstören.sie haben nur den gewaltapparatdazu. da bleibt dann allerdings <strong>von</strong> rechtsstaatnur noch staat übrig, wird eine dynamikbestimmend, in der die gewalt, derkrieg die politik ersetzt. in einer gesellschaft,die auf unten und oben beruht, gibtes notwendigerweise widersprüche, müssenbedürfnisse artikuliert und umgesetztwerden können, in denen menschen ihrenlebensraum ihren interessen entsprechendverändern, das, was sie brauchen, realisierenkönnen. für uns sind das die häuserhier. für andere kindergartenplätze, eindach über dem kopf, erschwingbare mietenusw ... wir sind ein teil <strong>von</strong> dem prozeß,gesellschaftliche perspektiven ohneausgreozung und bestrafung zu entwikkein.unsere vielbeschworene ,gewalt'war immer unsere letzte möglichkeit, woreden nicht mehr ging, uns hier zu halten.dagegen setzt der bürgermeister und andereherrschende kräfte in dieser stadt aufihren gewaltapparat.worauf soll diese entwicklung rauslaufen?auf neue lager für sozial nicht angepaßte,mehr drogentote und selbstmorde ausverzweiflung? auf polizeibelagerung ganzerviertel, noch mehr kontrolle durchverfussungsschutz und andere ,dienste',noch mehr knäste, sondergesetze und isolationsfoltergegen die gefangenen?es gibt uns, hafenstraße, jetzt seit bald10 jahren. gerade daß '87 der damaligebürgermeister die tatsache, daß es unsgibt, akzeptieren mußte und somit zum erstenmal eine gruppe wie wir ,anerkannt'wurde, soll ausradiert werden. ,freiräume'soll es nur in dem maße geben dürfen,wie sie die herrschenden und die herrschendepolitik nicht stören. insofernwürde die gewaltsame räumung eine grenzebedeuten für jede gesellschaftliche perspektiveweit über uns hinaus. sie wäre dieweichenstellung für eine entwicklung, inder gesellschaftliche widersprüche militärischniedergewalzt werden ...wir gehen da<strong>von</strong> aus, daß es in allen gesellschaftlichenbereichen dieser stadtmenschen gibt, die eine solche entwicklungnicht wollen, für die menschlichesleben nicht nichts ist und politik durchkrieg zu ersetzen keine perspektive. dieeinzig vernünftige lösung ist: .uns die häuser.zu rassismus - jeder-gegen-jeden imüberlebenskampf - krieg in denmetropolengesellschafien und wie dasin der bürgerlichen presse hier auftaucht(alle artikel sind <strong>von</strong> april / mai '90)großbritannien... häftlinge in 20 anstalten folgten dembeispiel <strong>von</strong> manchester und revoltierten.demonstrationen gegen die neue kopfsteuerarteten in orgien der gewalt aus ...in kleinstädten kommt es neuerdingsfilst schon routinemäßig zu massenschlägereien,wenn freitag- und samstagnachtdie pubs schließen ... soziologen nennendas phänomen "ländlicher aufruhr" ...mord und totschlag liegen immer in derluft, wenn fußballrivalen aufeinandertreffen...(die aggressionen) resultieren vor allemaus der spaltung der gesellschaft, die untermargret thatcher zwar reicher, aberauch sehr viel rauher geworden ist ... einfünftel der bevölkerung hat in der hartenwettbewerbsgesellschaft keine chanceund lebt an oder unterhalb der armutsgrenze... an zustände in der 3. welt erinnernauch die obdachlosen in großbritanniensstädten. in london vegetieren schätzungsweise70000 in tunneln, h4iuseingängenund zum abriß freigegebenen oderunfertigen gebäuden ...(spiegel)usadas soziale gewebe amerikas istzerschlissen... (hat) sich die soziale lage vieleramerikaner während der 10 regierungsjahrepräsident reagans verschlechtert, fürdie ist das leben, ähnlich wie die amerikanischenstädte, zunehmend härter, gemeiner,schäbiger geworden. die zahl der"offiziell" armen hat sich <strong>von</strong> 24 auf 32millionen oder auf 13% der bevölkerungerhöht. die kinderarmut ... nahm <strong>von</strong> 18auf 23 % zu. während die offiziellen statistikendie zahl der obdachlosen mit350000 angeben, sprechen private fürsorgeorganisationen<strong>von</strong> 3,5 millionen menschen,die ihr leben auf der straße, unterbrücken oder in obdachlosenasylen verbringen... in den großstädten herrschengewalt und rauschgiftmißbrauch. im letztenjahrwurden 20680 amerikaner ermordet.rauscbgiftgebrauch und gewalttätigkeitin den inneren stadtbezirken minderndie lebenserwartung schwarzer jugendlichermittlerweile erheblich. darüber hinaussitzen mehr als 25 % .der schwarzenjungen männer zwischen 16und 29 jahrenentweder im gefängnis oder sind unterstaatlicher aufsicht ...63 millionen amerikaner sind ohnekrankenversicherung.... die inneren stadtbezirke ... dieteilweise kriegsschauplätzen oder elendsgebietenin der 3. welt gleichen ...(faz)seit den frühen 80ern gibt es in der nachbarschaftbrooklyns vermehrt auseinandersetzungenzwischen schwarzen undkoreanern, ob in hadem, queens oderauch in anderen us-städten wie atlanta,chicago und washington. oft reicht nur einmißverständlicher blick ... der streit umeinen preis ... unter der oberfläche gärtder unmut darüber, daß es koreanischeneinwanderern offenbar gelingt, in ökonomischschwachen, schwarzen stadtteilenein florierendes händler- und kleinunternehmertumaufzubauen. "die schwa rzenleute hier sind aufgebracht und maßlosenttäuscht. viele <strong>von</strong> ihnen haben ein lebenlang da<strong>von</strong> geträumt, so einen kleinenladen aufzumachen ... aber ihnen wird


systematisch der zugang zu versicherungenund kapital verweigert" ... <strong>bis</strong>her~rliefen appelle, sowohl an ko~erInnenwie an schwarze, sich doch als minoritätenund gemeinsam als opfer <strong>von</strong> unterdrückungzu begreifen, im sande ...(taz)frankreichder soziologe pierre boudieu über immigration,rassismus:... die immigranten der 2. oder 3. generationaus dem maghreb sind meistensvöllig abgeschnitten <strong>von</strong> ihren kulturellen,sprachlichen und religiösen traditionen...<strong>bis</strong> zu den 60ern ... lebten die franz0­sen ... in der illusion, daß die immigrantennur vorübergehend blieben ...diese illusion ist nach und nach zusammengebrochen,weil die immigranten ihrefrauen und kinder nachkommen ließen ­und blieben ...diese bevölkerung wurde <strong>von</strong> der kriseund arbeitslosigkeit mit voller wucht getroffen.selbst mit den besten zeugnissenwerden sie bei der arbeitssuche benachteiligt,ebenso bei der wohnungssuche ...so entstand eine bevölkerung, die kollektiventwertet und stigmatisiert wurde ...all dies hat, wie bei den schwarzen in denusa, die delinquenz gefördert, jene formdes sozialen kampfs oder des bürgerkriegs,jene formen ... die die jungenimmigranten dem öffentlichen bann aussetzen.und da<strong>von</strong> am meisten "betroffen"sind - real, aber insbesondere inihren phantasien - wieder die am meistenbenachteiligten der herrschenden gesellschaft: die armen "weißen" ...(taz)le bosquet. die leute in montfermeil nennenden ort schlicht "das ghetto": 1550wohnungen, 9000 einwohner, da<strong>von</strong>85 % ausländer, 32 nationalitäten.... <strong>von</strong> nun an sollen wohnungen in lebosquet nur noch an franzosen vergebenwerden. der erfolg? "drüben in bau zweistehen jede menge wohnungen leer, weilkein franzose einziehen will. also kommendie afrikaner mit ihren falschen papieren,brechen die türen auf und bleiben",meint der 17jährige farid ... "dieafrikaner <strong>von</strong> drüben" sind die buhmänner<strong>von</strong> farid und seinem clan maghrebinischerjugendlicher ... noch sei es in lebosquet nicht zu bandenkriegen gekommenwie in anderen siedlungen. aber esherrschtmiteinander ...(taz)kalter krieg. man spricht nicht"zulus" ... locker organisierte bandenschwarzer jugendlicher aus den pariservororten / schlafstädten ...noch heute denkt die pariser polizei mitschaudern an den vergangenen sommerzurück, als mehrere hundert skins und zulusaufeinander losgingen. weil die"schlacht" in einem türkenviertel desvorortes corbeil stattfand, mischten baldtürkenbanden mit, und die herbeigeholtepolizei stand zwischen den fronten aufverlorenem posten ...selten gab es massenfestnahmen wie amletzten sonntag ... mehrere rivalisierende"zulu-stämme" hatten sich abends imnoblen büroviertel la defense vor einerdiskothek versammelt, nach einer halbenstunde palaver lieferten sich 200 <strong>von</strong>ihnen eine schlacht, bei der ein 19jährigeraus mali totgeprügelt wurde. 27 zulus imalter <strong>von</strong> 15 <strong>bis</strong> 27 jahren stürzten sichdaraufhin in die metro und "regten" sichab, indem sie einen 24jährigen fahrgast ­ebenfalls ein schwarzer - überfielen ...an den wochenenden sind die vorortzügefest in zulu-hand. "nach 20 uhr kontrolliereich nicht mehr", erklärt ein metro-beschäftigter... "ich lasse mir dochnicht für einen fahrschein die fresse einhauen."runde 70 % der "arbeitsunfiille"bei der metrogesellschaft fallen unter"gewalttätige angriffe" doch die meistenopfer der zulus (und anderer jugendbanden)sind andere jugendliche. manche,die modische kleider anhaben, werdenwährend der fahrt <strong>bis</strong> auf die unterhoseausgezogen. in corbeil etwa gehört gewaltzum alltag der oft arbeitslosen zulus. "gewaltist für sie nur ein verhalten", erklärtein polizist, "sozusagen eine lebenseinsteijung".(sz)italienin der hafenstadt genua explodiert der rassenhaß.der aploklauf eines tunesiers hatjetzt .,. in genua einen kleinkrieg zwischender bevölkerung der altstadt undden illegalen einwanderern aus afrika undasien ausgelöst. schon in der vergangenheitführten reibereien zwischen farbigenhändlern und den bewohnern der hafengegendzu prügeleien und der forderung andie behörden "schwarze raus" ... die reaktionender bevölkerung ließen nicht aufsich warten. hunderte <strong>von</strong> personen zogendurch die stadt, blockierten den verkehrund forderten die geschäftsleute drohendauf, den schwarzen keine waren mehr zuverkaufen. einzelne dunkelhäutige passantenwurden verprügelt. am nachmittagrückten 300 demonstranten gegen das p0­lizeipräsidium vor und forderten die ausweisungder 25000 illegal in genua lebendenafrikaner und asiaten. sprechchöreriefen "wenn ihr es nicht fertigbringt,tunwir es". die spannungen steigerten sich,als die studenten flugblätter verteilten, aufdenen zu lesen war: "wir sagen nein zum~eg der armen. die tat eines verrücktendarf nicht zu menschenjagd führen."vergebens hatten dio bewohner <strong>bis</strong>herauf die menschenunwürdigen verhältnisseim zentrum hingewiesen. die einwandererleben in verlassenen lagerhäusern zusammengepfercht,in denen es nicht einmaltoiletten gibt.(fr)das sind jetzt nur einzelne "blitze", undwie gesagt, alles aus zwei monaten letztesjahr - ich habe hier inzwischen berge solcherartikel, auch zu spanien ...und zum schluß noch was <strong>von</strong> hier, ex-ddrsie nennnen sich "schwarze dra- (frUhjahr 90)chen", "sekte abdullah", oder "letzteschweinehunde", ihr revier ist der norden ... in forst machten aufgebrachte ddr<strong>von</strong>paris, ihre opfer suchen sie sich in den bürger jagd auf ein vietnamesisches mädvorortzügen.mit pistolen und messern chen, das in der örtlichen kaufhalle fleischbedrohen sie fahrgäste und fordern geld, und reis erstanden hatte. "du kaufst unseschmuck,kameras ... "zulu-banden", re läden leer", lautete der vorwurf derjene gruppen <strong>von</strong> schwarzen jugendli- verfolger.chen, die vor den toren der hauptstadt .. ; imjanuar meldete ... die ost-"bermindestenseinen überfall täglich bege- liner zeitung" :hen. die banden haben etwa 2000 mitglie- nicht selten waren in diesen wochender im alter <strong>von</strong> 12<strong>bis</strong> 25 jahren ... empörte oder auch tränenerstickte stiminargenteuil, nordwestlich <strong>von</strong> paris, men in gebrochenem deutsch amredakhatdie polizei jetzt eine der banden ... tionstelefon zu hören, die.berichteten, wieteilweise ausgehoben. 16 jugendliche, ihnen das halbe pfund wurst oder das eineda<strong>von</strong> 6 minderjährige, wurden festge- paar damenstrümpfe wieder aus dem einnommen.der anführer, in bandenkreisen • kaufskorb genommen worden war.nur "skorpion" genannt, gibt zu, mit sei-.ner gruppe etwa 200 überfiille in vorortzügenbegangen zu haben. der. 22jährige VInennt seine truppe eine "paramilitärischestadtguerilla" ... "ich bin kein kriminel- aus einem brief<strong>von</strong> helmut, okt. 91ler, ich wende nur das bandenrecht an",sagte er nach seiner festnahme. die 50gramm haschisch, die er bei sich trug,seien für den "gebrauch der truppe" bestimmt..."die welt kennt keine gnade für uns,unsere einzige chance ist, uns zu vereinen"sagt ein bandenmitglied.(faz)man kann sich nichts überlegen im sinn<strong>von</strong> traditioneller ,analyse'. es ist garnicht möglich, so etwas politisch relevanteszu bringen ...richtig rausgesprungen ist das für michbeim besuch <strong>von</strong> r. hier vor ner weile, siehat es genau so gesagt, "im sozialen", inder bedeutung: da findet es statt, da mußdie politik laufen. das ist aber eine völligleere aussage. es ist eine aus den ideologischen/ politischen auseinandersetzungender 70er jahre, wo solche bestimmungenfür den ansatz ,<strong>von</strong> außen' wegen mirsinnvoll waren (oder auch nicht). nur jetztgehen sie ganz und gar vorbei.nicht nur, weil es nicht stimmt, weilzwar richtig ist, daß der ganze druck diesozialen auseinandersetzungen (was istdas auch nicht?) multipliziert und verschärft,also da viel laufen wird, aber ge-15


nauso findet das an allen ecken und endenstatt, man muß ja nur an den interventi0­nismus denken oder an die flüchtlinge.aber den punkt finde ich überhaupt schonbei dem blick: in dem der reale politischebereich nach kriterien der politischen odersoziologischen wissenschaft in tortenstückezerlegt wird und dann der bestimmtwird, <strong>von</strong> dem aus sich veränderungen füroder zu allen erreichen lassen.da hast du im besten fall im kopf was,klar', was nur heißen soll, eine interpretationder wirklichkeit, ne ordnung imdenken, aber sonst hast du gar nichts fürjetzt.es geht nicht darum.ich habe zu ko. gesagt: man muß sichüberhaupt erstmal finden. sich, die personen,die zusammenhänge. man mußwissen, was man aneinander hat.das ist nicht bloß eine voraussetzung,das ist viel mehr, das geht jetzt an eine andereverbindlichkeit in der politik als <strong>bis</strong>her.viel direkter <strong>von</strong> den leuten her. dasist wichtig. und da, in dem prozeß, bildensich auch die bestimmungen der politikraus. die werden an dem klar, daß esganz direkt die gemeinsamen sind.man muß sich am verständnis <strong>von</strong> demfinden, was ist, darüber sich und damit/darindie konkreten bestimmungender politik finden.da muß man durch. sonst ist nur luft.über nen weg <strong>von</strong> einer nach der anderenkonkreten klärung ne politische konturzusammenkriegen. anders kann ich mirdas ,wie kriegt man jetzt nur ne diskussionhin' nicht vorstellen.ko. hat es so gesagt, und a. schreibt dasja explizit in dem brief auch - es findetkeine diskussion statt (und so kann auchunsere nichts werden).man muß, denk ich, sich ganz grundsätzlichda<strong>von</strong> lösen, daß ,diskussion' soein akt großer klärung sein könnte. einevorstellung, die ,automatisch' immer darinsteckt.das kann jetzt gar nicht gehen, weil nachdem doppelten schnitt in der geschichteder ,bewegung' hier und der geschichteder kämpfe ,seit' der oktoberrevolution(genauer ist es ja eine seit mitte des vorigenjahrhunderts) das ganze begrifflicheinstrumentarium dafür erstmal in den konkreten,faßbaren fragen mit inhalten gefülltwerden muß.unter die hüte wie ,im sozialen' paßtalles mögliche, da weiß keiner, was er amandernhat.was ich da meine, hat nichts mit ,theorielos'zu tun, es ist einfach der ansatz, dermehr ein altes ,linkes' bedürfnis ist alssonstwas, alles mit so ner ,schlüssel'-analyseoder -theorie entwickeln zu können.genau dafür, für so eine ,politik' stimmtk's satz dann, daß da<strong>von</strong> keiner satt wirddas ist einfach das ganz konkrete problemmomentan, nicht nur für uns, wieman eine diskussion in gang bringt, odervielleicht besser: eine politische strukturierungan einer inhaltlichen klärung derauseinandersetzungen, die auf uns zugeflogenkommen, die man nicht raustüftelnmuß.16durch ko., die eben genau dieses problemin ihrer wirklichkeit hat, ist mir das nochmaldeutlich geworden.du weißt ja, hast das auch schon mal geschrieben,es gibt in berlin, aber auchsonst, diesen konflikt zwischen den ,alten'und den ,jungen / neuen'. der drücktsich meistens in ner auseinandersetzungum die ,militanz' aus. aber das ist nur dieäußere schicht <strong>von</strong> diesem widerspruch.es ist einmal in wahrheit die radikalität,die in die militante praxis reingelegt wird,also verbunden und dafür genommen. undaußerdem ganz einfach ein sich-mcht-verstehen.im ganzen. wie die einen und dieanderen reden, ihr ganzer lebensstil ausden unterschieden, wo sie herkommenusw. , alles.das heißt beides eben das ,sich findenmüssen', das ich vorher meine. das gehtnur in dem, was jeweils läuft. es geht nichtin solchen theoretischen zauber-schlüsseln.das geht völlig an der situation vorbei,damit hat man nichts.VIIaus :,notizen einer reise' <strong>von</strong>eleuterio fernandez - el nato - <strong>von</strong> dentupamaross - nach seiner reisedurch westeuropa, in einem gespräch :- ... es gibt ,zwei welten', und das istkein ergebnis einer krise des kapitalismus,in der dieser beschloß, daß es zweiwelten geben solle und in jeder dieser weltensoziale klassen und klassenkampf.aber es sind zwei ausgestaltungen derwelt, die täglich mehr auseinandergehen.die erste welt, die du in deutschlandsiehst, im entwickelten europa, siehst duauch hier, in carrasc06, in den shoppingcenters. dort gibt es auch bourgeois, yuppies,arbeiterInnenklasse und klassenkampf,aber auf einem bestimmten niveau,weil diese arbeiterInnenklasse bewußtteilhat an den gütern der ersten weltund ihren status verteidigt. und später gibtes eine zweite welt, die die erste "die weltan der peripherie mit der wirtschaftlichenunzuverlässigkeit" nennt, mit welcherwir irrtümer begingen, weil wir sie mitromantischen augen angeschaut und gesagthaben: "das subjekt der sozialen revolutionist diese marginalisierte welt."aber in dieser welt gibt es auch den klassenkampf,gibt es auch kapitalisten, arbeiterInnen,yuppies, korrumpierte und anhäufer<strong>von</strong> kapital, in jedem cantegril7<strong>von</strong> montevideo gibt es sie. es gibt· dieprostituierte und den gigolo, es gibt denkleinen drogenverkäufer und den drogenhändler,die kapitalakkumulation ...- in jeder politischen organisation ...- und auch in der linken! genau. und dasist die große frage: zu welcher dieser zweiwelten gehört die linke? zu welcher gehörenunsere geistigen und selbst philosophischenkategorien? hier sagen sie dir:"die arbeiterInnenklasse ist ein homogenesganzes" und wir haben eine arbeiterInnenzentrale.aber eine sache sind dietarifverträge, die einige industriezweigehaben und der lohn, den ein qualifizierzerarbeiter erhält, und eine andere ist derlohn einer uruguayischen lehrerin. zuwelcher welt gehören diese lehrerin unddieser qualifIZierte arbeiter? können wirfortfahren, die arbeiterInnenklasse alshomogenes ganzes zu betrachten, ohne zubeachten, daß es sektoren der arbeiterInnenklassegibt, die beginnen, sich an denvorteilen der ersten welt zu beteiligen?natürlich hat dieser arbeiter klassenwidersprüchezum bourgeois, aber es sind nichtdie gleichen, die ein müll sammler hatoder ein arbeiter, der 100 dollar im monatverdient. und das passiert so oft weltweitwie national, weil es auch in den zentral­Iändern eine zweite welt gibt, wie. in derbronx oder in harlem oder in den vierteln<strong>von</strong> clucanos oder in bestimmten vierteln<strong>von</strong> hamburg, <strong>von</strong> berlin oder zürich, dortsiehst du auch eine zweite welt mit ihreneigenen gesetzen, ihrer eigenen privatenpolizei, die sich mafia oder capanganennt. und der zentrale kapitalismus hatentschieden, daß dies so sein soll. dann interessiertdie ddr, und sie haben entschIeden,sie geschlossen in die erste welt zuübernehmen. aber es interessiert sie nicht,ob es in jugoslawien bürgerkrieg gibt oderdaß die löhne in polen unter die <strong>von</strong> taiwanfallen. das ist kein problem der erstenwelt, weil das modell des wirtschaftlichenneoliberalismus, das heißt des modemenkapitalismus, in sich katastrophal ist, da,wenn sich utopische versprechungen erfüllenwürden, der planet unterginge.wenn z. b. den hindus einfallen würde ­und sie es machen könnten -, die gleichemenge <strong>von</strong> autos zu verbrauchen wie diedeutschen oder die japamir, wäre der planetinnerhalb <strong>von</strong>48 stunden durch luftverseuchungam ende, der kapitalismusweiß, daß sein modell nur für eine minderheitdes planeten ist, deshalb schafft erprivate polizei, schnelle eingreiftruppen- die nato wird sich dazu verwandeln-,er verschanzt, wie das mittelalter es machte,denadel in seinen schlössern. und dassehen wir hier: immer mehr elektronischealarmanlagen, privatpolizei, exklusiveviertel. das ,,18. juli viertel"8 hört auf,zentrum zu sein, sie verlassen nicht einmalmehr ihr viertel, leben in der erstenwelt, die sie sich bauten, konsumierenmercedes benz ... was gerade kommt,genau wie in den zentralländern. ist es alsoein homogenes ganzes, die marginalisierungund die unzulänglichkeit? auchnicht. auch dort gibt es klassenkampf,ausbeutung des menschen durch den menschenund alles andere. diese zweite welthat selbst ihre eigenen krankheiten wie diecholera. peru ist ein typisches beispiel fürdas, was die zweite welt ist. die erste weltinteressiert schon kaum noch, was in perupassiert. im gegenteil, es sollten möglichstviele sterben, weil der kapitalismusweiß, daß dieses sich nicht mehr regelt,daß der tag kommen wird, an dem sie aufdringlichwerden. sie werden mit einerschnellen eingreiftruppe kommen, damitsich die sache in dieser mietskaserne beruhigt.in den favelas9 <strong>von</strong> rio de janeirosiehst du die polizei schon nicht mehr hin-


t)eingehen, die ordnung regelt die mafia.aber außerdem produziert der kapitalismusgüter, die diese erste welt noch konsumiert... was kann deutschland an diecantegriles <strong>von</strong> montevideo verkaufen?coca-cola ... was weiter können sie konsumieren?dieses berücksichtigend, scheint mir,daß du eine klassenanalyse machen mußt,die sich <strong>von</strong> der <strong>bis</strong>herigen unterscheidet;du mußt sehen, welche aktionseinheitspolitikdu vom sozialen gesichtspunkt hermachst, du mußt sämtliche kategorien ändern.weil außerdem der sozialismus selbstals modell, oder was man als solches verkauft,den vers dieses katastrophalen kapitalismusgelernt hat. als die uruguayer<strong>von</strong> einem modell träumten, träumten sie<strong>von</strong> holland, auf die gleiche weise wie diesowjets, die, als sie <strong>von</strong> ihrer entwicklungträumten, ihre zuflucht in der elektrifizierung,der schwerindustrie suchten unddeutschland ähnlich sein wollten, dasheißt, sie wollten dem kapitalismus ähnlichsein. und das modell ist weltweit katastro'phal.wenn es gelingen würde, diesen,sozialismus' weltweit einzuführen, oderwenn er nur in china eingeführt wird, gehtder planet in den arsch. also übernehmendie kubaner jetzt das fahrrad, lassen dasauto beiseite, trainieren 22000 ochsen,um die erde zu pflügen. und dort in kubagab es jemand, der sich entrüstete: "dasist fürchterlich, so entwickeln sich dieproduktivkräfte nicht". aber wer sagt dir,daß das auto anstelle der fahrräder eineentwicklung dermercedes benz.produktivkräfte war?VIIIaus einem brief <strong>von</strong> mir, BOV. '91als ich neulich im IDEStO gelesen habe,wie die wahlen in kolumbien gelaufensind: 35 % wahlbeteiligung und dashauptproblem der linken dort - daß 75 %der bevölkerung, nämlich die städtischen.massen, unorganisiert geblieben sind undin dem sinn ,unpolitisiert', daß sich ihrwiderstand trotz der zunehmenden verschlechterungder lebensbedingungenni c h t gegen die regierung, den staat richtet- dachte ich, das ist eine entwicklung,mit der wir hier noch ganz massiv konfrontiertwerden und zum teil jetzt schonsind.auch ein ausdruck da<strong>von</strong>, wie die ganzesituation umgeschlagen ist. das bestimmendeweltweit ist eben nicht: politisiertemassen (bewegungen), sondern daß dieausgestoßenen und die in den sog der krisegeratenen gesellschaftssektoren den individualistischenrun nach kohle, konsum,überleben begonnen haben. was vor 5, 6jahren sich· noch als ,kollektiver' widerstandund ausdruck der allgemeinen politisierungin den kämpfen und revolten artikulierthat, ist umgeschlagen. ,mit gottund dem medellin-kartellu' ... so kämpfendie besitzlosen und die, die dem westlichenkonsum hinterherrennen, vereinzeltund gegeneinander, holen sich aufdiese weise ,brot, arbeit, würde', und dasbrutale ist, daß die drogen-mafia mehrfürs überleben, schulbildung usw. gebrachthat als jede regierung und ,die linke'oder die kirche. hier ist es ,die gang'oder eine der vielen mafias oder bei manchendie neo-nazi-szene.die ,fremdheit' gegenüber linken politischenzusammenhängen, denk- und lebensweisenfängt bei der einfachen fragean : was wollt ihr, was soll das bringen?wenn überhaupt nicht mehr <strong>von</strong> perspektivengesprochen werden kann, <strong>von</strong>irgendwas, worin hoffnungen ,verankert'werden können, dann erledigt sich jederlinke politische ansatz <strong>von</strong> selbst und <strong>von</strong>anfang an.wer keine ideen, konkrete vorschlägezur veränderung der realen lebenssituationder ausgestoßenen hat, wer keineschritte mit ihnen zusammen entwickelnkann, die eine perspektive beinhalten underfahrbar machen in der unmittelbaren lebenswirklichkeit- der kann diese ,massen'weder organisieren noch sie überhaupterreichen.und das ist hier auch schon so. seit einpaar jahren hat das angefangen. das hatjetzt wenig sinn, rückwärts zu schauen,aber für die zukunft ist es etwas wesentliches.du hast doch ,krieg in den städten'IZauch gelesen. das springt einen ja gleichan - diese ,kids' könnten, oder mindestensdoch viele <strong>von</strong> ihnen, genauso in denwiderstandszusammenhängen sein ...zu dem ganzen noch: ich hatte dir mal eininterview und einen text <strong>von</strong> ,resistancedes banlieus' aus frankreich geschickt(zusammenschluß <strong>von</strong> jugendlichen ausden ,vorstädten', die gegen ihre lebenssituationrebellieren).die, die das angepackt haben, warenschon bewußte politische leute - also diesache war nicht als ausdruck einer allgemeinenentwicklung bei den kids zu sehen- und seit sommer gibt es ,resistance.. .' nicht mehr. jean-marc .meinte, dasganze wurde zerrieben zwischen staatlicherpolitik, repression auf der einen undvereinnahmungsversuchen <strong>von</strong> leutenmarke ,radikale linke' auf der anderen seite.georges S{;hrieb noch dazu: die kidssind gar nicht mehr politisch zu organisieren,der überlebenskampf, die drogen, die(politisch aussehende, in wahrheit aber)ziellose gewalt kommen immer wiederüber alles drüber, was es an ansätzen gibt,und ,die linke' hat den kids nichts zu bietenund nichts zu sagen.ich finde das eins der drängendsten problemehier. alle die, die ,rausfallen' undnicht ,politisch' werden, halten denherrschenden objektiv den rücken frei fürfaschistische ,lösungen'. sicher, der vergleichzum alten faschismus ist schon <strong>von</strong>daher falsch, weil es keine ,das volk' einigendeideologie, kein staatliches ,projekt'für die gesamte gesellschaft mehr gibt,mit dem die ausgestoßenen sich identifizieren.was läuft, ist ja grad das gegenteilz. b. <strong>von</strong> ,volksgemeinschaft'.aber was es ist - daß die ,unten' imprinzip nach den gleichen methoden vorgehenwie die ,oben', nur nicht als ,gemeinschaft',sondern jeder für sich oderjede gang für sich. und so rum funktioniertes auch.und es geht ja um die menschen hier. infrankfurt gab es dies jahr doppelt sovieldrogentote wie '90 - und das wird nurimmer brutaler.wenn ,die linke' hier nicht in der lage ist,auch in diesen bereichen etwas sinnvollespolitisch auf die beine zu bringen, wird siein ein paar jahren nur noch ritualisierte,symbolische aktionen am rand der gesellschaftmachen.und das ist nur ein beispiel, eine derfragen, die sich uns allen neu stellen.IXaus einem brief <strong>von</strong> helmut, januar '92mir ist das schon x-mal aufgestoßen, immerwieder seh ich, daß jetzt zeug hervorkommt,das wir schon vor ein paar jahrengesagt haben, aus dem aber überhauptnichts geworden ist. jetzt vor kurzem,vielleicht hast du das ja auch gesehen, dakam in hessen 3 tv der robert kurz ineinem gespräch mit nem redakteur. derentwickelt ja in seinem buch1) anband <strong>von</strong>marxistischen kriterien, daß in der globalisierungdas kapital keine entwicklungmehr hervorbringen kann und daraus insgesamtgesehen ,nur' zerstörung folgt (ichlaß mal weg, was ich an seinem buch zuideologisch finde). und am schluß bringter als einzige positive bestimmung die,sinnliche vernunft' (gegen die ,abstrakteselbstverwertung des geldes', du erinnerstdich an deine ,grundrisse'-lektüreI4). danachfragt ihn der redakteur, was er damitmeint an einem konkreten beispiel. daraufsagt er: eine internationale institution,wie es z. b. die UNO sein könnte, wennsie anders strukturiert wäre, die die umverteilungder finanziellen, technischenusw. ressourcen organisiert.ja. du erinnerst dich an iwf-zeiten, wowir genau das hatten. gegen diesen ,zerschlagungs'-mist,schlicht und einfachdaran orientiert, daß das geld, die technologierüber müssen und daß sie nur <strong>von</strong> dakommen können, wo es ist. muß ich janicht mehr näher sagen. das sprengt einfachdiese alten vorstellungen <strong>von</strong> revolutionärund reformistisch schon, ist nurvom ,für wen' bestimmt, ob es krisenmanagementfürs bedrohte internationale kapitalsystemist oder ein schritt für die befreiungaus dem elend. und das muß erkämpftwerden. ich meine, das ist jetzt nurdie gedankenfigur an einem griffigen beispielfür die orientierung auf der gesamtebenefür die alternative entwicklung.,sinnliche vernunft' ist nichts anderes als,an den notwendigkeiten für die mehrheitder menschen orientiert'. im gegensatzzur kapitallogik.und das jeweils im konkreten aus denbedingungen, also nicht über einen leistenzu hauen. kein schema, kein modell.17j,....


,fiir die menschen', das klingt schnell so. .. humanitär und herzallerliebst, unddeshalb lesen da die meisten auch schnelldrüber weg wie ,sowieso klar', es bedeutetaber knallharte auseinandersetzungenam konkreten, materiellen inhalt. in derkonsequenz, wenn man es sich als weitergehendeentwicklung vorstellt, eben umwälzung,aneignung.das finde ich bei k. völlig fillsch, wenner sagt, das sind nur umverteilungen, dasgeht über die systemgrenzen nicht raus.genauso und nicht anders stelle ich mirden prozeß vor. der läuft unweigerlich,auch wenn es zuerst oder an einzelnenpunkten spielräume für beide interessenseitengibt, auf den antagonistischen gegensatzraus. eine entwicklung in derorientierung sprengt das system.also das ist ein zentraler ,eckpunkt', denwir schon jahrelang haben, über denkommt man so auch nicht raus, weil er jedesmal,wie du auch schreibst, konkretausgefiillt werden muß. es hat mich nurwieder gestoßen, als ich gesehen habe,wie genau das rauskommt, wenn einer wieder r. kurz so eine theoretische grundanalysemacht.da hängt so viel dran. wenn damit ernstgemacht ~rde, würde es die ganzen erstarrtenstrukturen umpflügen, es wäredie viel beschriebene orientierung ,in diebreite' an inhaltlichen konkreten bestimmungenstatt an ideologischen odermythischen (,das volk', ,die massen'), eswäre in jeder konkreten auseinandersetzungdie ganze politisch-inhaltliche auseinandersetzungum das system, die frageder mittel käme auf die fiiße, indem mansich nach der bestimmten lage entscheidetusw.das ist also ein kern fiir den blick auf denstoff.fiir die strukturelle seite, wie sich derprozeß entwickeln kann, da ging es mirgrad genauso, eine grundbestimmung <strong>von</strong>der wir jahrelang reden, kommt mir da als,allerneuestes' aus der "FR" entgegen.eine buchbesprechung, laclau/mouffeH,hast du vielleicht auch gelesen.,auch die hegemonie, die herstellungeiner neuen dominierenden zusammensetzunggesellsclulftlicher kriifte ... 'hier kann man auch schon relevantepolitische kraft sagen, oder eine, in derdas steckt," ... muß nach ihnen neu gedacht werden.hegemonie ergibt sich nicht zwangsläufigaus eindeutigen interessen ... "da geht es um die traditionelle hierarchisierunben-usw.der widersprüche, haupt-ne­;,sDndern ist resultat <strong>von</strong> artikulat ion e n. artikulationen als ein zentralbegriffmeintdie in sozialen, politischenauseinandersetzungen erzieltezusammenfügung <strong>von</strong> sozialenpraxen."auseinandersetzungen entstehen ..das wird in diesen marxismus-am-endedebattenimmer ideologisch aufgezogen,natürlich herbeigefiihrt vom ergebnis dererstarrung in den sozialistischen staaten.der materielle punkt dabei ist aber dievervielfachung der widersprüche und ihrevertiefung <strong>bis</strong> in den kleinsten bereichrein im ergebnis der totalisierung des systems.und das muß sich erst in den konkretenauseinandersetzungen ein stück entwikkeIn,damit der politische prozeß wiederwind in die segel kriegt.... es muß über eine reihe <strong>von</strong> auseinandersetzungenerst faßbar werden. unddas hängt halt stark da<strong>von</strong> ab, daß auch offenwird, daß nicht nur die historischensozialistischen modelle nicht ,gehen',sondern daß dieser historische einschnittgenauso bedeutet, daß das globalisiertekapitalsystem auch nicht ,geht'.1 ronald schemikau in: "die tage in 1."2 vorschlag des us-finanzministers nicoIasbrady vom april 1989,der nach dem scheitern desbaker-plans tiir die 39 "entwicklwigsländer" mitder höchsten verschuldung erstmals einen teilweisenschuldenverzicht vorsieht: neue kredite <strong>von</strong>iwf und weltbank sollen den rückkauf <strong>von</strong> schuldentiteln(allerdings nur <strong>von</strong> den internationalengeschäftsbanken) zu im einze1fall auszuhandelndenermäßigten bedingungen ermöglichen.3 ernesto "ehe" guevara, argentinischer arztund revolutionär, kampfgefährte castros, 1967 inbolivien ermordet.4 umgangssprachliche französische bezeichnungtiir polizist5 revolutionäre organisation in uruguay6 \Whngebiet der reichen in montevideo mitvornehmem badestrand und nicht weit entremteminternationalen flughafen7 armutsviertel <strong>von</strong> montevideo8 geschäfts- und einkaufSzentrummontevideos9 elendsquartier, slum10 informationsdienst el salvador; wöchentlichinberlin erscheinendes info11kolumbianische kokain-mafia (medellin:zweitgrößtestadt im norden kolumbiens)12 ldaus fiuin, eberhard seidel-pielen: krieg inden städten. jugendgangs in deutschland, berlin199113 roben kurz: der kollaps der modernisierung.vom zusammenbruch des kasernensozialismuszur krise der weltökonomie, frankfurt 199114 kad man: grundrisse der kritik der politischenökonomie, berlin (ost) 1953/197415 laclau, ernesto; mauffe, chantal : hegemonieund radikale demokratie. zur dekönstruktion desmarxismus, 1991das ist genau, was ich denke. daß eine verändernde- und jetzt auf dem realen bodender ,einen' globalen situation stehende- kraft entsteht, kann nur als produkt- ,resultate' haben wir früher gesagt ­aus vielen unterschiedlichen konkreten18


Knut FolkertsDas Wesentliche ist dergesellschaftlicheAneignungsprozeßdann auch endlich welche aus ihrem kon­Aus Briefen vom August und November 1991Ikreten prozeß).august 1991huidobro,viele fragen: was kann politik überhauptsein? - der staatssozialismus ist am ende,die linken mit ihrem politikmachen auch,und die bourgeoisie klagt in den feuilletons:die politik stirbt. - merkwürdigegleichzeitigkeit, vielleicht ist politik überhauptam ende.die frage hat also eine größere dimension.auf unserer seite reflektiert sie, daßeine ganze historische phase, die im oktober'17 begann, endgültig zu ende gekommenist (lenin gab der russischen revolutionkeine chance, wenn nicht die revolutionin deutschland hinzukommt - immerim blick den weltrevolutionäret'l prozeß).das erste sozialismusexperiment unterliegtim zusammenbruch der sozialistischenstaaten. und mit ihnen die politik,zu der die ,neue linke' sich im widerspruchsah, dessen grundlage sie aber niewirklich überschritt.jede negation fordert, um zu einer wirklichenzu werden, im praktischen lebeneine neusetzung. es hat sie kaum gegeben,und so ist es auch kein wunder, wenn allesim krisensog versinkt. unsre neusetzungwar die metropolenguerilla, als bruch derherrschenden systemrealität, aus der konsequenzder historischen niederlagendurch systematische entwaffnung des bewußtseinsund des handelns - eine angriffsposition,die in der praktischen bewegungdie neue grundlage herausbildet.wie weit wir damit gekommen sind, wäreteil einer umfassenden auseinanderset ­zung."wird die deutsche linkeemeut historischversagen?", fragt huidobro1 (imbeWußtsein, welcher genocid diesem versagenfolgte). dhoruba:2 "bush 's neueweltordnungbedeutet,daß wir nichtmehrviel zeit haben." auf seme frage, was sievorhaben und wie sie organisiert sind, bekommter erstmal zur antwort: "er sollmal langsam machen ... man muß ihnmal darauf hinweisen, daß es die leutehier ziemlichermüdet ... organisierenistein abstrakter begriff .. :' - eine konkretefrage, und die deutsche linke verstehtnur ,abstrakt' und bahnhof. fühlensich "fürchterlich angegriffen". ein spiegelder linken metropolenkrankheit, dieihre entfremdung nicht mal mehr spürtund ihre selbstwahrnehmung routiniertblockiert (nachdem er immer wieder klarauf die frage zurückkommt, antwortender aus einem kampfzykluskommt, in dem in lateinamerika in denletzten 25 jahren zehntausende ums lebenkamen und hunderttausende gefoltertwurden, fragt genauso nach der organisierungund stellt anschließend fest: "dasorganisationssystem der linken indeutschland ist leicht infiltrierbar." esantwortet ihm der scenekretinismus, dieabwesenheit jedes ziels und dessen ernsthaftigkeit:"macht nichts, diepolizei verstehtunseh nicht."inzwischen sieht es ja so aus, daß unserekritik an der parteifdrmigen organisierung,die eine praktische war, verbal mißbrauchtwird, um verbindliche und wirksameorganisation auf der höhe der zeitmit klischees abzuwehren wie: wir wollenkein zk, kein politbüro. nach 20 jahrenkann der großteil der linken keine antwortauf die organisationsfrage geben (wasauch nur noch auffiillt, wenn revolutionäreaus anderen kontinenten danach fragen).es ging nie darum, kein politbüro zuwollen. es geht immer um die materielleaufhebung im neuen, um das, was wirbrauchen, um die revolution machen zukönnen. aber wo es keine gesellschaftlichenziele gibt, braucht es auch keine organisierung.wofür auch? eine ähnlichemasche wird <strong>von</strong> einigen auch gestricktmit (unsrer) kritik an militaristischen abweichungenund denkweisen.aber zurück zur ausgangsfrage nach derpolitik. die krise der politik wird <strong>von</strong> derkrise des weltmarktes angetrieben. derosten ist (auf der gleichen ökonomischenbasiskategorie der warenproduktion) nachden sog. entwicklungsländern in der internationalenkonkurrenz kollabiert. die allgemeinekrise rückt vor, die zentren werdennicht mehr länger das ruhige auge deshurrikans bleiben (der bürgerkrieg in jugoslawien,in der äußeren form ein nationalitätenkonflikt,dessen kern aber ökonomischeund soziale krise ist,. ist nur nochein paar hundert kilometer entfernt).politik als suche nach lösungen für gesellschaftlicheund zwischenstaatlichekonflikte wird durch militärische mittelersetzt. zur beantwortung der frage, wiepolitik heute in auseinandersetzungen(überhaupt noch) eingeführt werdenkann, ist ein historischer begriff nötig.obwohl man es mit dem faschistischenstaatstheoretiker carl schmitt kurz fassenkönnte, der schon lange vor dem tausendjährigenreich den begriff des politischenauf die freund-feind-erkennung verdichtete.inzwischen gibt es dank der hilfe wiedereingemeindeter68er nicht wenige mystifikationen.die vorstellung, politik wäredas bestimmende, ist eine ideologische illusion,die in der phase kapitalistischerexpansion entstand, in der politiker alssubjekte der kapitalbewegung, als freiewillens- und entscheidungsträger erschienen.im kapitalismus gab es aber niemalsdas primat der politik. - sie war immerfunktion und abgeleitete sphäre des marktesund dessen verwertungslogik, in der eskein subjekt gibt außer dem blindenzwang zur selbstverwertung <strong>von</strong> kapital.politiker entscheiden nicht über die ökonomie,sie werden <strong>von</strong> der systernlogikgetrieben. ,sachzwänge', denen gegenüberes keine entscheidungsfreiheit gibt.es geht nur um den weg ihrer optimalendurchsetzung. das ist die politik aller parteien.zur ablenkung ihrer tatsächlicheninkompetenz wird politik als das medialeaffentheater inszeniert, ,volksnah' oderwie <strong>von</strong> grünen als ,neue zivilität' (die zugleichdie geschichte entsorgt). das aussitzenist nicht nur die persönliche eigenschafteiner figur, sie ist die inkarnationdieses grundsätzlichen zustands.(und wenn irgendwo entscheidungengetroffen werden, so nicht in bonn, sondernin international operierenden bankhäusernin ffm. diese trockene einschätzungeines insiders über die brd-wirklichkeit:die tatsächlichen entscheidungsträgerumfassen nicht mehr als 3000 personen,die oberste spitze, die über die lebensbedingungen<strong>von</strong> millionen menschenhier und weltweit bestimmt, ist einbruchteil da<strong>von</strong>. <strong>von</strong> politikern war dabeiüberhaupt nicht die rede. über die sprechensie nur verächtlich.)wenn sie mal eine politische entscheidungtreffen (natürlich nicht ohne diedeutsche bank vorher gefragt zu haben),wie es die ,wiedervereinigung' ist, dannwerden sie schnell <strong>von</strong> der harten realitätihrer eigenen marktgesetze eingeholt.statt wirtSchaftlichen gewinn wirdddr-annexion die krise reinziehendieundverschärfen.politik als bürgerliche subjektforrn istgeschichtlich ebenso überholt wie diestaatssozialistische entsprechung.leiche kann man nicht wiederbeleben.einewirmüssen also den begriff des politischenauf neuer grundlage definieren, im bruchzum vorherigen und mit perspektivischerweitsicht.der umwälzungsprozeß wird revolutionärepolitik brauchen. aber das ziel istnicht politik, sondern soziale revolution.sie beinhaltet in der zielperspektive dieabschaffung jeglicher politik (wie die abschaffung<strong>von</strong> staat und aller besonderenformationen ... ) durch die wiederaneignungdes gesamten sozialen lebens durchdie menschen. ihre selbstbestimmungnach eigenen gesellschaftlichen kriterien." ... erst wenn der mensch seineeigenen kräfte als gesellschaftlichekräfte erkannt und organisierthat und daher die gesellschaftlichekraft nicht mehr in der gestaltder politischen kraft <strong>von</strong>19


sich trennt, erst dann ist die menschlicheemanzipation vollbracht", sagtunsmarx.er spricht <strong>von</strong> sozialer emanzipation ineinem bewußtwerdungs- und organisierungsprozeß(!), in dem der abstrakte, isolierteeinzelne zum wirklichen gesellschaftlichenindividuum wird, das in seinemalltagsleben, seiner tätigkeit und inseinen beziehungen seine <strong>von</strong> der warenfurmgefesselten kräfte freisetzt. wirklicheindividualität Ikollektivität I gesellschaftlichkeitbedingen sich wechselseitig.jede/r als aktiver fuktor im historischenprozeß und dessen produkt. jede/rproduzent einer neuen wirklichkeit, worin,,das gesellschaftliche entstehen des neuenmenschen seine faktische synthese ausallen einzelbestrebungen ist" (lulaics).einer realität, in der abstrakte, getrenntesphären aufgehoben werden und nebender es keine sinnvolle lebensweise gibt(das würde auch ihre anziehungskraft ausmachen).die historische überholtheit <strong>von</strong> politikzeichnet sich auch in den ländern nationalerbefreiungsbewegungen ab: keine politikmacht die hungernden satt. die machtdes weltmarktes setzt jeder bewegunggrenzen, solange sie nicht in globaler einheitund bewegung aufgehoben wird. ,sozialismusin einem land' war immer einepraktische unmöglichkeit.politik ist überlebte furm des warenproduzierendensystems - und dessen irrsinn,bei höchster produktivität die größteexistentielle not, zerstörung, ausgrenzungund verunsicherung hervorzubringen.was wie naturgewalt erscheint, ist destruktiverausdruck der möglichen emanzipativenaufhebung. aber diese seite derkrise wird kaum wahrgenommen. alle, diein den letzten monaten aus anderen ländernherkamen, sagten: es steht indeutschland eine große krise bevor - wasmacht ihr? es ist die krise, die eine sozialeumwälzung überhaupt erst möglich werdenläßt. neue ideen sind die töchter, nichtdie mutter der krise.politik ist aller erfahrung nach herrschaftund inkompetenz. sie reproduziertentfremdung. da<strong>von</strong> müssen wir ausgehen.aufspürbar sind elementare lebensbedürfnisseim kampf um konkrete veränderungen,hier und jetzt in der konfrontationmit den herrschenden verhältnissen. umetwas als befreiend zu erfahren, muß manes auch erleben können, muß die spur darinenthalten sein .das wesentliche ist also nicht politik, esist der soziale aneignungsprozeß; die umkehrungder entäußerung, <strong>von</strong> der das systemsich mästet. es geht um bewußtsein,das sich materialisiert und dazu organisiert,in verschiedenen furmen, die zusammenwirken und perspektivisch zusammenlaufenin einem komplexen undwidersprüchlichen übergangsprozeß.revolutionäre macht ist nur in eineräußeren form politisch. statt politikmachenals abgetrennter bereich im lebenund selbst nur fremd, sollte revolutionärepolitik eine waffe sein : spitze eineswachstums, das alle aspekte des lebens integriertund befreit. sie könnte die kon-20zentrierte zusammenfassung gesellschaftlicherkräfte sein und vielfältiger (strategischorientierter) basisprozesse (jede basisinitiativemitverantwortlich für denstrategischen gesamtprozeß) - zur durchsetzungunmittelbarer bedürfnisse undlangfristig fundamentaler umwälzung. alsdie jeweils nach vom getriebene orientierung,um das herrschende machtsystemzurückzudrängen und in der aufhebung zuzerschlagen.die existentiellen probleme sind in deralten form nicht zu lösen. das systemtürmt waren, trümmer und leichenbergeauf - wir müssen die richtung ändern.die ,one-world' des kapitals kann dieweltbevölkerung überhaupt nicht integrieren- siehe 40 jahre ,entwicklungspolitik'zum elend. was die geschichtlichgleichgültige und ewige form sein undbleiben soll (die erde als scheibe), bedeutetnach deren logik, daß millionen menschenlebenüberflüssig sind - der vernichtungausgeliefert. das ist der zusammenhangzwischen entscheidungen derzuvor erwähnten eliten und beispielsweiseden todesschwadronen gegen straßenkinderin lateinamerika ; oder der zwischendem iwf und der cholera.aus der geschichte wissen wir, alleswird wieder aufgesaugt, das nicht die systemgrundlagedurchbricht. nur eine starkekraft kann die alte form sprengen. mitweltanschauung ist da nichts zu machen.es geht um den prozeß, worin menschensich und die gesellschaftliche materieumwandeln. dieser prozeß benötigt eigeneorte und zeit - außerhalb und gegenden herrschenden konsens und den normalzustand.aber in dieser gesellschaft.grenzüberschreitende pmxis und kommunikationzur produktion sozialer gebrauchswerte,worin menschen zu sichfinden können. durch die befreiung derzeit zur befreiung des raumes.die machtdemonstrationen des staatessollen behaupten: es gibt keine entwicklungaußerhalb ihrer bestimmung. ehersoll alles erstarren, als daß etwas neuesauflebt und aufscheinen könnte. einewirkliche politisierung müssen sie fürchten- als frage und bestimmung des sozialensinns gegenüber dem sinnlosen unddestruktiven selbstlauf der kapitalverwertungin allen bereichen.es ist aber nicht primär der staatlichegewaltapparat, der veränderungen verhindert.vor allem steht die selbstentfremdung,die in der metropole vermutlich amtiefsten geht. jetzt wird darüber entschieden,ob hier in großdeutschland eineeigenständige kraft wächst und teil einerneuen internationalen allianz zur umwälzungwird, oder nur agonie. global trittdie ganze katastrophale wirklichkeit derverwertung <strong>von</strong> menschen und natur hervor.für millionen hunger, seuchen, obdachlosigkeit,krankheiten, tod. tag fürtag. in den zentren die tendenz zur psychischenund auch physischen verelendung,so daß ein inder in einer new yorkeru-bahn-station feststellt: "wie bei uns inkalkutta". aber immer noch nischen, derensein das bewußtsein deformiert.krise der bourgeoisie und krise des proletariatsbrachten den faschismus hervor.höchste zeit, die gefahr wie auch die offenemöglichkeit zu erkennen.auch wenn wir wenige sind. das ständigekrisengerede der übriggebliebenen linkenvermauert die potentiellen fähigkeiten<strong>von</strong> jeder und jedem. jeder solle seinen ortbestimmen und initiative ergreifen.die herrschenden verhältnisse und derenmystifikationen können nur im aufbausozialer gegenmacht überwunden werden.gegen das universum der ware-geldbeziehungenvergesellschaftet sie neuebedürfnisse (die nicht käuflich und absorbierbarsind). aber nicht als politik dervermittlung. sie schafft die vermittlunggerade ab.ohne machtformen ist alles idealismus.der feind ist hochorganisiert und hat zukünftigelagen antizipiert. wie die geschichtelehrt, ist er zu allem bereit. bewußtseinist immer mit organisierung verbunden.und so war die frage <strong>von</strong> dhorubaund huidobro nach der organisierung zugleichdie frage nach dem bewußtseinsstandder linken hier.ich hoffe, mein brief hilft bei der bestimmungund gewichtung, was politikheute für uns sein kann - und was nicht.natürlich ist er abstrakt. die konkretionwäre mir auch lieber.die gegenwärtige situation, so einzigartigsie auch sein mag, wurde <strong>von</strong> marxschon mit großer präzision und weitsichtvorausgedacht : die geschichte, die wieein alp auf den schultern lastet. im endedes realsozialismus bestätigt sich, daß sozialerevolutionen nicht der vergangenheit,sondern nur der zukunft ihre eigenepoesie entnehmen können: sie müssensich der abergläu<strong>bis</strong>chen treue zu der vergangenheitentledigen.jede/r kennt es, weil oft zitiert. abergucks mal genau an, was er darin mit jedemsatz, mit jedem wort sagt: soziale revolutionenverspotten erbarmungslos dieschwächen und fehler ihrer ersten versuche,ziehen sich ständig zurück, erschreckt<strong>von</strong> der unendlichen größe ihrereigenen ziele, <strong>bis</strong> die situation entsteht, inder jede rückkehr unmöglich ist und dieumstände selbst schreien: hic rhodos ­hic salta!311november 1991. . . die möglichkeit einer globalenbefreiungs- und aufhebungsbewegungdu schreibst, du verstehst nicht, weshalbich "die gedanken an dieser fragestellungaufhänge"? - kehr es einfach mal um:wie willst du zu neuen, die schlechte wirklichkeitüberschreitenden gedanken kommenohne grundsätzliche infragestellung<strong>von</strong> ,begriffen', aus denen keine kraftmehr wächst (und auch nicht mehr wachsenkann) gegenüber der katastrophalenkapitalentwicklung.ein problem ist, du siehst politik unhistorisch,zeitlos, ohne anfang und ende.das gehört auch zum mangelnden ge-


schichtsbewußtsein, das den ausländischengenossen auffiel. du begreifst diehistorische dimension der krise nicht, ihreradikalität in allem, und so auch nichtdie dimension der notwendigen neusetzung.die geschichtliche bedingtheit derrormen, die mit dem kapitalismus entstandenund mit ihm untergehen - und dasschließt aufuebungsversuche ein, die keinewirklichen aufuebungen werden, wiez. b. am staatssozialismus gerade vorgeführt.die linken renegaten haben in diesereinen wahrnehmung recht: politikmachenist am ende. an den fakten evident, durchwiedervereinigung und golfkrieg beschleunigtins licht der wahrnehmung gehoben:es gibt keine relevante kraft. esgab eine unmenge <strong>von</strong> anstrengungen undinitiativen - wo aber ist die akkumulationaUs den letzten 20' jahren, wo ist die politik,die organisierung und struktur, worinmaterialisiert sich bewußtsein? "wennman mitten drinsteht in der lebenswirklichkeit... " - welche lebenswirklichkeithat (antiimperialistische) politik?der mangel an kräftewachstum (natürlichals minorität), die kreisende bewegungin den gleichen mustern und zyklen... hat einen tieferen grund, den man entschlüsselnmuß. sonst gleicht es dem versuch,mit einem sieb wasser schöpfen zuwollen. ein grund liegt in geschichtlichüberholten formen und einem bewußtsein,das daran klebt. nimm den begriffpolitik, wozu ich schrieb, als ein beispiel.politik ist durch die prozessierende kapitalentwicklung,absterbend', (mehr undmehr) untauglich zur aufuebung. nichterst nach einer umwälzung, wie in anachronistischenschemata, sondern jetztschon im gegenprozeß (der die kräfte alsgesellschaftliche nicht mehr in besondererpolitischer rorm <strong>von</strong> sich trennt), was denübergangsprozeß mit allem drum unddran neu bestimmt.die jungen, die heute kämpfen, interessierensolche ,akademischen/theoretischen/ ideologischen debatten' nicht? ­diese platte höre ich schon seit mehr alszehn jahren. nur merkwürdig, wie diesejungen in kurzer zeit ziemlich alt aussehen,und die rückseite heißt: ausgebranntund resigniert.genau das gegenteil ist richtig. ,die jungen'brauchen gerade eine tiefgehende inhaltlicheauseinandersetzung und aneignung,in der sie kritisch denken und handelnlernen. "ihre wirklichen fragen", diedu gegen "die aufarbeitung der geschichte"stellst - die dialektik verhindernd -,meinst du, sie sind an den wesentlichenfragen? oder ist es nicht so, daß gerade dienicht gestellt werden, die am meisten historischdrängen?! die heute kämpfenbrauchen keine patemalische füllsprache,sondern beispiele für kritische wahrnehmung<strong>von</strong> widersprüchen und bewegungaus ihnen.wenn so viele sich so schnell entpolitisieren,dann muß das auch an der politisierungliegen. das betrifft nicht nur die anderenlinken, sondern ebenso auch uns. eszeigt eine oberflächenpolitisierung, diedie menschen nicht in der tiefe erreicht,keinen neuen sozialen stoff herausbildet,der im alltag lebt. die mystifikation <strong>von</strong>subjektivität, identität und kollektivität istdie entsprechung dazu. <strong>bis</strong> letztlich allesverworfen wird, in der anpassung oderunterwerfung.der falsche politikbegriff ist nicht nur,wie du sagst, ein ausdruck und eine rolgemangelnder identität. dieses politikmachenproduziert auch solche pseudo-identitäten.gefördert bspw. durch apologetikwie der idealistische dreiklang <strong>von</strong> der,identität <strong>von</strong> denken, fühlen und handeln',dem natürlich keiner in seiner (lebenswirklichen!) widersprüchlichkeitentsprechen kann (es sind die seltenenmomente der übereinstimmung, das bewegungsmomentkommt aus bewußtemwiderspruch). das produziert diese sorte(über-ich- )politik, bei ständiger erfaluungder eigenen unzulänglichkeit, kompensiertdurch falsche härte und anspruch,deren opfer sie früher oder später selbstwerden.henri letebvre4 - kritik des alltagslebens: vor wenigen jahren noch erschiender ,neue mensch' als unendlich verschieden<strong>von</strong> dem, was ,wir' sind, ,wir' angepaßtan den kapitalismus und gefesselt <strong>von</strong>der bourgeoisie <strong>bis</strong> in unseren kampf gegensie. die literatur stellte den neuenmenschen vor: vollkommen positiv, heroisch,ohne furcht und tadel in der arbeit,im kampf, in der liebe. man verlangte anstelleder langweiligen demonstration des,positiven helden' bilder des wirklichenmenschen, den jeweils besonderen, individuellenmenschen mit seinen widersprüchen,seinen konflikten, seiner eigenart.männer und frauen, in denen sich altesund neues, negatives und positives gegenüberstehen,männer und frauen, die denübergang verkörpern. erlauben uns diewidersprüche, daß wir verstehen, erkennen,kommunizieren. sie erhellen uns.fiat lux!S entwicklung läuft nur so. vormehr als 20' jahren entstand hier revolutionärerkampf durch die mutige infragestellung<strong>von</strong> begriffen und rormen. im bruchund im praktischen versuch einer neusetzung.nicht im klammem an sie. erinnerdich nur mal an unsere kritik am heiligtum,arbeiterklasse', diesem fetischbegriff.ausgehend <strong>von</strong> den objektiven veränderungen,die das kapital im vergesellschaftungsprozeßselbst vorantreibt, zur vertikalenklassenanalyse (1974). wir befindenuns heute in einem anderen, reiferen stadium- unbegriffen bricht es als wogeüber die menschen. halt bieten da vermeintlichalte ,sicherheiten', aber keinenboden, auf dem man weiter schritte setzenkann. wie z. b. jetzt der antifaschismus,der das wesen dieser erscheinungen garnicht erlaßt und daher nach der mobilisierungsphasesich wieder in nichts auflösenwird, ohne irgendetwas für sich neu gewonnenzu haben.heute ist (theoretisch und praktisch) kritikmöglich, wie sie zuvor nicht möglichwar. das rordert weiterentwicklung. mitalten begriffen aus einem überholten bezugsrahmenwird sich das anrennen gegendie erscheinungen rortsetzen und erschöpfen.wie willst du aufuebungen verwirkliehen,wenn du sie nicht zu denken wagst?politik ist keine subjektform mehr füreine revolutionäre überwindung. das istdie historische tendenz und die reife. politikwird immer zur affirmation, wenn sienicht in theorie und praxis transzendiert ­die grundlagen des bestehenden überschreitet.eine gesellschaftliche kraft, dieunmittelbar lebensnotwendiges erzwingt,wird sich nicht herausbilden ohne dialektischespannung über den bestehendenrizont hinaus zu einem umfassendenho­undgrundlegenden revolutionären projekt inhistorischer dimension, für das es keinbeispiel gibt. ohne das werden sich nurverteilungskämpfe vervielfältigen undbrutalisierenwalt.in massenhafte blinde ge­schuldenstreichung, andere tauschverhältnisse... - kuba hat es seit jahren,jahrzehnten versucht. alles, was sie mobilisierenkonnten an bewußtsein und aktionin lateinamerika - es hat nichts geändert,die lage ist noch katastrophaler, und kubaselbst steht mit dem rücken zur wand. diepolitik des schuldenboykotts hat nicht gegriffen.die internationale schuldenkrise(nach trikont und ostblock jetzt die imperialistischenkemstaaten, die ja selbst immermehr auf pump funktionieren) verweistin ihrer ganzen destruktivität aufden kern: die absurdität der verwertungdes wertes, der gewaltsamen aufrechterhaltungder wertform zum preis <strong>von</strong> massenhafterlebensvernichtung.um gegen diesen wahnsinn durchzukommen,muß die fundamentale kritik deralten basisform (der ware-geld-vergesellschaftung)hinzukommen. zwischen ihrund dem erringen des existentiell unmittelbarlebensnotwendigen (für 500 millionenhungernde) und konkreten schrittendes übergangs spannt sich die ungeheuredialektische herausrorderung und möglichkeiteiner globalen aufuebungs- undbefreiungsbewegung.1 eleutrio fernandez huidobro ("nato"), mitgliedder uruguayanischen tupamaros, saß eIfeinhalbjahre in isolationshaft, heute mitglied deszentralkomitees. huidobro war 1991 für einige\Weheninderbrd.2 dhoruba bin wahad, als mitglied der black pantherslange als politischer gefangener in us-knästenowar 1991 für einige \Wehen in der brd.3 hier gilt es; hier zeige, was du kannst; hiermußt du handeln, dich entscheiden!4 französischer sozialwissenschaft1er: "kritikdes alltagslebens"5 es werde Licht!21


Karl-HeinzDeUwoVon der Ersatzlosigkeit des Insistierensin der realen Lebenspraxisauf der Wahrheit vor sich und anderenIMai 1991... du siehst ebenso an uns, daß die auflösung<strong>von</strong> beziehungen, die kein gemeinsamesverhältnis zur welt und zum lebeneint, unter dem druck der macht (ob staatoder eigentum; beides verlangt die unterwerfung)keine grenze mehr kennt. die istnur durch dich gegeben; nach was du deinverhältnis zum anderen bestimmst. unsereehemaligen kannten die macht. und siehaben sich vor ihr kennengelernt. darauskommt jetzt ihr um-sich-schlagen um einrettungsboot. darin sind sie schon untergegangen,nur wissen sie es noch nicht.bleibt nur, das vor sich als ,freiwillig' zubehaupten, was sie innerlich <strong>von</strong> dermacht sich hatten schon nehmen -lassen.bereits damals, als sie weggingen, ohneetwas aufzulösen. eine flucht. aufgearbeitethaben sie in der ddr nichts. das istselbstbetrug. was sie jetzt sagen, ist nichtmehr ihrs, denn die abhängigkeit, in diesie sich nun begeben haben, spricht demhohn.wir konnten auch <strong>von</strong> ihnen etwas erwarten;nicht nur wir. keine "hehre po­·se··. hat auch niemand gemacht. daß sieden "bewaffneten kampC' verworfen haben,ist nicht mein problem. noch weniger.als sie auch dagegen <strong>bis</strong>her nichts begriffeneszu vermitteln haben. daß erihnen zum leiden geworden war, hatteschon ihr abgang in die ddr vermittelt. undwie schon mal geschrieben: es gibt auchgrunde gegen ihn, und ich wäre mir zublöde. diese nur als alibi für ein "nichtkämpfen wollen" zu denunzieren. aber erist nur eine bestimmte qualität des widerstands.sie verwerfen ihn ganz. das ist dielüge. als gäbe es die ganzen gesellschaftlichenzerstörungen nicht mehr. sie verwerfenauch das, was unabhängig <strong>von</strong> ihmsteht und was man nicht tun kann, ohneden menschen preiszugeben. sie hattenda<strong>von</strong> mal viel gewußt, <strong>von</strong> der ersatzlosigkeitdes insistierens in der realen lebenspraxisauf der wahrheit vor sich undanderen, <strong>von</strong> der eigenen not in diesen gesellschaftlichenverhältnissen, und daßnur die durchsetzung des sozialen als siebestimmende grundlage sie wirklich aufhebenkann. der entwicklungsprozeß <strong>von</strong>uns war immer daran entlang, daß wir dieauftauchenden widerspruche aufgelösthaben. auch wenn oft nur mehr schlechtals recht. im privaten wie im politischen.so war das auch nicht mehr so getrennt.22fällt mir zu ihnen allen was ein. sie hattendas selber als politische forderung an sichund als gesellschaftliches ziel: um bedinwrngengesellschaftlich zu kämpfen. wie bei wosich jedersein gleichzeitig kann. wodas soziale, politische, private und ökonomischenicht mehr in einem antagonistischenverhältnis zueinander stehen, haltfür ein leben, in dem die entfremdungnicht mehr unauflösbar und die lust alnverlust des anderen, was ja :kapitalismus:ist, nicht mehr das strukturell sich erzwingendeverhältnis zwischen den gesellschaftlichensubjekten ist. daß das ohnebewaffnung nicht möglich war, war nichtunsere marotte, sondern ein lernprozeßgegen gesellschaftliche verhältnisse, dieantagonistisch waren und sind. die in derbrd mit ihrer nazi-geschichte ihre spezifikhatten: die latent virulenten ausrottungsphantasiengegenüber dem revoltierendenbewußtsein waren mit dem schuß auf bennoohnesorg zur wahrheit ihrer absichtgeworden. daß wir uns bewaffnet haben,hat mit der erfahrung der metropole als totalerfubrik zu tun, dem mensch als ware,der besetzung <strong>von</strong> zeit und raum, zeichenund sprache, einfach allem. durch das warenverbältnis,und daß du gegen diesenausweglosen kreis des bestehenden nurden vollständigen ausbruch suchen kannstoder eben aufgefressen wirst. <strong>von</strong> derhand zu weisen ist das auch nachträglichnicht: denn alles andere <strong>von</strong> damals istzerfiillen. hast du diesen ex-sds'ler undheutigen realo-grünen knapp· vor tagengelesen? war sein passendes photo mit irremgesichtsausdruck dabei: ,,die ,verlandratisierung'der grünen besorgt denrest, denn auch ex-linke müssen ihreeigentumswohnungen abbeUlhlen." seinebegründung dafür, warum der politischeprozeß in ihrer partei auf sie hinauslaufenmuß. der jubel über das geld als ihr bewußtseinsproduzent!so wird man zumschwein seines bewußtseins. dann lieberhier als so etwas geworden zu sein.diese kritik der herrschenden verhältnisseund das verlangen nach ihrer aufhebungmacht einen kampf nicht falsch, derseine versprechungennich~ einzufüllenwußte, weil ihnen damals nur unwirklichbewußt war, daß sie, in denen diese verhältnisseselber noch stecken mußten, nurüber die gleichzeitige selbstkritik undselbstveränderung - der krieg a\1ch gegendas system in sich - zu wertungenkommen, die halt geben. es ist natürlichnicht nur ihr oder unser subjektiver fehler.sondern die subjektive notwendigkeitund die objektive reife der gesellschaft lagennoch weit auseinander, so daß an derunmöglichkeit der verbindung aU,ch dieeigenen fragen an sich oft nebensächlichwurden. für den eigenen zweck schien esauch so zu gehen. so ist die grundlage gegeben,daß das militärische unter der handdie oberrnacht kriegt und im sozialen vielesunbedacht bleibt. darunter fällt z. b.die instrumentalisierung eines vertrauensverhältnisses,wie bei der ponto-aktion2geschehen, obwohl das ein soziales verhältnisist, welches jenseits des feindschaftsverhältnissesals eigenwert für unszu schützen ist. - wenn susanne albrechtsich heute daraus aber selber als instrumentalisiertgibt, lügt sie. da habe ich.kurz bevor ich abgetaucht bin, <strong>von</strong> ihrembedürfnis, auf ponto hinzuweisen, nochwas anderes in erinnerung.die kritik an den herrschenden verhältnissen,die fortbestehen, nicht wegzulügenals das, warum man sich bewaffnethat. ist keine unlegitimierte anforderungauch an sie. es ist schließlich das einzige,<strong>von</strong> dem aus sie begreifen können, was indiesem kampf - und warum er ihnendann falsch geworden ist. das selbstbegreifenist es. was sie heute verraten, unddeshalb haben sie auch kein interessemehr am begreifen der verhältnisse. mitnichts als dem privaten wollen sie noch zutun haben. um dahin zu kommen. ist ihnenalles recht. nun sind wir ihnen schuld fürsich. dieses preisgeben und ihr alibi in jenensuchen, die nie macht über sie hatten.als deren opfer sie sich nun aber wähnen,bedingt einander. ,die anderen', die allenfallsgenauso leichtfertig wie sie ihre illegalitätgegenüber den alten verhältnissen. genommen haben, dann <strong>von</strong> der aus derhand gegebenen dialektik überrollt wurden,sind ihnen nun die ursache für deneigenen anteil an den gemeinsamen fehlern.ihren herauszufinden, war ihnen zuschwierig, und abhauen ist immer leichter.so verzeihen sie uns heute ihre entscheidungzum kampf nicht. zu ihm sindsie aber gekommen, weil sie <strong>von</strong> befreiungmal etwas gewußt, ja, auch erfahrenhatten. an der kritik der verhältnisse unddaß widerstand dagegen notwendig ist,ändern auch 1000 fehler bei uns nichts.nun sind sie in ihrem heimatland angekommen.tiefer als je zuvor. die hingenommeneniederlage vollstreckt sich inder verdoppelung der unterwerfung. siemachen sich jetzt mit der vorläufergenerationähnlich. denn schon in deren erklärungenhatten alle immer nur mitgemacht.


weil in ihren guten absichten mißbraucht,weiI sie nicht genau wußten, um was esging, und weil sie das schlimmste hattenvemüten wollen. die erklärungen unsererehemaligen sind gleich. so hat boock3einen raketenwerfer gebaut und instal­Ikrt, um den anschlag zu verhindern. eintypisch deutscher widerstandsakt aus demnachhinein vor der nun akzeptiertenmacht. der zweite, verbesserte, später initgendeiner wohnung in nrw gefunden,hatte demnach den gleichen zweck, widerstandgegen die gruppe zu ermöglichen.susanne albrecht war nun bei pontonur dabei, um ihn zu schützen. einzig lotze"bekennt sich zu hegel, wonach diewahrheit der absicht die tat ist, lügt allerdingsauch, wo er sich zum "moralisten"umwidmet, da die aufrechterhaltung derktitik der verhältnisse die macht, der mansich ausgeliefert hat, reizen würde. wiegesagt: sie kennen sie.heute sind sie, wie boock, aus sentimentalerfreundschaft zur rat gekommen; wielotze aus der übermacht der deutschenideologie; wie sigrid sternebeck durchden "überzogen" reagierenden staat dorthineingedrückt oder wie albrecht reingezagenworden durch "hörigkeit". "hineingeschliddert".selber haben sie für sichnichts gewollt und nichts gebraucht. allenfallsharmloses. so war es der vorläufergenerationschon ergangen: der "führer"hatte dämonisch ihr bewußtsein getrübtund alle "hörig" gemacht. so sindsie in weltkriege, massaker, vernichtungslager,auch in die übernahme der"arisierten judenvermögen" (die sie trotzspäterer ,bewußtseinserhellung' behaltenhaben) "hineingeschliddert" - in wahrheitwaren sie die opfer! so findet die"spiegel" -gerichtsreporterin zu albrechtauch im dämonologischen die auflösung:"sie arrungierte sich mit dem bösen"(auch enzensberger war gegen saddamhussein kürzlich dort wieder im heimatlandangekommen). "das gute" hatte derherausgebers drei ausgaben vorher ineinem anfall <strong>von</strong> wahrheitsliebe leicht angekratzt,allerdings um den preis, die hiesigewirkliche opfersituation zu bekräftigen:"gemessen an dem tödlichen unheil,das sie durch waffenexporte und anderesmaterial ihrer ,entwicklungshilfe' überdie welt gebracht hat, sind in der bundesrepublik<strong>bis</strong>her eigentlich relativ wenigepolitische morde ZU beklagen. " .beidagenswert sind jene, die aus ihrerverantwortung für den massenhaften todanderer verantwortlich gemacht werden.so wird auch aus dem chef der dresdnerbank am ende nur noch ein "onkel jürgen".im arrangementchen sozialnormenmit diesen erbärmli­werden wir als unerträglichekränkung erfuhren. das ergibtdas bedürfnis, <strong>von</strong> dem du sprichst: " ...nicht nur einen sieg zu erringen, sondernseine gegner mit stumpf und stiel ausrottenzu wollen. " stumpf und stiel verlierengerade auch die, die sich der macht auchgegen sich zur verfügung gestellt haben.so kommt der haß auf uns vielleicht wenigeraus den aktionen (die sie ja, wie mansieht, schnell nachsehen können; auchhaben neo-nazis mit ihren aktionen niediesen haß aktiviert; sie werden auchnicht als sozialer gegensatz aufgefußt, wassie auch nicht sind) als mehr daraus, daßsie das nicht- und ungebrochen-sein beianderen nicht ertragen. sie lieben in denen,die alles verraten, sich selbst. um dieinformationen unserer ehemaligen geht esreal nicht. sie sind veraltet, also auch überdie polizeiliche qua!.ität nicht mehr politisch.ihre urteile schließlich hat diestaatsschutzjustiz allemal so hingekriegt.deshalb wurde die kronzeugenregelung,die alleine auf die materielle qualität desverrats aus war, nicht einmal reue einfordert,nur polizeiliche effektivität, für unsereehemaligen umgewandelt zum lohnfür unterwerfung. das ist die reale qualität,die sie zu bieten haben. es geht um denunterwerfungsakt als solchen, und derwird gerade <strong>von</strong> unseren ehemaligen ri~tualhaft vollzogen - mit zerknirschung,geweine und kreislaufzusammenbrüchen.der gerichtssaal als tempel kathartischererneuerung. und stah16 als sarrastro7:,Jetzt sind sie würdig und rein. " eine neue"zauberflöte". für diese klasse hier giltnicht einmal der satz: ,,der verrat wird geliebt,aber nicht der verräter"; er wirdhier um seiner selbst willen geliebt. hauptsachegebrochen und damit in der gemeindeangekommen! mit der macht einigt sienun das vergangenheitsverhältnis, wo alledie ihren im grunde doch opfer waren. 50millionen tote, aber keine täter, denn vominnersten her wollten sie eigentlich nurgutes über die welt bringen. auch für a1­brecht war die ponto-aktion heute für ihnnur gut gedacht.die subjektive bedingung dessen ist dasselbstmitleid, dessen emotionales selbstergreifendazu führt, daß man glaubt, wasman lügt. das meinte wohl adorn08, daßkein deutscher eine lüge aussprechenkann, ohne sie nicht selbst zu glauben. unsereehemaligen machen sich mit der nazigenerationgemein. darin sprechen siewahr. das macht sie für die klasse hier soattraktiv. und auch die zur macht hingewechseltenex-linken fühlen sich innerlichgeschmeichelt: da ihr angriff auf die herrschendenverhältnisse nie so vehementwar, so auch ihre hingenommene niederlagesie nie so tief in die vergangenheit zurückwerfenkonnte, können sie sich beiunseren ehemaligen moralisch aufwärmen.deshalb auch die verliebten töne zuihnen hin wie aus der "taz"; sie kommen<strong>von</strong> oben.die justiz, die nun mit ihrer zustimmungüber sie urteilt, weiß darauf zu reagieren.zumaI sie nichts ändern muß. sie verhältsich genauso wie früher, nur diesmal mitumgekehrtem vorzeichen: so wie siemaßlos ist in ihrem haß gegen uns (manmuß nur einmal die frage unserer haftunfähigensehen, bernd z. b., nichts ohne abschwören!oder der versuch der baw9, utehladki noch irgendwie in den gerichtssaalzu kriegen, weil sie noch ein paar kleinebewegungen machen kann), so ist sie nunmaßlos in der akzeptanz der entlastungslügen,der billigen ali<strong>bis</strong> und der offenkundigenneu-konstruktionen der geschichte.wir sind mit einer macht konfrontiert,zu der man nicht einmal infeindschaft aufsehen kann ...bei den leuten selber, wie du weißt, veränderstdu nichts mehr. sie sind verloren,auch wenn sie sich noch anders wähnen.sie werden darauf noch kommen. denndas blöde glück dieser gesellschaft, fürdas sie sich nicht unähnlich jener ddr-bevölkerungentschieden haben, die vor wenigenmonaten noch lauthals "helmut,helmut" skandierte und nun etwas hat,was sie sprachlos macht, wird nicht einmalin der armut seines jetzigen bestandesfortdauern. ein "dagegen" wird es für sieaber nicht mehr geben. die macht, <strong>von</strong> dersie sich haben erobern lassen, werden sienicht mehr los. sie wird sie in jeder konfliktsituationan sich erinnern. "wer derfolter unterlag ", schrieb jean amery ausseinen erfahrungen im widerstand und inauschwitz, "kann nicht mehr heimischwerden in der welt. die schTTUlchder vernichtungläßt sich nicht austilgen. das zumteil schon mit dem ersten schlag, in vollemumfang aber schließlich in der tortur eingestUTzteweltvertrauen wird nicht wiedergewonnen."ob erst in der gewalt man sich unterwirftoder schon vorher aus angst vor ihr,bleibt, glaube ich, gleich. genugtuung habeich dabei nicht. traurig ist es allemal.nur tun kann ich nichts mehr, was ich gerngemacht hätte, alleine, daß sie anständigdort rauskommen können. sie haben <strong>von</strong>vorneherein alles dazu zerstört.auch die justiz wird am ende im politischenunbefriedigt bleiben. sie befriedigtjetzt nur ihre dumpfen triebe und behält,ähnlich dem sexualmörder, weitetbin ihreobsessionen. denn uns sind sie damit nichtlos. sie reagiert real nicht einmal als staat,denn das gehört sonst zu seiner rationalität,daß lösungen nur auf der grundlagedessen zu finden, was auch beim anderenreal ist. das gilt selbst für den krieg. sieaber bekämpfen nicht nur uns, sie versuchen,uns ein <strong>von</strong> ihnen gesetztes selbstbildaufzuzwingen. dem dienen diese prozesseund nun auch unsere traurigen gestalten.der traum vom "totalen sieg". das"alles oder nichts" haben sie wieder übernommen,egal der geschichtlichen erfahrung,damit schon mal im letzten geendetzu sein. eines ihrer kennzeichen ist, daßihnen für den kleinen genuß das wirklichwichtige aus den händen fällt. kohl am endedes hungerstreiks '89 auf der pressekonferenzin bonn: mit rötlichen backender genuß der pose "wir lassen uns nichterpressen. " die freude hat dann nicht langeangehalten. herrschaft war in deutschlandimmer irrational. wahrscheinlich habenwir es mit irren zu tun ...11August 1991... ich weiß nicht, ob man das so sagenkann, daß sich hier die unfähigkeit der zuständigenzeigt, politische lösungen anzugehen.sie haben ihre interessen - und diewaren nie gesellschaftlich. das gesellschaftlichekommt bei ihnen immer nur an23


zweiter oder dritter stelle. ihre vorstellung<strong>von</strong> ,politischer lösung' ist an ihr interessegebunden. das der gesellschaft istein anderes, die will etwas sozial produktives,etwas, was ihr leben verändert. dasinteresse der politischen und ökonomischenklasse ist mehr oder weniger abschwören,selbstverwerfung und alles nurein in uns liegendes mißverständnis: ,irregeleiteteidealisten', wie das der"stern" '88 mal als serie versuchte. alsgrund des widerstands eine <strong>von</strong> uns falschverstandene wirklichkeit. so ist dieses,mißverständnis' nur um die ecke zu bringen,und jene kann sich wie gehabt fortsetzen.ein satz aus der "filz" <strong>von</strong> letzter woche:was sich den "sachlichen, wirtschaftlichenargumenten gegenüber taub"verhält, muß als "irrationale einstellung"bezeichnet werden und als "asoziale haltung"bekämpft werden. der mensch istfalsch, nicht die ökonomie. wer sich denbedürfnissen der kapitalistischen ökonomieentgegenstellt, ist asozial. ein feind.ja, und wie bringt man uns und allen, diedagegen zu kämpfen angefangen haben,wieder bei, zum baustein ihrer anti-sozialenwelt zu werden?denen g~ht es nur um das ende jedes systemoppositionellenwiderstands, um dieverhinderung dessen, daß menschen anfangen,zum subjekt ihrer geschichte zuwerden, letztlich um den ausschluß dergesellschaft <strong>von</strong> jeder konkreten politischenbestimmung. wie immer stecken siedabei in blinden widersprüchen: ,,dieschwierigkeit dabei ist folgende: auf dereinen seite muß klargestellt werden, daßes keinerlei gesellschafts politische gründeJUr einen bewaffneten kampf gibt. andererseitshandelt es sich bei der raf aberauch um ein politisches phänomen ...ihre vorstellungen sind - wenn auch abwegigund fern der realität - zu 100 %politisch. die frage ist aber, wie solcheversuche in der öffentlichkeit aufgefaßtwerden und wer sie sich erlaubt." lochtelO•nachdem der widerspruch nicht unterdrücktwerden konnte, wie läßt er sich abtreiben?nur zulassen darf man ihn nicht!das ist nicht auflösbar: wissen zum einen,daß man mit diesem aufgebrochenen gesellschaftlichenwiderspruch irgendwiereal umgehen muß, ihn gleichzeitig aberweiter aus staatspolitischen gründen leugnenwill. und nicht nur, weil man die gesellschaftüber repressiv durchgesetzte tabuisierungenund die kübelweise ausgegossenenhetzkampagnen die ganzen jahreum die politische wahrheit der sache zubetrügen versuchte. es könnten daraus jawelche zu einem anderen verhältnis zusich und zur herrschaft kommen.was allerdings (und vielleicht nicht nurals sprachfehler) immerhin noch als"gibt" steht, heißt bei jenen, die weiterhindas verhältnis bestimmen, <strong>von</strong> vornherein"gab", womit schon das ende jederbewegung gekommen ist. denn diese vorbedingung,daß wir ihre sicht und ihremoral gegen uns übernehmen, was gleichbedeutenddamit wäre, uns selber ins gesichtzu treten, versucht, eine irreale24wirklichkeit zur grundlage zu machen.dann wären wir wirklich irrational, gleichjenem arbeiter, der sich hat einbleuen lassen,daß die fubrik, in der er ausgebeutetwird, für ihn da ist. und ihre sicht ist: siesind die gesellschaft und damit bezugsundangelpunkt für alles. wie vorgeführtin den prozessen gegen die aussteiger,vielleicht nicht ganz so obszön, so selbstverleugnendund selbstdenunziatorisch,aber im grunde ist das ihre vorstellung<strong>von</strong> ,politischer lösung'. keine wirklichezulassen zu müssen.ich könnte einfuch castro lapidar undsummarisch zitieren: ,der imperialismusläßt keine gesellschaftliche veränderungzu und sucht sie mit gewalt zu zerstören.das begründet die gegengewalt.' und jedesystemopposition ist hier <strong>von</strong> oben bekriegtworden.schon oberflächlich haftet dem etwaslächerliches an, zu behaupten, es hättekeine gründe für den bewaffneten kampfgegeben. nachdem .er ende der 60er jahrezur kampfform auch in allen westlichenmetropolenstaaten geworden ist. amstärksten in jenen, in denen kurz vorherder fuschismus an der macht war und seinenweltangriff gestartet hatte. das istimmer rausgekommen, wenn die am kapitalismusorientierte klasse versuchte, diewelt aus ihrem politischen willen zu gestalten. vernichtung und zerstörung.jüngst wieder vorgeführt im golf-krieg.was rauskommt, ist immer schlimmer alsvorher. und gerade in jenen staaten istauch in der nachperiode jede entwicklung,die eine andere soziale orientierung suchteals die des kapitalismus, niedergetretenworden. man muß sich nur erinnern, wiehier die neu eingekleideten nazis in denfünfziger jahren mit der zerstörung derkpd mit den resten jener antikapitalistischengegenbewegung aufräumten, dieihnen in nazi-uniform völlig zu vernichtennicht gelungen war. so haben sie auch aufdie 68er-bewegung reagiert, nur ein bemühen,alles im ansatz auszutreten. nachaußen <strong>von</strong> vietnam <strong>bis</strong> chile. bei versuchenzu anderen gesellschaftsordn ungenwird immer ab 4.45 h zUTÜckgeschossen!wo ihre herrschaft in frage gestellt wird,zücken sie gleich das messer. hinterhersind sie dazu getrieben worden. das istimmer so. gegen die raf ist diese wahrheitder systemvertreter, alles jenseits der sozialenmonokultur des kapitals niederzuschlagen,nur einmal mehr unvermitteltoffen geworden. in den mitteln modem,aber schrankenlos. und das ging nicht nurgegen uns, das war prinzipiell gegen jedereale bewegung gemeint. die legitimationsbegründungendabei an dünnheitkaum noch zu unterbieten. was nur zeigt,wie desinteressiert sie an allem außer sichsind. maihoferl1: "keine freiheit JUr diefeinde der freiheit. " die politische nullparoleals ideologischer blankoschein für dierepression. einsetzbar gegen jeden, derihnen nicht paßt.das hat nicht die raf produziert. sie wußtenur, daß das vor ihr steht. der autistischeherrschaftanspruch der politischenund ökonomischen klasse dieses systems,der als erste bedingung für jede andere gesellschaftlicheentwicklung durchbrochenwerden mußte. ohne das war alles illusion.am anfung stand notwendigerweiseder machtkampf mit der tradition diesessystems und jener der historischen niederlageund der geschichtslosigkeit bei uns.das konnte nur gewaltsam aufgebrochenwerden in einer großen anstrengung. derkampf darum, daß das, was durch die gesamtenlinken niederlagen wieder nurzum politischen gedanken geworden war,auch als reale gegenbewegung wieder aufdie welt kommt. daß der herrschaftsanspruchder ökonomischen und politischenklasse des systems keine überhistorischegrundlage hat, nicht mehr ist als resultateiner geschichtlich gelungenen usurpation,daß es vorher anders war und ,auchwieder anders werden kann, daß die gesellschafteben nicht nur aus kapitalistenbesteht, auch wenn den anderen schichtenund klassen deren moral, kultur und ökonomischenkategorien eingebleut und siesich selbst gegenüber damit irgendwieauch irre gemacht wurden, daß die geschichteeben nicht zu ende ist und etwasanderes möglich ist als ein gesellschaftsverhältnis,in dem das leben nur für dentautologischen selbstzweck <strong>von</strong> ware undgeld vernutzt wird, ja, und daß unsereohnmacht aufgebrochen werden kann ­dagegen ist die machtfrage aufgeworfenworden. und das ging nur in der illegalitätals einzigem raum, durch den sie nicht soeinfuch stiefeln konnten, und als minderheitnur über die höchste qualität des angriffs.eine notwendige etappe. vorherwar die linke sich selbst in ihrer absichtunwirklich. die raf hat das wirklichkeitsmomenteiner revolutionären absichtüberhaupt erst wieder in die gesellschaftgebracht. gegen ein system, das noch zujedem mittel greift, um seine herrschaft zuverewigen, ist der bewaffnete kampf einepotenz, zu der die linke fähig sein muß,will sie nicht <strong>von</strong> vorneherein verlorenhaben. anders existiert sie nur scheinbar.inzwischen ist das nicht mehr persönlichan uns gebunden.da es für unser leben und für den beginneiner neuen geschichte der linken nichtanders ging, war der· bewaffnete kampfsowohl subjektiv wie objektiv für uns notwendig,um den politischen und real-herrschaftlichentotalitarismus aufzubrechen,den die herrschafts schicht des systems mitihrer und seiner eigenen vergötterung,daß nur ein solches wertsystem wie dasihre existieren darf, geschaffen hatte. dasheißt nicht, daß er zeitlos gilt. auch wennwir ihn manchmal selber zu einer jederzeitrichtigen politischen qualität mystifizierthatten. das kam nur aus politischer unsicherheit.lulaics12 schrieb schon vor jahrzehnten,daß, wenn es für opportunistenzwar durchweg bezeichnend ist, ,,daß siean der legalität um jeden preis festhalten", es ,,für die revolutionäre partei aberkeineswegs zutreffen (würde), wenn mansie beim wollen des gegenteils, der illegalität,fixieren wollte': so stimmt es sonüchtern, wie es ist.die phase, wo es darum gegangen ist,den bruch mit dem system materiell zumachen, ist zu ende. unabhängig da<strong>von</strong>,


1:1tflts.snitrti-n'e1-n1­:0t,:u1,wie gut oder schlecht uns das gelungen ist.durch unsere fehler haben wir viel <strong>von</strong>dem begrenzt, was an möglichkeiten drinwar. eine radikalität setzt nur da wirklichwas frei, wo sie gleichzeitig die entgrenzungverhindern kann und das nicht mitfüßen tritt, worauf sie sich als wert stützt.das entscheidende in einem revolutionärenkampf sind die moralischen und sozialenwerte, die man setzt. man kann sienicht gleichzeitig wieder negieren. bei unsist ein paar mal was entgrenzt. das machteinen der gründe aus, warum damals soviele weggegangen sind, selbst wenn esihnen so nicht bewußt war. aber sie hattenan sich und uns erfahren, daß wir mitunternicht über unsere eigenen aktionen verfügen.die ursache - was nicht mit rechtfertigungzu verwechseln ist, aber wenn manetwas aufheben will, muß man einen prozeßverstehen lernen - findet sich darin,daß wir auch erst rausfinden mußten, wasrichtig und was falsch ist bei dem, was unsantreibt. man kämpft nicht nur aus ,richtigen',<strong>von</strong> anfang an sozial progressivengründen. ein teil da<strong>von</strong> ist mitunter halb,ganz oder wie immer falsch und muß dementsprechendspäter als reaktionär verworfenwerden. die romantik der sacheebenso wie das schnell vergänglichemachtgefiihl, was wirklich das schädlichsteist. da gibt es mehr und einiges, wasdas potentiell politische dieser phase begrenzt,teilweise konterkariert hat. und alsschwäche gegen uns ausbeutbar warbzw., wie <strong>von</strong> stahl ja mit seinen neuenanklagen meint, noch gegen uns ausbeutbarist. hier stellt sich natürlich die frage,warum wir mit den eigenen fehlern nichtoffen und radikal aufgeräumt haben, wasauf ein autoritäres selbstbild verweist, dasman nicht selbst in frage stellen darf, weiles einem halt gibt. das ist aber scheiße, sokriegt man keinen prozeß und keine geschichtsaneignungund werden einem diefehler <strong>von</strong> der falschen seite inlmer wiederneu serviert, die damit zwar auch keinezukunft hat, sich genauso aber wie dielinke umgekehrt immer halb damit zu befriedigenweiß, daß sie sich am ,anti-' aufrichtet.auch wir sind zu manchen entscheidungen,etwas zu durchbrechen, unfähiggewesen.gegen die schwächen dieser phase ist sieaber nicht wiederholbar in der absicht,nun alles besser machen zu wollen. estrifft nicht mehr auf ihre historische situation.weder bei uns subjektiv noch im zustandder gesellschaft. wille und voluntarismuskönnen fehlende soziale prozessein der gesellschaft nicht ersetzen, für diedie zeit noch nicht herangereift war. dieguerilla steht, und das ließe sich sicherauch auf diesem niveau halten, aber ihrsozialer unterbau trägt nicht mehr als sie.für gesellschaftliche prozesse ist er zuklein. über die alte bestimmung, daß ,derkleine motor den großen in gang setzt',müßten wir mal diskutieren können. fürdie erste phase waren unsere eigenen kräfteausreichend, aber es blieb eben sozialbeschränkt. die für eine soziale gesellschaftlichebewegung war da aber auchnicht das wichtigste problem.es steht eine neue phase an, und sie istbestimmt <strong>von</strong> der frage, wie aus den segmentiertbleibenden gesellschaftlichenfriktionen eine soziale bewegung entwikkeltwerden kann. das ist keine intervention<strong>von</strong> außen, sondern eine, die in denvorhandenen gesellschaftlichen prozessenbestimmt und mit ihnen verbunden bleibenmuß. etwas, was diese widersprüchedort zu ihrem politischen begriff führt, sieaber auch nicht mehr überspringt. vomziel her ist dieser soziale prozeß nicht wenigerein bruch mit der kapitalistischenwirklichkeit, aber er hat andere formen,andere bewegungsmuster und andere zeitvorstellungen.und vor allem ist es eineeinlassung auf das, was konkret gesellschaftlichabläuft.hier gibt es immer noch fulsche wahrnehmungen.auch in der linken. sie denktin alten parolen, es wird nicht mehr richtigum eine neue erfahrung gekämpft, und dabegreift man das alte schon nicht mehrder status quo der ostgesellschaft warunerträglich geworden. so wurde er nurgesprengt und, da nichts anderes da war,zu dem gegriffen, was erleichterung versprach.die tendenz ist hier nicht anders.sie zeigt sich in flucht und destruktion,und die linken fliehen mit, wenn ihnen allesselbst zu sehr zum halse raushängt,oder suchen eine private lösung - nurkaum kampf darum, sozialer und politischerkontrast dazu zu sein, bei sich wasaufzubrechen an der ganzen entfremdetenexistenz (die den genossen, die aus lateinamerikaoder dem schwarzen us-ghettokamen, wie mit leuchtschrift vermitteltdeutlich war) und so in den gesellschaftlichenprozessen dann eine orientierungsein. und sei es nur, daß man darumkämpft, ,mit allem bezahlbaren zu brechen.die ersten seefal1rer, schreibt levistraussl3,fuhren ins unbekannte undfürchteten, dem nichts zu begegnen. soentdeckten sie die welt. hier scheint bewegungnur möglich zu sein, wenn das ergebnisschon feststeht, könnte ja was kostensonst. und inzwischen haben sie wiederdas problem, sich selbst in ihren absichtenernst zu nehmen. wenn ich dran, denke, was mit, der minderheit raf möglichwar, aus dem wollen des innerendruckS, widersprüche aufzulösen und einereale bewegung nach vorn zu machen,statt ihn lieber abzuwürgen. da frage ichmich, was mit dieser ganzen linken nichteigentlich möglich sein müßte, die ja zumindestdie einfuche negation fest hat,beim weiteren aber sich doch immer wiederlieber hinhockt.das soziale als entscheidungskriteriumin der gesellschaft ist zerstört worden. unddas ja weltweit, und <strong>von</strong> da knallt es jaauch hoch, mußte man sich nur die bilderdie tage angucken mit den wie im bienenstockmit albanern besetzten schiffen, diesich ihren teil in den reichen metropolenholen wollten. ob es die fixer sind, diekrepieren, oder ob du dir die arbeitslosenanguckSt und weißt, daß die kapitalistischeökonomie keine massen mehr aufsaugt,sondern ausstößt, und damit derenlebenssicherheit zerstört. das ist alles offen,überreif - und auf was es stößt <strong>von</strong>oben, ist die durchsetzung der logik derkapitalistischen ökonomie und für sie dasbehaupten des herrschaftsinteresses desstaates über die politische bewegung inder gesellschaft. <strong>von</strong> der politik des systemsist da nichts zu erwarten. heute wenigerdenn je. sie durchbricht keine wand,sondern hält sie, damit sich jeder den kopfeinrennt. vor tagen, ökologie-bereich,war auf dem dritten eine sendung über dasozon-loch. seit '73 lagen die wissenschaftlichenbeweise über ursachen undfolgen vor. es ist bei den politikern in denschubladen verschwunden. die industrieverdiente ja am fckw. nach verbraucherkampagnenund absatzrückgängen hat siedann in vielen bereichen die produktionumgestellt. nach 15 jahren macht töpferdann ein gesetz, das die verwendung inprodukten verbietet, <strong>von</strong> denen die industriesich schon getrennt hat. in neuseeland,wo die hautkrebsrate aufgrund dererhöhten uv-strahlung erheblich gestiegenist, wird der bevölkerung nun eingetrichtert,nicht mehr unbedeckt in die sonne zugehen. die industrie weiß ihnen dafür dieprodukte zu verkaufen. das ist scheinbareher ein unpolitisches beispiel, aber signifikantdafür, daß die hier <strong>von</strong> oben unfähigsind, in irgendetwas die destruktivelogik des systems zu durchbrechen. denenmuß alles abgepreßt werden. aber sie beanspruchendie politische macht. führer,die darauf bestehen, daß ein teil der gesellschaftinlmer in die schlucht fiillt. eineneue entwicklung wird es nur <strong>von</strong> untengeben, eine rückeroberung über organisierung,weg und die zielsetzungen dergesellschaft. gegen kapital und staat. dasbetrifft auch die frage zu uns. nur ist daskeinprozeß mehr, der außerhalb der realensozialen prozesse vorangetriebenwird.wir haben ja nicht drüber reden könnenals gefangene, weil wir untereinander isoliertgeblieben sind. aber das war es seit'88 und besonders wäluend des hungerstreikS'89, um was es dabei für uns ging,wenn wir sagten: alles neu auf eine politischegrundlage stellen. daß der widerstanddie hürde überwinden muß, wo ergesellschaftlich produktiv wird und nichtnur wie in der ersten phase eher eine historischproduktive setzung zur grundlagehat. für uns ist es darum gegangen, einephase abschließen zu können, die objektivzu ende war, aber nicht zu ende gebrachtwerden kann, wo sie noch gegen die zerstörungihrer geschichte kämpfen muß .abschließen und neubestimmen, denn natürlichist es notwendig, weiterzumachen.das elend in der gesellschaft und die destruktivepotenz des systems sind schließlichschlinlmer geworden.blockiert wird alles durch die fraktionim apparat und in der politik, die an derpolitischen und sozialen enteignung dergesellschaftlichen subjekte festhält, weildas kapital sie nur als objekte braucht undsie <strong>von</strong> der rationalität der kapitalistischenökonomie gut leben. sie brauchen nichtsanderes. es sind die, die denken, sie könntenzu uns die geschichte zurückdrehen.auch die geschichte als ihr eigentum. suchensie ja überall, sieht man gerade an25


dem, was an der flora14 läuft: die menschenhatten der macht dort einen raumabgekämpft und - wie relativ auch immer- selbst gestaltet. das mußte ihnen wiedergenommen werden. nicht, um da was völliganderes zu machen. im gegenteil. dasgehört zur herrschaftstechnik, daß dasnun vom staat gesetzte sogar ähnlich ist.es geht um eine politische enteignung, umdie liquidierung eines gegen den staat autonomgestalteten bereichs, um ihn dann<strong>von</strong> oben wieder neu staatlich zu setzen.so wird die politische struktur, die imkampf um das objekt emanzipativ gewachsenwar, herrschaftlich konstruiert.und so sollen hier die ganzen lebensbereichesein: <strong>von</strong> der macht zugeteilt. ,,diemacht ist auf der einen, der gehorsam aufder anderen seite" (horkheimer / adorno),das ist die banale vorstellung, die hinterihrer gewalt steckt. wo an der sache prinzipienhängen, muß man sich dem selbstdann entgegenstellen, wenn man weiß,daß man verliert. die durchsetzung ist nienur ein kampf. das ist immer nur ein versuch,bei dem es nicht stehen bleibenkann. und um geschichte kämpfen, heißtauch immer, für die zukunft was zu öffnen.alleine genommen ist sie nur versteinert.und das, was wir machen, ist dasauch gerade: unsere geschichte verarbeiten,aneignen, transformieren zu können,und was dagegen steht, sind diejenigen,die alle geschichte, so auch alle zukunftaußer der ihren zerstören wollen. insoweitsind sie immer noch die alten, oder die altensind es, die immer noch das verhältniszu uns bestimmen. als sei noch alles wievorher und könnten sie auch unbeschadetder 20 jahre ihre phase einfach wiederholen.schon das gesellschaftliche umfeldstimmt nicht mehr. das sieht man schon ander hs-mobilisierung '89, wenn man siemit den vorherigen vergleicht. die blockadedagegen ist keine strategische waffe.daß eine konkrete phase zu ende ist, betrifftdie gesamte linke. daß sie eine politischeneubestimmung braucht, ist schonseit jahren offen und durch den zerfall desstaatssozialismus - und hier für uns nocheinmal besonders durch die implosion derddr - unabwendbar geworden. die ,anti'­haltung ist ausgelaugt in einer politischsozial- und subjektlosen gesellschaft.denn das ist der zustand jetzt, wo das politischesystem schein geworden ist, nurnoch der arm ist <strong>von</strong> ökonomischen undstaatlichen sach- und herrschaftszwäogen,die der gesellschaft gegenüber autonomgeworden sind. die wiedereinführungdes sozialen und politischen kann nur<strong>von</strong> unten kommen, und äußern kann sichdas nur in konkreten gesellschaftlichenfragen. eine ihrer folgen muß der bruchsein mit der gleichsetzung und austauschbarkeit<strong>von</strong> geld (besitz) und macht.eine hinter uns liegende phase fassenund alles politisch neu bestimmen zu können,war der sinn der sache ,diskussionuntereinander und politische kommunikationnach draußen', dessen form die zusammenlegungals voraussetzung des kollektivenwar und sozusagen ein politischesaufheben der knastmauern nachdraußen. nichts ist gekommen. das liegtdaran, daß die dominierende alte fraktionauf der anderen seite nicht willens ist, zueiner realen sicht zu kommen, und politischlächerlichen vorstellungen nachhängt(zachertlS im sz-interview: ,wennes gelänge, alle zu verhaften .. .' ja, ambesten die gesamte gesellschaft). sie setzenein verhältnis fort, dessen ergebnis siezwar kennen, welches zur politischen erkenntniszu machen sie aber unfähig sind.Da hindert sie ihr borniertes Interesse amProfit. Sie wollen politisch an uns verdienen.Wir aber sind/haben keine Waren1 udo knapp, "realpolitischer" grüner, frühermal im "sozialistischen deutschen studentenbund"(OOs)2 am 30.7. W77 versuchte die raf, den vorsitzendender dresdner bank und berater des damaligenbundeskanzlers scbmidt zu entfiihren. das rafmitgliedsusanne albrecht war mit ponto bekanntund verschaffte der raf darüber einen zugang zuihm. die entführung mißglückte, ponto Wurde erschossen.3 peter-jÜlgen boock, ehemaliges raf-mitglied .4 werner .lotze, ehemaliges, <strong>bis</strong> zur annexion indie ddr abgetauchtes raf-mitglied5 gemeint ist "spiegel"-herausgeber IUdolf augstein6 generalbundesanwalt alexander <strong>von</strong> stahl7 "bösewicht" in mozarts "zauberflöte"8 theodor· w. adomo, vertreter der kritischentheorie9 bundesanwaltschaft10 christian lochte, 1991 verstorbener chef deshamburgerverfassungsschutzesII werner maihofer, fdp-politiker, mitte der 70erjahre bundesinnenminister12 georg lulaics, marxistischer philosoph, gest.1971. zitiert wird aus "geschichte und klassenbewußtsein": "legalität und illegalität" (1920)13 claude levi-strauss, belgiseher soziologe I anthropologe14 im juli 1991 wurde der an das linke zentrum"rote flora" im hamburger scbanzenviertel grenzende,<strong>von</strong> den aktiven selbstgeschaffene park <strong>von</strong>der polizei geräumt15 haus ludwig zachert, bka-chef26


RolfHeißlerDie Kluft zwischen staatlichem Redenund herrschender Realitätist noch immer tief und weitmein leben beginnt eigentlich erst .am2.6.67, dem tag der ermordung <strong>von</strong> bennoohnesorg durch die staatsgewalt währendeiner demonstration gegen denschahbesuch in westberlin.aufgewachsen bin ich in einem bürgerlichenelternhaus. mein vater war latein-,griechisch- und deutschlehrer, meinemutter hatte zwei kinder in die ehe mitgebracht.ihr erster mann war im krieg aufder krim gefallen. was er dort gemachthat, war wie die gesamte deutsche geschichte- mein vater war kriegsgefangenerin den usa - kein thema in meinem elternhaus.und wenn, wurde sie auf demniveau abgehandelt, hitler war schon irgendwienicht schlecht, er hat die autobahnengebaut.solange es in der schule einigermaßenlief, war es auszuhalten. auf leistung undkonkurrenz, auf besser und braver sein alsandere kinder wurde ich getrimmt, bluejeans tragen oder mickey mouse oder ähnlicheslesen - solche schundheftchen ­war verboten. bei klassenarbeiten bekamich für eine I/sehr gut I dm, für eine2/ gut 0,50 dm, für eine 3 / befriedigend0,30 dm, bei einer 4/ausreichend, garnicht zu reden <strong>von</strong> einer 5 oder 6. mangelhaftoder ungenügend, war die stimmungschneidend ebenso wie bei sonstigen vorfällenwie ei an der tafel, da ich den lehrerverfehlt hatte. hausarrest, taschengeldentzugund ähnliche unterdrückungsmaßnahmen.in der klasse war ich der kleinste,der jüngste und der frechste.etwa ein halbes jahr vorm abitur wurdeich <strong>von</strong> meiner mutter ins herrenzimmergebeten, und meine eltern fragten mich,was ich studieren wolle. da ich das so genaunicht wußte, ließ ich mich überzeugen,daß es das richtigste sei, mich fürzwei jahre freiwillig bei der bundeswehrzu verpflichten. hin müsse ich sowieso irgendwann,und eine mögliche unterbrechungdes studiums sei nicht gut. außerdemkönne ich mir in der zeit über meinberufsziel klarer werden.kaum bei der bundeswehr, schon beider ersten verpackungsübung - da wirstdu mitten in der nacht aus dem schlaf gerissen,alarm, und du hast binnen kurzemmarschbereit und voll ausgerüstet mit gewehrund sturmgepäck anzuQ'eten, derfeind ist im anmarsch - schlief mir vermutlichwegen des zu eng geschnürtensturmgepäcks mein einer arm ein. es hießstillgestanden, bewegen durfte man sichnicht, veränderung wurde trotz versuchsnicht erlaubt. der arm meinte es zu gut mitsich und mir, er schlief mehrere wochen.nach untersuchungen in einem bundeswehrkrankenhauswurde dann festgestellt,ich habe einen brustwirbel zu vielund einen halswirbel zu wenig oder umgekehrt.bei schweren belastungen könnennervenstränge eingeklemmt werden, dereingeschlafene arm war eine folge. nachnur einem halben jahr wurde ich mit demuntersten dienstgrad als schütze der reserveentlassen.so kam ich total unpolitisch und angepaßtim sommersemester 1967 nach münchenund begann mit dem studium <strong>von</strong>zeitungswissenschaften (zw), germanistikund geschichte mit der option journalistoder zur sicherheit lehrer. mit dem abstand<strong>von</strong> zu hause und zur verhinderung,daß ich je in die abschreckenden fußstapfen.meinesvaters treten kann, strich ichschon nach den ersten beiden semesterngermanistik und geschichte und schriebmich neben zw für politische wissenschaftenund soziologie ein.am 3.6.67 - an diesem lag wurde ich19jahre alt - sah ich hinter der uni zumersten mal in meinem leben eine demonstrationmit roten fahnen. igitt, kommunisten,dachte ich, aber am nächsten lag liefich unter diesen roten fahnen mit, vermutlichaus empörung über das erste bewußtwahrgenolnmene staatsverbrechen unddessen rechtfertigungsversuche. am 2. 6.waren in westberlin die demonstrantengegen den schahbesuch - der schah, verantwortlichfür folter und mord an zehntausenden<strong>von</strong> menschen im iran - <strong>von</strong>der polizei und savak-agenten' brutalstauseinandergetrieben worden. der unbewaffnetebenno ohnesorg wollte sich in sicherheitbringen und war auf der flucht ineinem hinterhof erschossen worden, obwohler niemanden bedroht oder gar angegriffenhatte.seine ermordung war der anlaß, michmit diesem staat und meinem oberflächlichenheile-weit-bild zu beschäftigen.noch lief ich ziemlich allein durch die gegend,machte augen und ohren auf, gingzu teach-ins und veranstaltungen und erfuhralles neu. ich lernte erstmals die geschichteund die weit mit den augen derausgebeuteten und unterdrückten kennen,in der schule oder zu hause war das totalausgeblendet gewesen, der deutsche imperialismus,der nazismus, die situation inden ländern der drei kontinente, kolonialismus,kapitalismus, sozialismus, kommunismus,anarchismus, befreiungskriege,die brd als nachfolgestaat des ,tausendjährigenreiches' immer auf der falschenseite. vietnam, die palästinenserInnentrugen den krieg in die metropolen,che, fidel, die tupamaros, die black panthers,die befreiungsbewegungen in angola,mocambique und guinea-<strong>bis</strong>sau undund und. eine totale aufbruchsituation und-stimmung. du hast gefühlt und gesehen,es sind überall auf der welt menschen wiewir, die es jetzt selber in die hand nehmen,daß alles anders wird. ich habe damals garkeine vorstellung gehabt, wie, aber ichwar ganz sicher, daß wir es können undrauskriegen werden, wenn wir nur immerweiter suchen. das war alles ganz emotionalund nicht politisch durchdacht oderwas, aber eine begeisterung und enormesicherheit, wir fangen hier genauso wasgrundsätzlich neues an wie überall. dersubjektive kern für den eigenen aufbruchwar der gedanke an befreiung, den die befreiungsbewegungendurch ihren kampfin die metropolen getragen haben, lebendig,sichtbar oder auch nur artikuliert inder politischen praxis <strong>bis</strong> dahin. plötzlichwurde klar: es gibt was anderes, kann wasanderes geben, wenn wir es wollen undmachen. der subjektive faktor, der hierdurch die befreiungsbewegungen reingebrochenist, das war das entscheidendneue. und es ist immer noch das entscheidendeund gerade hier so schwer. meinevereinzelung brach nach und nach auf. esging alles rasend schnell. gut 2 1/2 jahrespäter war ich in der illegalität und keinevier jahre später zum ersten mal im knast.schon nach ein paar monaten ging ichzum sds (sozialistischer deutscher studentenbund)und wurde als kandidat aufgenommen.witzig, die genossin, die zumeiner vorstellung ,ja, der ist gut' gesagthatte, sah ich ein paar wochen vor meinerverhaftung '79 irgendwo in der brd wieder.sie lief mir plötzlich über den weg.erkannt hat sie mich natürlich nicht. soging ich hinter ihr her, überlegend, redeich sie an, eine eigentlich verantwortungslosesache, oder nicht. wir hatten seinerzeitnicht den engsten kontakt und über einjahrzehnt dazwischen. da weiß man nichts<strong>von</strong> der politischen entwicklung, ob jemandweiter unter staatsschutzbespitzelungsteht usw. schließlich sah ich sie ineinen freakig bemalten vw-bus einsteigen,freute mich über das offensichtlich nichtarrangiert-habenwie viele 68er und ärgertemich ein bißchen über die versäumtemöglichkeit. aber man hat natürlich zuerstan die sicherheit zu denken, und schon dasmögliche bekanntwerden, in welcher ge-27••••


gend du <strong>bis</strong>t, ist zu viel.am institut für zeitungswissenschaften,was damals praktischerweise im amerikahauswar, hatten sich ein paar leute zusammengetan.wir lösten die alte fachschaftsvertretungab, ich wurde zu einemder fachschaftssprecher gewählt. wir arbeitetenam aufbrechen der reaktionärenstrukturen in der alten ordinarienuniversität.unser institutsleiter war zusätzlichherausgeber der reaktionären katholischenwochenzeitschrift ,rheinischer merkur',einer der assistenten war glotz, späterbundesgeschäftsführer der spd, heuteimmer noch bundestagsabgeordneter.mitbestimmung der studieninhalte war einzentraler punkt, gegen eine zeitung <strong>von</strong>uns wurde vom professor eine einstweiligeverfügung mit verbot der weiterverbreitungverschiedener textsteIlen erwirkt.es folgten vorlesungssprengungenund dann die institutsbesetzung. wir benanntendas amerika-haus in bahman-nirurnand-institutum, beteiligt waren auchbrigitte (mohnhaupt) und gabi (irmgardmöller). zwar ließen sich die herren professorenund assistenten sprechen, dochunseren forderungen kamen sie nichtnach. statt dessen lief die räumung durchdie polizei in der nacht, und wir verbrachtensie mit erkennungsdienstlicher behandlungetc. im polizeipräsidium. meinerster bullenkontakt. folge: ein strafbefehlüber ein paar hundert dm.erst später erfuhr ich <strong>von</strong> meiner mutter,daß die bullen zu hause, hunderte kilometer<strong>von</strong> münchen weg, vorbeigegangenwaren und ihnen <strong>von</strong> meiner verhaftungerzählt hatten. entsprechend war diestimmung. es wurde mit entzug des monatlichenwechsels gedroht, was ich nurkonterte mit, dann gehe ich eben arbeiten.wegen der langen haare hatte ich zu hauseeh mehr oder weniger besuchsverbot. eshieß, was sollen die nachbarn denken.die wohnsituation hatte sich unterdessenauch verändert. zuerst wohnte ich beieiner münchner witwe zur untermiete. besuchoder länger schlafen waren ungerngesehen. durch kontakte gelang mir derabsprung in eine wohnung mit zwei studenten,machtendie bald darauf auszogen.wir eine kommune daraus.soeswurde eine wichtige zeit im bruch zu denjahren vorher. nicht nur sich selbst unddie eigenen interessen und bedürfnisse,diesen ganzen destruktiven, systemkonformenindividualismus sehen und leben,sondern probleme und schwierigkeiten<strong>von</strong> jeder/rn wie untereinander gemeinsamangehen und den alltag zusammenorganisieren. die gemeinschaftskasse,welch ein problem damals, weil wir verschiedenviel geld zur verfügung hatten,das knacken des besitzdenkens oder dieorganisation des kochens und sauber-machensund zugleich auch immer die politischearbeit an der uni. es war eine lehrreicheund harte zeit, stunden-, nächtelangdiskussionen oft ohne ergebnis, sie vertiefteden bruch mit unserer sozialisation.die langen haare und die klamottenmachten einen schon äußerlich zum außenseiter.<strong>von</strong> den politikern und medienlief eine beispiellose hetzkampagne gegenuns. das kann man sich heute gar nichtmehr vorstellen. in kleinstädten oder aufdem land machten sich bürger auf zurlynchjustiz gegen langhaarige, andersaussehende. auch bei uns versuchten malbesoffene aus der kneipe unten im haus,die wohnungstür einzutreten. -im frühjahr '68 trampte ich zum vietnamkongreßin westberlin, er sollte gegenden völkermord in vietnam mobilisieren.dort erlebte ich zum ersten I:lnd einzigenmal rudi dutschke. es war eine noch nieerlebte atmosphäre. münchen war im vergleichzu westberlin als der antikommunistischenfrontstadt tiefste provinz, diestrukturen dort waren schon viel weiterentwickelt. der senat wollte die demonstrationverbieten. klar war nur, aber aufjeden fall, dieses verbot wird nicht hingenommen.erst kurz zuvor wurde es aufgehoben,anders hätte es ein blutbad gegeben.die saat der hetze ging weiter auf. gründonnerstag'68 wurde rudi dutschke aufdem ku-damm in westberlin niedergeschossen.die brd brannte. ich habe damalswährend der semesterferien auf derpost gearbeitet und kriegte daher das inmünchen gelaufene nur bedingt mit. amgleichen abend hatten einige genoss-innendie münchner ftliale der bild-zeitungbesucht und verwüstet. deren auslieferungwurde zu verhindern gesucht. amnächsten tag wurde vor dem verlagshaus<strong>von</strong> springer weiter demonstriert, dabeikamen unter nie geklärten umständenzwei menschen ums leben. ich weiß nurnoch, ich war keine fünf minuten am spätnachmittagda und wurde bereits <strong>von</strong>einem wasserwerfer weggespült.nach der institutsbesetzung begannlangsam der rückzug <strong>von</strong> der uni, wir gingennur noch hin, wenn etwas besonderesanstand. vieles spielte sich in den wohnungenab. nach dem ersten joint - damalswurde das rauchen noch als mittelder bewußtseinserweiterung begriffen ­hockte ich zwar kotzend auf der toilette,aber ich hörte zum ersten mal wirklichmusik. ich arbeitete ein wenig im kinderundschülerladen mit. eine wichtige erfahrung.kinder verlangen alles <strong>von</strong> dir undgeben sich nicht mit halbheiten zufrieden.und auch da, alles neu, nicht an den kinderndas reproduzieren, was unsere elternmit uns gemacht haben. sie waren nichtmehr sache der mütter allein, obwohlnoch oft genug, sondern man kümmertesich gleichermaßen um sie.es war die zeit, in der die menschen inden metropolen durch die befreiungsbewegungenim trikont mit der frage konfrontiertwaren, wie die praktische solidaritätund der gemeinsame kampf aussehenkönnen. selber auf der suche nach einemsinn im leben, aber noch ganz unbestimmt,wie der aussehen könnte, nur daßes was anderes sein muß als das, was mankennt, waren wir mit der realität auf derwelt konfrontiert. die befreiungskämpfesind in den toten und gekünstelten normalzustandhier reingebrochen und haben ihnaufgerissen. du hast gesehen, es sind menschenwie wir, die es jetzt überall selber indie hand nehmen, um ein anderes leben zukämpfen, und genauso müssen wir· dastun, wenn es uns ernst ist. weil es sonstnicht real wird, es gibt nichts anderes,neues, wenn niemand darum kämpft.nicht die objektive notwendigkeit IJOddaßwir die begriffen haben, war das entscheidende,sondern die notwendigkeit für unsselbst, was jede/r mit der vorstellung <strong>von</strong>einem anderen leben verbindet, der realisierungder eigenen ziele und der praxisdahin.moralische verpflichtung und objektivenotwendigkeit waren genau das, woraussich viele bestimmt haben und wie sienicht kämpfen konnten. es war nicht ihreeigene sache, ihr eigenes leben und ziel.da hängt die ganze regressive entwicklungin den 70er jahren dran, statt internationalistischepraxis und zusammen kämpfenwurde daraus: solidaritätsgruppe / unterstützung/ gegen das elend, aber es wurde28


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übernehmen. im jemen las ich auch meinenersten lenin. aus den bedingungen inder metropole ist kollektivität das entscheidende,identität und lernprozeß jederund jedes einzelnen stehen im zentrum. eswird hier nicht die ,organisation' geben.unser bücherwissen über das menschenvernichtendeimperialistische staatensystemwurde in diesem land konkret, diearmut, die abhängigkeit und erpressungssituation,in der es sich trotz befreiungweiter vom einstigen kolonialisten befand.die briten hatten den jemenitischenboden kartographisch erfaßt und nach b0­denschätzen untersucht, diese unterlagenwurden nach der befreiung trotz vereinbarungdem jemenitischen volk nicht übergeben,was die ökonomische entwicklungstark behinderte. denn für eigene untersuchungenwaren weder das geld noch daswissen da, weil alles in den sozialen aufbauwie gesundheitswesen, schulen usw.gesteckt werden mußte. irgendwo wurdeuns <strong>von</strong> unseren begleitern mit strahlendenaugen und voller stolz ein vielleicht25jähriger jemenite gezeigt, unser ersternach westlichen kriterien ausgebildeterarzt, und das nach jahrzehntelanger britischerkolonisierung. die briten hatten sichnur um die höhere, mit ihnen kollaborierendejemenitische kaste gekümmert. erkranktejemand <strong>von</strong> ihr oder ihren angehörigenschwerer, wurden sie nach englandausgeflogen. das galt für alle sozialenselbstverständlichkeiten wie schule oderausbildung. einige wenige kamen in großbritannienin ihren genuß, entsprechendmanipuliert waren deren köpfe. für dasvolk wurde nichts getan, es konnte verrecken.auch die brd versuchte, die situationdes landes auszunutzen und den jemenzu erpressen. sie versprach für unsereauslieferung zig millionen dm und stelltefür die zukunft ,entwicklungshilfe' in.aussicht. doch die genossen ließen sichdarauf nicht ein und versicherten uns,wenn wir jemand aufgenommen haben,auch palästinensische genossen hattensich für uns eingesetzt, dann halten wirunser wort und lassen uns nicht bestechen.unser aufenthalt in der ara<strong>bis</strong>chen regionschloß auch kontakte zum palästinensischenbefreiungskampf ein, die erfuhrungeneines viel existentielleren kampfes.die genossen machten sich immer lustig,was wir so viel miteinander zu redenhatten. das konnten sie überhaupt nichtnachvollziehen. ihre situation zwingt sie,viel genauer miteinander umzugehen, indiskussionen viel schneller zum kern vorzustoßen,und läßt solchen metropolenluxusnicht zu. vor rund zwei jahren sindmir diese erfahrungen auch <strong>von</strong> zwei genossinnenvermittelt worden, die eine warin einem salvadorianischen flüchtlingslagerin honduras. die menschen waren aufgrund der lebensbedrohlichen verhältnissenicht nur gezwungen, sich zusammenzuschließenund den alltag, alles zusammenzu organisieren, sondern es bedurfteeiner alles wnfilssenden kollektiven anstrengung,damit es überhaupt eine zukunftfiir sie gab. ähnliches auf einer ganzanderen ebene schrieb mir eine genossin<strong>von</strong> der viermonatigen besetzung des gÜDter-sare-hausesin wiesbaden. obwohl diebeteiligten vom alter, geschichte, erfuhrungenusw. her ziemlich unterschiedlichwaren, mußten sie sich in diskussionenimmer ganz zielgerichtet zum kern vorarbeiten,mußten unterscheiden lernen zwischenwichtig und unwichtig, um denstaatlichen druck aushalten zu können undhandlungsfähig zu bleiben. diese erfuhrungwird hier noch viel zu wenig gelebt,drum komme ich oft bei vermittlung <strong>von</strong>auseinandersetzungen aus dem kopfschüttelnnicht raus, wie sehr sich an nebenpunktenverhakelt wird. offenheit undehrlichkeit fehlen, man redet nicht überdie lösung anstehender probleme undschwierigkeiten, sondern macht die sachezum problem. so läßt sich schön abstrakt,unverbindlich und ergebnislos über einigedinge reden und braucht man nicht an sieund sich heran.so schön die eigene befreiung ist, so bitterbleibt-das wissen um die in den händendes feindes zurückgelassenen genoss-innen.ein gefühl, das vermutlich jede/r ehemaligegefangene kennt. genauso wie jede/rex-gefangene hat sie/ihn der knastnicht - letztlich - gebrochen und zurpraktischen distanzierung <strong>von</strong> der eigenengeschichte verleitet, sich als ihr / ihmnächstes darum kümmern wird, auch diesituation der zurückgebliebenen so zu verändern,wie auch die eigene verändertwurde. so stellte sich auch nie die frage,als exilant in der ara<strong>bis</strong>chen region zubleiben, sondern nach schaffen der voraussetzungengingen wir zurück in diemetropolen. und ich nach meinem entwicklungsprozeßim knast und den erfuhrungenin der ara<strong>bis</strong>chen region ging natürlichzur raf, um durch die aufnahme deskampfes in der metropole den gemeinsamenweltweiten kampf voranzutreiben.vielleicht stand während meiner jahredraußen die befreiung unserer genoss-innenzu sehr im mittelpunkt, wurde darüberdie andere politische arbeit zu sehr vernachlässigt,aber andererseits war aufgrund der staatlichen vernichtungsstrategiedas leben unserer genoss-inn-en unmittelbargefährdet. eine tatsache, die sichals bittere wahrheit herausgestellt hat.imjuni '79 - wieder juni -, gefangenesollten als reflex auf '77 zu diesem zeit~punkt nicht mehr gemacht werden, mußtensie mich verhaften. einen tag vor ihrerbeabsichtigten auflösung betrat ich einewohnung, in der sie mich erwarteten. derschrei ,hände hoch' und der schuß kamenfast zugleich, es gelang mir noch, eine taschemit zeitungen - glücklicherweisewar es sonnabend und deren werbeteileentsprechend dick - vors gesicht zu reißenund den winkel ein wenig zu verändern.so wurde es ,nur' ein kopfsteckschußaus zwei, drei meter entfernung.ich lag zwar bewegungsunfähig am boden,aber wurde nicht bewußtlos. imkrankenhaus bekam ich mehrfach die empörungüber den versauten tag zu hören:schade, fiinf zentimeter zu weit nachrechts geschossen. gegenüber der öffentlichkeitnahmen sie fiir sich putativnotwehrin anspruch, nur trug ich meine waffein einem innenbundholster an der hoseund hatte sie nicht um den kopf gebunden.die medien gingen diesem widerspruchnicht nach, unsere anzeige wegen versuchtenmordes wurde eingestellt. erstnachdem sich ein rechtsanwalt (ra) zu mirdurchgekämpft hatte, gab ich meine zustimmungzum röntgen und zur operation.bleibende folge, auf einem auge bin ichfust blind. bereits am nächsten morgenwurde ich ins straubinger knasthospitalverflogen.ich bin gleich in den hs gegangen, denndie gefangenen aus der raf machten geradeeinen. nach ein paar wochen spital, natürlichtotal isoliert, kam ich in den trakt ,eine einheit aus fiinf löchern, eines fiir bedienstete,zelle, duschzelle, zelle undeinem lagerraum fiir die ,übersichtlichkeit'der zelle gefährdenden sachen. immülleimer der zelle fand ich eine holländischezeitung <strong>von</strong> knut (folkerts), der zu30


~r zeit auch in straubing war. in ihr gabe$fllur zwei bewegliche sachen, die mamitzeund den spiegel, den sie seltsamerweisenicht einbetoniert hatten. ansonstennUr beton, toilette und waschbecken einbetoniert,neonröhre unter panzerglas,neben gittern wie fliegengitter. später indisseldorf fiel mir der ßlaIlgel auf, wiesc.:hönist es doch, einen stuhl zu haben,den du hin- und herschieben kannst, odereinen schrank, dessen türen du auf- oderzumachen kannst, oder einen tisch, den duverrücken kannst, mit einer schublade,die du aufziehen oder zumachen kannst. ingem loch dagegen betonstreben, auf diedie bett-, sitz- und tischplatte montiert waren.fest, starr, unbeweglich. ein schrank:nicht da, nur haken. eine bestimmte anzahleigener sachen war erlaubt, alles anderewurde nach nebenan ausgelagert.trotz dieser sterilität wurde das loch jedentag nach dem hof durchsucht und ich fürdie zeit in der dusche eingeschlossen. esgab natürlich auch keinen lautsprecher indem loch, total abgekoppelt vom restknast.die fünf löcher nebeneinander gingenin einen vorraum, dann eine tür,durch die es in den eigentlichen knast undzum hof ging. da hatte ich immer zwei be­-dienstete im schlepptau. kontrolle total,23 stunden loch, eine stunde hof. das istübrigens meine derzeitige situation auchwieder, nur bekomme ich wenigstens einpaar gefangene zu gesicht. damals total allein,oft habe ich tage hintereinander keinwort gesagt oder gehört, denn solche zynischensprüche wie guten morgen, gutenappetit usw. hatte ich mir vom ersten tagan verbeten. die kommunikation nach innengleich null, und nach außen sah esnicht wesentlich anders aus. ich war instratbaft wegen der durch meine befreiungnoch offenen jahre, d. h. der knastwar zuständig, und zusätzlich war wegendes neuen haftbefehls, raf-mitgliedschaftund schleyer, der bgh3 in karlsruhe, späterdas olg" in düsseldorf, zuständig. so konntees vorkommen, daß besuch <strong>von</strong> deneinen genehmigt, <strong>von</strong> den anderen abgelehntwurde, post <strong>von</strong> den einen durchgelassen,<strong>von</strong> den anderen abgegriffen wurde.es waren bedingungen, wie sie jedelr<strong>von</strong> uns jahrelang mitmachen mußte unddie sie heute am liebsten als nicht geschehenbehandeln möchten. auf beschwerdegegen die isolationsfolter bekam ich einenentlarvenden beschluß, sinngemäß: wirwissen um die gesundheitlichen schadensfolgen,aber die sicherheit geht vor.bei unserem hs '81 sah ich zum erstenmal bemd (rößner) und konnte unter ärztlicherüberwachung mit ihm eine halbestunde reden. dies hatten wir zur vorbedingungunserer freiwilligen verlegungins knasthospital gemacht. am 63. oder64. tag kippte ich ins koma. mein ra warda. als ich ihn fragte, wann endlich meinra komme, merkte er, daß es kritischstand. ich bin dann irgendwann in dernacht wieder aufgewacht, wunderte mich,daß ich am tropf hing und krankenschwesternum mich waren, denn im knast gabes keine. erst am morgen entdeckte ich,daß ich in einem krankenhaus draußenwar, danach versuchte sich eine krankengymnastinan mir, mir wieder gehen zulehren, doch mein zustand blieb der einesbesoffenen auf schwankenden schiffsplanken.es blieben drei möglichkeitenoder eine vermischung aus diesen: abgestorbenegehirnzellen als folge des hs,nachwirkungen des kopfschusses und 1oder wirkung der isolationsfolter. trotzuntersuchungen durch die ärzte unseresvertrauens, auch computertomographiedes gehirns, später in nrw kamen wir demgrund nicht näher. die kopfinhalte sahenunbeschädigt aus.im hs hatten wir die, wie sich nachträglichherausstellte, verlogene zusage desbundesjustizministers erreicht, daß niemand<strong>von</strong> uns weiter isoliert wird und wiralle in kleingruppen zusammengelegtwerden. wegen des bevorstehenden prozesses- schleyer ließen sie fallen, stattdessen wurde ein zusammenstoß mit niederländischenzöllnern konstruiert ­wurde ich nach düsseldorf verlegt undkam mit ali Gansen) zusammen, damalsgefangener aus der raf, heute aus dem widerstand.ein paar stunden täglich außerwochenende konnten wir uns in einem<strong>von</strong> zwei kameras bespitzelten raum sehen,kriegten dort unser mittagessen zusammenund hatten hof im mp-schußfeld.mit ihm drehte ich noch untergehakt wieein altes ehepaar die runden. stefan (wisniewski),mit dem ich monate später nachalis entlassung die zweieriso fortsetzte,machte das nicht mehr mit, sondernzwang michrichtigeFWeise, auf den eigenenbeinen zu stehen und zu gehen. unterdessenfällt es mir weniger auf als den anderen,nach dem ersten hof hier fragtemich einer, ob ich drogen genommen hätte.ich muß mich aufs gehen konzentrieren,kann dabei nicht groß nach links oderrechts gucken, sonst komme ich leicht instaumeln.im prozeß war ich nur am anfang undam ende zur abgabe je einer erklärung.einmal wurde ich mittels rollkommandokurzgeschoren und mit überschminkternarbe zur zeugengegenüberstellung in denprozeßbunker geschleift. das nach einemguten jahr verkündete urteil des lebenslänglicherfuhr ich aus dem radio, dennstatt mir das urteilskonstrukt anzuhören,hatte ich mich im verlesen eines passendenbrecht-textes nicht stören lassen undwurde rausgeworfen. im austausch mitrolf c. (wagner), dessen prozeß in düsseldorfbegann,wurden stefan und ich in denköln-ossendorrer trakt verlegt. dort warenwir mit einigen anderen gefangenen zusammen,aber eine absolut geschlossene,kameraüberwachte einheit ohne kontaktzum restknast. wöchentlich machten sietotalkontrolle der zellen <strong>von</strong> uns. d. h. jedewoche stand das rollkommando vor dertür, schleifte uns in die nebenräume undriß uns die klamotten vom leibe. das wurdemit mehrwöchigem zeitungs- und radioentzug<strong>bis</strong> zum bunker bestraft. nachwochenlangen ergebnislosen bemühungenum das zusammenkommen mit unserengenossinnen in ossendorf nahmen wirdie gemeinschaftsräume auseinander,bemalten die wände mit der forderungnach unserer zl, zerstörten die überwachungskameraswie den einzigen farbfernseherossendorfs und sahen uns einmalmehr mit einem rollkommando konfrontiert,das uns in den bunker schleifteund dort für fast zwei tage verkettete.am frauentag '84 kam ich nach straubingzurück, dort erneute totalisolation imtrakt. während des hs '84/85 holte ich mireine offene tb, so daß ich danach in das zuständigeknastfachkrankenhaus nach bayreuthkam. dort weiter isoliert. vormknast wurde während meines aufenthaltsrund um die uhr bundesgrenzschutz stationiert.im juli '85 kam ich zurück nach straubingund zum ersten mal in den ,nvz'. amanfang konnte ich wenigstens währenddes hofs bernd (rößner) sehen, späternicht einmal das mehr und im selben hauswollten sie uns nicht zusammenlegen. soblieben unsere kontaktmöglichkeiten begrenzt.es kam, wie es kommen mußte,ein gutes jahr später wurde ich erneut vertraktetund isoliert. leute, mit denen ichein wenig mehr zu tun hatte, sollen einedachbesteigung geplant haben, promptwurde ich zum verantwortlichen erklärt,obwohl sie es besser wußten.als sie anfang '88 mit aufhebung der isokamen, bestand ich auf verlegung inbemds haus. das wurde abgelehnt, stattdessenverräumte mich ein rollkommandoin ,mein' altes, was mir noch eine anklagewegen widerstandes einbrachte. einen tagvor dem angesetzten termin wurde es aufantrag eingestellt. im alten haus war ichzwar weiter im trakt, aber hatte die möglichkeitdes gemeinsamen hofs, aufschlussesusw. zur vorspiegelung <strong>von</strong> ,normali-; ,L.31


tät' wollten sie mich aus dem trakt raushaben,ich wollte nur zu bernd rausgehen.erst nach einem 3/4 jahe ließ ich michbreitschlagen.'89 begann unser hs um unsere zusammenlegungin ein oder zwei gruppen, freilassungaller haftunfiihigen wie die diskussionmit allen gesellschaftlichen gruppen.er war für uns eine neue erfahrung,das mit der kette5 machten wir zum erstenmal, und das ist kaum aushaltbar. gaby(rollnik) und ich hatten zwar nur christa(eckes) und kh (karl-heinz dellwo) voruns, aber schon das hat gereicht. daß genoss-inn-enim kampf fullen, ist schmerzhafterteil des kampfes, aber nur die vorstellungwar schier unerträglich, denengegenüber für den fall unbetroffen undkalt scheinen, den schmerz allein in dengriff kriegen zu müssen. um so froher warich über das unterbrechen der beiden. eswurde ein langer abend. zwar hatte ichmich vorher damit beschäftigt, am anfangder kette zu stehen, aber es ist doch maletwas anderes, wenn es dann tatsächlichrealität geworden ist. wir sind keine helden.ich klopfte mich unter einbeziehungaller auf mich zukommenden eventualitätennoch mal ab, und am ende stand dienochmalige entscheidung, ja, das will ich,das kämpfen wir durch, ich war mir unssicher.viele haben in unserem abbruch eineniederlage gesehen. ich konnte das überhauptnicht nachvollziehen, mir war undist es ganz anders gegangen. allein derfukt unserer geschlossenheit trotz der begrenztenkommunikationsmöglichkeitenwar ein erfolg. du erwartest es zwar einerseits,aber andererseits kannst du es nichtals selbstverständlichkeit behandeln.denn die jahrelange isolation und trennunghinterlassen ihre spuren. auch unseretelefonate, mensch, nach zehn jahrenkannst du mit anderen reden, und eskommt dir vor, als ob du dich gestern zumletzten mal gesehen und gesprochen hättest.oder auch mit welchen zum erstenmal, die du nicht direkt kennst, nur überpapier kennengelernt hast. es mag sich paradoxanhören, aber in diesen wochen gabes so viele kleine, wertvolle glücksrnomentewie noch nie erlebt. es bleiben dirnur spott für die staatliche vernichtungsstrategieund ihre vergeblichen versucheder zerstörung des kollektivs. die mobilisierungdraußen übertraf auch alle erwartungen,auch wenn das, was sich widerstandnannte, zu wenig damit anzufangenwußte.fakt ist auf jeden fall, mit diesem streikwurde dem staat die legitimation für diefortsetzung der sonderbehandlung wie <strong>bis</strong>dahin aus der hand geschlagen, und esfolgten viele kosmetische korrekturen,die zwar im kern nichts veränderten undam ziel der vernichtung unserer politischenidentität festhielten, aber dennochschritte nach vom bedeuteten. angelika(goder) kam raus, in köln gab es eine neuekleingruppe, in den nächsten monaten liefenverschiedene verlegungen, so daßjetzt die wenigsten keinen <strong>von</strong> uns zu gesichtkriegen, selbst wenn es nur einestunde hof ist.32bei mir liberalisierte sich ein wenig diezensurpraxis, besuchsgenehmigungenwurden ein wenig großzügiger erteilt,aber vom ausgangspunkt im tiefsten bayernher war es noch immer mäßiger alsanderswo, doch vier tage nach abbruchfiel die trennscheibe (ts) bei besuchen, nurbei den anwälten blieb sie. es kam einegenossin, die über acht jahre mit ts mitzweimaligem rauswurf mitgemacht hatte.tisch längs an der wand, wir sollten uns andie enden setzen, lka'ler6 in der mitte.doch sie setzte sich in die mitte, so saßenwir übers eck, händchen übereinander aufdem tisch, zu streicheln habe ich nichtgewagt. als erstes wischte durch den hinterkopf,mensch, hat die schöne brauneaugen. und das nach den jahren. kamst dirvor wie zwei 15jährige,. so unendlich wenig,aber doch auch so unendlich viel.der ,nvz" nahm wieder seinen üblichengang. am 2.7.90 gab es vergammeltenkäse zum abendessen, rund 150gefangeneversammelten sich unter der zentrale undverlangten ein gespräch mit der anstaltsleitungund / oder einem vertreter aus demjustizministerium über die mißstände indiesem knast und die notwendigen veränderungen.dabei begipgen sie den ,fehler"mich als einen ihrer sprecher zu bestimmen.die nacht in worte zu fussen, istkaum möglich, man muß sie mitgemachthaben. während wir mit einem <strong>von</strong> der ,sicherheit'geredet hatten, hatten anderebegonnen, die furderungen zusammenzuschreiben.es mußte erst papier her, esmußte erst ein kuli her, es war nichts da,nichts vorbereitet. du sahst leute aktivwerden, die du <strong>bis</strong>her nur mit scheelenaugen betrachtet hattest. du vermißtestandere, deren anwesenheit du erwartethättest, die sich freiwillig hatten dnschließenlassen. eine gangtür war offengeblieben. aus den offenen zellen dortwurden ein paar matratzen, klamotten geholt,tabak, kaffee, ein tauchsieder warenplötzlich <strong>von</strong> irgendwoher da. tee, zukker.einer verlas dann die zusammengestelltenforderungen, allgemeine zustimmung,um weitere wurde gebeten. es wurdestrikt darauf geachtet, daß keine einzeltripsliefen. zu einigen, wo wir aus bestimmtengründen unsicher waren, wurdenzuverlässige in die nähe gebracht, dieim notfall eingegriffen hätten. und dumußt dir vorstellen, alles nicht in ruhe,sondern pfeifen, klatschen, sprechchöre,freiheit', ,streik' usw. usw. man konntesich nur verständlich machen, indem mansich ins ohr schrie. wenn es bei uns einwenig ruhiger war, ging das geklopfe dereingeschlossenen an ihren türen los. auchauf das andere haus hatte es übergeschlagen.sachen, brennende toilettenpapierrollenusw. flogen aus den fenstern, geschirrwurde gegen die gitterstäbe geschlagenusw. usw. doch mit uns wollteniemand reden, statt dessen waren wirnach durchgemachter nacht mit drei hundertschaftenparamilitärisch ausgerüsteterbereitschaftspolizei konfrontiert, die unsin die zellen zurückverfrachteten.am abend dieses tages standen ein paarbedienstete in meinem loch und vertraktetenmich als einzigen. das fenster wurdetagelang abgeschlossen. doch sie hattendie rechnung ohne die gefangenen gemacht,nach nur einer woche - es liefenunterschriftenlisten für aufhebung meinerisolation, protestaktionen waren in planung- hatten mich die gefangenen ausder isolation freigekämpft, einzige bedingung,ich durfte mich nicht zur wahl alssprecher der arbeitslosen stellen. aber dasänderte nichts an der situation und stimmung.nach nur einer woche wurde ichnach münchen zwangsverlegt und dortwieder isoliert. zwei wochen später hörteich in den ersten nachrichten am morgen,nach dachbesetzung sei es in straubingzum polizeieinsatz gekommen, und mußtelachen, meine zwangsverlegung wie dieanderer in den monaten vorher hattennichts verändert. nachmittag'shöre ich amfenster jemanden rufen: "seid ihr alleda?" und zurück kam ein: "jaaa !", daswar der erkennungs slogan der straubinger.sie hatten tatsächlich alle 100 an derdachbesetzung beteiligten nach totalemaufmischen nach münchen z\vangsverlegt.zwei direkt unter mir. das war einefreude, aber nur eine kurze. nachdem ichgemeinsamen hof mit ihnen beantragt hatte,schließlich hatten sie mich in der nachtzu einem ihrer sprecher bestimmt, wurdeich perfektioniert wie noch nie abgeschottetund isoliert und zwei monate späterwegen meines schädlichen einflusses aufdie hysterischen gefangenen nach frankenthalin rheinland-pfalz ausgeflogen,ursprünglichdacht.nur für ein halbes jahe ge­es kam auch eine neue anklageschriftwegen gefangenenmeuterei. aber nachdemdas wegen des bestehenden lebenslänglichim dezember '91 eingestellt wurdeund ich schon über ein jahe hier bin,soll ich wohl hier bleiben. darauf deutenauch die seit monaten laufenden provokationenwie leerung der zelle wegen der,unübersichtlichkeit' oder zuletzt ihrkommen mit arbeitszwang und streichendes einkaufs hin. in einer beschwerde dagegenfußte ich es so zusammen: ••analogder kinkelschen vorgabe soll mein körperin den zustand der haftunJähigkeit gebrachtwerden, damit der staat irgendwannfiir die öffentlichkeit seine menschenfreundlichemaske aufsetzen und mirbzw. dem, was da<strong>von</strong> übriggeblieben ist,die ,freilassung auf bewährung' anbietenkann. " die kluft zwischen staatlichem redenund herrschender realität ist nochimmer tief und weit.Ein schriftliches Interviewmit einer linkendänischen Zeitungdu <strong>bis</strong>t revolutionär, was heißt das kon..,kret für dich und deine praxis unter denbedingungen, wo du <strong>bis</strong>t?im prinzip nichts anderes als draußen.dort machst dl;l etwas aus deiner politischenidentitä,t heraus, und hier kämpfstdu aus ihr heraus und um sie, darum, ganzzu bleiben, subjekt zu bleiben, deinehandlungsfiihigkeit zu bewahren, weil sie


~nau das vernichten, an den gefangenene~emplarisch vorführen wollen: hier in(Jen metropolen geht nichts, ist jeder widerstandsinn- und zwecklos.wenn du gefangen wirst, weißt du, worumes dem staat geht. er will dich mit allenmitteln brechen und schreckt dabei vornichts zurück. die isolationsfolter solldich in einen zustand der resignation undhoffnungslosigkeit bringen. du sollst nurnoch die macht und stärke des staates sehenund damit die unerreichbarkeit eineslebens, einer welt ohne ausbeutung undunterdrückung. du sollst den status quofiir unveränderbar halten und daran zuglauben beginnen. du mußt zum objekt inden händen des staates werden, damit erdich in gewünschtem sinne gegen denweltweiten revolutionären prozeß funktionalisierenkann.wenn du das weißt, weißt du auch, daßdu diese ziele durchkreuzen mußt und aufgrund der gemachten erfahrungen auchdurchkreuzen kannst. mehr als dein lebenkönnen sie dir nicht nehmen, es ist nichtsmderesalsdraußen.de~~enmag~hauch nicht, wenn dort unsere bedingungenoft mit den schwärzesten farben gemaltwerden. sicher sind sie hart, sicher zielensie auf die vernichtung. sie sind auch immerwieder zu denunzieren, weil an ihnender widerspruch zwischen staatlichem redenund handeln offengelegt werdenkann. aber wichtiger ist unser kampf dagegen,daß wir trotz der bedingungen daslachen nicht verlernt und die zuvers~htnicht verloren haben. der staat versucht,abschreckende wirkung zu erzielen. wirstehen dagegen und lassen uns trotz dertrennung nicht vom kollektiven denkenund hmdeln abbringen.das ist nichts besonderes, wie es oft gesehenwird, sondern in meinen augen völlignormal. die gemeinsamkeit macht unserestärke aus, als einzelne würden wiruntergehen. an unserem widerstand orientierensich viele, er macht ihnen mut undstellt alles wieder auf die fuße. wir kämpfenum unsere zl, weil wir sie brauchen,der kampf hat einen materiellen sinn undist nichts abstraktes. und das ist den menschen,speziell den mitgefangenen, auchvermittelbar. fiir sie hat man da und offenzu sein, sie wissen, sie können sich aufeinen verlassen, wenn sie was brauchen,mm wird anvertrautes nicht weitererzählenoder sich gar auf einen deal zu ihrenlasten einlassen. sie lernen <strong>von</strong> solidarischemverhalten, ohne sich ausnutzen zulassen.wenn unser reden und handeln auch unterdiesen bedingungen in übereinstimmungbleibt, der staat sein ziel nicht erre~ht,wird der preis unseres festhaltensimmer höher fiir ihn, wird er keine lösungfür sein problem mit uns finden.es steht fast jeden tag in der presse, undim tv kann man auch täglich den imperialistischenabgesang auf den angeblichentod des kommunismus durch denzusammenbruch des ostens sehen. wiesiehst du das ?in den imperialistischen medien kannst dutäglich vieles lesen, hören und sehen, aberdas wenigste betrifft einen wirklich. einbeispiel aus august letzten jahres, auf dereinen seite war <strong>von</strong> mehreren kp-Ieutenwie carillo vom ende des kommunismuszu lesen, wobei k{}mmunismus mit moskau1älschlicherweise gleichgesetzt wird.ein paar seiten weiter ein interview mitabdullah öcalm. auf die feststellung desscheiterns des marxismus-leninismus inosteuropa und die frage, warum halten siedaran fest, was ist der marxismus-leninismusder pkk, sagte er: "er ist das genauegegenteil <strong>von</strong> realem sozialismus. der sozialismusmuß vor allem moralisch gestärktwerden. im realen sozialismus gabes keine moral. der staat und die bürokratiemüssen überwunden werden. es istfalsch, sie auszubauen. auch der parteiapparatkann so nicht bleiben. partei undstaat müssen überwunden werden. nachunserem verständnis heißt sozialismus initiativedes volkes. in osteuropa hat dasvolk eIne sehr schlechte karikatur des sozialismusbeseitigt. aber es hat an seinerstelle nichts anderes schaffen können. dieliquidierung eines schlechten sozialismusmodellsist positiv, allerdings hätte die alternativenicht die rückkehr zum kapitalismussein sollen. wir können den sozialismusnicht aufgeben. wir sind mit der sozialistischenverbunden.utopie und ihrer anwendungnatürlich werden wir dabeiunsere eigene historische realität beachten.ich glaube, daß sozialismus und kapitalismusschwerwiegende probleme geschaffenhaben. es bedarf einer theorieoder utopie des sozialismus zur lösungdieser probleme. mit diesen regierungenund systemen macht die welt pleite, wirdsie zerstört. der eingeschlagene weg führtin den untergang. alles, was dies verhindert,wird <strong>von</strong> uns akzeptiert ..•die imperialisten feiern das ende desweltkommunismus, nur machen sie denfehler, ihn gemäß ihrer jahrzehntelangenpsychologischen kriegsführung mit moskaugleichzusetzen. ich habe mich langegewundert, welche aufmerksamkeit gorbatschowsreaktionärem kurs in der linkengeschenkt wurde. bereits zu zeiten der.studentenbewegung wurden die sich sozialistischnennenden staaten im osten alsstaatskapitalistisch kritisiert und konntesich niemmd mit ihnen identifizieren. siewaren nicht das vorbild. die revolutionärenprozesse weltweit begannen fast alleohne unterstützung dieser staaten, siemußten s~h teils sogar gegen sie durchsetzenund wurden erst spät politisch,ökonomisch, militärisch unterstützt. derjetzige ausfall, das international verändertekräfteverhältnis sind natürlich hart undbitter.du brauchst nur in die gewendeten länderdes ostens schauen und kannst feststellen,der kapitalismus, die freiheit deswestlichen kapitals in diesen ländern,bringt für die menschen nur eine weitereverschlechterung ihrer lebensbedingungen.dies wird sich auch in den kommendenjahren nicht ändern, wie sie jetzt vorzugaukelnversuchen, das ist blanke illusion.der kapitalismus hat den menschenkeine lösungen mzubieten. wir in den metropolenhaben den vorteil, daß wir bereitsden preis kennen, den die menschen fürden ,wohlstand' zahlen müssen, und habendaraus die praktischen und politischenkonsequenzen gezogen.aus den drei welten sind zwei geworden,die polarisierung zwischen der erstenund der dritten welt wird sich weiter zuspitzen,die verelendung weltweit wirdzunehmen und beginnt, auch die metropolenverstärkt zu erfassen. die armut istprodukt des kapitalismus und wird nichtdurch ihn aufgehoben.nach der propagmda waren die weltweitenrevolutionären prozesse <strong>von</strong> dersowjetunion initüert und abhängig, aberdem war schon lmge nicht mehr so. mandenke nur an die friedliche koexistenz.aus den dortigen, teils aus der geschichteerklärbaren fehlern werden wir für morgenzu lernen haben. es ging ja so weit,daß rebmann8 deswegen schon das endeder raf ankündigte, oder jetzt ihr billigerversuch, aus der raf eine <strong>von</strong> der stasi gelenktemarionette zu machen.weil fiir uns die politische orientierung<strong>von</strong> mfang an eine andere, nicht nur aufdie realsozialistischen staaten im osten gerichtetewar, trifft uns der zusammenbruch-linken -im gegensatz zur ideologischeninhaltlich nicht. natürlich verschiebter die kräfteverhältnisse, aber ermacht neue wege auf bzw. beschleunigtdiesen prozeß.auf die frage, ob er als marxist nicht resignierenmüsse wegen des zusammenbrechenskommunistischer systeme aufder gmzen welt, mtwortet ernesto cardenal:,.für mich hat kommunismus nie irgendeineblockbildung bedeutet, deshalbkann ich auch nicht sagen, daß der marxismusgescheitert ist. die gesellschaft,die marx propagiert hat, ist eine sozialeund bürgerliche ohne egoismus. das sindauch die ziele des christentums. das hatnicht mit bürokratischen systemen zu tun.in diesen ländern hat es keinen wahrhaftigenund selbstbestimmten sozialismus gegeben.sozialismus muß in meinen augenimmer demokratisch sein. was im ostblockstattgefunden hat, war eine perversion dessozialismus. auch das christentum hatpervertierungen erlebt, trotzdem gibt esviele christen. wir müssen wege suchen,den sozialismus menschlich zu realisieren,so wie er eigentlich gemeint war. esbleibt dabei, daß es nur die beiden optionenkapitalismus oder sozialismus gibt.der kapitalismus macht große propagandamit dem scheitern des sozialismus,aber das scheitern des kapitalismus gehtviel weiter. er macht nur zehn prozent derweltbevölkerung reich. für die restlichen90 % und vor allem für die dritte welt aberist der kapitalismus eine katastrophe. deshalbbleibt meine option der sozialismus,der die menschenrechte respektiert ­dein sozialismus mit christen." die kommunistischenziele leben unverändert inden menschen weiter.was verstehst du unter solidaritätsarbeitmit den kämpfen im süden?es geht darum, eine umkehrung der entwicklungsrichtungin den metropolen undaus den metropolen zu erkämpfen, aus der~uu 33


für die mehrheit der menschen nur nochzerstörung in einer wahnsinnigen dimensionkommt, zerstörung und hunger undtod und elend. das ist die absolute notwendigkeitjetzt, für alle.wir haben es konkret am kampf des vietnamesischenvolkes erlebt. entgegen derheutigen us-märchen wurde der kriegnicht verloren, weil das fernsehen vor ortwar und die kriegsverbrechen in die gutewohnstube vermittelte, das passiert heutegleichermaßen, auch wenn sich die desinformationsmethodenverfeinerten, sondernder langandauemde kampf des vietnamesischenvolkes brachte am anfimgwenige menschen in den metropolen zurvermittlung dessen, was dort passiert. einvolk, das sich gegen den imperialismus,einen übermächtig scheinenden gegner zuwehren hatte, um seinen weg selbst bestimmenzu können. die antikriegsbewegungklärte auf und schuf ein problembewußtsein.der protest radikalisierte sich.die zunahme <strong>von</strong> militanz und angriffen,die entwicklung bewaffneter organisationenwirkten zusammen mit dem kampfdes vietnamesischen volkes und verunmöglichteweitere politische mobilisierungfür den krieg <strong>bis</strong> hin zur atomarenauslöschupg vietnams.das palästinensische volk dagegen begriff,würde es nur in palästina um die befreiungpalästinas kämpfen, bliebe es einregionaler konflikt, um den sich niemandkümmern würde. da das zionistische gebilde<strong>von</strong> der unterstützung der usa unddes imperialistischen staatensystems abhängigist, politisch, ökonomisch, militärisch,trogen die palästinensischen genoss-inn-enmit ihren angriffen den kriegin die metropolen und sagten damit denmenschen hier, auch ihr seid verantwortlichund habt position zu beziehen undkönnt euch nicht quasi neutral gegenübereuren regierungen verhalten und sagen,was geht mich das an. ohne die internationalisierungdes kampfes wäre heute dieplo nicht als die legitime vertreterin despalästinensischen volkes weltweit anerkannt.solidarität mit dem kampf im südenheißt die aufnahme des kampfes im eigenenland auf allen ebenen. die brd hatweltweit die ausbildung und ausrüstungder anti-aufstandsbekämpfung übernommen,die counterstrategen kann man nurim eigenen land stoppen.oder nimm nicaragua. sicher mögen dieeine oder andere solidaritätsbrigade fürden aufbau des landes nützlich und notwendiggewesen sein, aber sie allein, diematerielle unterstützung vor ort wie dieaufldärungsarbeit in den metropolen, warenzu wenig, nicht erfolgreich beim zurückschlagender us-contra-aggression. esfehlte die mobilisierung in den metropolen,nicht <strong>von</strong> der quantität, sondern <strong>von</strong>der qualität her. es wurden keine konkretenforderungen an das kapital und dieverantwortlichen gestellt und mit allenmitteln um deren durchsetzung gekämpft.was denkst du über zusammenarbeit mitder sozialdemokratie gemde in rassismus-fragen,also z. b. gemeinsame de-34mos etc. ? unter dem ,gOUkrieg '91' wardies ja auch hier wie in der brd der fall.die zusammenarbeit mit anderen politischenspektren sollte sich danach bestimmen,ob man inhaltlich an bestimmtenpunkten oder auch zielen zusammenkommenkann. ich brauche nichts zur geschichteder sozialdemokratie zu sagen,sie stellte sich immer und vor allem in revolutionärenprozessen gegen die progressivenkräfte und auf die seite der reaktion,des kapitals. die deutsche sozialdemokratieist die partei stammheims, sieorganisierte die anti-guerilla-bekämpfungnicht nur in der brd, sondern auch in westeuropaund weltweit. heute in der oppositionwill sie da<strong>von</strong> nichts mehr wissen,leugnet sie ihre vergangenheit, um so wiederunter jungen menschen hoffnungenauf sie an der macht ZU wecken.mit einzelnen mag eine zusammenarbeitmöglich erscheinen. aber gerade bei denangeführten beispielen sah und sehe ichdas nur äußerst bedingt. während der imperialistischenaggression gegen das ira~kische volk tat sie alles, um den protest fürsich zu funktionalisieren, wollte sie sichan die spitze der anti-kriegs-bewegungsetzen und hat sie, wo es ihr gelang, abge-WÜrgt.auch beute bei den rassismus-fragensieht es nicht anders aus. zwar spricht siesich verbal gegen die änderung des grundgesetz-artikelsüber das asylrecht aus,aber fuktisch will sie wie die rechten mauemgegen flüchtlinge hochziehen. siestimmte ausländer-kz's an den grenzenzur zügigeren abschiebung wie der verkürzungdes rechtswegs gleich der verrechtlichungder rechtlosigkeit zu und befürwortetwie die grünen die selektive aufnahme<strong>von</strong> flüchtlingen entlang den arbeitskräftebedürfnissendes kapitals.ob es bei euch anders ausschaut, weißich nicht, aber mehr als punktuelle, ganzbegrenzte zusammenarbeit wird auch beieuch nicht laufen. solche fragen entstehenimmer dann, wenn die linke insgesamt zuwenig politisch präsent ist, sich nichtwirklich als kraft mit einer anziehung entwickelthat oder sichtbar ist. wäre es· so,würde sich die sozialdemokratie selbst diefrage bezogen auf sich stellen.cuba steht als ein progressives land nochimmer aufrecht. sozialismus oder todgilt dort immer noch. wie, glaubst du,können wir dem hart bedrängten eubazur seite stehen?ich habe es schon oben gesagt, die politische,ökonomische und militärische unterstützungcubas wie für andere progressivestaaten in den drei kontinenten mußsich <strong>von</strong> unten in den metropolen entwikkeIn.ich sehe schon wieder den brigadentourismussich wiederholen, aus den fehlernim fall nicaragua scheint nicht gelerntworden zu sein, oder es wird nicht gewollt.ein konkretes beispiel: die brd hat mitder ddr-annektion deren lieferverpflichtungen<strong>von</strong> 20000 tonnen milchpulverjährlich <strong>bis</strong> '95 nach cuba übernommenund kommt ihnen nicht nach, sie arbeitetzusammen mit den usa gezielt auf den zusammenbruchcubas hin. dieser fakt istkaum jemandem bekannt. die medien leistenihren beitrag, die cubanischen verhältnisseals abzuschaffende hinzustellen.aufgabe der linken wäre, mit allen möglichenmitteln dafür zu sorgen, daß die brdihren lieferverpflichtungen nachkommtund die hetze gegen dieses land gestopptwird. geldsammlungen für ersatzteile,milchpulver usw. sind zwar notwendig,wichtig und richtig, aber die aggressiongegen das cubanische volk zu stoppen,verlangt eine ausgedehntere, alles uJllfussendepraxis. für die menschen in westeuropagibt es eine riesige uneingelösteverantwortlichkeit für die revolutionäreentwicklung in den drei kontinenten.<strong>von</strong> vielen linken wird die pkkin kUrdistanals. stalinistisch abgetan, wie stehstduzurpkk?wer die pkk derart etikettiert bzw. zu denunzierensuchte, sagte damit alles übersich und nichts über die pkk. das passiertevor allem zu einer zeit, als sich bestimmtekurdische und türkische organisationenmit den bestehenden verhältnissen in dertürkei und kurdistan zu arrangieren begannenund ihnen gemäße bündnispartnerin den metropolen fanden. gemeinsamwurde versucht, die pkk und ihr verbundenezusammenhänge zu isolieren und anzugreifen,in kurdistan selbst hatten diesehäfte überhaupt keine relevanz.das kurdische volk hat diesen ,linken'denunzianten seine antwort gegeben. wiees schon damals war, ist die pkk die führendekraft im kurdischen befreiungskampf.der einzige unterschied, heutekann dies <strong>von</strong> niemandem mehr in fragegestellt werden. sie gibt ein beispiel, daßtrotz des zusammenbruchs der einst sozialistischenstaaten der kampf nicht beendetist, sondern sich <strong>bis</strong> zur erreichung deszieles fortsetzen wird. nicht nur in kurdistan,sondern weltweit.der autbau einer neuen internationalistischenlinken weltweit unter berücksichtigungder veränderten verhältnisse ist unsereeinzige hoffnung heute, und die hoffnungmüssen wir selber sein. ohne siewird es nirgendwo und für niemandenwirkliche veränderungen geben.I iranischer geheimdienst2 holger meins starb im hungerstreik 19743 bundesgerichtshof4 oberlandesgericht5 im hungerstreik 1989 gingen die gefimgenennach dem vorbild der irischen ira-gefimgenen inzweiwöchigem abstand in.den unbefristeten hs. sosollte vermieden werden, daß sich rur alle filstgleichzeitig die situation dramatisch zuspitzt6 landeskriminalat7 oonnalvoUzug8 kurt rebmann, ehemaliger generalbundesanwalt


Norbert HofmeierÜber die Mühen des Kampfesich will mit einem gedicht anfangen, dasich mir seit 1970über meinen schreibtischgehängt habe. es drückt aus, wie ich damals- und sicher viele - gedacht undgehandelt hatte; und es behält auch fürheute seine gültigkeit, obwohl die politischesituation eine andere ist:über die mühen des kampfesin deutschlandwenn ich lese, daß im märzdreihundert vietcong getötet wurden,nachdem sie den imperialisten schadenzufügten,und im gleichen zeitraum bei uns ungefährgleichviele autofahrerkämpfend für was, was hinterlassend?oder die großen städte jenseits des ozeansin flammen aufgehen, weil ihre erbauernicht länger hauswart spielen wollen,während bei uns ein warenhausbrand,weil einer vergaß, das licht aus­zumachen-oder in einem persischen dorTdie leutesich<strong>von</strong> einer plage ernähren, den heuschrecken,und der könig der könige seine staatskarosseaus wien einfliegen läßt,während bei uns eine vorrevolutionärestimmung entsteht,weil sich der schweinefleischpreis um10pfennig erhöhte -ja, wenn ich lese, daß die analphabeten inamerikagewehre kaufen, dann bücherund aus ihrem haß einen bürgerkriegmachen,während wir hier sitzen, lesendunsere wut in uns hineinfressen,romantisch vor ohnmacht, und wenn eshochkommt,dann fliegt mal ein stein -um konzertabonnenten die kultur zubringen,agitieren statt für die befreiungfür das bedürfnis nach befreiung,sollen wir da nicht lieber dorthin gehen,wo wir nicht gelehrte sein müssen,um die revolutionäre klasse zu finden?und zwänge auflehnt, als lehrling in derfabrik, imjugendarrestusw ....jedenfalls habe ich mir gedacht, als ichdie vielen auf der straße hier mitkriegtegegen den golfkrieg - ja, vielleicht istjetzt diese erfahrung auch wieder für einige,die voller empörung über diesen menschenverachtendenkrieg am golf und sicherauch voller illusionen noch über diesenstaat und die sog. "demokratie" hierlosgelegt haben, auch so ein einschnitt;sicher wird für viele das denken bleiben,"die machen sowieso, was sie wollen",ein stück resignation angesichts der realität.aber für diejenigen, die wirklich selbertag und nacht auf den beinen waren,organisiert haben, sind doch sicher auchneue lebensideen, horizonte entstanden -ich jedenfalls war wie erlöst und ganzbegeistert, als ich die vielen mitkriegte.über die selbstverständlichkeit und guteeinstellung, die sie haben: gegen dienein, denn bei uns ist es, wo die großen drahtzieher, rüstungskonzerne, börsen,bomberbanken, gegen die militärmaschinerie ­ihre lasten aufnehmen und startenin die bannmeile. eine neue generation ?!zu den weit entfernten schauplätzen derkriege,meine sensibilität gegenüber krieg kamvor allem dadurch, daß mein vater, mehrereonkel als soldaten in den nazikriegs­dort werfen sie ihre last nur ab, und zu unskehren sie leer und wehrlos zurück. zügen waren gegen frankreich, die sowjetunion,unsere väter sind es doch,in afrika, z. t. verwundet, indie dem klamottenkaiser <strong>von</strong> persien gefangenschaft, einer verkrüppelt. dazu,das öl des persischen volkes abkaufen, so wie meine mutter über ihr leben undals wäre das alles eine artdas der menschen hier erzählte, die notpersönlicher ausscheidung seinerund der schrecken, kriegswirtschaft,majestät,bombardierung und zerstörung, die alliiertensoldaten (die als besatzung betrach­und mit ihren wechseln bezahlt er seinekiller.tet wurden sehr oft). das alles hat michund uns immer wieder beschäftigt, ich erinnereder stein, den wir in die amerikanischemich vor allem an eine reihe <strong>von</strong>botschaft werfen,fotos aus dem krieg - besonders aus derist soviel wert wie eine flugzeugrakete in sowjetunion, die mein vater mitgebrachtvietnam,hatte, wo ein unbeschreibliches elend zuund ein wilder streik bei siemens, aeg, sehen ist: abgebrannte dörfer, kinder,dow chemicalmänner, frauen in lumpen gehüllt ohneist wie eine im voraus gewonnenevietcongoffensive.schuhe im schnee, tote an den wegrändern,verletzte und endlose züge <strong>von</strong> gefangenensoldaten sowie der zivilbevölkealsdie militärischen luftangriffe mitte ja- rung, die abgeführt wird in die zwangsarnuargegen den irak begonnen wurden, da beit, fotos aus lazaretten, wo hunderteist mir meine eigene geschichte noch ein- wiederhergestellt werden für dieses sinnmaldurch den kopf gegangen. lose morden, andere verkrüppelt bleibenich denke, jeder mensch macht ja in sei- ... und da gibt es natürlich unendlich vienemleben schon ab der kindheit erfahrun- le fragen, nach dem warum, nach demgen mit ungerechtigkeit, unmoral und ent- sinn?wickelt mehr oder weniger unbewußt ein und das waren auch immer wiedersoziales empfinden. streitpunkte bei den gesprächen: wozudann, in bestimmten situationen, wo es dieser krieg? - warum die verfolgungdarauf ankommt, sich zu entscheiden, zu der menschen hier, juden /jüdinnen, komverhalten,partei zu ergreifen, werden munist/innen? (ich bin ja in einem kleineneinem - oft schlagartig - bestimmte zu- dorf im schwarzwald aufgewachsen, auchsammenhänge klarer, und man/frau be- <strong>von</strong> dort verschwanden einzelne - eineginnt, sich entsprechend neu zu orientie- familie -, was jede/r wußte, was aber einren. macht sich auf die suche. so ist mir tabu blieb - warum? wohin?) was wolltetwenn ich das alles lese und wieder lese, vor über 20 jahren vor allem meine ent- ihr in frankreich, polen, der sowjetunion,genossen (und genossinnen),scheidung, mich nicht für die interessen in afrika? und wenn ihr, wie ihr sagt, gedeskapitals als soldat in kriege schicken gen den krieg ward, wieso habt ihr ihn zu­verliere ich oft den mut.zu lassen, zum auslöser für eine grund- gelassen? wieso habt ihr nicht verhindernsollen wir denn kämpfen für die zukunft sätzliche veränderung für mein weiteres können, daß die nazifaschisten die machtderer, leben geworden. erhielten, wieso seid ihr mitmarschiert?die ihre zukunft für dreimal versichert natürlich hatte ich schon bereits früher auf alle diese fragen gab es keine befriedihalten,erfahrungen gemacht mit den autoritären, genden ant\Wrten - "man konnte ja nichtshungerstreiks machen für leute, selbstgerechten, verlogenen verhältnis- dagegen machen", "niemand wußte etwasdenen nichts weiter fehlt als der mangel, sen, wie sie damals herrschten - als ju- <strong>von</strong> den ganzen verbrechen" usw. - dieset unsere gitarren ins leihhaus tragen, gendlicher, der sich gegen die normen ausreden habe ich nie akzeptiert.~ 35


dann - im fernsehen, in zeitungen undzeitschriften die bilder vom krieg gegenvietnam: bombenkrater, zerstörte dörfer,flugzeuge, die giftgas (übrigens "made mgennany") versprühten, um die urwälderzu zerstören - sog. "entlaubung" -,GI's, die sich mit ihren verbrecherischenheldentaten brüsten ...und hier, der staat, die medien, die herrschendenund verantwortlichen, sie sindfür diesen krieg und völkermord.dann auch die bilder <strong>von</strong> straßenkämpfenund vom widerstand der schwarzen(black panther) und auch <strong>von</strong> student/innien in den usa - und hier die proteste gegendie notstandsgesetze, die studentenbewegungund demonstrationen gegenden krieg in vietnam, - und damit verbundenwar ja auch eine protest- und widerstandskultur,antikriegslieder, es wareine rebellion gegen diese ordnung hier,die auch mich störte.in diese zeit - 1968 - fiel dann meinbundeswehrauftritt: und über das allesgingen dann dort unter uns natürlich auchdie diskussionen. für einige, auch mich,wurde ziemlich schnell klar, daß wir indieser militärrnaschinerie nicht mitmachenwerden; - daß wir uns nicht benutzenlassen werden, um andere völker zumassakrieren, und daß wir nicht für die interessender herrschenden krepieren wollen;daß wir uns <strong>von</strong> denjenigen, die dennazi-terror zu verantworten haben, nichtin neue verbrechen und kriege hetzen lassen:und gerade damals, da waren ja solchefiguren überall präsent: filbinger, derals nazirichter noch deserteure ermordenließ <strong>bis</strong> zur letzten sekunde; lübke, kzbaumeister... usw. usf. sie spielten hierdie präsidenten und ehrenmänner ...dieser staat, diese ordnung war nichtunsere! darum werden wir sie auch nicht"verteidigen"! mit dieser begründunghaben wir das sog. gelöbnis verweigert.(das gelöbnis zu verweigern, das war ­und ist, glaube ich, auch noch - so ein typischespro-forma-recht.) der militärapparathat entsprechend reagiert: mit schikaneund druck. sie haben uns auseinandergerissenund einzeln, weit weg <strong>von</strong> unserenwohnorten,einheiten versetzt.in sogenannte kampf­so bin ich bei den fallschirmjägern gelandet- und das hieß eben sehr oft manöverüber wochen, viel wache-schieben,selten wochenendurlaub. in den 18 monaten,wo ich diesen entschluß verteidigthabe, da sind mir dann die augen noch einstück weiter geöffnet worden für unterdrückung- auch ganz direkt über dasherrschafts system und über die funktionso einer kriegsmaschine.fallschirmjäger sind sog. luftlandeeinheiten,wie sie auch heute bestandteil dernato-schnelleingreiftruppen sind, die seitbeginn des aufmarsches zum golfkrieg inkurdistan stationiert wurden, wo sie dastürkische militär mehr oder weniger direktunterstützen/beraten im krieg gegenden kurdischen befreiungskampf.was sie mit uns dort durchexerziert haben,das waren im grunde solche spezialkriegs-und terroreinsätze: irgendwo imsog. "feindesland" abzuspringen oder36<strong>von</strong> hubschraubern abgesetzt zu werden,um brücken, versorgungseinrichtungen,schaltzentralen u. ä. zu zerstören; oderaber auch übungen zur "aufrechterhaltungder inneren sicherheit", also einsätzeund übungen für straßen- und häuserkämpfe,um gegen demonstranten und bevölkerungvorzugehen, die sich gegen denkrieg und die militärs richtenhaufen war das.... so eindort ist mir auch erst mal so richtig bewußtgeworden, wie solche unterdrükkungsmechanismenwirken;- z. b. wurden wir ganz gezielt mit rassismusund herrenmenschendenken verseucht.egal um was es auch ging - beijeder schießübung, bei jedem manöver-,es ging immer "gegen den iwan", als seidas so eine art unmenschen-untermenschen,auf jeden fall eine bedrohung, dievernichtet werden müßte ;- oder diese ungebrochene nazikriegstradition,z. b. das ewige absingen undmarschieren nach diesen kriegsliedern,<strong>von</strong> "fallschirmabsprung auf kreta" <strong>bis</strong>zu den "rasendenfeindesland" ...panzern ins russische- oder .der drill: befehl --'- gehorsam,was darauf abzielt, menschen so zu unterwerfen,um sie wirklich dahin zu bringen,daß sie ihr eigenes denken und menschlichegefühle abschalten. damit diese völkermordmaschinenfunktionieren, zerstörensie jede achtung vor menschlichen wesenund werten. stattdessen eine richtiggehendever-tierung. eine pseudokameradschaftsmentalitätaus einer mischung ausherrenmenschendenken, machotum, rassismus...was ich damit sagen will: ich bin durchdiese erfahrungen in meiner entscheidungund haltung gegen den krieg bestärkt worden,und ich habe beschlossen, daß ich inmeinem leben einiges ändern werde, umdiese verhältnisse abzuschaffen und zuverändern, aus denen heraus diese unterdrückung,kriege usw. kommen. direktzwei tage nach der entlassung haben wiralles zusammengepackt und sind nachberlin gegangen.diese erfahrungen wurden zum ausgangspunktfür meinen weiteren weg, undich denke, das ist auch eine art roter fadenfür meine grundsätzliche lebenshaltung:keine menschenverachtenden verhältnissehinzunehmen, nicht für mich, nicht fürandere menschen hier und nicht für diemenschen irgendwo auf der welt.unversöhnlichkeit gegen unrecht, dasist, denke ich, eine wichtige seite des antriebsfür revolutionäre veränderungen ­und eine andere seite ist die hoffnung unddas vertrauen in die menschen selber.ich bin mir ziemlich sicher, daß - ganzegal, in welchem land menschen über ihreeinfachen, natürlichen vorstellungen <strong>von</strong>zusammenleben und gesellschaft entscheidenkönnten - es eine große übereinstimmunggeben würde (ich meine dieeinfachen menschen im allgemeinen,nicht die eliten). sie würden sagen: es sollnirgendwo ein oben und unten geben; keineklassen, die ausbeuten und herrschen;keine unterdrückung untereinander, keinensexismus, keinen rassismus - sondemgleichberechtigte verhältnisse, auchüber die grenzen hinweg. und im mittelpunktder gemeinsamen anstrengungensollte eine welt für die menschen stehen;die gesamten produktions- und lebensverhältnisse(der austausch, die verteilung,die entwicklungsrichtung ... , also überhauptdas ganze zusammenleben) solltendem leben und überleben dienen ...wir wissen, und im grunde weiß es jede/r:die möglichkeiten, die reichtümerund fiihigkeiten dazu wären vorhanden,aber sie werden <strong>von</strong> den herrschenden dirigiertund benutzt, was zu einer unbeschreiblichenzerstörung und vernichtung<strong>von</strong> überlebensperspektiven führt ...daß allen, auch uns selber, dieses selbstverständlichemenschliche empfindenfremd erscheint, so, als seien mitgefühl,solidarisches verhalten unnormal, liegt ander kalten ordnung des kapitalistischensystems aus profit, egoismus und konkurrenzund dessen herrschafts- und unterdrückungsmechanismen.<strong>von</strong> der schule, über die fabriken, bürosund mietskasernen, durch die medien,kultur und eben die gesamten herrschaftsinstitutionendringt <strong>bis</strong> in die beziehungendas kapitalistische "kosten-nutzen-denken",auf vorteil bedachte konkurrenz,"jeder-ist -sich-selbst -der-nächste", undbewirkt eine jagd nach konsum, betäubung... , die befriedigung der eigentlichmenschlichen bedürfnisse nach sinnvollerbetätigung und gesellschaftlichem zusammenlebenist so nicht zu finden ... dieseleere prägt natürlich auch unser denkenund verhalten, unsere gewohnheiten undbeziehungen.so sehen die bedingungen hier aus, <strong>von</strong>denen wir ausgehen müssen. das sind dieverhältnisse, um die bevölkerung im griffzu halten, um ihr bewußtsein zu manipulierenund ihre lebensweise zu deformieren,was wir sehen und verstehen müssen,um die risse und widersprüche zu erkennen-...und gleichzeitig müssen wir lernen, unsgegen diese entfremdung (ohnmacht, vereinzelung)immer wieder zu behauptenmit einer politischen praxis und lebensweise,mit der wir unsere eigene menschlichkeit- die fiihigkeit zu solidarischemverhalten -erobern ...lebendig halten und zurück­ich habe kapiert, daß es im stillstand, imreden alleine, in der theorie ohne praxisnicht die gesellschaftlichen veränderungenund den sinn gibt, den ich will. einermeiner obersten leitsätze wurde: ich werdedas auch wirklich leben, praktisch umsetzenund um meine und gesellschaftlicheveränderung kämpfen; und dazubrauche ich genoss/ion/en, rückhalt undvertrauen, eine kraft ... natürlich aucheinen plan und konkrete und längerfristigeziele: wogegen, wofür ~ mit wem, wie... ich will jetzt hier nicht für blindes anrennenreden. aber ich weiß, es ging mirund uns immer dann gut, wenn wir <strong>von</strong> soeinem unversöhnlichen verhältnis gegendiese herrschaft und <strong>von</strong> einem solidarischengefühl zu den menschen hier undüberall auf der welt ausgegangen sind ...trotz allem losgegangen sind.


mich bat mit zuversicht erfüllt, daß jetztgegen den golfkrieg so viele auf die straßegingen. trotz allem - das system kanneben menschliches empfinden und verhaltennicht völlig abschalten. es ist vorhanden,wenn auch mehr oder weniger unbewuSt,verborgen und verschüttet - abertrotz video, verkabelung, computer undverfälschtem leben - die menschen sindnicht tot.im gegenteil, denke ich - es bleibt jaa.ngesichts <strong>von</strong> unerträglichen verhältnissengar nichts anderes übrig, als sich aufzulehnen,wenn man / frau sich nicht selberaufgeben, zerstören will durch dr0­gen, selbstmord usw. was ich besondersgut fand, wie sie loszogen, um auch dieübrige bevölkerung aus der teilnahmslosigkeitund dem normalzustand aufzurütteln: ,los, werdet wach, ihr seid dochauch menschen, oder nicht?'ich finde, wir dürfen nicht den fehlermachen, aus der "totalität des herrschaftssystems"einen mythos zu machen- so, als hätte dieses system eine art allmachtund hätte die menschen sowieso imgriff ... denn wenn es so ist, liegt dasaue h an unserer politischen schwäche!so eine analyse führt oft in der konsequenzzu einem sprung gleich ganz aus der realitätund aus der geschichte hier heraus (zueinem abhaken der bevölkerung, "normalos")und führt zur subjektivistischenüberhöhung (selbstbefreiung) - zu einersackgasse; - weil es uns um die einheit<strong>von</strong> eigener und gesellschaftlicher befreiunggeht.eine folge dieses denkens, "totalität desherrschaftssystems", ist, daß der alltäglichekapitalismus. mehr oder weniger hingenommenwird, sich irgendwie damit arrangiertwird ... und daß revolutionärepolitik mit kampagnen; aktionen usw.verbunden wird, als reaktion auf schweinereien,gegen besondere projekte ...quasi "<strong>von</strong> außen" werden "themen /kampagnen" aufgegriffen und als "objektivnotwendig"mittelt.... "wir müssen" ver­darum reden wir dann meist auch garnicht <strong>von</strong> uns und <strong>von</strong> der gesellschaftlichenrealität, um zu bestimmen: ja waswollen wir denn jetzt eigentlich mit möglichstvielen zusammen verändern. dieseverantwortung können wir nicht wegschieben,indem wir sagen: ,das systemhat alles im griff / faschismus ... objektivnotwendig, die kräfteverhältnissemüssen'.... wirwenn es z. b angesichts des golfkriegesauch gegen rassismus geht, werden wirnicht weiterkommen, ohne in der geschichteder klassenkämpfe hier zurückzugehen,um zu verstehen, wie über jahrhundertehinweg das "untertanenverhalten-nach-oben"und "herrenmenschendenken-nach-unten"verinnerlicht wurdeund was so an zerstörungen und verbrechenangerichtet wurde. und das besondersdurch den nazifaschismus gegenüberden jüdischen, slawischen, russischen,ara<strong>bis</strong>chen ... sog. "untermenschen".ich glaube, daß die vorurteile und verhaltensweisenauch bei uns selber tief drinstecken,denn obwohl hier 4 oder 5 millionenausländerInnen leben, gibt es nur wenigewirkliche verbindungen, freundschaften,wirkliches verstehen und kennen...das ist das nächste, es kommt da auchzum ausdruck, daß die linke eben imgrund <strong>von</strong> der alltäglichen ausbeutungund unterdrückung doch ganz schön weitentfernt ist, sich im lauf der jahre entfernthat - denn der rassismus und elitärechauvinismus sind seit eh und je eine alltäglichkeitauf den ämtern, in schulen,stadtvierteln, kaufhäusern, in den fabriken- drecksjobs, fließbänder, <strong>von</strong> sklavenhiindlernausgequetscht ...was heißt "um befreiung kämpfen" indiesem zusammenhang? ich denke, befreiung<strong>von</strong> dieser distanziertheit und unfähigkeitzu solidarischem zusammenleben,indem wir eingreifen gegen die angriffeund bedrohung gegen sie und zusammenleben,bei aller unterschiedlichkeitder lebensweise. oder genauso, daßwir hier das mögliche tun, damit keinekriege und plünderung <strong>von</strong> hier mehr ausgehen.so erobern wir uns die eigenemenschlichkeit und stellen wirkliche beziehungenher.konkret geht es darum, daß die kriegsmaschinerieder nato aufgehalten wird.gleichzeitig geht es für uns dabei um vielmehr, nämlich um die eigene moral undglaubwürdigkeit.,gegen rassismus - für die befreiungder frau - internationalismus .. .' sindganz grundsätzliche werte und grundsätze,wie wir uns eine andere, freie, selbstbestimmtegesellschaft vorstellen - umdiese verwirklichung müssen wir ständigkämpfen, weil ohne diese werte <strong>von</strong> einerrevolutionären bewegung gar nicht geredetwerden kann. ich lasse mich nicht zumkollaborateur, zum stillen nutznießer,zum teilnahmslosen betrachter / kommentator<strong>von</strong> diesem unrechtssystem machen- zu einem dreck.und bei allem dreck in jeder/rn <strong>von</strong> unsund zwischen uns, gegen den wir zukämpfen baben. - ich glaube nicht, daßwir, die menschen im allgemeinen, derdreck sind, sondern diese herrschaftsverhältnisse; und daß im kampf für eine revolutionäreveränderung auch die eigeneemanzipation möglich ist.meiner meinung nach wiederholt sichdie erfahrung: beim widerstand gegenden IWF, wo die vielen, unorganisiertendie straßen eroberten, "iwf-mördertreff'; 89 während des hungerstreiks, dievielen gegen folter und für zusammenlegung... ; oder in bamburg die breite undkämpferische verteidigung der hafenstra­Be. es hat also durchaus einen sinn undauswirkung, was wir politisch machen,mehr als wir selber glauben - auch wennes meist schnell wieder wie verschluckterscheint, dürfen wir das vertrauen in dieeigene kraft und vor allem auch das vertrauenin die menschen nicht verlieren.so, ich will nochmal zurückkommen aufmeinen eigenen aufbruch.wie gesagt stand ich also 1970 in berlinund mußte einen weg finden - was tun?was verändern? wie, mit wem - umwirklich dafür zu sorgen, daß es nie wiederkrieg und faschismus, kein auschwitz,kein my lai geben kann.ich bin erstmal rausgegangen aus derfabrik, meine arbeitskraft zu verkaufen imtausch für irgendwe1chen konsum,rausch, hatte mich nicht befriedigt - ichwollte mir alles anschauen. es war jawirklich auch eine zeit des politischenumbruchs. alles wurde grundsätzlich infrage gestellt an diesem system, das ganzeleben neu entworfen - zusammenleben,besetzte häuser (das georg-<strong>von</strong>-rauchhaus),kinderläden, ein gesellschaftlichesdenken ... die suche nach erfahrungenund orientierung für eine revolutionäreveränderung hier: die geschichte der kpd,räterepubliken, die auseinandersetzungmit den verhältnissen in der sowjetunion,ddr ... , die kein vorbild waren, weil siekein radikales modell für eine arbeiter /volksmacht gegen die verhältnisse hierwaren, weil die eigeninitiative und die kritikfähigkeitgelähmt waren ... dagegenz. b. die revolutionäre bewegung in italien,die selbstorganisierung und kämpfe inden fabriken und stadtteilen ... und, undich war da mitten in einer offenen bewegungmit allen möglichen verschiedenenansätzen, strömungen - wo auch die bewaffnetengruppen ein selbstverständlicherteil waren (also rat, 2.juni, später rz)- auch wenn es ein ziemlich ideologischeshick-hack gab über den richtigenweg: sozialrevolutionär / antiimperialistisch- bewaffnet / legal ...meine entscheidung war so: daß meinplatz hier ist - und nicht in einem land der,,3. welt" als "entwicklungshelfer", arzto. ä., und ich bin dann auch wieder in diefabrik gegangen, aber mit anderen augenund gefühlen, eben mit der vorstellung,dort widerstand zu organisieren. und ichdenke, ich babe daraus in verschiedenerhinsicht vieles ziehen können für meinenweiteren weg seither.daß ich - bzw. damals viele - zu soeiner entscheidung gekommen bin, daswar ja keine kopfgeburt, sondern das warauch durch die mobilisierende wirkungder arbeiter/innen-kämpfe (streiks, besetzungen)auf fabrik- und stadtteilebene infrankreich (mai '68), in italien ... aberauch hier, die wilden streiks '69: kämpfefür höhere und vor allem auch gleiche löhnefür frauen, ausländer/innen, männer;widerstand gegen die arbeitsbedingungen,"akkord ist mord", gegen fließbänderetc., kritik an den korrupten gewerkschaftsfunktionärenund deren "sozialpartnerschaft"mit den kapitalisten - dagegender aufbau <strong>von</strong> unabhängigen lehrlingsgruppen... und so gab es damals inverschiedenen fabriken jeweils mehreregenoss/innlen als "betriebsgruppen" mittreffen, mit infos, zeitungen und bestimmtenuntersuchungen und kampagnen auffabrikebene - und mehrere gruppen zusammenmachten solidaritätsinfos / kampagnenzur unterstützung der befreiungskämpfe:vietnam, dann - nach der hetzeund verfolgungswelle gegen die palästinenser/innennach der aktion in münchen'72 - palästina-solidarität und chile nachdem putsch der faschistischen pinochetmilitärs,um den widerstand, MIR 1, zu37


unterstützen ... und es wurden auchkampagnen unterstützt zur besetzung undverteidigung <strong>von</strong> zentren / häusern (putte /bethanien) oder zur solidarität mit den p0­litischen gefangenen ...es gab insgesamt gesehen auch einebreite politisierung und radikalisierung inden fabriken, worauf das kapital mit hilfeder spd-gewerkschaftsfiihrungen mit wellen<strong>von</strong> entlassungen / disziplinierungenreagierte: lOOe jugendvertreter/innenund kämpferische lehrlinge wurden nachder ausbildung nicht übernommen; ganzegewerkschaftsjugendgruppen wurdenaufgelöst und aus der gewerkschaft gefeuert.besonders nach einer breiten welle<strong>von</strong> wilden streiks '72, '73/74 rollte einegegenoffensive <strong>von</strong> staat und kapital. z. b.wurde der große streik und die werksbesetzungbei Cord/ köln mit einem großeinsatz<strong>von</strong> bullen, werkschutz, meistem,ingenieuren mit gewalt zerschlagen. über500 türkische arbeiter/innen wurden direktper flugzeug in die türkei abgeschoben,die autonome streikleitung wurdeverhaftet, einer der sprecher, der türkischegenosse baha targün, zu ein paar jahrenknast verurteilt - und Cord/köln warkein einzelfall. weitere streiks/besetzungenwurden ähnlich zerschlagen und überallwaren die ausländischen frauen undmänner der· kämpferische,bendeteil .•vorwärtstrei­das kapital reagierte auf verschiedeneweise, um die zentralen stützen· seinerherrschaft abzusichern und zu befrieden:- verlagerung der produktion in sog."billiglohnländer" ;- ratiooalisierungswellen / umstrukturierungdertraditionellenfabriken, zerschlagung derstrukturen und des zusammenhaltsdurch modernisierung, computergestützteproduktionsanlagen und maschinenmit einer vereinzelung der arbeitsplätzeund überwachung;- massenentlassungen z. b. in der autoindustrieim zusammenhang mit der "ölkrise"'73 ;- die zerschlagung der autonomen,kämpferischen ansätze <strong>von</strong> widerstanddurch entlassungen, durch gewerkschaftsausschlüsseusw. bzw. versuche,die oppositionellen in die gewerkschaft zuintegrieren;- gleichzeitig weitere korrumpierung<strong>von</strong> teilen der arbeiter/innen (bes. facharbeiter/ männer) durch die linie der spd-gewerkscbaftsfiihrung:"konzertierte aktion"- "sozialpartnerschaft", also "dialog"mit den kapitalisten statt konfrontation,und das bedeutet anerkennung undunterordnung unter die logik des kapitalsystems- des profits, unter die interessender kapitalisten mit abfedern der härten/ konflikte durch "sozialpläne" ...und somit verbreitung dieses sozialpartnerschaftsdenkens;- und parallel die politik der spd: "inneresicherheit - wehrhafte demokratie"mit berufsverboten, überwachung in allenbereichen ... sowie sondergesetze undfahndungsterrormilitanten.gegen die bewaffneten,mir war es einmal wichtig, daß ich soeinen direkten draht zu den ausgebeuteten38hier habe - ihren sorgen, interessen,ihrem denken, ihrer geschichte (denkämpfen und niederlagen; und gerade auffabrikebene gab es genau diese kontinuitätdes nazifaschismus : die werksdirektorenusw. und auch eine geschichte des widerstands... ), um so eben die politischenund gesellschaftlichen verhältnisse zuverstehen.ich habe erlebt, was dieses system fürzerstörerische auswirkungen hat, z. b. dadurch,daß arbeiter/innen aus der türkei,kurdistan, aus den ara<strong>bis</strong>chen ländernhierbergelockt wurden als arbeitssklaven/innen, an die fließbänder, an die hochöfen... in wohnheime verfrachtet (knastähnlich),zerrissene familienzusammenhänge- und sie mitten in einer gesellschaft, dieihre kultur, lebensgewohnheiten, religionund persönlichkeit voller rassismus verachtet-, und wie sie trotzdem hier ihrelebensformen verteidigt haben, .in denstadtteilen, in denen ich mich selber auchwohlgefiihlt habe ...ich habe erlebt, wie die ausländischenarbeiter nach 20 jahren schwerstarbeit imstahlwerk, wo sie ohne jeden schutz dengiftigen stäuben und dämpfen ausgesetztwaren, ausgelaugt, lungenkrank, in vollcontischicht... reihenweise abgeschobenwurden mit ein paar mark abfindung.oder auf so schlecht bezahlte drecksjobsversetzt wurden ... alles in absprache mitden betriebsräten.und ich habe erlebt, wie diese werksdirektorenalle register gezogen haben, umuntersuchungen und messungen über gifteim stahlwerk und deren auswirkungen(lungenerkrankungen : asbestose u. ä.) zuverhindern. wie sie die ergebnisse mit hilfeder abhängigen werksärzte und ,sicherheitschefs'unterschlagen, verfiilscht haben.wie diese werksdirektoren dann arbeiter<strong>von</strong> sklavenhändlern ausgeliehenhaben, um sie 8 oder auch teilweise 16stunden am stück ohne jede absicherung,schutz oder aufklärung über die gefährdungdiese bekannt gesundheitsschädigendenarbeiten ausführen ließen. vorallem in den drei jahren als betriebsrat imstahl- und walzwerk des thyssen-konzerns(duisburg-hamborn) auf einer linksgewerkschaftsoppositionellenliste habe ichdiese menschenverachtende logik dieserwerksdirektoren, manager hundertfachhautnah mitgekriegt. für sie sind menschennichts weiter als eine nummer, unkostenfaktoren- nach schwersten Unfälleninteressiert sie vor allem eins: daß dieproduktionsmaschine zügig weiterläuft,daß die tonnage pro tag stimmt. und ihreeinzige sorge ist: daß die kosten für dieberufsgenossenschaft durch diesen unfallhoffentlich nicht zu sehr steigen. sie hättenkeine skrupel, wie in bophal (indien)tausende arbeiter/innen im gift erblindenoder auch krepieren zu lassen - oderdurch pestizide tausende landarbeiter/innenzu verseuchen. es ist dieselbe menschenverachtung,mit der sie und ihre vorgängermillionen zwangsarbeiter/innen<strong>bis</strong> aufs blut ausgebeutet und ausgepreßthaben, damit die nazikriegswirtschaft und-kriegsmaschinerie rollen konnte.und noch in berlin und früher als lehrlinghatte ich mitgekriegt, wie hundertefrauen im akkord stanzen, löten, fräsenbilligerals maschinen oder automaten.wie sie ihre ganze konzentration, ihre lebens-und arbeitskraft in den 8 stundenaufbrauchen - im austausch für was ?dadurch, daß ich diese ungerechten verhältnisseund das elend, das für viele damitverbunden war, unmittelbar erlebt habe,wird mir der zorn auf diese verhältnissenie vergehen. ich weiß: ich will, daßsich die gesellschaftlichen verhältnissehier grundlegend ändern.gleichzeitig habe ich aber auch kraftund zuversicht aus diesen erfahrungen gezogen.ich weiß, daß sich im grunde sehrviele mit diesem entfremdeten, sinnentstellendenarbeiten-leben nicht abgefundenhaben, daß sie ein bedürfnis nachkreativer tätigkeit, nach einem sinn undnach gesellschaftlicher perspektive haben.es war meist ein ehrliches interessefür meine/unsere vorstellungen, z. b. fürunser leben in einem besetzten haus, fürdie solidaritätsaktionen z. b. für nicaraguaoder für den widerstand gegen die natokriegspolitik,gegen die atomenergie undeben überhaupt für unsere vorstellungen<strong>von</strong>· einer anderen gerechten gesellschaft- auch wenn es meistens bei einemaußenstehenden .beobachten bleibt undimmer heftige auseinandersetzungen umalle fragen gab - keine feindseligkeit.und ich habe eben vor allem auch die erfahrunggemacht, daß es durchaus einenzusammenhalt und eine solidarität in denalltäglichen konfrontationen gegen "dieoben" (meister / chefs usw.) gibt, gebenkann - und bei mehreren streiks habe icherlebt, was für eine kraft und auch wissenund phantasie in den leuten steckt, wennsie erst einmal ihre sache in die eigenenhände nehmen. und genau das bestärktmich darin: nicht die menschen sind derdreck, sondern die verhältnisse - und daßeben die herrschaft des kapitals doch nichtso total ist, wie sie es gern hätten und unseinreden wollen.wahrscheinlich fragt ihr euch: was willder uns eigentlich erzählen, sagen? sichernicht: es soll jetzt jedelr in eine fabrik rennen!sondern so: für mich / uns waren dieganzen jahre, die sozialen und politischenbewegungen, kämpfe und zusammenhänge"<strong>von</strong> unten" ein wichtiger bezugspunkt.überall, wo die ausgebeuteten, unterdrückten,ausländer/innen, frauen undjugendlichen zusammen sind, in denstadtteilen, mietskasernen, im obdach undden ausländervierteln, den fabriken undausbildungsstätten usw. überall, wo siesich wehren gegen staat und kapital, gegendie verschlechterung der lebensverhältnisseund wo sie für zentren u. a. eigenelebensvorstellungen kämpfen, und ichdenke, das ist weiterhin wichtig.mit bezugspunkt meine ich nicht ein opportunistisches"nach-dem-mund-reden"oder die aufgabe <strong>von</strong> revolutionärengrundsätzen. hinter dem "auf-breite-starren"steckt ja oft auch das ausweichen voreigenen entscheidungen, vor demeingreifen... widerstand erzeugt widerstand,aber eben auch nicht losgelöst <strong>von</strong> denrealen verhältnissen/menschen. mit be-


1II~ meine ich, daß ich will, daßSitb die menschen in dem, was wir anpakktO,wie wir uns organisieren, in unserem,1eben-und-kämpfen' und den utopienJnÖglichstwiederfinden können.das geht Dur als ein gegenseitiger undgemeinsamer lern- und kampfprozeß. fürmich / uns ist es wichtig, immer wieder diewiderspruche in der gesellschaft zu suchenund zu begreifen. die unterdrükkung,das elend, die ausbeutung ... undebeD auch um zu verstehen, welche bedürfnisse,welche verweigerungs- undwiderstandsfurmen gibt es dagegen, umdaraus zu lernen. um eben nicht nur mitrelativ losgelösten "themen" usw. zukommen, sondern an diesen widersprüchenmit anzugreifen, und um widerstandsfurmenund -forderungen mit aufzugreifen.ich finde, das ist auf jeden falleine der großen schwächen seit jahren,daß die auseinandersetzung und der bezugzu den gesellschaftlichen verhältnissenfehlen. und das hat natürlich auswirkungenfür die politische praxis, aktionen,kampagnen - denn eine politisierung undverankerung bleibt so mehr oder wenigerzufiillig <strong>bis</strong> unmöglich.umgekehrt könnten natürlich auch dieleute in sozialen, politischen bewegungenaus unserm wissen über hintergründe undpolitische machtverhältnisse uild auch ausdeD kämpfen lernen. es gibt ja durchausein paar beispiele: so der kampf um diehafenstraße (barrikaden / selbstorganisierung)und rheinhausen (streik/besetzungdes kruppstahlwerks), \W ähnliche formenund mittel eingesetzt wurden. (imgrunde handelt es sich um die größteselbstverständlichkeit für eine revolutionärelinke, nämlich um die untersuchung /kritik und um die organisierung <strong>von</strong> widerstandund ansätzen da<strong>von</strong>, wie wir "leben-und-kämpfen"\Wllen gegen die normalen,alltäglichen herrschaftsverhältnissedes kapitalismus.)***der zweite zentrale orientierungspunkt -und genauso existentiell - war für unseigentlich immer (mal mehr, mal weniger)die internationalistische solidarität.also das selbstverständnis, daß es für unshier und die befreiungsbewegungen undmenschen weltweit einen gemeinsamenfeind gibt: das imperialistische herrschaftssystem,und daß wir uns gegenseitigbrauchen.wie schon erwähnt, war ich gegenkrieg, bundeswehr, nato. ich habe dannam vietnamkrieg kapiert: der krieg <strong>von</strong>seiten der befreiungsbewegungen ist einkampf für soziale gerechtigkeit, der sichgegen koloniale, imperialistische herrschaftrichtet. sie \Wllen über ihr leben,ihre gesellschaft und entwicklung selberbestimmen. und das ist ein grundsätzlicherunterschied zu imperialistischen, reaktionäreDkriegen um herrschaft, einfluß-und absatzgebiete usw. gerade ambeispiel vietnams sind mir die befreiungskämpfezu einem vorbild ge\Wrden: daßes darauf ankommt, auf die eigenen kräftezu vertrauen und in die der menschen, dieüber sich hinauswachsen können, wennsie wirklich für ihre eigene sache, für einesozial und politisch gerechte gesellschaft- rev. volksmacht - kämpfeD.besonders beeindruckt haben mich einigedirekte kontakte, wo ich gespürt habe,was für eine starke persönlichkeit undmenschlichkeit sie sich erobern können:menschen, die aufrecht gehen - und, verdammtnochmal, warum sollte das dennhier nicht möglich sein ?ich habe gesehen, unter welchen verhältnissendie palästinensische bevölkerunglebt, wie sie sich z. b. in deD lagernorganisiert: eigene schulen, werkstätten,medizinische versorgung, wie sich diefrauen und mädchen die aktive teilnahmeerkämpfen und welche bedeutung für ihrelebenskraft und zuversicht der widerstandund bewaffnete kampf für sie hat.und natürlich habe ich auch gesehen,wie groß ihre hoffnung auch auf UDS hierist, daß wir sie nicht allein lassen.am meisten beeindruckt hat mich dieeinfache lebensfreude und menschlichkeit,die sie trotz allem ausströmen. alsoziemlich genau das gegenteil der hetzpropagandader medien und herrschendenhier, die sie als "blindwütige, brutale terroristen"diffamieren. sicher haben vieleauch ähnliche erfahrungen gemacht mitmenschen aus kurdistan, nicaragua, südafrika... oder wo auch immer für sozialegerechtigkeit und befreiung gekämpftwird. diese erfahrungen sind mir wertvoll.es geht aber auch nicht darum, befreiungskämpfezu idealisieren und abzufeiern- sie brauche keinen beifall. michstört es auch, wenn ihr widerstand <strong>von</strong>hier aus betrachtet und bewertet wird.z. b. "riots", so als hätten sie kein bewußteshandeln, keine ziele, seien keine selbständigenpersönlichkeiten. tatsächlichaber setzen sie sich doch gegen äußerstbrutale verhältnisse und gegen unvorstellbarenterror zur wehr, mit streiks, mitlandbesetzungen, mit aneignungsaktionenund aufständen. sie organisieren sich und. bauen den befreiungskampf auf ... undsind mir darin ein beispiel: immer und unterallen umständen zu kämpfen. (währendwir hier schon nach ein paar verhaftungen,zerschlagenendemonstrationen,geräumten häusern schier in lethargie verfallenund <strong>von</strong> der "totalen herrschaft, faschismus"und was weiß ich noch daherreden.)sie brauchen uns als solidarische-kritische-kämpfende-menschenhier. nur sokönnen eine wirkliche nähe und verständnisfüreinander und ein wirklich gleichberechtigtesverhältnis und gegenseitigeslernen sich entwickeln. es kommt nichtdarauf an, daß wir ihre positionen, kampfformenusw. "übernehmen" - das gehtauch überhaupt nicht, denn unsere verant­\Wrtung ist es, daß wir hier aus den konkretenverhältnissen, mit den menschen,die hier leben und die wir selber sind, dasmögliche beitragen, um die imperialistischeherrschaft zu schwächen und auf langesicht zu beseitigen. so unvorstellbar, solangwierig das jetzt auch immer aussehenmag, geht es letztlich darum; die schritte/wege, wie, müssen wir herausfinden.J... 39***ich will jetzt auf keinen fall den eindruckerwecken, als wäre das für mich ab 1970ein glatter, widerspruchsfreier prozeßgewesen - ganz und gar nicht. wie für allegruppen der linken, einschließlich derillegalen, gab es auch immer wieder brucheund neue anläufe. es gab nicht diegradlinige entwicklung. viele leute sindenttäuscht weggeblieben, weil sich diehoffnungen nicht erfüllten - bzw. wasnoch entscheidender ist, denke ich, weil. wir es eben auch oft nicht geschafft haben- so wie es ja im grunde auch für die phasemitte der 80er (revolutionäre front/offensive/ "zusammen kämpfenU) gilt -,die erfahrungen auch wirklich offen undkritisch auszuwerten als einen lemprozeßfür alle. deswegen meine ich, daß es jetztin der umbruchsituation darauf ankommt,alle erfahrungen auszuwerten, um fehlernicht zu wiederholen und um gute ansätzeweiterzuentwickeln.es kann ja im grund auch keiner der verschiedenenansätze behaupten, d e D weggefunden zu haben für die revolutionäreumwälzung dieser metropolengesellschaft.sozialrevolutionär und antiimperialistisch(legal und militant und illegal) :das spannungsverhältnis wird auch weiterhingroß sein. indem wir einerseits versuchen,hier an den widersprüchen anzusetzen,um zusammen mit den politischenund sozialen bewegungen und kämpfeneine gemeinsame kraft zu werden für konkreteveränderungen ... und eben auf deranderen seite, da bleibt die notwendigkeit,eben hier auch einzugreifeD gegendie imperialistische herrschaft, ausplünderung,krieg - und im herzen großdeutschlandsals europäische vormachthaben wir eine große verantwortung. (dasist jetzt sehr allgemein - ich möchte abernoch einmal auf "rev. front" eingehen.)mitte der 80er jahre bei vielen hier ­und auch weltweit eine gewisse aufbruchstimmung,die mut machte und mobilisierte.jede/r wollte mit eingreifen undkämpfen, es wurde offensiv gedacht, gesucht,diskutiert und losgegangen:- zum einen ging es hier gegen diesezerstörerischen, menschenfeindlichenprojekte <strong>von</strong> staat / kapital wie startbahn,waa, gentechnologie. sie zu behindern, zuverhindern;- und es wurde auch aus einem bewußtsein/gefühl heraus gehandelt, daß esentsprechend der internationalen situationjetzt wirklich auf jede/n <strong>von</strong> uns hier imherzen der bestie ankommt.das war das tiefe bedürfnis für mich /uns und sicher viele, dafür zu sorgen, daßdie herrschenden nicht durchkommen mitihrem konterrevolutionären rollback. obes um militarisierung durch gelöbnisseging, um nato-manöver, um die startbahn,um raketenstationierung / kriegsrustungoder um den weltwirtschaftsgipfel oderauftritte wie die <strong>von</strong> bush (krefeld), reagan(berlin) - wir wollten der imperialistischenkriegsmaschine und herrschaftgrenzen setzen: " ... die strategen derimperialistischen kriege in washington,honn, paris werden nicht länger vom gesicherteneinsatz der militärmaschine und


-------------------------------------------------------------------<strong>von</strong> der ruhigen planbarlreit des kriegesausgehen können ... ", war eine der parolenbei aktionen und angriffen 85/86 derraf und vom widerstand. aus dieser einstellungheraus gab es z. b. 86 in kürzesterzeit in vielen städten kämpferische demonstrationen,aktionen gegen die bombantierunglibyens durch die usa-nato.uns ging es darum zu verhindern, daß sierevolutionen, befreiungskämpfe und befreiteländer ersticken durch konterrevolutionärenterror und durch wirtschaftlicheerpressung / ausplünderung, denn dortwurde versucht, soziale gerechtigkeit undveränderungen zu erkämpfen, wie sie unsselber auch vorschweben. und wir wußten,nur wenn wir uns gegenseitig unterstützen,haben wir eine chance gegen dengemeinsamen feind.natürlich wurde nach revolutionärenvorstellungen gesucht. die auseinandersetzungmit den ideen, erfahrungen undstrate gien anderer städte, europ. länder,der politischen gefangenen, der guerillaund der befreiungsbewegungen war wichtig.genauso haben die verschiedenstenkämpfe gegenseitig gewirkt und mobilisiert:chile, südafrika, el salvador, kurdistan.die .angriffe der guerillagruppen ineuropa und usa (raf, ccc, action directe,united freedom front usw.).und es gab auch hier die militanten undkämpferischen demonstrationen und mobilisierungenzum hungerstreik 84/85,gegen die ermordung <strong>von</strong> günter sare, diemilitanz gegen die waa, startbahn, hafenstraße.(das waren jetzt auch nur ein paarstichworte dazu.)es gab hier ein bedürfnis und ansätze füreine kämpfende bewegung, revolutionärefront und gegenmacht - selber kämpfendesubjekte darin zu werden ...undstaats.dagegen dann das rollback des1986 nach unserer verhaftung hatte ichmeine grundsätzliche haltung an meine elternund geschwister so geschrieben:" ... für uns ist die entscheidung gefullen:dort sind die feinde, die herrschenden,ihre manager und die handlanger, diesich gegen ihre eigenen interessen verheizenlassenundhier sind wir, die gegen das ungerechtesystem der kapitalistischen ausbeutungdes menschen durch den menschenkämpfen, gegen imperialistische kriege,faschismus: die schwarzen in afrika, dieara<strong>bis</strong>chen, palästinensischen, kurdischenvolksmassen, die ausgebeutetenund unterdtiickten auf den drei kontinentenund auch hier in der metropole, dietrotz aller schönen reden nichts haben alsihre arbeitskraft und deren leben und zukunftihrer kinder <strong>von</strong> der profitsucht derherrschenden zerstört wird ... "die bundesanwaltschaft (baw) hat diesenbrief beschlagnahmen lassen als beweisfür unsere "mitgliedschaft in einerterroristischen vereinigung". das mit der"terroristischen vereinigung" ist hetzeund diffamierung, um der bevölkerunghier einen schrecken einzujagen - um soden polizeiterror zu rechtfertigen. es istdie bekannte methode der nazi-propagan-40da (göbbels), sie haben die verbrechenihres eigenen faschistischen regimes denanderen unterstellt: als "terroristen"wurden die bevölkerung und die partisanenganzer landstriche z. b. in der sowjetunionbestialisch massakriert, vergewaltigt,ausgehungert und vertrieben, weil siesich gegen die nazi-kriegsmaschine gewehrthaben, weil sie sabotiert und gegendie besatzungstruppen und faschistischenbesatzungsregimehaben.bewaffnet gekämpft- nicht wir haben die kz's bauen lassen,die jüdische bevölkerung ausrottenund millionen menschen vernichten lassen,nicht wir sind verantwortlich für alleinüber 1 million toter durch die blockadeund aushungerung leningrads durch dienaziarmee oder für die millionen zwangsarbeiter/innen,die vom deutschen kapitalunter unmenschlichen bedingungen ausgepreßtwurden; nicht wir haben in kz'sund zuchthäusern (wie plötzensee, stadelheim,neuengamme) tausende revolutionär/innen,widerstandskämpfer/innenund menschen, die sich gegen das nazi-regimegewehrt, verweigert haben oder de~sertiert sind - hinrichten, erschlagen, erschießen,aufhängen lassen. die verantwortunghaben die deutsche bank, thyssen,krupp - die schleyers, mengeles,freislers, weizsäckers.- nicht wir entwerfen "weltherrschaftsordnungen",die für die menschennur noch mehr ausplünderung, armut,leid, unterwerfung bedeuten, sondern dassind die multinationalen konzerne undbanken; nicht wir bestimmen die programmeder weltbank und des iwf und lassenalle reichtümer, rohstoffe und nahrungsmittelausrauben; wir sind nicht verantwortlichfür millionen menschen, diein elendsvierteln auf müllbergen vegetierenmüssen, oder für eltern, die ihre kinderaus verzweiflung verkaufen oder siezur arbeit, zu prostitutionzur schule ...schicken statt- wer benutzt denn hunderte milliardenfür die entwicklung und produktionimmer perfekterer und perverserer massenmordinstrumente;wer läßt denn· dienationalen befreiungsbewegungen ,in diesteinzeit zurückbomben' (sagte ein us-generalin vietnam); wer ist denn verantwortlichfür die verkrüppelten kinder invietnam, dank chemiewaffen, napalm ausder brd? wer rüstet die faschistischen regime,die terrorbanden und todesschwadroneauf, die allein für über 1,2 millionentote im südlichen afrika verantwortlichsind? wer bildet die spezialkriegsundaufstandsbekämpfungsexperten aus,die in kurdistan hunderte dörfer überful­Ien und zerstören, wälder abbrennen, viehtöten, ernten vernichten und die bevölkerungfoltern, ermorden, vertreiben? dasist doch dieser staat, der bundesgrenzschutz-gsg9, die nato-"gladio", die bundeswehr.wer liefert denn die menschen,die vor den terrorregimen hierher flüchten,wieder an die henker aus? wer schicktsie in die ausgeraubten länder, ins elend,in den hungertod zurück?- wer setzt denn diesen riesigen lügenundmanipulationsapparat über die ganzewelt in gang und läßtdas abschlachten <strong>von</strong>hunderttausenden als "friedenspolitik"preisen? wer hetzt die menschen aufeinanderlos mit rassismus, chauvinismus,sexismus? wer ist verantwortlich für diezerstörung der umwelt und der überlebensmöglichkeiten- und wer entwirftgesellschaftsmodelle wie die 2/3-gesellschaft- 1/3 aussortiert -, wer wirft dieleute aus den wohnungen, aus den fabriken,und wer macht noch riesengeschäftemit dem elend und der verzweiflung durchdrogen, pharmaka, sekten usw. usw. ?3/4 der menschheit wissen und erlebenjeden tag, daß das herrschaftssystem deskapitals .terror bedeutet - im krieg wie im"frieden"; und auch hier kann niemandbehaupten, nichts zu wissen! un(l dasheißt: sich zu entscheiden, partei zu ergreifen,um diese verhältnisse zu beseitigen,die uns und die menschen terrorisieren.uns geht es um emanzipation, diemenschen sollen selber über ihr leben bestimmenund endlich subjekt ihrer geschichtesein; - nur auf diesem weg werdenendlich werte und werke geschaffenwerden und können entwicklungen undfortschritte entstehen, in denen sich diemenschen wiederfinden können und aufdie sie im guten sinne stolz sein können.was mich und uns bewegt, ist solidaritätmit den ausgebeuteten und unterdrückten,d. h. liebe zu den menschen und ein vertrauenin die menschen im allgemeinen ­und hass-unversöhnlich gegen diese verhältnisse,die diese menschen zu einemdreck, einem nichts machen ..." ... niemand ist zu jung, zu alt, zustark oder zu schwach, um irgendetwas zutun ... " und" ... es ist egal, was du tust,aber mach' es verdammt nochmal richtig!"dem, was bobby sands2 (sinngemäß)gesagt hat, kann ich mich nur anschließen.Norbert Hofmeier, 18.4. <strong>1992</strong>1 movimiento de izquidera revolucionaria ("bewegungder revolutionären linken"); chilenischeorganisation2 bobby sands, der erste im hungerstreik gestorbeneira-aktivist


Carlos GrosserWas waren die wichtigen Dinge,was ist zu kritisieren?I(Ende 1991)Dein letzter Brief ist hier angekommen.Ich habe lange überlegt, was du mit "Erfahrungsaufarbeitung"meinst. Ich werdemit der Sache einfach nicht warm. Bevorich 's noch länger vor mir herschiebe,schreib ich einfach kurz auf, was mir dazueinfiillt: Einmal sieht es ja so aus, daß esmir schon wichtig wäre, mit dir / euch ausdem Widerstand über einige Dinge ausunserer Geschichte zu sprechen, die hierdoch alsbald an Grenzen stoßen. Damit istnatürlich nicht gemeint, "Ballast <strong>von</strong> derSeele reden", sondern es hat schon ne Bedeutungfür die Zukunft. Die andere Seiteist, daß ich mir ein Aufarbeitungsprojekt,wie du es im Brief vorgeschlagen hast(dem langen), nicht vorstellen kann.Ebenfalls nicht, wenn die primäre Funktionda<strong>von</strong> sein soll: "Vermittlung". Daskann immer erst der 2. Schritt sein. Eshätte mir zuviel arbeitsmäßigen Ballast.Nach Golfkrieg und Anschluß der DDR(als die beiden großen Einschnitte) ist dieäußere Situation ne ganz andere geworden,und meine Auseinandersetzung, dieWidersprüche, die mich anspringen usw.,geht auch in ne andere Richtung. Kürzlichhat ne Gefangene geschrieben: Wir sindwieder da, wo wir '89 im Streik waren.Sicher, die Situation scheint wieder genausozubetoniert. Trotzdem ist nichtsmehr das gleiche, wir selber nicht (hoffentlich)und die gesellschaftliche Situationauch nicht.Als ein Stichwort fällt mir ein: Damalswar ne Situation, wo international es möglichschien, auch in "Dialogformen" Gegenmachtpositionen<strong>von</strong> unten auszubauen(Befreiungsbewegungen legten daraufGewicht, Abrüstungsinitiative <strong>von</strong> Gorbatschow;und hier hat es auch seinenAusdruck gefunden in subjektiv gehaltenenErklärungen <strong>von</strong> mehreren RAF-<strong>Gefangenen</strong>und schließlich der Streikerklärung). Das alles ist aber spätestens mitdem Golfkrieg und "Neuer Weltordnung"weggefegt. Überleg dir doch malso: Die ganzen 80er Jahre ("Nach-Vietnam-Ära")war die zentrale Achse desKampfes der militanten und reformatorischenLinken gegen die USA/Nato-Militärstrategiegerichtet. Erst die Stationierungder MSR1, dann "Low-intensitywarefare",BÜDdelung der Kräfte imMIK2. Damit einhergegangen ist die Steigerungder imperialistischen Aggression- <strong>bis</strong> schließlich "Desert Storm". Undniemand konnte dem was entgegensetzen,.außer solidarischen Gesten vielleichtnoch. Der reformistischen Linken ist derWüstensturm so durchs Gehirn gebraust,daß sie inzwischen einfach das Lager gewechselthaben. "Interventionspflicht derAmis für Zivilisation und Demokratie".Stichworte, wo früher jeder Brechreizkriegte. Das sind einfach Thtsachen, wowir uns genauso kritisch mit den / unserenFronterfahrungen der 80er auseinandersetzenmüssen!Mein Problem ist, daß mir einfach nichtrecht klar ist, was eigentlich genau damitgemeint ist: "Unser Projekt: Kommunikation- ZL - Freiheit". Sicher ist dieKollektivität, die darin enthalten ist, einWert an sich. Trotzdem ist damit mehr dieäußere Form beschrieben und recht wenigüber den Inhalt gesagt. Über waswollen wir sprechen/tun: jetzt, wenn wirzusammen bzw. in Freiheit sind? Ichglaube, daß ganz genau daraus nur dieSubstanz kommen kann, diese Vorstellungumzusetzen, die Kräfte, es durchzukämpfen.Erfahrungsaufarbeitung könnte ich miralso so vorstellen, daß jede/r ganz subjektivüberlegt, was waren die wichtigenDinge, was ist zu kritisieren - so könntenwir Erfahrungsaustausch mit ner praktischenBedeutung für die Zukunft anspitzen.Vieles ist wirklich schon gesagt. Andreas3Prozeßerklärung, im "Interim"4 warmal ne sehr gute Auseinandersetzung abgedruckt<strong>von</strong> nem Genossen oder Genossinüber ihre Fronterfahrung seit Anfang'80 (es ging darin um den Funktionalismus,mit dem so oft über alles weggebrettertwurde, emanzipatorische Erfahrungen,persönliche und politische Problemedes Kollektivs selber und <strong>von</strong> Leuten, mitdenen man zusammengetroffen ist).Wo ich '84 rauskam aus der Kiste, hatteich die Vorstellung, mit dem, was mir imKnast über die kurze Fronterfahrung '81klar geworden war, nahtlos in den Kampfreinzuspringen. Es war richtig, was ichmir überlegt hatte. Trotzdem kriegte ichkeinen Fuß auf den realen Boden und binerstmal in der Sackgasse geendet. In jenenI drei Jahren hatte sich noch nicht so vielverändert wie jetzt. Mein Problem damalswar, daß ich sehr stark aus konserviertenKampferfahrungen gelebt und meine Substanzbezogen habe. Nachdem mir bewußtgeworden war, daß es so nicht geht, wares sehr befreiend, und ich konnte wiederDinge in die Hand nehmen, an Zukunftdenken, ohne alles gewaltsam durch dieGehimkanäle <strong>von</strong> gemachter Erfahrungdurchzudrücken und damit zentnerschwerzumachen.***Um die Weihnachtszeit herum ist bei mir2/3 abgelaufen. Dabei würde mich explizitinteressieren, wie du dazu stehst. Ursprünglichwar meine Idee ja, den Terminwahrzunehmen, den sie ansetzen werden.Aber das ist ne Weile her. Wie sie sich beidir verhalten haben, war ja zu deutlich.(Ich hatte es gut gefunden, daß und wie duda hin <strong>bis</strong>t; bin ja da<strong>von</strong> ausgegangen, daßsie in die Klemme kommen und dich rauslassen,um der FreilassungsforderungGewicht zu nehmen.) Es war ernüchternd.Mit Menschlichkeit hatte ich janicht gerechnet, aber mit ner gewissenFlexibilität und Kriegslist. Aber nix war,außer Walze. Dasselbe bei Dieters. Unddann, zwar mit modifizierten Begründungen,aber aus derselben Geisteshaltungbei ungezählten gefangenen Kollegenhier. In den letzten Monaten kam dannnoch die Kampagne gegen die <strong>Gefangenen</strong>aus der RAF (die "Neue Geschichtsschreibung"!), die ja zum Bestandteil dieAnklageerhebung hat. Mindestens beiSieglinde und Ingrid6 hat das den Charakter<strong>von</strong> Leben-kaputt-machen und Kaputtschindenohne Ende. Irgendwie langt'smir langsam.Mir wurde verschiedentlich gesagt :Geh trotzdem hin, mit der Ablehnungkannste arbeiten. Aber a) bin ich kein Pädagoge,und b) ist es mehr als fraglich, obne Ablehnungsbegründung noch washilft, wenn jemand nicht <strong>von</strong> alleine draufkommt, daß diese Ablehnungen formaleSpielchen sind, die sie mit uns treiben(wollen) ...11Kluft zwischenkonkretem Leben undpolitischem Anspruch(Januar <strong>1992</strong>)Jetzt möchte ich als erstes auf deinen Briefvom Dezember antworten. Ich hab ihnsehr gut gefunden. Es waren viele informationendrin, und dann konnte ich mirgut vorstellen, wie du / ihr an der Kundgebung(vor dem Knast Bruchsal am 7.12.)1 41J.L- .. _


überlegt habt, also wie ihr drin steckt. Dasist oft nicht ganz einfach zu vermitteln.Wenn ich den Brief vorher gehabt hätte,dann wäre meine Kritik ganz sicher andersausgefallen. - Apropos Kritik: Ichstimme mit dir überein, was du dazu geschriebenhast. Mein Eindruck war, dufaßt sie persönlich auf. Aber wenn du esletztendlich als ne konstruktive Sache begreifst,dann erübrigt sich, darüber nochweiter zu schreiben. Ich habe, glaube ich,vergessen, die Bilder <strong>von</strong> der Kundgebungzu bestätigen. Die sind wirklich saugut.H. war <strong>von</strong> uns allen leicht zu identifizierenan seiner Kappe. Schön, daß ertatsächlich da war und auch Roland getroffenhat. Bin gespannt,. ob ich ihn hiernochmal treffe im Bruchsaler Zuchthaus.Ich will's nicht hoffen. Aber sein Wegganghat schon ein Loch hinterlassen. Sogut wie er konnte keiner die Schließer beschimpfen.Am 15.1. war in der "TAZ" ein Artikelabgedruckt: "Kinkel befiirchtet Anschlagder RAF". Der Artikel beruft sichauf den " Stern". Darin heißt es, daß"Überlegungen auf vorzeitige Haftentlassungeninnerhalb der RAF-Häftlinge zuheftigen Auseinandersetzungen gefiihrt"haben. Und "einsitzende RAF-Angehörige~ wie Helmut Pohl, Brigitte Mohnhauptund Christian Klar - ihre Mithäftlingeauf ein solidarisches Vorgehen undden Kriegsgefangenenstatus einsch\\Üren"wollten. Dazu möchte ich als ersteswas schreiben. Ich bin ja Betroffener,weil mein Name öffentlich genannt wurdeund du mitbekommen hast, daß wir letztenDezember harte Auseinandersetzungenhatten. Inzwischen kann ich dazu sagen,daß einiges irrational wurde aufgrund der(unbewältigten) Enge. Die politische Seiteder Sache läuft (hoffentlich) weiter.Aber die hat einen anderen Gegenstand,den die Staatsvertreter sowieso nicht verstehen,da sie in einer anderen Welt leben.Redet ihr eigentlich in eurem Plenumüber die "Neujahrsankündigungen"?Das ausführlichste dazu ist im "Spiegel"dieser Woche abgedruckt. Von Dieter ausMannheim habe ich gehört, er erzählte<strong>von</strong> einem Besuch, daß draußen tatsächlichschon überlegt wird, daß der imp.Staat vielleicht "humaner" wird. Mirsträuben sich die Nackenhaare ... DerInhalt dieser Kampagne ist, daß völligselbstverständliche Menschenrechtsforderungen("Freilassung aller Haftunfähigen")und der Anspruch auf Reststrafenerlaß(genauso selbstverständlich) benutztund ausgebeutet werden, um die staatlichePropaganda-Maschine laufen zu lassen:Die einen gehen raus, dies soll den Friedenherstellen, um die anderen um so tieferund als Staatsgeiseln gegen den Widerstanddraußen in den Knästen begraben zukönnen.Da ich mich für sowas um keinen Preishergeben würde, hab ich <strong>von</strong> mir ausChristian und Günter7 angesprochen ­damals die ersten Worte wieder nach unsermKonflikt -, und daß ich gerne eingemeinsames Vorgehen finden würde. Indieser Diskussion hat Christian eingebracht,daß er gar nichts da<strong>von</strong> hält, die-42ses Thema zu ideologisieren und dogmatischdamit umzugehen; und vielmehr aufein konkretes, an den einzelnen orientiertesVorgehen aus ist. Für mich brachtediese Diskussion wirklich mehr Einsichtin das Thema, power und Solidarität untereinander.So sieht die Wirklichkeit aus. Und ichkann nur sagen, daß es für uns recht einfachwar, weil wir jeden Tag beim Hofgangzusammen sprechen können. Ebenhat auch Norbert geschrieben. Genau dasselbeselbstverständliche Bedürfnis, einkollektives Vorgehen rauszukriegen. Insofernkann man schon mal mit Sicherheitsagen, daß solche Schweinekampagnenwie jetzt wieder im "Stern" überhauptnur möglich sind, weil wir uns nicht zusammenäußern können.Dir wird das eh klar sein. Mir war nurwichtig, die ganz konkreten Abläufe zuerzählen, damit bei niemand ein Rest <strong>von</strong>Zweifel zurückbleibt und immer wiederbestimmte Genoss/innen zum "Ende derFahnenstange" J~emacht werden. Fürmich heißt die Uberschrift fürs Jahr '92jedenfalls: "Kampf für die Einheit desWiderstands und Suche nach der Strategiedes Glücks".Hast du den Text gelesen? Lutz in Cellehat seine Diskussionen mit Luis, einemThpamaro, zusammengefaßt. Er war imDezember-"AK" abgedruckt. Für michhat der vieles auf den Begriff gebracht,mit was ich mich seit langem rumschlage.Zum Thema "Reststrafenerlaß" legeich dir noch eine Zusammenfassung ausBGH-Urteilen dazu. Die hat mir schonvor einer Weile ein Freund gegeben. Esist mehr die juristische Ebene. Aber ichfand sie insofern ganz gut zu lesen, weildarin klar wird, wie dieser § 57 ausgelegtwerden kann. Nur, so wird's eben nichtgemacht - und zwar für niemanden hier,der ihnen nicht die Stiefel putzt und sichbeim Einschluß dafür bedankt. Echt, fürmich wäre es wunderschön, wenn dieStaatskampagne dazu führen würde, wennnoch mehr Gefangene aufwachen und anfangen,ihre Rechte einzufordern. Hier inBruchsal sind 20 und mehr Jahre Knastkeine Seltenheit ..."Wennjemand das hier zwei Jahre langausgehalten hat und schließlich und endlichanerkannt wird, dann ist er fertig ",berichtet ein langjähriger Betreuer überseine Erfahrungen. "Nach dem Lagerdaseinist er so gebrochen, daß er nichtsmehr hinkriegt ... Wenn sein Leben hier(draußen als .freier Mensch ") anfangensoll, ist seine Identitlit flöten. Er kannnicht mehr." ("AK", 13.1.91) Hiergeht's um Asylanten-Lager, aber in gewisserWeise ist es vergleichbar. Preuskerhat es selber öffentlich geäußert, daßmehr als 5 Jahre Knast die Persönlichkeitdes Verurteilten zerstört. Das ist das Problem.Und hier sind wir mitten drin in der Diskussionum die Kundgebung und deinenBrief. Ich denke, wir können die Problematikdahinter bestimmt nicht an derKundgebung erschöpfend klären. Es wirduns noch länger begleiten. Deshalbschreibe ich dir grade auf, was ich denBerliner Christen dazu schrieb:"Mir hat die Rangehensweise oder dieFragestellung viel gesagt, die Euren Beitragdurchzogen hat: ,Warum fehlen die<strong>Gefangenen</strong>?' Wenn wir als Gefangenedurch Elend und Unterdrückung durchgezogenwerden (ich persönlich im 10.Knastjahr mit einem Jahr ,Pause' draußenunterbrochen und erlebe es z. Z. kraß,was ich in den Höhlen zurückgelassen habe),dann kann dies ne wertvolle Erfahrungsein, die wichtig ist für die gesamteGesellschaft, die <strong>von</strong> ähnlichen Widersprüchendurchzogen ist. Das heißt, Ihrhabt die <strong>Gefangenen</strong> bei ihrem (potentiellen)Selbstwertgefühl angesprochen unddamit bei einem Kern <strong>von</strong> Menschsein,was grade-hier imZuchthaus erledi~ wird(,Nur durch- Leiden ändert sich derMensch', so war der Anstaltsleiter <strong>von</strong>Bruchsal, Preusker, in der "Zeit" im Oktoberzitiert. - Ich assoziiere USA-Gefängnis-und ,Sicherheitsprogramm' nachdem Golfkrieg und ,Neue Weltordnung').Indem Christian (<strong>von</strong> den Christen) seinenBeitrag so aufgebaut hat, war er offenfür jeden <strong>Gefangenen</strong>, sich damit (alseigene Sache) zu identifIzieren und auseinanderzusetzen.Er hatte ne klare Spracheund ne klare Richtung, die mir unterdie Haut ging."Für mich sind es im wesentlichen zweiMomente, woraus meine Kritik kommt:Einmal fInde ich, daß du in nem Widerspruchlebst, so wie ich dich kenne. Duhast bestimmt nicht nur Genossen-Beziehungen,sondern auch freundschaftliche.Wenn du mitkriegst, wie sie langsam,aber sicher vor die Hunde gehen - und duweißt als gesellschaftlicher / politischerMensch, wo die Ursachen sind - wieverhältst du dich dann? Doch bestimmtso, daß du versuchst, bestimmte Zusammenhängezu erklären, nicht am weltrevolutionärenAnspruch gemessen, sondernan den konkreten Menschen und eurerWrrklichkeit. Weißt du, ich bin in meinerKritik oft etwas in Hitze geraten, weil ich<strong>von</strong> verschiedenen Genoss/innen schondrauf angemacht wurde, weil ich hierFreunde habe! "Was willste denn mit denen?"... Klar, sowas hab ich bei dir niemitbekommen. Ich möchte nur erklären,warum ich bei dem Thema vorbelastetbin. Wir kriegen hier vor allem mit, wie(draußen) sich die Linke zunehmend atomisiert.Woran liegt es, wenn nicht an individualisiertemUmgang mit dem erlebtenElend? Das ist für mich dieselbe Kluftzwischen konkretem Leben und politischemAnspruch.Hier ist das zweite Moment. Es ist keinZufall, daß das in den letzten Jahren verschärftzum Problem wird. Am Knastsysternkönnte ich es konkret analysieren,wie heute in mehrfacher Hinsicht die(Welt)geschichte sowas wie ne "Schleife"macht. Du kannst dich sicher noch andas 24-Punkte-Programm des Herrn Dr.Schein8 erinnern, das Haftprogramm, daser im Korea-Krieg entwickelt hat: Eswar/ist ein Bevölkerungs-Kontroll­Programm. Was in den 70er Jahren harteWrrklichkeit war für die Guerilla--<strong>Gefangenen</strong>,das ist heute Bevölkerungspolitik


Jaiil......--_Was ist dieses Preuskerzitatals die Aufforderung, eine gesam­W gesellschaftliche (Rand-)Gruppe zu erledigen?- Nämlich die gefimgenen Män­Der und Frauen. Wir sind uns bestimmteinig, daß gerade im Knast die Leute nichtin den Startlöchern der Revolution liegen.Aber es ist die Frage, ob wir uns zunehmenddurch die Dialektik <strong>von</strong> Kampf undUnterdrückung (die ja gerade in der BRDtotal überdeterminiert angelegt ist, wasman bei den Notstandsgesetzen angefangensehen kann) in ein soziales Vakuumreinbewegen, das kaum mehr Bezug zurkonkreten gesellschaftlichen Wirklichkeithat. 9Du hast bestimmt in der "TAZ" oder"FR" die Stellungnahme der Anstaltsleiterkonferenz(wieder Preusker) gelesen.Darin heißt es ja u. a., daß wir <strong>Gefangenen</strong>ach der langen Haft in einem "menschlichund ideologisch desolaten Zustand"uns befinden würden und wahrscheinlichgar nicht mehr in der Lage seien, draußenweiterzukämpfen. Dazu hatte ich dir jaschon im Dezember (anscheinend in einerkleinen "Vision") geschrieben. Es sagtmir nicht viel. Trotzdem: Hier spricht derPraktiker.Wenn sie uns ganz bestimmt nicht erledigtkriegen, wie sie hoffen, die sozialeWirklichkeit in Deutschland und überallauf der Welt zeigt es aber zu deutlich, daßsie in der Gesellschaft im allgemeinen aufdem besten Weg dahin sind. Das ist einKriterium der "neuen internationalenWeltordnung". Deshalb geht es für michimmer mehr um die "Rückeroberung desSozialen". Daraus erwachsen auch Kräfteverhältnisse,aber anders als auf der"Gegen-Strategie". ("Strategie ist einfachunsere gegen ihre Strategie", Frontpapier.) Das finde ich wirklich gut erklärtin Lutz' Papier: "Suche nach einer Strategiedes Glücks". Man sieht es in Nicaraguaund in EI Salvador, daß dort dieseProblematik an erste Stelle gerückt ist.Und die revolutionären Kräfte versuchen,dem beizukommen. Nur müssen wir ausunserer Wirklichkeit entwickeln undnicht wie all die Jahre aus den "internationalenKräfteverhältnissen" usw. - dieergeben sich umgekehrt aus dem, wie wirunsere Wirklichkeit reflektieren und waswir daraus dann tun.111 .Die Orientierungist 'ne andere geworden(März <strong>1992</strong>)Es tut mir leid, daß ich mich so lange nichtgemeldet habe. Dein Brief ist natürlichschon lange hier. Am 12.3. war mein 2/3­Anhörungstermin vor dem OLG ~ bzw.es hat gar nicht stattgefunden. Ich lege dirden Vermerk dazu, den OLG-Richter Nagel<strong>von</strong> dem Anhörungsversuch geschriebenhat. Und einen Brief, den ich an A.<strong>von</strong> der Angehörigengruppe dazu geschriebenhabe. Dieses Thema hat nun neganze Menge Denk- und Schreibarbeit er-fordert. Ich \Wllte es so gut als möglichmit den anderen Betroffenen besprechenßen, Krieg gegen die Sozialbewegungen,aus den Häusern raus, gegen den Krieg,bzw. sie <strong>von</strong> dem Ergebnis informieren. Startbahn West ... ) und dem AusbauVon Norbert war am Donnerstag ja seine Westeuropas zum waffenstarrendenErfahrung in der "TAZ" 1Knastseite abgedruckt."Flugzeugträger" gegen die kämpfendenSo ist's richtig!Völker der Welt durchaus emanzipatori­Vielleicht klingt mein Brief zu optimistisch.Ich hab kaum damit gerechnet, daßsche Bedeutung. Man lese Fanon1o•Heute kreist mein Denken, Fühlen undsie mich jetzt rauslassen. Aber ich finde es Handeln eher um die Aneignung des eigenenLebens. Und weil der Mensch einrichtig, sie beim Wort zu nehmen, nämlichdaß "Abschwörrituale, Lippenbekenntnissegrundsätzlich bezogenes Wesen ist (auf... " nicht mehr nötig seien. andere Menschen, Dinge, die er bearbei­Vor kurzem war in der "Frankfurter tet, usw.), ist es alleine nicht möglich. DafürRundschau" und der "TAZ" ein Artikel,kann man in der Kiste ein Gespür krie­wo die BAW sich wegen GÜDters Brief gen! Es steht also zuerst die menschlicherechtfertigt. Und da werden sie ab jetzt und soziale Rekonstruktion im Mittelpunkt,kein Land mehr gewinnen!und daraus erwachsen die Kräfte­So .komisch es vielleicht klingt: Die (verhältnisse). Aber diese haben für michHauptanstrengung in diesem Zusammenhangwar, überhaupt (wieder) freizu­sie haben ein anderes Wesen als früher.nicht mehr die Priorität, und ich glaube,schürfen, was ich draußen eigentlich will. Eine sehr schöne Formulierung habe ichNach dem Golfkrieg hatte ich mich weitestgehendaus den gesellschaftlich-politischenbei Pierre Teilhard de Chardin gefunden:"UDs braucht es denn, und zwar geradeDiskussionen mit draußen rausge­krafft des Gesetzes der Komplexität, damitzogen. Am 1. Mai '91 machten wir hier der Mensch durch Kollektivisation geistignoch unser "Remember-Santa-Fu-Fasten"wachse? Wesentlich müssen die <strong>von</strong> der(8 Gefangene), um an den Aufstand Bewegung ergriffenen menschlichen Ein­vor einem Jahr zu erinnern und daß es seitherheiten sich einander nähern, und zwarnur schlechter geworden ist, die Betei­nicht unter der Wirkung äußerer Kräfheitenligten samt mit Repressalien belegt wurden,te oder allein im Vollzug materieller Ge­und dann ging nichts mehr.sten, sondern unmittelbar <strong>von</strong> Zentrum zuMeine Haltung zu draußen wurde immerZentrum durch innere Anziehung,mehr so, wie es ein DDR-Psychologein einem Radio-Gespräch ganz gut ausgedrücktweder durch den Zwang noch durch Sklavendienstan einer gemeinsamen Aufgabe,hat: Wir (die DDR-Bevölkerung sondern durch Einmütigkeit in ein undim allgemeinen und sein Berufsstand im demselben Geist." Er spricht weiter da<strong>von</strong>,besonderen) haben - oft wider besseresdaß die Menschen so in einem "per­Wissen - doch im Innersten geglaubt: sonalisierten Universum zu einer höherenJenseits der "Mauer" ist die Freiheit. Synthese gelangen" können.Jetzt ist die Mauer gefallen und die EnttäuschungDie Tage habe ich das kleine Buchum so größer. Ich möchte na­"Ausgewählte <strong>Texte</strong> zu Fragen der Zeit"türlich nicht den Knast mit der DDR vergleichen.<strong>von</strong> einem <strong>Gefangenen</strong> geschenkt bekommen.Mir hat es eher in der Richtungzu denken gegeben, daß in den drei Jahren Keime in diese Richtung sind bei mirallerdings schon länger am Wachsen. Mitseit dem Streik mein Freiheitsbegriff den Kämpfen um die Hafenstraße damalsdraußen keine aktiven Anknüpfungspunkte("Barrikadentage") hat es angefangen,mehr hatte. Den Preis für die paar der Streik war ein weiterer "Wachstums­"schönen Seiten" des Lebens draußen, schub", und heute kann ich es verbindenden kenne ich zu gut. Im Nachhinein glaubemit einer selbst-kritischen Reflexion un­ich, daß ich das, was sich im Streik vor serer Theorie und Praxis der 80er Jahre.drei Jahren für mich neu aufgetan hat, "Die Herausforderung der US-Hegemoniedurch die antikolonialistischen undnoch gar nicht so· in die eigenen Händekriegte, daß ich es auch hätte leben können.antiimperialistischen Bewegungen der 3.Hab's nur gespürt: So wie früher Welt war ernsthaft, systematisch und ­geht's nicht mehr, aber es war mir noch was die unmittelbaren Ziele angeht ­nicht möglich, es (begrifflich) zu fassen auch erfolgreich. Aber die Struktur derund mein Leben entsprechend zu führen. Weltordnung wurde niemals wirklich inWas hat sich verändert? Du fragst danach.Frage gestellt. Diese Bewegungen beteiwordenDie Orientierung ist ne andere geligtensich sämtlich an einem Diskurs, deroder die Prioritäten, <strong>von</strong> einer <strong>von</strong> Wilson ebenso geprägt war wie <strong>von</strong>"Außen"- zu einer "Innen"-OrientierungLenin und sich nur als eine Variantevielleicht. Ich komme ja aus demFront-Zusammenhang, der sich AnfangdesdenGlaubens derunvermeidlichenAufklärung anFortschrittder 80er gegen die Kriegstreiberei entwikkelthat. Das war ne sehr straighte "Ge­weltlicher Rationalität erwies.auf Grundlage menschlicher undgen"-Orientierung. Wir haben uns v. a. In erster Linie strebten diese Bewegungenim Angriff gegen den Staat gedacht, Seite nach politischer Unabhängigkeit und ökonomischeran Seite mit den BefreiungsbewegungenEntwicklung. Das erste Zielder 3. Welt. Mein Denken ging in die haben sie erreicht, das zweite nicht." (I.Richtung: Angreifen, den Angriff organisieren,Wallerstein in: "TAZ-World-Media" :um den Raum zu schaffen, der Le­Die Neue Weltordnung)ben überhaupt erst ermöglicht. Das hatte Ich traue es mir noch nicht zu, das inaus den spezifischen Ohnmachtserfahrungenganzem Umfang auszuführen. Aber wasnach dem "Deutschen Herbst" (tote ich ganz gewiß aus den 12 Jahren politi­Gefangene, Killfahndung auf den Stra- scher Geschichte im antiimperialistischenI ~


Zusammenhang sagen kann (vorher warich eher Freak, der in Westeuropa herumgetramptist): In dieser <strong>von</strong> Aufklärunggeprägten "Fortschritts-Rationalität"waren wir ganz sicher im ,,500jährigen(inneren) Kolonialreich" verfangen.Im Frontkonzept hieß es: "Strategie isteinfach unsere gegen ihre Strategie." Ausder Negation der vorgefundenen (schlechten)Verhältnisse kommen wir aber nichtan die autonomen menschlichen Quellen.Das drückt sich meiner Ansicht nach inden Beziehungen der Kämpfenden untereinanderund zur Bevölkerung aus. In demSpannungsfeld begreife ich auch den Konfliktbei uns hier. Es gab schon vor längererZeit mehrere, z. T. sehr gute Kritikenan "Guerilla - Widerstand - EineFront". Alle hatten sie denselben Kern,nämlich die Funktionalisierungs- undEntfremdungstendenzen unterwegs, dienie aufgeknackt wurden - und in demRahmen auch nicht aufgeknackt werdenkonnten. In dem Maße, wie sich die (weltweiten)gesellschaftlichen Verhältnisseänderten und die Befreiungsbewegungenja selber nicht mehr auf diese Zukunftsprojektionensetzten (die FMLNII auchseit drei Jahren), da mußte dieser Konfliktoffen ausbrechen. Problematisch finde icheben, daß es nie möglich war, (hier) überdiese Sache offen zu sprechen.Was hat sich verändert? Einen Wesenszugin der Gesellschaft hier hat mir kürzlichein Ex-Junkie erklärt: Er hat damitangefangen, weil er's hier halt nicht mehrausgehalten hat. Aber, so sagt er, Anfangder 80er Jahre konnte man mit der Nadelnoch den Bekanntenkreis aufmerksammachen. So wie ein Selbstmordversuch jaoft nur ein Signal ist: Leute, mich gibt'sauch noch ... Damals haben die Menschennoch reagiert. Heute ist 's den Leutenscheißegal, ob und wie du vor dieHunde gehst ...,,~r sich in den großen amerikanischenStädten betrinkt, wer Drogennimmt, wer nicht bereit ist, sich in die sichere~lt der Arbeit zu integrieren, dervollbringt mehr als eine Reihe <strong>von</strong> altenund festgelegten anarchistischen Taten:Er lebt eine Tragödie. Und weil er sie nurzu leben, doch nicht über sie zu urteilenweiß, stirbt er daran. Die sich zu lhusendenmit der Droge das Leben nehmen,sind in Wirklichkeit ebenso Märtyrer wiedie Bürgerrechtler, die <strong>von</strong> den weißenRassisten des Südens umgebracht werden.Sie haben dieselbe Reinheit, sie stehen inder gleichen ~ise jenseits der elendenUnterwürfigkeit derer, welche die <strong>von</strong> deretablierten Gesellschaft angebotene ,Lebensqualität' akzeptieren." (Pier PaoloPasolini: "Ketzererfahrungen", 1966)Von da aus habe ich vieles besser verstanden.Während des Golfkriegs hab ichmal das Horkheimer / Adorno-Zitat rausgeschrieben;und die Zeichen der Zeit stehenin Richtung Hoyerswerda: " ... derHerdentrieb der lonely crowd, dereinsamen Menge, ist eine Reaktion ...ein Sich-Zusammenrotten <strong>von</strong> Erkalteten,die die eigene Kälte nicht ertragen, aberauch nicht sie ändern können. JederMensch heute, ohne jede Ausnahme, fühlt44sich ZU wenig geliebt, weil er zu wenig liebenkann. Unftihigkeit zu Identifikationwar fraglos die wichtigste psychologischeBedingung dafür, daß so etwas wie Auschwitzsich inmitten <strong>von</strong> einigermaßen gesittetenund harmlosen Menschen hat abspielenkönnen." Darüber haben dieRAF-<strong>Gefangenen</strong> Anfang der 70er Jahresich auch ihre Gedanken gemacht.Gut, um ne Zwischenbilanz zu ziehen:Ghandi kenne ich zu wenig. Aber ich würdetrotzdem sagen, daß es sogar sehr umdie Einheit <strong>von</strong> Weg und Ziel geht, wo ichfrüher oft genug Kompromisse machte, daist es heute, wie wenn neue Kräfte drauserwachsen, wenn ich versuche, genau sodran zu bleiben. Und was ich noch feststellenkann: Seit das anfängt, in mir zureifen, kann ich wesentlich besser mitdem Spannungsfeld zwischen Utopie undreal gegebener Situation umgehen undmir/uns selber darin. Früher versuchteich oft genug, meine Wahrheit den Leutenin den Kopf reinzudrücken, zu powern,wenn's nicht anders ging. Ich weiß, daß'es anderen <strong>Gefangenen</strong> ähnlich ging unddaß der Golfkrieg - die "Stunde der'Wahrheit" für viele aus den älteren Zusammenhängen- der Einschnitt war, woder Widerspruch, in dem wir uns als Gefangenebewegten, zu offensichtlich wurde:Wenn die Leute draußen uns einfachnicht verstehen, dann ist es eben an uns<strong>Gefangenen</strong>, sich was dazu zu uberlegen,die Fragestellungen usw. neu zu formulieren- so hat's Norbert schon im letztenHerbst gesagt.Wir haben im Streik '89 einen Schnittgemacht und was Neues angefangen:"Auch wir glauben, daß diese Auseinandersetzung(um die Freiheit) jetzt reif ist... Unser Kampf jetzt für die Zusammenlegungsoll ein Teil da<strong>von</strong> sein. Ausvielen Ansätzen im letzten Jahr, aus derOffenheit und dem Willen quer durchdie verschiedenen Zusammenhänge imWiderstand halten wir eine neue Einheitim revolutionären Kampf für möglich."(Streikerklärung '89 <strong>von</strong> Helmut Pohl)Für mich war und ist das der Kern der Geschichte.Nur haben die drei Jahre gezeigt,daß wir im Grunde noch nicht reifdafür waren, dies tatsächlich als neuenAbschnitt zu begreifen. Nachdem diebreite Solidarität aus der Gesellschaft mitdem Streik abgeflaut war, hat der Staatgrad wieder mit "Sühne &Vergeltung"reagiert und sein ganzes Anti-"Terrorismus"-Arsenalgegen die <strong>Gefangenen</strong> angewendet.Da sind auch bei den <strong>Gefangenen</strong>wieder viele alte Rangehens-Muster,Schubladen und und ... eingerissen, diequer zu einer menschlichen Zukunft liegen.Warum wurde "unsere Politik" dennnicht (massenhaft) z. b. während des Golfkriegsaufgegriffen? Weil es sie nichtmehr gab. Ich glaube, die "Projekte, Strategien,Konzepte" haben nicht nur nichtmehr über die neue Situation gepaßt, sondernsie sind auch verbraucht, und dieFragen der Menschen kommen aus eineranderen Tiefe, wo darin nichts zu findenist.***So, jetzt komme ich grade aus dem "PolitischenTV" zurück. Montags <strong>von</strong> 17- 19Uhr können wir ne Zusammenfassungeiniger Sendungen der Woche hier im TVangucken, meistens "Spiegel-TV, Auslandsreport,Monitor". Mager, abertrotzdem gut, wenn man die Bildersieht, Eindrücke hat, wo sonst einem dieInformationen doch nur recht abstrakt gegenübertreten.Jedenfalls hab ich noch auseinem älteren "Spektrum", der Knastzeitunghier, einen Artikel aufgetrieben mitBildern <strong>von</strong> der hiesigen Setzerei, nachdem"wir" umgezogen sind. Ich hab darinein halbes Jahr ne Ausbildung gemacht.Danach hast du ja gefragt.Ich beschreib dir meine "Arbeiterkarriere"aber <strong>von</strong> Anfang an. (Es ist ne,Tatsache,es war auch insofern ne neue Erfahrungfür mich, weil ich das erste Mal inmeinem Leben ein ganzes Jahr am Stückeiner offiziell geregelten Tätigkeit nachgegangenbin.) Angefangen hab ich imFrühjahr '90 mit einem EDV-Kurs, dreiMonate. Das ist ein Grundkurs, der draußenauch angeboten wird. Im Keller ist einRaum eingerichtet mit mehreren Bildschirmen,und alle drei Monate findet einneuer Kurs statt. Das ist in allen Knästen<strong>von</strong> Ba-Wü ausgeschrieben, und ein gewisserProzentsatz <strong>von</strong> <strong>Gefangenen</strong>kommt für die Zeit dann hierher, manchebleiben. Das Problem dabei ist - Bruchsalist der Langstraferknast in Ba-Wü:Was will ein Gefangener mit einer "unendlichenGeschichte" vor sich mit soeinem Kurs, zumal hier nur in Ausnahmefiillenein eigener Bildschirm auf Zellegenehmigt wird, wo jemand dann seineFreizeit mit arbeiten könnte. Die Kursehaben meiner Ansicht nach vor allem dieFunktion der "sozialen Durchmischung",nämlich daß hier ein gewisserProzentsatz "Kurzstrafer" die "Langstrafer"durchrnischen. Es wäre dumm zu'sagen: Kurzstrafer lassen sich leichterködern mit "Lockerungen" usw. Aberdie Probleme sind ganz andere. Ich merkees ja an mir selber: Wenn ich weiß, einerhat nur noch ein halbes Jahr, dann leg ichkaum was rein, ihn näher kennenzulernen.Mein Lebensrhythmus usw. ist einganz anderer.Im September '90 bin ich dann in dieSchlosserei, ne Lehre machen. Nacheinem halben Jahr haben wir drei Lehrlingeaber die Lehre niedergelegt (kollektiv):Entweder es gibt jetzt ab sofort neFachausbildung / Schule, oder wir wollenArbeiterlohn (1,24 DM plus Prozente).Die anderen beiden haben es bekommenund sind geblieben, ich nicht. Deshalb binich in die Setzerei übergewechselt. Ausbildungsmäßigwar in der Schlosserei daseinzige: "Grundkurs Metall". Der dauerteca. drei Wochen und ist z. B. auch fürElektrikerlehrlinge obligatorisch. HatSpaß gemacht. Ansonsten war unsere Tätigkeitv. a. die "Serien", so haben wir'sgenannt. Da kommt ein LKW <strong>von</strong> einemKlein- oder Mittel-Unternehmer mit einerganzen Ladung vorgestanzter Winkeleisen.Wir haben sie dann in wochenlangerArbeit verschweißt. Oder es müssen andereEinzelteile hergestellt werden in gro-


Auflagen. Ich hab da schon einigesrot, z. B. Schweißen. Aber das habVon mitgefangenen Kollegen gelerntnicht <strong>von</strong> Betriebsmeistern ! Anderefträge waren Bestellungen <strong>von</strong> Beamselber,z. B. Geländer, Fenstergitterfür ihre neu erworbenen Eigenheime'. - natürlich alles mit Prozenten ...sind Schmiedearbeiten, und es gibt ne, die vor Weihnachten viel in BetriebWar. Da wurden viele Kerzenständer undlJhnliche Schmiedearbeiten gemacht <strong>von</strong>d


Gabi Hanka,Siggi HappeIn konkreten Schrittenfür reale VeränderungenAus <strong>Texte</strong>n vom Oktober 1990 und Oktober 1991zu "SOO-Jahre-Conquista"sowie ein Brief an die Hamburger Frauendas sind zwei texte zur kampagne gegendie 500-jahr-feiern. der erste ist ein kurzerausschnitt aus einer schlußerklärung, diewir im prozeß gegen uns ende 1990 vorgelesenhaben.inzwischen hat sich gezeigt, daß diemobilisierung schwieriger ist und sichweniger leute aus der radikalen linkendaran beteiligen, als wir damals gedachthatten. unser trugschluß war zu glauben,es wäre möglich, in einer langandauerndeninitiative die ganze situation einschneidendzu verändern, da in der kampagnealle inhalte zusammenfließen, andenen sich eine linke bewegung hätte neubestimmen können.heute wissen wir, daß es einen solchensprung aus der situation nicht geben wirdund auch nicht kann und daß die kampagnenur ein anfang ist, um diesen prozeßaufzubauen. selbst dies wird nur <strong>von</strong>einzelnen (<strong>bis</strong> jetzt) so gesehen und angegangen.wir wollen trotzdem diesen ansatz nocheinmal aufgreifen, weil die gedanken darinals grundsätzliche orientierung nachwie vor gültigkeit haben.den zweiten text haben wir ein jahr spätergeschrieben zur aktionswoche. er istleicht verändert, weil wir nicht mehr alleszutreffend fanden.der dritte text ist ein ausschnitt auseinem brief <strong>von</strong> gabi an die frauen in hamburg,die den aufruf zu unserer freiheitgemacht haben.Ioktober 1990unter dem schwerpunkt: 500 jahre indianer-und volkswiderstand haben die indigena-und campesinonorganisationen u. a.folgende ziele aufgestellt:ihre gebiete zu verteidigen und land zunehmeneine alternative wirtschaft aufzubauen,die aufkollektivierung basiertenteignung der großgrundbesitzer undtransnationalen gesellschaften, um lebens-,gesundheits-, wohnungs- und anderebedingungen zu ändern.diese ziele haben weltweiten charakter.in der einigkeit der völker und einer weitgreifendenmobilisierung und bewegungliegt die historische möglichkeit, diesenbarbarischen kreislauf, der seit 500 jahrenherrscht, abzuschließen und den weg für48eine neue lebensepoche zu öffnen.das niveau, auf dem die auseinandersetzungenheute laufen, ist, daß es um dieperspektive der ganzen menschheit geht,denn die zerstörung ist so weit fortgeschritten,daß kein land, kein volk da<strong>von</strong>ausgenommen ist; weltweit sind politischeund soziale lösungen zwingend.die entwicklung umzudrehen und ihrsinn zu geben, steht den interessen des kapitalsunvereinbar gegenüber, schon immerund aus der ganzen geschichte undihrem wesen ist auch klar, daß sie nieeinen anderen zweck verfolgt haben undauch künftig nicht werden als die ausbeutung<strong>von</strong> mensch und erde. was früher kolonisierunggenannt wurde, sind heutewirtschaftsverträge, die die internationalenstrukturen und monopole diktieren.für uns ist es das gleiche.es ist im grunde nicht viel, was die menschenweltweit fordern. es ist ihr recht aufdas, was ihnen seit damals fortlaufend <strong>bis</strong>heute weggenommen wird, und die bestimmungüber ihr leben. aber dieses wenigebedeutet alles, denn die vorausetzungdafür ist die enteignung des kapitals undseiner handlanger.11oktober 1991an dieser kampagne beteiligen sich vieleunterschiedliche gruppen aus europaundlateinamerika, und wir sehen darin einemöglichkeit, daß es zu einer verständigungüber die aufgaben kommen kann, diesich heute jeder politischen bewegungstellen. die erfahrungen sind zwar unterschiedlich,aber die anforderung heute istüberall die gleiche; wieder fähig zum politischenhandeln zu werden, um einflußauf die gesellschaftliche entwicklung zunehmen, hier wie international.ein kampfprozeß kann sich unserer vorstellungnach in der gegebenen situationnicht anders entwickeln als in konkretenschritten für reale veränderungen, in derdiskussion und organisierung dafür.die situation ist komplex, das ist allenklar, genauso wie jede/r sehen kann, daßdie probleme in immer schnellerem tempoeskalieren.die erfahrungen, die wir als gefangenein den letzten 2/3 jahren machen mußten,spiegeln in ihrem kern nur das wider, wasin allen gesellschaftlichen auseinandersetzungenzu sehen ist. die <strong>von</strong> der gesell-schaft völlig abgelöste macht tut nichtsanderes, als mit krisenverwaltungsstrategienjede reale, politisch-menschliche lösungsmöglichkeitder existentiellen problemezu blockieren und mit gewalt jedeentwicklung zu verhindern, die nicht <strong>von</strong>ihnen allein diktiert wird.denn durch die einschneidenden veränderungender letzten jahre ist die dominanzdes kapitals auf eine stufe gekommen,die vor nichts mehr halt macht, undwie der golf-krieg gezeigt hat, sind dieseherren der welt zum einsatz aller mittelbereit, wenn sich jemand ihren ökonomischenund militärischen interessen entgegenstellt.da<strong>von</strong> müssen wir ausgehen.der zusammenbruch der su bedeutet dasende einer ganzen historischen phase, unddamit ist der entwicklungsraum, der innerhalbdieses kräfteverhältnisses nochvorhanden war, auch abgeschnitten.durch die auflösung der ost-west-konfrontationsstellungsind den imperialistendie hände frei, um dieglol:!ale auseinandersetzungals ausgedehnten krieg gegendie massen im süden und die ausgestoßenenin den imperialistischen staaten vorzubereitenund zu führen.die dämme sind gebrochen, und jetztwird abgerechnet und einkassiert auf allengebieten und auch mit jeder vorstellungfür ein anderes leben als das der marktwirtschaftlichenverwertbarkeit.nur ihre wahrheit soll gültigkeit haben,ihre werte, ihre moral und ihre menschenrechte- für uns gibt es keine. aber so einfachgeht das alles nicht. und wenn sie diewestlichen demokratien als das einzigwahre in den himmel heben, dann wissensie sehr gut, was das bedeutet, und diemenschen im süden wissen es auch. dennes meint einzig und allein eine zukunft inluxus und wohlstand für eine schmale elite,die nutzen und profit aus dem kapitalismuszieht auf kosten des leids und elendsder massen. sie schreien "sieg", währenddie ganze welt ein pulverfaß ist. überallexplodieren die widersprüche, und dasprinzip "jeder gegen jeden" wird zur umfassendenrealität.soziale werte verschwinden, gesellschaftlichestrukturen zerreißen, und übrigbleibt das recht des stärkeren gegenüberdem schwächeren.die entwicklung ist am umkippen underzeugt eine destruktivität, die an den unterschiedlichenpunkten zur entladungkommt. das sieht man am krieg injugoslawien,in dem kochenden rassismus vor allemin europa und den usa, das sieht manan den mörderbanden gegen straßenkinderin südamerika - und diese aufzählungließe sich noch endlos fortsetzen.der erbitterte kampf darum, auch nochetwas vom kuchen abzubekommen undnicht der allerletzte zu sein, der auf derstrecke bleibt, zieht sich durch alle kontinenteund gesellschaften. dabei ist erlängst aufgeteilt, und da können sie erzählen,was sie wollen - eine neue blüte wirdes nicht geben. die propagierung da<strong>von</strong>hat lediglich den zweck, die menschen ineinem zustand der völligen resignation zuhalten oder in den individuellen überle-


~nskampf zu treiben. um zu verhindern,daß sich die existentielle verzweiflunggegen die verursacher und verantwortlicbenumdreht.die stufe, auf dem die kapitalistischeproduktion und verwertung angekommenist, schließt bereits heute 2/3 der weltbevölkerungaus jeder sozialen entwicklungaus bzw. findet auf ihrem rücken statt.denn das ist ja das prinzip, wie kapitalismusfunktioniert, dessen ganze existenzsich nur über die zweiteilung der welt inausbeuter und ausgebeutete aufrechterhält.so geht es jetzt ums absichern und verteidigendenen gegenüber, die nicht teilder noch-nutznießer sind, und das mit allerhärte. denn sie wissen sehr gut über dieinstabilität der lage und daß sie auf dauernicht milliarden menschen abhalten können,leben zu wollen.es ist eine linie, an der die ausgebeutetenweltweit zusammenkommen können.die erfahrungen sind zwar unterschiedlich,aber sie gehen überall an die substanzder menschen. und es wird klar, daß esüberhaupt keine andere möglichkeit gibt,als durch organisierten druck <strong>von</strong> untendie verhältnisse zu erzwingen, die sich anden lebensinteressen der menschen orientierenund nicht an dem profitwahn deskapitals.um diesen prozeß aufzubauen und zukonkretisieren, braucht es eine grundsätzlichandere zusammenarbeit zwischenallen politischen gruppen, die sich für radikaleveränderungen der herrschendenverhältnisse einsetzen, als <strong>bis</strong>her. ganzegal, ob es um widerstand gegen umweltzerstörung,gegen rassismus, sexismusund gewalt gegen schwule oder für selbstbestimmtelebensräume oder die internationalesolidaritätsarbeit geht, der widerspruchzum kapitalistischen system ist sofortpräsent und absolut. er muß in jederauseinandersetzung dahin zugespitzt werden,daß faßbar wird, welche konsequenzensich gegenüberstehen und welche entscheidungendaraus zu treffen sind. wasz. b. ist die konsequenz aus diesem "festung-europa-denken"?erst einmal ist esein mittel staatlicher politik, den vorhandenenrassismus anzuheizen, währenddiese "europa-protagonisten" sehr wohlwissen, daß sie weder die massen da<strong>von</strong>abhalten können, hierher aufzubrechen,noch daß damit die probleme zu lösen sind- sollen also bewaffnete grenzen gegendie menschen aus dem süden hochgezogenwerden?für uns stellt sich die frage, wie einegemeinsame arbeit mit den menschen ausanderen ländern, die hier sind, über denunmittelbaren schutz gegen angriffe hinaus,aussehen kann. "bleiberecht für alle"ist sowohl als forderung als auch alsverhältnis absolut richtig. aber: das richtigeverkommt dann zu einer hohlformel,wenn es schließlich nur sehr wenige sind,die sich gedanken darum machen, wie diemenschen hier leben und wie wir gemeinsammit ihnen lebensbedingungen durchsetzenkönnen.was es in diesem zusammenhang auchbraucht, ist, daß wir uns klar werden, daßdie rev. linke hier in den letzten jahrenimmer mehr an anziehungskraft verlorenhat und wir kein einziges unserer zielewirklich haben durchsetzen können.denn in gewisser weise ist das auch derboden, auf dem die staatliche politik sichin so brutalem rassismus ausbreiten kann,weil keine alternativen sichtbar sind. zumindestkeine einfachen und schnellen.viele, die sich am rechten rand tummeln,reagieren auf das, was sie hier tagtäglichzu spüren bekommen: als ausgegrenzteohne perspektive hier leben zumüssen. das vakuum, was die situationbestimmt, muß aufgebrochen werden.damit meinen wir, daß es hier zwar immerweniger menschen gibt, die der kapitalistischenproduktionsweise und dem ganzenwertemodell noch irgendetwas positives,geschweige denn eine lebensperspektivezutrauen, aber gleichzeitig auch keinealternative sehen.es ist immer beides, jeder kampf füreine andere lebensperspektive muß aufden kern der ursachen zusteuern. das istder unmittelbare zusammenhang zwischenarmut und weltmarktstruktur. anden kriegs- und weltmarktflüchtlingenwird die kluft zwischen den armen undausgebeuteten menschen im süden undden reichen in den industriestaaten, derlebenssituation, scharf. voraussetzung dafürist: daß die diskussionen daran orientiertwerden, ein weltweites zusammenkommender kämpfe an gemeinsam bestimmtenzielen (wie für die streichungder schulden), um in der kontinuität derinternationalen kämpfe einen unumkehrbarenprozeß der umwälzung jener struktureinzuleiten, wie sie heute als weltmarktexistiert.die 500-jahre-conquista- und widerstand-kampagneist eine möglichkeit, andiesem internationalen prozeß zu arbeiten,und nur in diesem prozeß können sichdie befreiungsperspektiven für uns alle inder veränderten situation neu herausbilden.brief an die vier frauen inhamburg, die den aufruf zurfreiheit geschrieben haben(dokumentiert in dieser Broschüre).inzwischen gibt es einige texte und stellungnahmenzu dem, was anfang diesesjahres vom staat zu den geplanten freilassungeneiniger gefangener kam, in denenfast durchweg gesagt wird, wir nehmendie situation, und es muß um eine perspektive,also freiheit für alle gefangenen,gehen.der <strong>bis</strong> jetzt klarste ansatz ist, die ganzeüber zwanzigjährige vernichtungsstrategiepräsent zu machen und in die öffentlicheauseinandersetzung zu bringen gegendas <strong>von</strong> ihnen auferlegte stillschweigenund getöne <strong>von</strong> normalität, über das siedie geschichte in die vergessenheit schikkenwollen. das ist ein wesentlicher ausschnitt,der auch noch viel massiver ausgedrücktwerden muß, aber daran alleinekann sich eine mobilisierung, die die freiheiterkämpfen will, nicht orientieren. inden diskussionen dafür müssen wir auchüber die veränderte situation, mit der wirheute konfrontiert sind, sprechen, undwie wir daraus die ziele bestimmen undkonkretisieren können.nach dem hungerstreik '89 hatten vielegesagt, daß das neue darin war, daß vielemenschen aus ganz unterschiedlichen gesellschaftlichengruppen aus ihren eigenenerfahrungen mit dem staat die verbindungzu uns und unseren forderungen hergestellthaben. leider hat sich der darinsichtbar und möglich geWordene politischeprozeß in der gesellschaft in den inzwischenvergangenen drei jahren viel zuwenig weiterentwickelt, aber ich sehedarin nach wie vor den zentralen anknüpfungspunktund auch den rahmen, in demdie diskussion über die vielen existentiellenfragen, die heute vor uns stehen, sichentwickeln muß.ich finde es auch notwendig, daß darinder zusammenhang zur grundsätzlichenhaltung des staates gegenüber gesellschaftlichenproblemen/konflikten hergestelltwird, denn es ist mittlerweile dortangekommen, daß jeder kampf um existentiellebedingungen <strong>von</strong> ihnen <strong>bis</strong> zurmachtfrage eskaliert wird.diese erfahrungen ernstzunehmen undals gemeinsame zu begreifen, ist für michdas erste, was wir als basis brauchen, umwege zur überwindung der staatlichen krisenmanagementpolitik,die nichts andereskennt als repression und herrschaft, zufinden und politischen handlungsraum zuerkämpfen.dazu gehört sicher auch, sich die erfahrungennochmal ranzuholen, gerade dieaus den starken bewegungen, die es in den80er jahren gab, gegen nato, stationierung,startbahn, für selbstbestimmte lebensräume,häuser ... , und über diegrenzen, auf die wir gestoßen sind, zu reden,die eignen und die unnachgiebigehaltung des staates.'denn das muß im verhältnis zueinandergesehen werden, der staat ist immer härtergeworden <strong>bis</strong> dahin, daß heute je d e autonomeorganisierung schon vor ihrer entstehungzerschlagen werden soll, um zuverhindern, daß eine struktur entsteht, inder alternativen greif- und vorstellbarwerden. das betrifft menschen, die in sozialenbereichen arbeiten, ganz genauso,ob bei drogenberatung, aids oder gegenobdachlosigkeit, sie sind permanent damitkonfrontiert, daß sie gegen mauem rennenund nichts erreichen, im gegenteil:ihr handlungsraum wird systematischweiter abgeschnitten durch kohlestreichungenund und.der staat hat keine lösungen, aber dasmonopol, über die entwicklung zu bestimmen- und daneben soll nichts anderesexistieren.die menschen in der ddr machen dieseerfahrung massenweise. die wirkung diesererfahrung darf nicht unterschätzt werden,gerade die aus den kämpfen gegendie stationierung, als brd-weit sovielemenschen auf den beinen waren <strong>von</strong> überall- schulen, unis, gewerkschaften, autonome... -, wie ich es seitdem nicht49


mehr erlebt habe - und trotzdem wurdedie stationierung durchgezogen. aber ichmeine auch die aus der jüngeren zeit, denletzten drei, vier jahren: unser streik '89,der streik der spanischen gefangenen oderder golfkrieg.wenn sich, wie ihr sagt, in den letztenjahren viele zurückgezogen haben, hoffnungslosgeworden sind, dann kommt dasja genau aus dem realen hintergrund, daß,egal wie breit oder militant sich diekampfprozeSe <strong>bis</strong>her entwickelt haben,gegen diese macht scheinbar nichts auszurichtenist.und darauf setzen sie, daß die menschensich mit ihrem status als objekte abfindensollen und an ihrer resignation ersticken.die dimension da<strong>von</strong> ist in einer zeit, inder es keine greifbare und anziehende perspektivedagegen gibt, noch viel tiefgehender.das muß in die politische arbeit jetzt einbezogenwerden, und ich sehe es so, daßes momentan vor allem darum geht, überhauptwieder voraussetzungen zu schaffen,um einen widerstandsprozeß neu aufzubauen,der in der lage ist, alles mit einzubeziehen,vom kampf um selbstbestimrntelebensbedingungen,u~senderpolitischer und sozialer organisierung <strong>bis</strong>zur internationalen arbeit. das muß sich inden konkreten auseinandersetzungen jetztentwickeln.ihr benennt es als manko, daß es in den80er jahren hauptsächlich die orientierungan dem ,gegen .. .' gab. aber ist es nichtimmer so, daß alle kämpfe sich auch gegendie staatliche politik richten müssen?ich verstehe schon teilweise, was ihrmeint: daß die trennung, die es gab zwischenden eigenen lebensvorstellungenund dem, wieweit sich in den mobilisierungenverbindliche beziehungen undprozesse untereinander entwickelt haben,sehr stark war. das verbindende bestimmtesich erstmal über das ,gegen die startbahnetc... .'; aber ja trotzdem notwendigekämpfe, in denen eine politisierunglief, der begriff über den staat und seinestrukturen genauso wie über die eigenenziele und handlungsmöglichkeiten klarerwurde. für mich war das auf jeden fall so,und ich glaube, für die anderen gefangenenaus dem widerstand trifft das genausozu.das hauptproblern sehe ich eher darin,daß, nachdem die bewegungen ständigeniederlagen erfahren haben, daraus keinegemeinsamen schlußfolgerungen gezogenwurden. damit meine ich nicht ein und diegleiche konsequenz für alle, sondern daßes nicht einmal eine vermittlung untereinandergegeben hat, jede/r seiner / ihrerwege ging wie vorher auch, und viele habensich ganz in ihren privaten alltag vergraben.ein puerto-ricaner, der hier auf reisewar, hatte den eindruck, daß hier anscheinendimmer wieder alles <strong>von</strong> vorne anfängt,als ob es keine erfahrungen gäbe,und damit trifft er "SChonauf einen wahrenkern. warum das so ist, darüber müssenwir reden. ein teil sind ganz sicher unserestrukturen, die uns oft selbst im wegestanden, und die unfiihigkeit, mit den un-50terschiedlichen positionen solidarischstatt konkurrierend umzugehen.aber weiter zu heute: bei allem, was angefangenhat im letzten jahr, z. b. der organisierunggegen rassismus, es reicht janicht aus, schutz aufzubauen und soweitwie aus den eigenen strukturen möglichlebenshilfe zu geben oder sich mit denneo-nazis, skins rumzuschlagen, sonderndarin muß sich ja genauso widerstand gegendie politik des staates entwickeln.grundsätzlich denke ich, daß es überallzu der haltung kommen muß: wir lassenuns nicht länger gefallen, daß der staatund die darin verantwortlichen stellenüber unser leben entscheiden, also darüber,wo und wie wir leben sollen - siedamit zu konfrontieren und das zu fordernund zu nehmen, was gebraucht wird.ganz konkret und ich denke auch als teileiner bestimmung für schritte, die an denkern der ursachen für die weltweit eskalierendenprobleme treffen - die <strong>von</strong> denimperialistischen staaten festgelegte weltwirtschaftsordnung.denn sie ist die zen~trale struktur, die· weltweit für die miserablenlebensbedingungen genauso wiefür die stetig zunehmende ökologischezerstörung verantwortlich ist. an der aufrechterhaltungund ausfeilung dieser ordnungin der veränderten weltlage bestimmtsich die politik.mit der tatsache, daß für die kapitalentwicklungimmer weniger menschen benötigtwerden, hängt zusammen, daß ihrhandlungsbedarf oder politischer wille,gegen die sozialen notlagen etwas zu unternehmen,gleich null ist. im gegenteil,sie wollen die für sie überflüssig gewordenenmenschen loswerden, egal ob durchcholera, hunger oder drogen und selbstmorde.das macht die auseinandersetzungauch so scharf, weil es an jedem punkt undin jedem moment die konfrontation mitdem ganzen system wird.ich muß oft daran denken, was ,eI nato'aus uruguay auf veranstaltungen hier gesagthatte dazu, daß die aufteilung 1., 2.,3. welt überhaupt nicht mehr hinhaut,sondern sich global durch alle länder dieexistenz verschiedener welten durchzieht.dazwischen geschaltet sind polizeiapparatund militärs. die entwicklung findet in unterschiedlichenräumen statt, die des kapitalsund die des großteils der gesellschaftenist auch in den metropolen zum widerspruchin sich geworden. das bedeutetauch etwas dafür, wie ein politischerdruck auf sie wirkung bekommen kann,denn es hat sich verändert, wieweit sienoch wert auf gesellschaftliche legitimitätlegen, eigentlich fust gar nicht mehr, ebensolange nicht sie es sind, die es abkriegen,sondern die menschen sich gegenseitigfertigmachen.das sind jetzt ein paar gedanken, die ichwichtig finde dafür, wie ein revolutionärerprozeß neu angepackt werden kannund wie darin der kampf für unsere freiheitsteht.denn es gehört für mich zusammen, undauch wenn es nicht automatisch so seinwird, daß ein anderes umgehen des staatesuns gegenüber gleich bedeutet, daß ihredurchgängige haltung einbricht, gibt esdie wirkung da<strong>von</strong>, und die ausgangslagewird sich verändern.es gibt keinen kampf mit einer solchenkontinuität wie der kampf um unsere forderungen,<strong>von</strong> drinnen und draußen, undallein das ist schon eine andere voraussetzung,weil auch dem staat klar sein muß,daß dieser kampf so lange weitergeführtwird, solange es politische gefangene inden gefiingnissen gibt.


SvenSchmidEine strategische Allianz,an 'dem Ziel Umwälzungdie sichorientiertAus Briefen vom Januar 1991 <strong>bis</strong> Januar <strong>1992</strong>27.1.91, , , es ist wirklich schwer, worte zu finden.der offene kriegsausbruch ist in meinenaugen eine politische und moralischeniederlage für die revolutionären und fortschrittlichenkräfte. oder wie wir oft gesagthaben, es muß alles daran gesetztwerden, daß gangbare alternativen eröffnetwerden, und das beinhaltet ja auch unmittelbar,daß der tendenz zum krieg diespitze gebrochen wird. diese frage ist jetztwirklich endgültig beant\Wrtet. diesekriegsmaschinerie kriegt (vorerst) niemandgestoppt.der verlierer ist auch' der mensch alssinnbildendes wesen, und 'der <strong>bis</strong>herigegewinner ist die hochtechnologie, die ,intelligentenwaffensysteme' - die künstlicheintelligenz im4 allgemeinen. (" ...schon sprechen fachleute <strong>von</strong> einem ,siegder intelligenz über die bloße feuerkraft'... ", faz.) das heißt ja auch nichts anderes,als daß der kampf zwischen menschund technik seit der ersten industriellenrevolution mit einer weiteren niederlagefür den menschen endet und eine epochedes krieges beginnt.in diesemmenschlichen,high-tech'-krieg fallen dieund sozialen kriterien abwie welke blütenblätter: die künstliche intelligenzkennt keine humanen kategorien,kennt keine freude und kein leid,kein hoffen und kein bangen, und diemenschen werden zum ,stillen beobachter',zum re-aktiven subjekt degradiert,werden systematisch ihrer empfindungenberaubt und damit ihrer menschlichen dimension.die ,sinnlichkeit' in der ,chirurgischenoperation' ist reduziert. auf dieperspektive der maschine, damit wird diereali~t des krieges gesplittet, und es gibtkeine wahrnehmbare .wirklichkeit unddamit keine empfindung. was es gibt, istdie produziertekünstliche.,zweite natur' - diehier der medienscbirm als käseglockezur inneren einkreisung, um den äußerenkrieg realisierbar zu machen (führbar).wenn sie zerbricht - und sie wird zerbrechen,das ist nur eine frage der zeit -,wird der schock um so größer sein, unddies wird dann der 2. sieg der maschineüber den menschen: die scham des unfertigenund schmutzigen menschen gegenüberder fertigen und sauberen maschinel,künstlichen intelligenz' - es herrschtdie sprachlosigkeit des menscben gegenüberden schrillen videos des krieges ...egal wie man's dreht und wendet, dieausgangslage ist die niederlage, ist dertruppenaufmarsch und der krieg - undder damit verbundene reaktionäre schub,den die ganze auseinandersetzung bekommenhat - solange es keine wirkliche alternativegibt.2.2.91... wenn man die ganzen inneren undäußeren aspekte der option des kriegessich ansieht, läßt sie nur einen schluß zu:sie kommt einer generellen kriegserklärunggegen die völker im trikont und gegendie fortschrittlichen und revolutionärenkräfte der metropolen gleich. uns stelltsich damit auch jede tendenz zur umwälzungvor eine veränderte situation. denndie ,tendenz zum krieg' ist der realität deskrieges gewichen, und die bringt zwangsläufigaus ihrer gesetzmäßigkeit mehrerefronten hervor, was ja schon in unterschiedlichenzügen zu sehen ist. grad hierder ganze aspekt der ,inneren sicherheit'- wo schäuble in der debatte zur regierungserklärungschon hingewiesen hat,die innere mobilmachung wird sich aufeinen längeren zeitraum erstrecken •...die konfrontation wird schärfer und unerbittlicher,und es wird eine zunehmendepolarisierung geben, die ersten anzeichen<strong>von</strong> pogromen sind schon sichtbar. darinmüssen natürlich auch politische zielvorstellungenüberdacht werden. die grundlegendenpolitischen orientierungen, diesich aus den letzten jahren herauskrlstallisierthaben, werden sich in ihrem gehaltnicht ändern, aber solange die ,kriegsfront'nicht aufgebrochen ist, können siesicher nicht wie <strong>bis</strong>her weiter verfolgtwerden. und wie die politischen verhältnissesich aus der mobilisierung gegen denkrieg neu gestalten und verändern, kannheute noch gar nicht abgesehen werden5.3.91... ich denk's so: in den ganzen'überlegungen<strong>von</strong> uns jetzt muß die sog. ,tagespolitik'mehr in den hintergrund treten,um den blick auf das kommende zu richtenund die damit verbundenen aufgaben undanstrengungen. es ist ja auch so, 'wennsich ständig in der abhängigkeit ihrer geschwindigkeitbewegt wird, führt daszwangsläufig zum zusammenbruch dereigenen politik, d. h. es kann nicbt derraum und die zeit geschaffen werden fürdie eigene geschwindigkeit, den eigenenrhythmus.der ganze gedanke geht da<strong>von</strong> aus, daßes z. z. keine politisch I militärische kraftgibt, die sie unmittelbar aufhalten kannoder zu lösungen zwingen. d. h. auch, daßes unmöglich ist, ,auf der höbe der konterrevolution'zu antworten und zu agieren.das würde in der <strong>von</strong> ihnen militarisiertenauseinandersetzung stecken bleiben, undzweitens kann es (heute) nicht das politischeziel sein, in der <strong>von</strong> ihnen machtpolitischdeterminierten konfrontationsstellungdie schwachen kräfte der umwälzunggegenüberzustellen ...9.6.91... wir hatten das ja schon mal - ,kriegals umfassender begriff' -, ich hab 's malso zusammengefaßt : die äußerste anspannungdes kapitals ist der krieg, und wennwir sagen: verallgemeinerung des kriegesals bestimmender ausdruck der wirklichkeit,dann entspricht das der politisch Istrukturellen transformation der aggressivitätdes kapitals, des umfussenden angriffs.die aggressivität des kapitals zursteigerung des mehrwerts, der profitrate,und deren absicherung manifestiert undkonkretisiert sich in der militärischen option.krieg ist keine ,unabhängige größe'- ,geisel der menschheit', er ist das produktund gleichzeitig spiegelbild der wirklichkeit.also auch hier: ursache und wirkung.in diesem zusammenhang muß auch dieganze auseinandersetzung um die ,neustrukturierung'det NAlO gesehen werden- und die damit verbundene fragenach einer europäischen eingreiftruppe,deren aufgabe, und wie setzt sich dasoberkommando zusammen. das alles sindvPrbereitungen zu weltweiten militärischeneinsätzen, zur krisenbewältigung Isicherung,und nur wer in der lage ist, militärischeauseinandersetzungen zu führen, hat mitspracherecht,hat bei der aufteilung deskuchens mitzureden. die brd-regierungwird alles daran setzen, um so ein debakelwie im zusammenhang mit dem golfkriegin zukunft zu verhindern. die militärischeeskalierung läuft nicht linear durch, aberdie richtung ist klar ...51


6. 7.91... daß die menschen ihre interessen zu(über-)leben in die eigenen hände nehmenmüssen aus der wirklichkeit, diese einsichtin die notwendigkeit muß politischgeleistet werden. d. h. aber auch gleichzeitig,daß eine möglichkeit und orientierungdes umwälzungsprozesses geschaffenwerden muß - und das vor allem hierin den zentren. denn auf welche ,überlebensstrategie'die menschen hier vorbereitetwerden, auf welche die herrschendemacht setzt, haben sie mit dem krieg amgolf sehr deutlich gezeigt.die ganze ausrichtung signalisiert jeder/jedem, die / der hier lebt,und nutznießer der verhältnissegeborenist: dumußt ,ohne rücksicht aufverluste' um deineprivilegien kämpfen, und sei es das einzigeprivileg - was in anbetracht der internationalensituation auch eins ist -,daß du täglich zu essen hast, ein bett imkrankenhaus ...diese (über- )lebensstrategie der weißenherrenrasse ist tödlich, und daß sie greift,hat der krieg gegen den irak, die aufständischenara<strong>bis</strong>chen völker gezeigt. und eswar sichtbar, wer dagegen aufgestandenist - und wer zum apologeten der machtwurde. diese entwicklung wird die gesellschafthorizontal und vertikal auseinanderreißen.und ich denk, dieser ,ruck',der quer durch die gesellschaft gehenwird, den dürfen wir nicht unterschätzenund verpassen - politiSCh -, da müssenwir mit allem, was wir sind, mitten drinsein ...es geht dabei grundsätzlich um einenpolitisch / praktischen bezugsrahmen ­gerüst, politik. manchmal mein ich, esverläuft sich schier alles, obwohl vielemenschen, gruppen, organisationen dasselbeim auge haben - kämpfen, um zuleben. und denen ist allen bewußt, daß essehr tiefgehende veränderungen hierbraucht, das sind keine ,polit-slogans',das sind die erfahrungen auch aus den80er jahren. eben die tatsachen.aber ich habe oft den eindruck, als obdieses verständnis völlig blockiert ist. ausder verunsicherung, in welchem politischenbezugssystem sich bewegen, artikulieren- welche formen, mittel und möglichkeitenergreifen. dann hält man dochlieber am althergebrachten fest oder rücktdie ,befindlichkeitsfragen' in den mittelpunkt... , obwohl die arbeit, die zu leistenist, regelrecht vor der nase steht. undbei den ansätzen, die es gibt, hab ich deneindruck, dies wird viel zu schüchtern angegangen,anstatt daß die leute mal aufden tisch hauen und sagen, so und so siehtes aus, also was machen wir jetzt damit ­und sich auch so vermitteln, sicht- undhörbar werden ...22.9.91... nochmal so gesagt. wir leben in einerzeit des umbruchs. nichts bleibt so, wie es·war. und die ziele müssen auf ein neuesformuliert und angegangen werden. momentanbestimmt der allgegenwärtige zu-52sammenbruch, das sichtbarw'erden desausmaßes der ausplünderung den verlaufder auseinandersetzung - treibend hin zuneuen konflikten, ausbrüchen und katastrophen.die macht entpuppt sich als tönernesgebilde, das hochgerüstet . durchdie epoche schliddert, bildet eingreiftruppen,kommissionen fiir alles und jede/nodie entwicklung zu heute ist facettenreich,kommt in ihrer analyse aber immerzu dem gleichen ergebnis: ihre geschichteist zu ende - und genau da muß die entscheidung,das subjekt, die politik ansetzen,um den prozeß zu eröffnen, fiir eine.bewegung aus der erstarrung, denn dienicht-politik ist gleichbedeutend mit dermumifizierung der macht im sozialen vakuum.die subjektive entscheidung imkollektiven kontext der gesellschaftlichenveränderungen muß als skizze das neue,d. h. die art und weise, heute revolutionärzu denken und zu handeln, (als möglichkeit)sichtbar werden lassen, damit esüberhaupt zu einer politischen bewegungkommen kann, in welcher der soziale sinnund die fundamentalenihren wert bekommen.politischen zielemomentan stehen sich die wirklichkeitund der mögliche politische weg erstarrtgegenüber. die beschleunigung der gewaltund zerstörung in ihrer objektiven kraftbestimmen und determinieren den verlaufder auseinandersetzung - d. h ..in der abhängigkeit,die reaktion darauf. eben, woimmer noch das objektive der veränderungen,der neuen lage, auf die wir stoßen, imvordergrund steht und nicht die politischetransformation aus der entscheidung dersubjekte. aber ohne entscheidung das neuesichtbar zu machen, in seiner antizipationvorstellbar, verkommt das reden darüber,über die ziele, zur verbalen trockenübung.nur der politisch handelndemensch konkretisiert die gegenbewegung!...3.10.91... der niedergang, ,das system bereitetseinen zusammenbruch vor', heißtnicht, daß die macht des kapitals sichmir nichts dir nichts in luft auflöst, sonderndaß das system in allen seinen zweigennicht mehr reproduktionsfähig ist.eben zusammenbruch des jetzigen, bekanntenpolitisch-ökonomischen gefiiges,und die alten krisenmechanismen sindverbraucht. die wirtschaftspolitischenentscheidungen zerreißt sie ja jetzt schonnahezu - d. h. sie brauchen neue, dasgeht aber mit dem jetzigen politisch-ökonomischensystem nicht. das politisch/soziale modell des bürgerlichen rechtsstaatesist dazu nicht in der lage, der gesamteüberbau muß sich hin zu einem offenagierenden autoritären staatswesentransfurmieren, mit der entsprechendenideologie - der kern wird sichtbar: faschismusund krieg ...und hier schließt sich unmittelbar diefrage an, was dem zusammenbruch alsmöglichk:eitund vision entgegengestelltwird, bzw. ,lösungen für die menschen'muß einen unmittelbaren und zukünftigencharakter haben. und hier haben dannauch die gedanken ,schnitt/zäsur' einensinn, wenn si~ als politisch-praktischeauseinandersetzung gefiihrt werden. dasläßt sich nicht in einzelne begriffe pressen,und es läuft nicht in schematischendenkweisen wie ,alt-neu'. ,breite-rnilitanz'... als appeasement, kuhhandeloder was weiß ich, was sich da alles sovorgestellt wird. aber wenn die aufbrüchenicht aus den veränderungen, den spezifischenbedingungen geschaffen werden,wird sich der ganze politische prozeß linearweiterentwickeln und im ergebnis in erstarrteschablonen und hinter sich selbstund die wirklichkeit zurückfallen. ein verlängertesdagegenhalten, ohne reale entwicklungsmöglichkeiten,würde die handlungenbestimmen. was du heute ja schonZ. t. feststellen kannst.die wurzeln reichen eigentlich <strong>bis</strong> mitteder 80er zurück, wo es nicht geschafftwurde, ein ,neues politikverständnis' zuformulieren, durchzusetzen, um in veränderterlage zu einem adäquaten begriffund daraus resultierender vorstellung zukommen. und wie '89 unter ,verschiebungzum politischen' alles mögliche verstandenwurde, ohne wahrzunehmen ­vor allem auch nach dem abbruch desstreiks -, daß ,verschiebung' eine materialitätaus und fiir die kämpfe hat undeinen inhalt besitzt: umwälzung. und daßfiir diesen einzuleitenden politischen lerndenk-arbeitsprozeßmaterielle notwendigkeitenexistentiell sind (fiir uns die zl... ).aus dem, daß sichtbar ist, in welcherichtung sie marschieren, und daß kein relevanterpolitischer handlungsraum dagegeneröffnet werden konnte - dies zusammengenommenfiihrt in meinen augendazu, daß heute gesagt werden muß: sogeht einfach nichts weiter. und dabei istdas mißverhältnis (zwischen politischerhandlung und wirklichkeit), wie es sichu. a. in den diversen mobilisierungsansätzen,fiir die zl / diskussion' ausdrückt,symptomatisch dafiir, wie die linke, diemenschen ihre eigene lage begreifen.das ist unabhängig da<strong>von</strong>, woran im konkretengearbeitet wird, denn der innerezusammenhang ist identisch.<strong>von</strong> dieser realität ausgehend muß diefrage aufgeworfen werden, wie sich umwälzungals weg, als revolutionärer prozeßüberhaupt vorgestellt wird, dennsonst greift jeder versuch, den politischenprozeß wieder freizukämpfen, ins leerebeiuns genauso wie an anderen entscheidendenpunkten. der ausgangspunkt fürdiese überlegungen hat sich nach vorneverschoben: nahezu alle sagen, ,die objektivengrenzen sind überschritten, dahinterfällt alles in gewalt, chaos und zerstörung'.- und die, die in konkreten arbeitenstecken, kommen zu dem schluß,,es muß <strong>von</strong> hier aus radikale und tiefgreifendeveränderungen / konsequenzen geben'.aber genau an dem punkt , wie' istdie entwicklung nicht weitergekommen,und da muß politik heute ansetzen, ihrefiihigkeit, vorausschauend zu denken undzu handeln, unter beweis stellen. damit ineiner ,politischen klammer' diese überall


gewonnenen erkenntnisse aus ihrer zerstreuungund damit konsequenzlosigkeitherausgerissen werden, damit sie in gemeinsamepolitische handlungen münden,eine ,strategische allianz' geschaffenwird, die sich an dem ziel: umwälzungorientiert ...23.1.92... wie es bei uns aussieht? wir wartenimmer noch auf die revisionsentscheidung,wobei ich denk, es wird bald malsoweit sein, denn der prozeß ist ja nunschon seit über 15 monaten rum. wie diebedingungen sind? na, was soUich dazusagen. es schaut so aus, daß stefan und ichnach wie vor getrennt sind und auch nichtmit abdel und hafez, den beiden palästinensernaus der PFLP-GC, zusammenkommendürfen. gabi und sigrid kriegenkeine besuchsgenehmigung für uns, undwenn du zu besuch kommst - 30 minutenoder 'ne stunde, denn das entscheidet derknast -, haste trennscheibe und lka-überwachung.und der tagesablauf - einestunde hof am lag, da<strong>von</strong> 2 bzw. 3 mal diewoche, eben im turnus draußen unter freiemhimmel, ansonsten die restlichen 4bzw. 5 mal in beton-decks, käfigen - unddann gibt 's täglich 2 stunden ,freizeit' : dakannste video schauen, deutsch, oder innem anderen raum in wechselnden sprachen.ich red meist mit den männern hieroder spiel mal nen schach. ansonsten binich 21 std. auf der zelle. seit neuestemgibt's hier jetzt nen sportkurs, 2 mal diewoche ne stunde. und ich kann jetzt einbißchen in den himmel sehen, und es istheller im loch, weil die scheiben über denbetonblenden ausgewechselt werden. dasmilchglas wird durch normales glas ersetzt.d. h. ich kann jetzt auch öfters dasneon-licht ausmachen ...und sonst, die letzte zeit hab ich viel gelesenund die auseinandersetzung - soweites geht - des letzten jahres rekapituliert.einfach auch um zu schauen, wie indie auseinandersetzung mit euch ,draußen'zu kommen - aus welchem verständnis.grad auch im hinblick zum wwgund der mobilisierung gegen die 500jährige-conquista.aber das hängt alles nochmehr in der schwebe und trifft immer aufdas grundsätzliche problem: die diskussion,so wie sie notwendig wäre, läßt sichunter den bedingungen einfach nicht führen.- oder wenn jetzt gruppen/zusammenhängematerial zu ihrer arbeit schikken,auch um uns in die diskussion miteinzubeziehen,wie es einige im zusammenhangmit dem wwg überlegt haben, kommenhier durchweg leere umschläge an.diskussion hat immer ihren eigenen raum.- politisch und sozial, das ist bei euchdraußen ja auch nicht anders ...was du zum ,aktionstag' innerhalb derwoche schreibst. das war hier in ffm, derregion auch nicht anders. na, es sind wohlüberall dieselben fragen und schwierigkeiten.im einzelnen kann ich dazu wenigsagen, die konkreten probleme kennst dubesser als ich, auch wie sie überwundenwerden können - auch in der mobilisierungzum wwg und gegen die 500jährigeconquista.du hast geschrieben, ,der umbruchsprozeßschreitet voran und hinterläßt frustrierendespuren' - was meinste damit? wasverstehst du unter umbruch bzw. überlegtihr da zusammen dran?ein paar gedanken dazu. ich denk, umbruchund ,vorläufigkeit der situation'gehören heute ganz eng zusaIDmen, alles·ist in bewegung und unterliegt ungeheuerlicherbeschleunigung. aber zuerst istwichtig zu sehen, daß umbruch nicht diealleinige reaktion auf die äußeren veränderungensein kann. sondern die innerenprozesse des umbruchs und die damit verbundenenfragestellungen haben schonvorher angefangen. eben aus den grenzen,auf die grundsätzlich alle widerstandsundkampfprozesse gestoßen sind. undaus diesen erfahrungen, natürlich unterden neuen äußeren bedingungen, diedurch die kämpfe mitgestaltet werden,muß heute ein neuer reifungsprozeß ingang gesetzt werden. ich sag das ausdrücklichso, weil ich oft gelesen habe,daß die frage nach umbruch/ ,neugestaltung'viel zu eng oder auch ausschließlichaus den objektiven veränderungen - z. b.dem zusammenbruch der ,real-sozialistischen-staaten'- gesehen und begriffenwird. das wird der situation einfach nichtgerecht, auch der möglichkeit, die in ihrsteckt. man schneidet sich dadurch selbstden zugang zu den eigenen erfahrungenab, und die geschichte wird als was äußerliches,als anhängsel begriffen, die manvielleicht noch am liebsten loswerdenmöchte. darin wird überhaupt nicht diemöglichkeit verstanden, die sich aus derhistorischen akkumulation ergibt, und siebesitzt einen erfahrungsreichtum, ausdem wir heute schöpfen können. bildlichgesprochen, wenn du dich nicht auf deineerfahrungen besinnst und auf deine wurzeln,wirst du immer im kreis laufen, anstattdaß du dich auf den weg machst, dersich immer weiter verzweigt.vorläufigkeit meint auch, daß sich diewirklichkeit in einem ganz anderen gesichtzeigen wird, wenn die ganze krisenentwicklungmit aller macht in die zentreneinbricht und sie erschüttert. eine entwicklung,die heute schon spür- und faßbarist und die das gesamte politische undsoziale gefüge auseinanderreißen wird.und die frage, die sich dann unmittelbarstellt: sind gegen-kräfte herangereift, materiellvorhanden, die in die krisenentwicklungeingreifen können, um den notwendigenveränderungs- / umwälzungsprozeßzu gestalten, zu initüeren - oderfinden sie sich überhaupt nicht zurechtund werden einfach an die wand gedruckt?...53


Andrea SieveringEine ,Ordnung' wird es nicht geben,sondern nur eine Verschärfungder Widersprüche und KämpfeAus einem Brief vom Oktober 1991das ist jetzt ein brief <strong>von</strong> mir <strong>von</strong> ende oktober1991, den ich ein bißchen nochüberarbeitet habe. es sind gedanken, dieich geschrieben habe im zusammenhangmit der eskalierung der rassistischen angriffeund der verschärfung der staatlichenausländer- und asylpolitik. das istabsolut nichts fertiges oder WIlfitssendes,mehr ein beitrag, um in die diskussiondaruin zu kommen.politisch finde ich das einen notwendigenund wichtigen bestandteil einer internationalistischenpolitik <strong>von</strong> uns hier ineuropa, die direkte unterstützung und s0­lidarität mit all denen, die der staat vertreiben,abschieben, gar nicht erst herkommenlassen will. es kann nicht sein,daß eine bewegung internationalistischkämpfen will und die menschen, mit denenwir konkret hier zusammentreffen, alleinläßt im kampf gegen die staatlichemachtpolitik und die immer schärfer werdendenangriffe <strong>von</strong> faschos. das ist nochalles, soweit ich das hier drinnen mitbekomme,total unterentwickelt. es kommtmir zumindest so vor, als gäbe es <strong>bis</strong>hernoch wenige strukturen, schon aufgebautebeziehungen zu emigrant/innen, anlaufstellen,um sich kennenlemen zu können,was voraussetzung ist, um herauszufinden,was zusammen möglich ist, oderstrukturen, aus denen der schutz vor übergriffen<strong>von</strong> faschos organisiert werdenkann. mich interessieren stark die erfahrungen,die gerade im letzten halben jahrgemacht wurden in verschiedenen konkretenansätzen und kämpfen, wie z. b. innorderstedtl.in der konkreten unterstützungsarbeitsehe ich zwei felder, die wichtig sind.zum einen die unterstützung <strong>von</strong> menschenaus befreiungsbewegungen, diesich zeitweise oder auch länger in derbrd/westeuropa autbalten wollen. da istdie bestimmung, hier in europa den raumoffenzuhalten, den die menschen aus befreiungsbewegungenbrauchen, politischfiir ihre arbeit hier in der brd / westeuropa,und daß sie hier eine art rückzugsgebiethaben können. das ist auch nicht nur einesache <strong>von</strong> solidarität, wie sie eigentlichselbstverständlich sein müßte, mit menschen,die wie wir für eine andere weltkämpfen, sondern es geht ganz direkt umunsere möglichkeiten, diskussionen führenzu können, die befreiungsbewegungenkennenlernen zu können, beziehungenautbauen zu können, damit darausgemeinsamer kampf werden kann.da sind wir konfrontiert mit der staatli-54chen und zunehmend europäischenmacht, die diese beziehungen kappenwill. z. b. über die kriminalisierung, diehier in den letzten jahren verstärkt gegenorganisationen aus befreiungskämpfenhochgezogen wird, wie in den prozessengegen die kurden,die iren, die palästinenseroder die kriminalisierung und hetzegegen ara<strong>bis</strong>che menschen während desgolfkrieges (kontrollen, hausdurchsuchungen,verbot <strong>von</strong> politischer tätigkeit... ). gleichzeitig trifft der versuch desstaates, das asylrecht zu kippen oder soeinzugrenzen, daß da nichts mehr <strong>von</strong> übrigbleibt, gerade auch die menschen ausden befreiungskämpfen. da soll jetzt maleben in einem hauruckverfahren eingrundlegendes menschenrecht ausgehebeltwerden. so wollen sich staat und kapital(und das auch gleich in europäischerdimension) das formal-juristische instrumentariumverschaffen, um die grenzendicht zu machen für menschen aus den befreiungskämpfen.das andere feld ist, die grenzen offenzuhaltengegen den versuch der europäischenmacht, die ,festung europa' zu errichten.durchzusetzen, daß hier jedermensch leben kann, wenn er/sie es willbzw. muß, weil die katastrophalen bedingungenin den heimatländern zur fluchtzwingen, wie krieg, hunger, elend ...ich finde es schwierig, sich da auf einzelneflüchtlingsgruppen zu begrenzen,wie es in einigen mobilisierungen war,z. b. auf die roma und sinti. ziel mußschon sein, daß alle immigrant/innen, diedas mit uns, also widerstand, wollen,auch unterstützt werden. ist natürlich eineriesenaufgabe, die schnell gar nicht zupacken ist. und es gibt sicher v~ele fragen,wie es wirklich gehen kann, daß es nichtausufert in bessere sozialarbeit, UIld wiees mehr werden kann als ein rädeln in derkonkreten unterstützungsarbeit.dann ist es ja auch einfilch so, daß vieleemigrant/innen erstmal keine erfahrungenmit dem ,goldenen westen' haben undnoch angezogen werden <strong>von</strong> konsum, <strong>von</strong>der propaganda einer ,wohlstandsgesellschaft',,demokratie' und ,rechtsstaat'.das habe ich hier drinnen öfters mitbekommen,wo ich mit flüchtlingsfrauen geredethabe. (das war relativ selten, weilmir hier drinnen nicht so viele begegnetsind.)das macht für mich einen unterschiedaus. während es mit den menschen aus befreiungskämpfendirekt eine basis zusammengibt, gemeinsame ziele, die entscheidung,jeweils unterschiedlich zu kämpfenfür grundsätzliche veränderungen, gibt esdiese basis nicht per se mit allen flüchtlingen,eher mit wenigen.das .wird ein prozeß sein, herauszufinden,was zusammen möglich ist, wo mehrdaraus entstehen kann, als um das bleiberechtzu kämpfen. ob es gemeinsame zieleund vorstellungen gibt, was für lebensbedingungenwir hier und anderswo erkämpfenwollen und brauchen (vomkampf um selbstbestimmten, billigenwohnraum <strong>bis</strong> sonstwas).diesen unterschied find ich wichtig füruns selbst, um keine illusionen zu habenoder den anspruch, es könnte mit allenflüchtlingen zusammenkommen, oder gardas neue revolutionäre subjekt zu suchen.es ist für mich auch eine frage, woschwerpunkte jeweils gesetzt werden, dafürauch für sich anhaltspunkte zu finden,weil die eigenen kräfte nicht so stark sind,daß alles möglich wäre zu tun. zumindestheute nicht. und wie wird es draußeneigentlich angepackt? ich finds ja wichtig,daß die flüchtlinge selbst entscheiden können,ob sie es mit uns (im weitesten sinne)zusammen wollen. dafür müssen sie wissen,wer ,wir' sind, was ziele, vorstellungensind. bei paar medienberichten hatteich den eindruck, daß die flüchtlinge auchfunktionalisiert werden können. <strong>von</strong> hieraus ist das wirklich nicht zu sehen. ichmeins auch nicht als starres konzept, <strong>von</strong>den eigenen zielen und vorstellungen zureden, das muß offen sein für das, was wir<strong>von</strong> den emigrant/innen lernen können,was sie uns sagen, was sie <strong>von</strong> uns brauchenund wollen. ich meins so, wir sindnicht die kirche oder die grünen oder sonsteine staatliche oder staatstragende einrichtung.es hat mit verantwortung zu tun,den menschen offen zu sagen, was unserselbstverstänpnis ist.wenn ich unterscheide zwischen denmenschen aus befreiungskämpfen und denanderen flüchtlingen, ist das grundsätzlichanders gemeint als das staatliche differenzierungs-und spaltungsarsenal, dieunterscheidung zwischen asylanten und,wirtschaftsflüchtlingen' ... das trifftnicht die realität. immer mehr menschenz. b. aus den politisch-sozialen kämpfen inihren ländern müssen flüchten, um zuüberleben. die direkte folge des imperialistischenweltwirtschaftssystems, in demvor allem der süden, aber auch zunehmendweite teile des ostens einer ungeheurenvernichtung ausgesetzt sind, die dazuführt, daß viele keine andere alternative


mehr sehen, als zu fliehen. und zudem bekommenselbst flüchtlinge aus befreiungsbewegungen,aus kriegsregionen keinasyl. das kennen wir schon seit jahren undkonkret z. b. <strong>von</strong> den politisch organisiertenmenschen aus der türkei / kurdistan.jetzt zu dem, was ich als größte frage indem zusammenhang im kopf habe, wo ichauch wenig nur weiß, wie draußen drandiskutiert wird. keine frage, die konkreteunterstützungsarbeit ist notwendig. dieletzten monate haben das vielen deutlichgemacht. dieser ungeheure rassismus, derüberall hervorquillt, die ganzen faschistischenangriffe, der reine horror.wir brauchen aber mehr. eine eigenständigepolitik aus dem widerstand gegendie macht und für offene grenzen.schon allein weil der rassismus <strong>von</strong>oben, durch den staat, geschürt wird, wiedas geradezu als paradebeispiel an der vOnder cdu-zentrale zentral konzipiertenkampagne gegen ,asylanten' deutlichwurde, wo <strong>bis</strong> ins kleinste vorgegebenwurde, wie gegen emigrant/innen gehetztwerden soll, und es so dann überall in derbrd <strong>von</strong> der cdu / csu umgesetzt wurde,was u. a. mitentscheidendfür die gesamteeskalierung der angriffe auf flüchtlingewar und ist.ich sag mal kurz, wie ich den zusammenhangnoch weiter sehe, in dem diekämpfe für offene grenzen sich entwikkeIn.in allem, was momentan <strong>von</strong> politikern,militärs, wirtschaftsbossen zu den ,herausforderungen'der nächsten jahrekommt, wo sie kommende auseinandersetzungenbefürchten, ernste schwierigkeitenfür sich erwarten, werden dieflüchtlingsbewegungen als einer derwichtigsten destabilisierenden faktorenfür europa genannt. tagtäglich kommenneue vorschläge, maßnahmen durch diemedien, wie flüchtlinge aus europa vertriebenwerden sollen, wie die ,festungeuropa' abgeschottet werden soll. in dernato werden überlegungen angestellt, wiediese ,gefahr' in den natostrategien aufgenommenwerden kann, wie entsprechende,konsequenzen' zuziehen seien ... treffenzur ,inneren sicherheit' mit dem inbaItjagen sich, innerstaatlich, all-f eur0päischerebene. z. b. treffen der ,schengenergruppe'oder der ,ad-hoc-gruppe' der egodie vereinheitlichung der europäischeninneren sicherheitsapparate läuft stark mitüber die ,asyl- und ausländerpolitik'. demschengener abkommen treten immer mehrstaaten bei, das asylrecht soll europäischverschärft werden (womit Z. b. die ganzediskussion um eine grundgesetzänderunghier an der realität ziemliclt vorbeigeht;weil das sowieso demnächst über die egverschäcft wird, was dann· auch bindendfür die brd ist).. also verschärfungenschritt für schritt und gar nichtalleaufzuzählen.die flüchtlingsbewegungen sind zumobjekt der kriegsstrategien geworden, dieein polizeilich-militärisches und juristischesarsenal autroSten, mit dem dieflüchtlinge konfrontiert werden sollen.die nicht verwertbar, nicht· funktiobaI für·die europäisl:fum ö~- und profitinteressensind. es ist keineswegs ziel <strong>von</strong>der macht und gerade vom multinationalenkapital, tatsächlich alle flüchtlinge abzuschotten.im gegenteil. hier werdenmenschen aus anderen ländern gebraucht,die die drecksarbeit machen sollen zumöglichst miesen löhnen; wenn stihl vomdihtZ Z. b. vor einem neuen ,deutschen nationalismus'WIU'J1tund auf die schwerwiegendenwirtschaftlichen folgen verweist,ist das durchaus ernst gemeint. zumeinen, weil billige arbeitskräfte gebrauchtwerden, die möglichst extrem auszubeutensind, und zum anderen, weil, wie stihlselbst sagt: die bundesrepublik brauche"ein positives bild im ausland, weil wirauf ausländische unternehmen angewiesensind." ("taz", 25. 10.91)gerade auch vor dem hintergrund, daßdie ausländischen direktinvestitionen inder brd zurückgehen, was eh schon einproblem fürs kapital ist, und vor allem dasmultinationale kapital schon längst nationalekriterien gesprengt hat und internationalsich organisiert und handelt.wenn das kapital da<strong>von</strong> redet, daß siemenschen aus anderen ländern hier brauchen,dann steckt trotzdem in den ganzenverschärfungen der ,ausländer- und asylpolitik'ein weiteres kalkül. sie wollen diemenschen, die hier aus anderen ländernkommen, möglichst wnfilssend kontrollierenund überwachen und eine art flexi-­bier bedarfseinsatztmppe installieren, diejederzeit hereingeholt (nach westeuropa)oder wieder herausgeworfen werdenkann, wie es dem kapital gerade in denkram paßt. das ist schon heute realität. sogibt es sogenannte ,werkvertragsabkommenmit maximalkontingenten für arbeitnehmer'.das sind z. b. 3-monats-verträgemit unternehmen im osten, die für diesezeitspanne arbeiter hier in die brd lassenund danach wieder zurückschicken. alsoauf der einen seite läuft sowas, und auf deranderen seite hat der krieg längst begonnen.die faschos, die immer brutaler undöfters gegen flüchtlinge vorgehen, prügeln,morden, wohnraum in brand stek­Iren ... an den grenzen werden die menschenschon zurückgeschickt, egal ob dasknast, fOlter oder den hungertod bedeutenkann, hier werden emigrant/innen, diehier leben, <strong>von</strong> einer minute auf die andererausgeschmissenaus ihrem alltag undweggeschoben, egal was die tblgen sind.aber bei all den plänen und maßnahmen<strong>von</strong> staat und kapital für die ,kstong euro:"pa' finde ich wichtig, sich ldarzomachen,daß .es so ist wie mit ihrem gerede <strong>von</strong>einer neuen ,weltordmmg~_ eine ,ordnung'wint es: DiidIt geben, sOI1Oemnurdie verschärfung _ widerspri:iclie undkämpfe. so.ist es eine illusion der macht,wenn sie denken, sie können die grenzendicht ..maclIen fiir alle, die sie in europanicht\woll~1l1das wel'den sie nicht verhindemkiöimen,daßmenschen aus aller welthiet'lier gelangen. aber das, was sich ankriegoocl'fan' den grenzen oder auch innerhalbabspielenwird, wird ausmaße annehbl!:ardiediedeutsclt-deutsche mauer­~:zu einer harmlosen geschichtliehen:epJi6odemachen; das war ja schonsrobtflU;--Wiein italien'die albaner herausgeprügeltwurden. es ist in dem bereichwie in allem. sie setzen auf repression undgewalt und meinen, damit die widersprücheim griff halten zu können. dagegenmüssen wir erkämpfen, daß es keine alternativezu lösungen gibt, wie wir sie wollen,lösungen für die menschen.internationalismus wird sich für die linke,den widerstand hier in den nächstenjahren verändern. internationalismus, wieer noch die letzten jahre <strong>von</strong> der linkengepflegt wurde, <strong>von</strong> der ,sicheren' inselaus sich in solidarität üben, wird immermehr aufkrachen. es wird und ist heuteviel direkter die fnIe, wo wir stehen, waswir wollen, auf welcher seite der barrikade.ob wir hier auch um einen teil des kuchenskämpteJ), konkurrenz jeder gegenjede, im run auf billigen wohnraum dieemigrant/innen verdrängen, im run umgutej6bs ... ob ziele und kämpfe im widerstandsich allein um den eigenen bauchdrehen, um die eigenen vorteile, um dasverteidigen <strong>von</strong> privilegien, oder ob wiran einer. kraft bauen, die als orientierungdie bedürfnisse des großteils der menschheitim auge hat und das umsetzt und lebt.konkret als ein teil im verhältnis zu denemigrant/innen, wo es als gemeinsamesache angepackt wird, für alle, die hier lebenwollen oder müssen, lebensbedingungengegen den staat zu erkämpfen, wie wirsie brauchen. wo wir weißen immer nochbessere karten haben als unsere farbigenbrüder und schwestern. und das ist traurigerweisenoch nicht entschieden. wennich nur nehme, wie sich die kirche oderauch die grünen <strong>bis</strong>her verhalten haben inden auseinandersetzungen, dann wirdklar, daß sie auf die ,multikulturelle' tournichtsdestotrotz genauso an der ,festungeuropa' bauen, oder wenn ich mitkriege,daß selbst in ,widerstands' -strukturendarüber nachgedacht wird, daß ,wir' dochwirklich nicht alle flüchtlinge aufnehmenkönnen, da steckt dann genau dnn, sichdie privilegien erhalten zu wollen. alleszeichen dafür, wie kaputt hier schon internationalistischesbewußtsein ist. bestimmendkann doch nur sein, daß wir es fühlen.es unser bedürfnis ist, für alle menschendie existentiellen lebensbedingungenzu erkämpfen, die wir brauchen, weilwir es nicht aushalten, wenn neben uns diemenschen durch das system sterben, undweil wir es selbst erfahren haben, wie dassystem uns, unser leben zerstört. naja, imgrunde alles selbstverständlichkeiten.umgekehrt gibt es die andere tendenz,die ich in verschiedenen papieren gelesenhabe, sich mit dem eigenen rassismus auseinanderzusetzen.das ist für uns alle notwendig.keine frage. wir sind in einemzentrum der macht aufgewachsen, waskonsum und ,wohlstand' ausgepreßt hat,vor allem aus dem süden, was 500 jahrekolonialismus mitverbrochen hat, und dazuin einem land, wo der rassismus tiefdrinsteckt in der gesellschaft, in den menschen,wo im faschismus die widerlichstenverbrechen begangen wurden, diebeispiellos in der geschichte sind. das hatauch uns geprägt, und keine/r kann sichda<strong>von</strong> freimachen, daß da<strong>von</strong> sich auch inuns vieles reingefressen hat. wir brauchen55


es, uns immer wieder bewußt zu machen,uns immer wieder konkret damit auseinanderzusetzen,wo dieser rassismus nochin uns ist und wie wir uns da<strong>von</strong> freikämpfenkönnen, wie wir eine politik entwikkein,die damit bricht. aber es gibt nichtnur das, und es stimmt nicht, wenn wiruns festschreiben als die rassisten, die privilegierten,die profiteure. es gibt die geschichte<strong>von</strong> uns selbst, die revolutionärenansätze, wo wir schon darum gekämpfthaben, diesen dreck wegzuschaffen,und erfahren haben, daß es möglichist. ich hab so den eindruck, daß sich sonstauch der weg verbaut wird, zur eigenenidentität zu finden, indem sich immer wiedererschlagen wird mit den verbrechendes brd-staates, des brd-kapitals. wirkommen aus dem müll, und den packenschleppen wir noch mit uns rum, aber wirstehen gerade dafür, daß wir darum kämpfen,uns selbst da<strong>von</strong> zu befreien und einegrundsätzlich andere welt zu schaffen, inder auch rassismus nicht mehr existierenkann und darf. es kann auch leicht zurrechtfertigung <strong>von</strong> nicht-kämpfen werden,in dem sinne, wir wären eh schon alleso dermaßen zerstört, daß wir da nichtmehr rauskommen . so ist es eben nicht.jetzt aber zurück zu der frage, daß esnicht ausreicht, unterstützungsarbeit zumachen, sondern eigenständige politik,kampf gebraucht wird. wie das im einzelnenaussehen kann, kann ich <strong>von</strong> hier ausgar nicht sagen. aber ich sag mal ein paarfragen, die mir dazu in kopf und bauchsind.erstmal denk ich, es braucht eine organisiertekraft aus dem widerstand, die klareziele, offene grenzen, bleiberecht füralle, hat und präsent ist, identifizierbar. soeine kraft zu werden, setzt voraus, daßsich der widerstand organisiert, über einzelnegruppen in einzelnen städten hinauskommt,zusammen sich bestimmungenerarbeitet und umgesetzt werden, damiteine gemeinsame stoßrichtung, politikgegen die machtstruktur aufgebaut wird,die den rassismus schürt, steuert und hervorbringtund die die maßnahmen gegendie flüchtlinge durchpeitscht. ohne diesenorganisierungsprozeß werden wir sicherkein faktor, der real etwas bewirken kann.politisch kann es nicht allein bei der unterstützungder verschiedenen flüchtlingsgruppenoder dem schutz <strong>von</strong> heimen, unterkünften... bleiben oder dabei, sichmit faschos zu kloppen, sondern wie kanneine politik aussehen, die druck gegen diebrd- und europäische macht entwickelt?es ist bestimmt wichtig, sich anzueignen,was ihre strukturen, pläne, schrittegegen emigrant/innen sind, und da sichein bewußtsein zu verschaffen und es zuvermitteln. aber die schwierigste frage ist,wie wir dagegen eingreifen können.ich denke, es gibt möglichkeiten, selbstpolitisch initiativ zu werden, mobilisierungenaus dem ,widerstand' selbst zuentwickeln und <strong>von</strong> da aus auch zu sehen,wo es mit emigrant/innen zusammenkommenkann. es ist ja unser eigenes bedürfnis,daß wir nicht in einer ,festung europa'leben wollen und sorum auch die frage anuns direkt, wie wir die macht in ihren plä-58nen stoppen, wie wir gegen den staat (undgleich auch in europäischer dimension)offene grenzen durchsetzen.dazu kommt für mich die frage, wie esmehr dahin kommen kann, daß die verschiedenenkämpfe aus den verschiedenenansatzpunkten mehr zusammenwachsenkönnen. das ist so notwendig, wie es einesperre ist, die es schon lange gibt.aus allen erfahrungen, die wir haben, istes eine konsequenz, daß wir uns in vereinzeltenkämpfen nicht durchsetzen können.einerseits braucht es gute politik an denkonkreten ansatzpunkten, menschen, diesich z; b. auch auf anti-rassismusarbeitkonzentrieren, die versuchen herauszufinden,wie da politik entwickelt werdenkann. aber wirklich zu ner kraft werdenwir nur, wenn das zusammenkommt mitden anderen kämpfen.der inhaltliche zusammenhang derkämpfe ist da.es geht überall im kern darum, egal wowir ansetzen, darum zu kämpfen, daß wirmenschenwürdig leben wollen und uns·das gegen sie, gegen ihre macht erkämpfen.es ist nicht zu trennen, einem kampf füroffene grenzen folgt sofort die frage, wiewollen wir hier zusammenleben? welchelebensbedingungen brauchen wir hier?da ist z. b. sofort die nähe da zum häuserkampf,zum kampf um wohnraum, derbillig ist, wo wir selbst bestimmen können,wie wir da zusammenleben, und daßwir uns das erkämpfen müssen gegen dieherrschende wohnungs,politik'.und genauso sind wir konfrontiert mitder frage, warum viele flüchtlinge hierhergekommen sind, obwohl sie viellieber inihrer heimat leben würden. also mit derfrage, wie können wir die lebensbedingungenweltweit verändern, damit diemenschen wirklich frei wählen können,wo sie leben. flucht ist die folge einesweltwirtschaftssystems, das immer brutalervernichtung und zerstörung für diemehrheit der menschen und vor allem imsüden und osten bedeutet. warum wirdeine mobilisierung für offene grenzennicht in zusammenhang gestellt mit einermobilisierung für eine neue, gerechteweltwirtschaftsordnung ? ich blicks nichtso genau, wie es draußen ist. mir kommtes noch ziemlich getrennt <strong>von</strong>einandervor. ich denk, daß die kampagne gegendie 500-jahr-feiem des kolonialismus, diemobilisierung gegen den weltwirtschaftsgipfelin münchen genau eine möglichkeitist, sowohl die diskussionen zusammen zuführen (z. b. auf dem gegengipfel oder denvorbereitungen) als auch gemeinsamepraktische erfahrungen zu machen, wodann weiter aufgebaut werden kann.eine weitere frage für mich ist: es ist janicht nur die macht oder die organisiertenfaschos, denen wir gegenüberstehen, sondernes gibt eine zunehmende polarisierungquer durch die gesellschaft, in deraus der krisenentwicklung auch hier in derbrd bei breiten teilen der gesellschaft diedumpfe, plumpe sündenbocksuche greiftund der rassismus als ventil für die eigeneunzufriedenheit dient. die letzten wahlenin schleswig-holstein und baden-württembergsind wieder ausdruck da<strong>von</strong>, durchdie wahlerfolge der rechtsradikalen parteien.es ist für mich eine frage, wie wir esschaffen können, stärker eine wirkung indie gesellschaft rein zu entfalten, wie wirverhindern können, daß die rechten (<strong>von</strong>staat <strong>bis</strong> zu den faschos) die unzufriedenheitfür sich kanalisieren und benutzen,wie wir selbst orientierung in dieser situationwerden können.das ist sicher nicht mal schnell zu beantworten.ein ansatz für mich ist, daß wir <strong>von</strong> unsnicht nur vermitteln, wogegen wir sind,sondern viel stärker identifizierbar werden,was wir sind und wollen, wie wir lebenwollen. warum für uns ,konsum' und,wohlstand' so, wie es <strong>von</strong> staat und kapitalpropagiert wird, keine ziele sind, wasim gegenteil unsere erfahrungen damitsind, mit der leere, der zerstörung zwischenmenschlicherstrukturen, entfremdung<strong>von</strong> sich und anderen ... , warumtUr uns werte wie solidarität, mit- und füreinanderzusammenleben, um menschlichelebensbedingungen kämpfen, für einegrundsätzlich andere gesellschaft das lebenreich und sinnvoll machen.ich hab jetzt ja vieles nur kurz und nochreichlich abstrakt angerissen. darin genauerzu werden, kann nur eine gemeinsamediskussion bringen.Köln, 13.4. <strong>1992</strong>1 vom september 1991 <strong>bis</strong> februar <strong>1992</strong> suchtenzunächst in neumünster, später in norderstedtflüchtlinge in kirchen schutz vor rassistischenübergriffen und der verschiebung in die sogenanntenneuen bundesländer.2 deutscher industrie- und handelstag


MartinaBick, Rosmarie Prie8, Mareile Schmegner, Rosita TImmUnser Kampf für das LebenSeit Anfung des Jahres gibt es Meldungen,nach denen auf Initiative des BundesjustizministersKinkel einige der <strong>Gefangenen</strong>aus der RAF und aus dem Widerstanddemnächst freigelassen werden sollen.Zum erstenmal nach über 20 Jahren gibtes damit im Lager der Regierung offensichtlichzwei Fraktionen, <strong>von</strong> denen einenach wie vor vom Rache- und Vernichtungsinteressegeprägt ist, die andere dasScheitern dieser Linie realisiert hat undnach neuen Wegen sucht.Wir sehen in Kinkeis Vorgehen für unseine Chance, eine politische Lösung zuerkämpfen, deren Ziel die Entlassung allerpolitischen <strong>Gefangenen</strong> ist. Uns istkeine andere Lösung vorstellbar, als allesdaranzusetzen, um das festgefressene perspektivloseVerhältnis der Verfolgungsbehördenzu den politischen <strong>Gefangenen</strong>aufzulösen.Wenn die neue Linie die Aufhebung des<strong>bis</strong>herigen Ausnahmezustands beinhaltet,wie Gutgläubige unterstellen, müssenFakten sichtbar werden. Neben der Freilassunggeht es dann auch um die Abschaffungdes gesamten Sonderapparatesund um einen anderen Umgang mit gesellschaftlichenWidersprüchen - hieße eineWende in der <strong>bis</strong>herigen Ausländer- undAsylpolitik, hieße die Aufhebung desAuslöschverhältnisses zur Fundamentalopposition,hieße der Verzicht auf neueProzesse nach der Kronzeugenregelung.Ob der Grund für Kinkels Initiative inwachsender internationaler Skepsis liegtoder im "Druck aus Wutschaftskreisen",ist für uns nicht wichtig.Nach <strong>bis</strong>herigen Veröffentlichungen istfolgendes vorgesehen: Bei acht <strong>Gefangenen</strong>sei es möglich, ihre Reststrafe zurBewährung auszusetzen. Unter den achtnamentlich genannten sind drei Gefangene,die seit Jahren haftunfiihig sind: BerndRößner, Günter Sonnenberg und ClaudiaWannersdorfer. Es fehlen aber zwei weitereHaftunfiihige: Isabei Jacob, die unterder Baseclowschen Krankheit leidet, undAli Jansen, der schweres Asthma hat.Auch diese beiden können im Gefängnisnicht gesund werden.Inzwischen ist Claudia frei. Sie wurdemit Zweidrittelregelung am 14. Februar- verspätet - entlassen. Wrr freuen uns.Und die anderen?Nach den <strong>bis</strong>herigen Verlautbarungensollen die Entlassungen der politischen<strong>Gefangenen</strong> als "normaler Vorgang" dargestelltund entpolitisiert werden; damit68eine 20jährige Geschichte ausgelöscht.Von wegen Normalität. Seit 1970 wird dieRAF und werden die <strong>Gefangenen</strong> miteinem zu diesemAusnahmerecht -Zweck geschaffenendas inzwischen zumGewohnheitsrecht geworden ist - bekämpft.Fahndungenbei denen Petra Schelm, Georg <strong>von</strong>Rauch, Thomas Weißbecker, WernerSauber, Willi StolI, Michael Knoll undElisabeth van Dyck erschossen wurden.Andere, wie Günter Sonnenberg und RolfHeißler, wurden bei der Verhaftung angeschossenund lebensgefährlich verletzt.Gerichtsverfahrenunter Regie der Buodesanwaltschaft vorSondersenaten, in denen nicht einmal derAnschein objektiver Beweiswürdigunggewahrt wurde und entweder durch dieAussagen <strong>von</strong> Kronzeugen (1976 bei IrmgardMöller), durch bestellte Gutachterund durch merkwürdige Konstrukte (Ralfund Knud, wir grüßen euch), unterDrangsalierung der VerteidigerInnen <strong>bis</strong>hin zu ihrem Ausschluß, die zur beabsichtigtenVerurteilung führen mußten.Haftbediogungenprogrammatisch und vom ersten Tag anfür alle Einzelisolation ; Ulrike Meinhof,Astrid Proll und Gudrun Ensslin im TotenTrakt; der Bau <strong>von</strong> wissenschaftlich ausgetüfteltenHochsicherheitstrakten ; Haftstatuteund als Verschärfung Bunker, Folterdurch Schlafentzug, Neonlicht Tagund Nacht, licht- und geräuschisoliert;das Kontaktsperregesetz, Trennscheiben,23 Stunden allein in der Zelle. Und gegendiese Maßnahmen immer wieder Hungerstreiks,erst mit dem Ziel der Gleichstellungmit anderen <strong>Gefangenen</strong>, später mitdem Ziel der Zusammenlegung. Die Torturder Zwangsernährungen und als Folge1974 der Thd <strong>von</strong> Holger Meins, 1981<strong>von</strong> Sigurd Debus; Siegfried Hausner,der 1976 starb, weil er trotz lebensgefiihrlicherVerletzungen transportiert wurde;Katharina Hammerschmidt, die an denFolgen eines Thmors 1975 starb, weil dieserin der Haft "übersehen" worden war.Ulrike Meinhof, 1976 erhängt, AndreasBaader, Gudrun Ensslin, Jan Carl Raspe,die am 18.10.77 morgens erhängt und erschossenaufgefunden wurden, IrtngardMöller, die als einzige überlebte, zweiWochen später starb Ingrid Schubertdurch Erhängen.Von Normalität kann seit über 20 Jahrennicht die Rede sein. Jede minimaleVerbesserung der Haftbedingungen .wurdehart erkämpft. Neben den Hungerstreiks<strong>von</strong> einzelnen haben die <strong>Gefangenen</strong>zehn kollektive Hungerstreiks durchgeführt.Inzwischen gibt es drei Kleinstgruppenmit jeweils drei bzw. vier <strong>Gefangenen</strong>,Hofgang mit anderen, die Sichtblendenvor den Fenstern wurden entfernt,Angehörige können ohne Trennscheibebesuchen. Während des letztenHungerstreiks 1989 gab es große Zustimmungzu den Forderungen der <strong>Gefangenen</strong>,und viele Menschen haben ihr interesseartikuliert, sich mit den <strong>Gefangenen</strong>auseinanderzusetzen.Der Republikanische Anwältinnen- undAnwaltsverein erwartet vom Staat eine"aktive Wiedergutmachungspflicht".Weder dieser Appell noch die Rügen desUNO-Menschenrechtsausschusses nochdie Kritik <strong>von</strong> amnesty international habenin der Vergangenheit materiell etwasbewirkt. Sie haben wohl aber dem Imageeines Staates geschadet, der sich unter Berufungauf die Menschenrechte in die Angelegenheitenanderer Staaten einmischt.Die Bereitschaft zur Wiedergutmachungsetzt moralische Kategorien voraus, die esbei den Staatsträgem und beim Kapitalnicht gibt. Bisher wurden weder allen Opfernder Konzentrationslager noch denZwangsarbeiterInnen Wiedergutmachunggewährt.In Uruguay wurde die Freiheit der politischen<strong>Gefangenen</strong> erkämpft. Nach demEnde der Militärdiktatur 1985 mußte <strong>von</strong>der folgenden bürgerlichen Regierungeine Regelung akzeptiert werden, nachder für jeden Thg Haft unter Isolationsbedingungendrei Thge angerechnet wurden.Damit war der Vernichtungscharaktereingestanden. Für hier hieße es: Allekommen frei.Die <strong>Gefangenen</strong> aUs der RAF wurdenzwischen 1971 und 1986 verhaftet, siekommen aus verschiedenen Kampfphasen(und kennen sich teilweise nicht persönlich).Prägend für die Entstehung undVerfaßtheit der Studentenbewegung undfür die spätetetttstaodene RAF waren dieNachkrlegsjahre. Adenauer~Regierung,Kommunistenverrolgtmg, Wiederaufrüstupgund.. wirtWhlftlich~ Allfschwungmit der BereiqijntlJl&..,~~ftswunder";. dumpfe Enge, .Atlt(Jti~tsbörigkeitund .,unter den 'DU~l} der Muff <strong>von</strong> tausendJahrenH, ~ ~scbjsmus geprägteEltern ga~ il1ml.IGndcrn die Erfuhttlng


weiter: Widerstand lohnt sich nicht. Nachdem Erleben brutalster Gewalt, der sienichts entgegensetzen konnten oder wollten,gedemütigt durch die Hungerjahre,buckelten sie für den Wiederaufbau undwaren bereit (gemacht worden), das Gesternzu vergessen. Zielt jede bürgerlicheErziehung auf Selbstkontrolle, Triebaufschubund auf die Verinnerlichung allerfür die Warenproduktion notwendigenWerte, so verschärfte die kollektive Erinnerungan die Vernichtung der jüdischen •.Bevölkerung, der Roma und Sinti, derSchwulen, der Kommunisten, Sozialisten,Christen und der "arbeitsscheuenElemente" die Konditionierung.Die bundesdeutsche Arbeitsproduktivitätlegt Zeugnis ab über das Gelingen, absoluteAnpassung und Auspreßbarkeitwurden massenhaft erreicht (ein "Lernprozeß",der in der DDR fehlte und <strong>von</strong>interessierter Seite jetzt beklagt wird). Eswerden in aller Schärfe diejenigen bekämpft,die das erwünschte Maß derSelbstunterdrückung nicht erreicht haben,ob freiwillig oder unfreiwillig: BettlerInnen,Krankfeierer, Hafenstraße, Konsumentenillegaler Drogen, renitente Schülerlnnenund Gefangene, Punks, Sozialhilfeempfiinger- und die politischen <strong>Gefangenen</strong>.Im ersten Prozeß gegen die RAF wegender Befreiung <strong>von</strong> Andreas Baader erklärteUlrike Meinhof: "Aber das sind wir, dakommen wir her: die Brut aus den ~rnichtungs-und Zerstörungsprozessen derMetropolengesellschaft. Aus dem Kriegaller gegen alle, der Konkurrenz jeder gegenjeden, des Systems, in dem das Gesetzder Angst, des Leistungsdrucks herrscht,des einer-auf-die-Kosten-des-anderen,der Spaltung des Volkes in Mtlnner undFrauen, Junge und Alte, Gesunde undKranke, Ausländer und Deutsche und derPrestigekiimpfe. Und da kommen wir her :aus der Isolation im Reihenhaus, den Betonsilosder Vorstädte, den Zellengefängnissen,Asylen und Trakts. Aus der Gehirnwäscheder Medien, dem Konsum,den Prügelstrafen. Die Ideologie der Gewaltlosigkeit:aus der Depression, derKrankheit, der Deklassierung, aus derBeleidigung und Erniedrigung des Menschen,aller ausgebeuteten Menschen imImperialismus. Bis wir die Not jedes einzelnen<strong>von</strong> uns als Notwendigkeit der Befreiungvom Imperialismus, als Notwendigkeit'zum antiimperialistischen Kampfbegriffen haben und begreifen, daß es mitder ~rnichtung dieses Systems nichts zuverlieren, im bewaffneten Kampf aber alleszu gewinnen gibt: die kollektive Befreiung,Leben, Menschlichkeit, Identität."Mit dem bewaffneten Kampf der RAFist hier eine Möglichkeit des Eingreifensund zur Befreiung aufgebrochen, die seitden Vernichtungsfeldzügen des faschismusniemand mehr gewagt hatte. Und dieRebellionen Ende der 60er Jahre in Italien,Frankreich, in den USA , in Japanund hier standen nicht allein; Befreiungsbewegungenin allen lateinamerikanischenLändern und der Sieg des vietnamesischenVolkes gegen die militärisch weitüberlegenen USA; ,,die damalige Einschätzunglief also darauf hinaus , daß dieweltweite Offensive aller möglichen Befreiungskriiftein eine strategische Offensivegegen das imperialistische Systeminsgesamt münden würde, das, seinerZentralpotenz beraubt, dem nicht würdestandhalten können. " (Lutz 'laufer,12/91). Dieses war die Hoffnung einerganzen Generation.Die politischen <strong>Gefangenen</strong> sind einTeil unserer Geschichte, unserer Erfahrungenund Erlebnisse. Als einer der wenigenbestehenden Zusammenhänge habensie seit zwei Jahrzehnten immer wiederum eine Weiterentwicklung gekämpft.Die Hoffnung der 60er und 70er Jahreblieb unerfiillt. Fast alle Kämpfe der letztenJahre waren Abwehrkämpfe (gegenBeru1Sverbote, gegen AKW, gegen Repression... ), die sich an staatlichen Vorgabenorientiert haben statt an unsereneigenen Lebensvorstellungen. Aber siewaren wichtig, weil erst einmal nichts dawar, wo wir hätten anknüpfen können.Zudem waren wir mit einer Härte staatlicherAbwehr konfrontiert, die wenigSpielraum ließ für die Entwicklung autonomerEntwürfe.Heute sehen wir uns mit Bedingungenkonfrontiert, unter denen wir nicht wie<strong>bis</strong>her weitermachen können und wollen:massenhafte Verelendung weltweit, diezunehmend in die Metropolen drängt, undeine Zerstörung der natürlichen Ressourcen,die kein Umweltschutz reparierenkann. Die frühere Begeisterung für Aufständeauf dem Trikont ist allgemeinerSkepsis gewichen. Viele ziehen sich zurück,weil der Weg zu einer menschlicherenGesellschaft unendlich lang erscheint.Es gibt die Orientierung nicht mehr, wirsind auf uns zurüc}{geworfen. Aber wirsind nicht allein. Überall suchen Menschennach einem neuen Anfang. Wrrwollen Mittel und Wege finden, um überdie künstlichen Grenzen der Nationen hinausgemeinsam ,,die weltgesellschaftlicheOrganisierung der sinnlichen Bedürfnisse"(Robert Kurz) zu erreichen.Zu den Menschen, mit denen wir dieseAufgabe angehen wollen, gehören die politischen<strong>Gefangenen</strong>.Der Staat und seine Parteien haben denOffenbarungseid geleistet, sie können keinesder dringenden Probleme lösen. Sieignorieren sie, sie improvisieren mehroder weniger blind, oder sie verfulgenund unterdrücken, ob in der Drogenpolitik,in der Wohnungsnot und Obdachlosigkeit,in der Asylpolitik. Das Gewaltsysternwird gewalttätig durchgesetzt, amIndividualverkehr trotz 10000 Verkehrstotenfestgehalten, an Atomkraftwerkentrotz Leukämiegefahr. Sinnentleerte Arbeit,die Millionen Menschen vor Erreichung-desRentenalters physisch und psychischkrank macht, Schutz der Familietrotz sexueller und anderer Gewalt gegenEhefrauen und Kinder. Kinderpornographie,Arbeitslosigkeit, Selbstmorde allefünf Minuten und Sucht.Wir haben die Legitimation zum Widerstand.Das zeigt die Geschichte und dieGegenwart. Angesichts der katastrophalenLebensverhältnisse und der Inkompetenzder Machtausüber wird immer mehrMenschen bewußt, daß nur sie selbst Antwortenfinden und ihre Anliegen in dieeigenen Hände nehmen müssen.Niemand <strong>von</strong> uns, die wir aus dieserWiderstandsgeschichte kommen oderauch Teil <strong>von</strong> ihr werden, wird sich <strong>von</strong>sich distanzieren oder abschwören wollen.Es gibt Kritik an Taten und an Unterlassungender Legalen wie der Illegalen.Soweit es möglich war, haben wir mit den<strong>Gefangenen</strong> die Aufurbeitung begonnen.Umfassend kann der Prozeß der Aufu.rbeitungund Aneignung der Geschichte nurlaufen, wenn alle frei sind. Unser Kampffür das Leben.Freiheit für alle politischen <strong>Gefangenen</strong>Freilassung allerhaftunfähigen <strong>Gefangenen</strong> umgehend,insbesondere auch allerRN-Infizierten und AIDS-Kranken69


Norbert HofmeierEs gab nicht nur den bewaffneten KampfAntwort auf "Unser Kampf für das Leben""Wir müssen uns einlassen auf den Raumder Ironie, auf den Scherbenhaufen derGeschichte, in dem wir uns mit intelligentemLachen. bewegen sollten. Gelingt unsdßs nicht, ist dßs Ausdruck dajUr, daß dieSchwere, dßs Gewicht und die heroischeErnsthaftigkeit der Politik uns den langenAtem nimmt und so verhindert, die notwendigeDistanz zu ergreifen, um nachdenkenzu konnen und uns als mißgebildet,verunstaltet, zerstört in einem zerbrochenenSpiegel der Kultur ZU erkennen. "(Joaquin Brunner, zitiert <strong>von</strong> Hayde Birginin "Frauendebatte in Lateinamerika")Hallo, liebe Frauen,ich habe Euren Brief mit dem Aufruf:"Unser Kampf für das Leben - Freiheitfür die politischen <strong>Gefangenen</strong>" erhaltenund auch den Begleitbrief, in dem Thrschreibt: " ... wir denken, daß der Aufrufeine gute Grundlage sein kann, mit allenmöglichen Menschen in die Diskussion ZUkommen. Wir wollen offene Diskussionen,bei uns werden alle Fragen, Gedankenzugelassen sein, wir erwarten <strong>von</strong> Euch,daß sich alle in diese Auseinandersetzungeinschalten, ohne Scheuklappen, Berührungsängsteund ohne ,ßbhrheiten' zuproduzieren .. ::Eure Initiative finde ich gut, aber leiderist der Aufruf nicht so, wie Thres im Briefversprochen habt. Ich finde den Aufrufnicht offen, sondern er drückt eine"Schmalspurwiderstandsgeschichte"aus. (Ich kann mich darin jedenfalls nicht /kaum wiederfinden.) Eine Grundlage, aufder die gesamte linke, fortschrittlicheBewegung die Freiheit für die politischen<strong>Gefangenen</strong> erkämpfen will, die muß erstnoch entstehen ... Im Grunde ist es einAufruf aus der Sicht des ai-Widerstandsfür die Freiheit der <strong>Gefangenen</strong> aus derRAF - dagegen spricht ja nichts als Vorschlagzur Diskussion.Der jetzige Aufruf hat die Tendenz, dieeigene Geschichte, Politik und Einschätzungenzur allgemeinen Grundlage zu erklären.Ich fmde, irgendwann müßte jadann auch wirklich ein radikal neuer Anfanggemacht werden und nicht nur dieOffenheit vorgeschlagen werden. (Überhauptist es ein Ding, daß die Offenheit betontwerden muß - gab es <strong>bis</strong>her kein offenes" Zusammen-Kämpfen" ?) UnterOffenheit stelle ich mir vor allem vor, daßdie verschiedenen politischen Bewegungenund Ansätze trotz unterschiedlicherEinschätzungen und politischer Praxis70sich gegenseitig akzeptieren, sich verstehenwollen und die Bereitschaftauch <strong>von</strong>einander zu lernen.haben,Wenn wir ernsthaft die Perspektive insAuge tassen, die Freiheit für die politischen<strong>Gefangenen</strong> zu erkämpfen, und Erfolghaben wollen, brauchen wir mehr alseine kurzfristige, oberflächliche Einheit(wie es im Hungerstreik 1989 war). Esmüßte also eine tiefergehende Einheit derfortschrittlichen, linken, revolutionärenBewegung sich entwickeln. Ich kann mirdas so vorstellen, daß die verschied enenBewegungen etc. aus ihrem eigenenVerständnis zur Widerstandsgeschichteder BRD, zu bewaffnetem Kampf, politischen<strong>Gefangenen</strong> etc. Position beziehen"für die Freiheit ... ".Damit verbunden ist die solidarischeDiskussion / Selbstkritik dieser Jahre sowiedie Diskussion über die Einschätzungder· Ausgangsbedingungen heute und dieverschiedenen Ansätze / Vorstellungen:"wie weiter". Nicht als eine losgelösteEinheitsdiskussion, sondern im Zusammenhangmit den konkreten Initiativen ­wie u. a. Antirassismus / Antifa; der Mobilisierunggegen den Weltwirtschaftsgipfell,,500-Jahre". Soweit ich mich erinnernkann, gab es so eine Einheit der linkenBewegung noch bei den Kampagnenfür die Freilassung <strong>von</strong>Katharina Hammerschmidt,zum Hungerstreik 1974, alsHolger Meins umgebracht wurde. Damalswaren die politischen <strong>Gefangenen</strong> nochdie <strong>Gefangenen</strong> (aus) der Linken (abgesehen<strong>von</strong> diversen ML-Gruppen) - damüßten wir wieder hinkommen. Das gehtaber nicht mit "Schmalspurwiderstandsgeschichte".Beim Lesen Eures Aufrufs ist mir aufgefallen,daß Euer Blick auf andereBewegungen/Kämpfedoch recht seltsam ist.Thrstellt die Geschichte so dar, als hätte es1970 im Grunde nichts anderes gegebenals den bewaffneten Kampf der RAF, als"Teil der weltweiten Offensive aller möglichenBefreiungskräfte ... , dem das imperialistischeSystem, seiner Zentralpotenzberaubt, nicht würde standhaltenkönnen" (zitiert Thr den Brief <strong>von</strong> LutzThufer). Wir anderen alle, wir hätten unslediglich an den "staatlichen Vorgabenorientiert statt an unseren eigenen Lebensvorstellungen",und es seien "fast alleKämpfe Abwehrkämpfe" gewesen.So stimmt das nicht. Dem Imperialismusdie Zentralpotenz rauben - wiedenn? Durch revolutionäre Veränderungim "Herzen der Bestie" - also hier -,genau das war damals das gemeinsameZiel der linken Bewegung. Daß die besteSolidarität mit den Befreiungskämpfen(konkret Vietnam) vor allem bedeutet,hier gegen den BRD-Staat / Kapital <strong>von</strong>unten· eine eigenständige sozialrevolutionäreund antiimperialistische Bewegungzu entwickeln. Es gab unterschiedlicheAnsätze - in Fabriken, Stadtteilen, besetztenHäusern, Zentren etc., und es gabeine breite Diskussion auch mit den bewaffnetenGruppen (RAF, 2. Juni, RZ) ­trotz der Widersprüche eine solidarischeEinheit.Versteht Thr,was ich sagen will? Unsere- bzw. meine - "Hoffnung" wardoch damals nicht der bewaffnete Kampfoder die BefreiUngskämpfe, sondern unsereHoffnung war, daß wir hier im Vertrauenauf unsere eigene Kraft selber anpacken,um "zusammen" eine revolutionäreBewegung aufzubauen. So wie Ihrdas schreibt, stecken <strong>von</strong> vornherein dieleidige Abgrenzung, Konkurrenz undHierarchiedenken wieder drin, wie siedann entstanden sind und sich <strong>bis</strong> heutedurchschleppen: hier, wir, die einzigwahre revolutionäre Politik, mit einementsprechenden Führungsanspruch - unddort eben der mehr oder weniger defensive,reformistische Kleinkram.Ich halte auch überhaupt gar nichts da<strong>von</strong>,jetzt aus einer gewissen Rat- undOrientierungslosigkeit mal wieder auf die"Szene" einzuschlagen. Ist das denn nichtüberhaupt die zentrale Aufgabe und Hoffnungfür Befreiung und revolutionäreVeränderung, daß wir heute die Ansätzefür eine andere, freie Gesellschaft entwikkeIn?Ob das nun "Szene" oder sonstwiegenannt wird - im Guten wie im Schlechten:Sie ist das Produkt der politischenPraxis, wir alle sind für sie verantwortlich,einschließlich wir <strong>Gefangenen</strong>. Wiewir aus den Fehlern/Erfahrungen lernenwollen, wenn wir uns abschätzig abwenden,bleibt mir ein Rätsel.Ich finde, wir müßten mal dahin kommen,zu kapieren und auch ernst zu nehmen,daß alle: Basisbewegungen, militanteKämpfe, der bewaffnete Kampf u. a.mit beitragen zu dem Reichtum an Erfahrungen,an politischen Vorstellungen undUtopien, den es ja durchaus gibt hier.Wenn es nichts weiter gäbe als die Erfahrung<strong>von</strong> 20 Jahren bewaffnetem Kampfund Widerstand politischer Gefangener... na ja, da würden wir heute aber wirklichnoch ein ganzes Stück schlechter dastehen,als es ohnehin der Fall ist.


In Schlaglichtern meine ich folgendes:W77 gab es nicht nur die Aktionen derRAP, die erhängten, erschossenen Gefimgenenin Stammheim/Stadelheim, den"deutschen Herbst" und die Linke, diesich als staatstragende Linke entpuppte(ähnlich wie jetzt im Golfkrieg übrigensauch), sondern W76/77 gab es auch durchdie kämpferische/militante Anti-AKW­Bewegung einen ganz neuen Aufbruch fürdie linke Bewegung insgesamt, nach Jahrender Haute wurden die Straßen wiedererobert. Diese Bewegung war radikal, autonom<strong>von</strong> unten her demokratisch organisiert;in dieser Bewegung wurde versuchtumzusetzen, was die Frauenbewegungdie Jahre zuvor auf die Tagesordnunggesetzt hatte: gegen die Scheißstrukturen,eigene Organisierung, "das Persönlicheist politisch", die Trennung zwischenPolitik und Privatem woll(t)en wiraufheben.Aus dieser Bewegung kamen wichtigeAnstöße (bzw. es wurden Anstöße der RZaufgegriffen): Die Atom-Rüstungs-Banken-Baufirmen-Regierenden-Mafiawurdein den Städten sich vorgenommen, darausentstanden die Kerne für die militantenHäuserkämpfe und AntikriegsbewegungAnfimg der 80er Jahre." ... keine eigene Lebensvorstellungen",sagt Ihr?Im Gegenteil finde ich, gerade die eigenenLebensvorstellungen sind doch ausdiesen verschiedenen radikalen Bewegungenheraus mit entwickelt worden, und<strong>von</strong> sehr vielen genau mit dem Bewußtseinund Ziel, so zur revolutionären Veränderungbeizutragen - <strong>von</strong> unten, sichmöglichst ganz einzubringen.Von was macht Ihr denn das abhängig,"eigene Lebensvorstellungen" - lediglich<strong>von</strong> bestimmten Mitteln und Formendes Kampfes? Ich finde, Ihr habt einziemlich schematisches Verständnis <strong>von</strong>revolutionärer Veränderung - Ihr sehtgar nicht die Emanzipation/die Schrittezur Veränderung und ordnet sie in eineStrategie ein. (Ich kann mich noch sehrgut an die Diskussionen erinnern, ob z. B.jetzt die "Hafenstraße"-Barrikadentage- etc. "revolutionäre Front" sei - odernicht.)Woher kommen denn die Anstöße undgreifbaren Erfahrungen <strong>von</strong> kollektivemLeben und Kämpfen, wenn nicht besondersaus besetzten Häusern, Zentren ... ?(Angefimgen vom Georg-<strong>von</strong>-Rauch­Haus <strong>bis</strong> ... ) Oder die Militanz? Dochdurch die Startbahnbewegung, gegen dieWAA, Brokdorf, durch den antifuschistischenWiderstand .,. Wer hat denn dieFrauenbefreiung und -organisierung angepackt,den Widerstand gegen Sexismus,Gentechnologie etc. ?Mitte der 80er Jahre wurde die Vorstellungeiner revolutionären Front, als ein"Zusammen-Kämpfen", <strong>von</strong> den Bewegungendiskutiert,um eine Einheitaufgegriffen. Es ging<strong>von</strong> sozialrevolutionärem,antikapitalistischem, antiimperialistischemWiderstand zusammen mit derGuerilla. (Zumindest war das die Diskussionund Vorstellung. Als 1986 Gefimgengenommenerbegreife ich mich als Gefimgeneraus diesem Ansatz <strong>von</strong> "Zusammen-Kämpfen"- und nicht als Gefimgeneraus einer Phase der RAF.)Oder zum IWF <strong>1988</strong> (Berlin) : Wer hatdenn Monate / Jahre die ganze Vorarbeitund den "Kleinkram" gemacht und dieBasis gelegt für den breiten und solidarischenWiderstand? Das waren doch wohlalle beteiligten Gruppen, internationalistische,Frauen, Stadtteil, Jobber, Studenten/Schüler, AusländerInnen, AntiimperialistInnen,Autonome.Und woher kam die Breite im Hungerstreik1989? Sie war doch auch ein Ergebnis<strong>von</strong> Hunderten kleinerer Treffen, Veranstaltungenetc., die stattfimden seit den129a-Verfolgungen und Verhaftungen1986/87 (zu kapieren, daß Knast nicht dasEnde ist), die <strong>von</strong> FreundInnen, Angehörigen,GenossInnen organisiert wurden.Und woher kommt die breite Bewegunggegen den Golfkrieg, woher kommt dieDiskussion/Mobilisierung gegen Rassismus-Patriarchat-Kapital?Ich finde es unverständlich, daß sichdiese ganze Widerstandsgeschichte beiEuch gar nicht ausdrückt. Hat sie für Euchnicht stattgefunden? Ich finde, alle dieseBewegungen und Kämpfe haben ihre Berechtigung,und sie tragen insgesamt zueiner revolutionären politischen Bewegung/ Veränderung bei - es ist fillsch, 20Jahre Widerstandsgeschichte auf die Beiträgedes bewaffneten Kampfes der RAFund den antiimperialistischen Widerstandzu verkürzen." ... unter keinen Umständen solltetIhr unwahr oder unwissenschaftlich argumentieren.Eure Aktionen sollten auf richtigerInformation und sorgfältiger Analyseberuhen. Alle oberfliichlichen und propagandistischenoder gar verfälschten Aktivitätenwerden früher oder spdter alsBumerang auf Euch zurackkommen, wennIhr es am wenigsten erwartet, und Euchals Leute bloßstellen, die man nicht ernstnehmen kann, denen man nicht glaubenkann.Zum zweiten solltet Ihr niemals sektiererischsein. Es liegt in der Natur komplexerStrukturen, wie es Gesellschaften nuneinmal sind, daß es unterschiedliche Ansichtendarüber gibt, was die beste Strategieist. Euer Kampf geht um Befreiung undDemokratie. Innerhalb des Rahmens derPolitik der Befreiung und ihrer Ideen müßtIhr in der Lage sein, viele unterschiedlicheAnsichten zu dulden. Solange eine besonderePosition nicht eindeutig ein feindlicherStandpunkt ist, sollten wir Differenzensoweit wie möglich ertragen, ,hundertBlumen blühen und tausend &hulen desDenkens wenstreiten Ulssen', denn darinliegt das ~sen des demokratischenIdeals ...•• (<strong>von</strong> Neville Alexander :"Wer Wmd sät, wird Sturm ernten" ­südafrikanischer Befreiungskampf - mitinteressanten Aufsätzen / Reden über Rassismus,Kapitalismus, Frauenbefreiung,nationale Befreiung ...Kampf')und "Einheit imNun aber zu hier und heute: Wie soll esweitergehen?Ihr sagt: "heute sehen wir uns mit Bedingungenkonfrontiert, unter denen wirnicht wie <strong>bis</strong>her weitermachen könnenund wollen" und begründet das mit derfortschreitenden Zerstörung und unmenschlichenBarbarei durch das kapitalistischeWeltherrschaftssystem : "es gibtdie Orientierung nicht mehr, wir sind aufuns selbst zurückgeworfen. Überall suchendie Menschen nach einem neuen Anfimg... Immer mehr Menschen wirdbewußt, daß sie nur selbst Antworten findenund ihr Anliegen in die eigenen Händenehmen müssen."Mir ist schleierhaft, was Ihr damit jetzteigentlich sagen wollt, waS' daran dennnun "neu" (nicht wie <strong>bis</strong>her) ist? Kämpfenund arbeiten denn nicht die vielenLeute und Gruppen genau aus diesemVerständnis schon die ganzen 80er Jahre,auch schon die 70er? War denn die Vorstellung"Zusammen-Kämpfen", revolutionäreFront, nicht genau das ?Meiner Meinung nach ist da was ganzschief. Daß eine Neubestimmung dereigenen Politik und Praxis gemacht werdenmuß, wenn sich die politischen, gesellschaftlichenVerhältnisse und die internationaleSituation dermaßen ändern ­also das muß doch nun wirklich die allerselbstverständlichsteSache der Welt seinfür eine linke, revolutionäre Bewegung!Das braucht doch überhauptzu werden !nicht betontEs gibt keine revolutionäre Bewegung,Gruppe, Zeitschrift weltweit, die nichtdabei ist, kritische Auswertungen der Revolutionsgeschichtezu machen (der eigenenund zurück <strong>bis</strong> zur Oktoberrevolution),die nicht dabei ist zu analysierenund neu Strategien zu diskutieren. Daswäre ja wirklich ein Ding, wenn ausgerechnetdie BRD-Linke das nicht notwend~hätte!-Der Schwerpunkt liegt aber fillsch,wenn wir allein bei der Beschreibung undAnalyse der äußeren Verhältnisse, alsoder Politik des Imperialismus, der Rolleder BRD, dem internationalen Kräfteverhältnisusw. stehen bleiben.Rosa Luxemburg hat 1914 imKnast, als die 11.Internationale zusammenklappteund als die Arbeiterparteien,statt gegen den imperialistischen Krieg zukämpfen, sich <strong>von</strong> den Herrschenden inden Krieg hetzen ließen, eine radikaleSelbstkritik verlaßt, "Die Krise derSozialdemokratie". Sie schreibt u. a. :"Die Befreiung des modemen Proletariatshiingt da<strong>von</strong> ab, ob es versteht, ausden eigenen Irrtamem zu lernen. Selbstkritik,racksichtslose, grausame, <strong>bis</strong> aufden Grund der Dinge gehende Selbstkritikist die Lebensluft und Lebenslicht der proletarischenBewegung ... Die Menschenmachen ihre Geschichte nicht aus freienStücken. Aber sie machen sie selbst. DasProletariat ist in seiner Aktion <strong>von</strong> demjeweiligen Reifegrad der gesellschaftlichenEntwicklung abhängig, aber die gesellschaftlicheEntwicklung geht nicht jenseitsdes Proletariats vor sich, es ist ingleichem Maße ihre 1Hebfeder und Ursache,wie es ihr Produkt und ihre Folge ist.Seine Aktion ist mitbestimmender Teil derGeschichte ... Aber wir sind nicht verlo-71


en, und wir werden siegen, wenn wir lernennicht verlernt luJben."D. h. wir müssen uns eben auch vor allemfragen, welche Fehler haben wir gemacht,welche Schwächen gibt es in unsererPolitik? Was sind die Ursachen? Waskönnen wir daraus lernen? Es ist falsch,wenn wir unsere Energie dafür verschwenden,die eigene Politik und Praxiszu rechtfertigen, indem wir beschreiben,daß ja sowieso alles so gekommen ist undkommen mußte, wie es kam.Das stimmt eben nicht! (Die Entwicklungder Oktoberrevolution-Stalin hätteauch anders laufun können, der Sieg desNazifaschismus-Lagers 1933 hatte Ursachen.Genausowenig reicht es zu sagen,der Imperialismus ist eben so stark.) DieSituation heute ist nicht logisch, zwingend,historisch fulgerichtig und ausrechenbarso gekommen, sondern unserePraxis war mitbestimmender Teil - eskönnte also auch anders aussehen. Wennwir auf die kritische Auswertung verzichten,dann bestätigen wir dem System dieÜberlegCmbeit und Unbesiegbarkeit.Ein Ausdruck unserer JDaJ;lgelndenSouveränitätist die spürbare Angst vor Kritik- es könnte alles "falsch und sinnlos"gewesen sein, wird befürchtet (so stand essinngemäß in dem Brief der Tübinger Genossinnenan die drei Celler Gefimgenen).Ja, angenommen, es wäre so, sollten wirdenn dann Unhaltbares rechtfurtigen?Rosa Luxemburg war anders: "KWjetzt in Frage steht, ist der ganze letzteJünfundvierzjgjährige Abschnitt in derEntwicklung der modemen Arbeiterbewegung.KW wir erleben, ist die Kritik,der Strich und die Summe unter den Postenunserer Arbeit seit einem halbenJahrhundert. "Wrr müssen das Falsche und Sinnloseherausfinden, ändern - wenn nicht, verlierenwir unsere Glaubwürdigkeit. VerstehtIhr, was ich meine? Drr umgeht das,Ihr redet nur <strong>von</strong> neuen Bedingungen undneuem Anfang.Wrr können ja nicht hingehen und z. B.einfach die Selbstkritik und Analyse derThpamaros übernehmen! Wrr müssen siefür unsere Geschichte selber machen!Die Thpamaros sind allerdings ein gutesBeispiel, wie eine radikale Kritik aussieht.Mein Eindruck ist der, wir zitieren<strong>bis</strong>her lediglich die Thpamaros! Die Fragen:"Distanzieren - Abschwören ­bewaffneter Kampf, ja oder nein; revolutionäreGewalt ... ?! etc.", wie sie vomStaat und staatstragenden Linken immerkommen, die stellen sich doch gar nichtso.Es geht um eine Diskussion innerhalbder linken, revolutionären Bewegung undnicht um Dialoge oder Deals mit derMacht, und der Kampf für die Freiheit derpolitischen <strong>Gefangenen</strong> heißt ja nicht:"Der Befreiungskampf ist aus, wir ziehenuns mit unseren Wunden zurück!" DieseDiskussionen müssen heute stattfinden,als Revolutionäre, Linke müssen wir immerwieder <strong>von</strong> neuem die geeignetenMittel, Formen und Wege herausfinden.Ich glaube nicht, daß es um die "Durchsetzung<strong>von</strong> bewaffnetem Kampf I revolu-tionärer Gewalt im Prinzip" geht, undauch nicht um die "Durchsetzung <strong>von</strong> revolutionärerFront als Modell I Konzept"- genausowenig, wie es den Aufbau einerrevolutionären Bewegung I Partei losgelöst<strong>von</strong> den Kämpfun <strong>von</strong> unten gebenkann (das ist jetzt nur angeschnitten). Jedenfalls:Ich denke, daß revolutionäreProzesse komplizierter sind, als wir <strong>bis</strong>heralle gedacht haben.Darum ist es wichtig, daß es eine Offenheitund Bereitschaft gibt, aus den unterschiedlichenErfahrungen und Vorstellungenzu lernen - die unterschiedlichen Erfahrungenund Vorstellungen zu lernen-, die sozialrevolutionären und internationalistischenGruppen, z. B. Frauenbewegung,bewaffnete Gruppen, die <strong>Gefangenen</strong>,Widerstandsgruppen - alle könnendazu beitragen. In den 80er Jahrensind viele Erfahrungen gemacht worden.Wenn wir jetzt mit der Allerweltsweisheitankommen: "die Menschen müssenselber ihre Sache in die Hand nehmen",dürfen wir uns nicht in die lasche lügen- denn nichts anderes wurde doch in denvergangenen 25 Jahren versucht!. Oderwas sonst?Zurück zum Aufruf: "Freiheit fürdie politischen <strong>Gefangenen</strong> ... " Ich denke,das Produktivste wäre, es würdenwirklich die verschiedenen Bewegungen,Gruppen etc. aus ihrem eigenen Verhältniszur Widerstandsgeschichte und <strong>Gefangenen</strong>etc. Stellung beziehen. So wie iches ja schon am Anfang geschrieben hatte.Als Anmerkung:- Ich finde, daß die ausländischenpolitischen<strong>Gefangenen</strong> mit einbezogen werdenmüssen, zumindest allgemein auf derpolitischen Ebene. (Es kann ja sein, daßsie es so direkt nicht wollen.)- Die Forderung "Freilassung ... insbesondereauch aller HIV-Infizierten undAidskranken" finde ich richtig.Ich finde, darüber hinaus muß in soeinem Aufruf auch die Solidarität mit denGefimgenen zum Ausdruck kommen, diesich gegen den Knast wehren, die sich solidarischverhalten, so wie im Streik 1989und bei vielen Anlässen (z. B. wird jetztGefimgenen aus Rheinbach die Anklagegeschickt wegen "Meuterei, Widerstand"wegen der Dachbesteigungsaktion).Es gab im Streik ja auch inden Knästeneine gewisse Breite, die Forderung nach"Kommunikation" bezieht sich auch aufdie Knäste. So wie der Streik 1989 mit dazubeigetragen hat, daß esvom Staat ausdiese "Kinkel-Initiative" gibt, finde iches unsolidarisch, wenn jetzt in der Situationdieser Ansatz <strong>von</strong> "Zusammen­Kämpfun" herausfallen würde. (Daß ich,wahrscheinlich wir alle, zu wenig darangeblieben bin I sind seither, kann das nichtrechtfertigen.) Kämpfun wir nichteine Gesellschaft ohne Knäste" ?!"für"Wir kamen aus den Gefllngnissen unddem Exil mit unseren alten ßbhrheiten,mit unserem Paternalismus, den allwissendenund omnipotenten Kenntnissen.Wir behandelten diese jungen Führungspersönlichkeitenwie kleine Kinder, die<strong>von</strong> uns lernen maßten. Wir waren hochmütig,arbeiteten mit unseren alten Schemasund verwarfen sogar viele Einsichtender Jungen, die der neuen Realitiit vielmehr angepaßt waren als unsere. " - (Erfahrungdes TupllfTUlroHuidobro)72


LutzThuterAuf der Suche nach der Strategie des GlücksNotizen nach einem Gespräch mit dem Thpamaro Luis Rosadilla74ThpamarosVorbemerkung. Dies ist ein Text, den ichnach einem Gespräch mit Luis, einem Thpamaro,geschrieben habe. Ursprünglich Für uns, vo} 20 Jahren, die erste Stadtguc""hatten wir verabredet, ein gemeinsames rilla. Das Uberzeugendste an ihr: Sie warGesprächsprotokoll zu machen. Nachdem erfulgreich. Eine bewaffnet kämpfendeLuis aber kurz nach dem Besuch zurück Otganisation, klein am Anfang, am Endenach Uruguay geflogen ist, hat das nicht wohl zu groß. Klug und beweglich, verschränktin den Alltag und das Alltagsbe­mehr geklappt. Der Text ist unvollständig,vor allem, was Luis betrifft. Er hat wußtsein der Menschen. Eine Oligarchie,mehr gesagt. Und Wichtiges gesagt. Nach ihre Armee; der US-Imperialismus in derJahren der Isolation ist mein Gedächtnis Phase der US-Direktinterventionen, seinenicht mehr das beste. Ich habe lange versuchtzu rekonstruieren, was er gesagt filchkräfte für den Krieg gegen die Ar­Counterinsurgency-Strategen und Folter­hat, auch Monate nach dem Besuch empfindeich es noch immer als Verlust, daß Die kleine Organisation war Herr dermen.wir das Gespräch nicht genauer haben. Lage. Es war ihr gelungen, die US-amerikanischenNaturgesetze außer Kraft zuDenn es war ein offenes, freundschaftliches,produktives Gespräch. So ist das setzen. Es gab den Film "Der unsichtbareFolgende kein Protokoll, sondern ein Aufstand •• <strong>von</strong> Costas Gavras. Ein FilmText, geschrieben ~h dem Gespräch. über die Entführung des US-amerikanischenFolterspezialisten Dan Mitrione,Inzwischen kennt Luis den Text, er findetihn sehr gut und ist mit der Veröffentlichungeinverstanden ..sollte Beginn einer Kampagne sein,. die1970, durch die Thpamaros. Die AktionSeit ein paar Monaten gibt es einen das Ziel hatte, die Macht <strong>von</strong> oben in Fragezu stellen und die Macht <strong>von</strong> unten auf­Briefwechsel zwischen uns. Der läuft ehersporadisch. Seit seiner Befreiung war zubauen. Eine Reihe ähnlicher AktionenLuis mehrfach in der Bundesrepublik. sollte die Handlungsuntihigkeit der Regierungverdeutlichen und zugleich dieWlI' hören <strong>von</strong>einander. Sympathie, Neugierdeentsteht. Zwei verschiedene Welten,und doch die gleiche: Ich komme aus thematisieren - also in dieser \\Uhsel­Befreiung der politischen Gefimgeneneiner armen Familie, mein Vater war Bäkker,meine Mutter Hausangestellte. WlI' vor allem: mit dem Volk, für das Volk. Sowirkung politisch durchsetzen. Das hießwaren neun Geschwister, wo denen noch sollte die Aktion, sollte die geplante KampagneKatalysator für gesellschaftlichefünf am Leben sind. Auch ich habe Bäckergelernt, obgleich ich zur Zeit - aufgrund Lern- und Bewu8tseinsprozesse sein.der politischen Verant\1iOrtuDg,die mir Denn in der Konfrontation - und ganzdie Companeros auferlegt haben - meine besonders in der Konfrontation, die fürganze Zeit dem Kampf widme. Ich bin 36 das Volk und die Revolutionäre erfulgreich,für die Regierung aber als Niederla­Jahre alt und habe mich sehr jung in denKampf meines \blkes eingereiht. Damals,mit 13 Jahren, bin ich in die Gekenntnisauf, daß Ofknsive und Initiative,ge endet - blitzt für die Menschen die Erwerkschafteingetreten. Und mit 15 Jahrenin die Organisation. Mit 19 Jahren war und Diskussion den Prozeß der Macht woOfteoheit und Solidarität, Plamnä8igkeitich Gefimgener der Diktatur, und fast <strong>bis</strong> unten und seine überraschende Effizienzins Alter <strong>von</strong> 29 Jahreo war ich im Gefängnis."Diese Aktion war exemplarisch, ~ilausmachen.,.Als ich QlU dem Knast kam, habe ich es im anliimperialistiscJum Kampf ilberhDupt11Ift ~unggeht ..•mich emeul in den KAmpf eingebmdtt.Zuerst Idondestin, WQ$ tIlIjgrund der Ji'rhilltnissewrter der DiIctatru notwddig fremdung lI1Id Selbstentfmndung, fJIISfJIIS der Gefangenschaft der totolen Ent­MGT, danach im RDIImender DU Zeit herrschentJenLegalit4l in meinem Land. Seit ~, in dem dDs JbIk im Griffdem politiscJum lI1Id existentiellen ÄIIs­'84 bi1I ich in der RIhnutg der Organisation.bI dieser lWrktion bi1I ich achora der Medien, der ~ derdes lmperialismlls, der KonsumIadtur,1M1uji:u:II c6ur:h &ropa gereist, 11mErjaJuvngeralIIId Ei1tscItIItzMng tIIUTMIaII­W1m Marlt lI1IdW1m Staatsoppamt ZM le­herrschenden Klasse, in Abhibtgigkmsehen lIIId 11mSoIidtuitiJt ZM gewiNtera." ben gezwungen ist !" (Ulrikc über die ~(Aus eiDem Briefwm November '90.) fteiuDg VOll Andreas 1970)Der Film zeigte diese Frauen und Män­DeI', illepIe und lcgaIe, ~ undVertreter der Volksorganisationen, die dazwischen den Trampeltritten des amerikanisch-uruguayisehenMilitärkolosses mitfliegender Leichtigkeit und überlegenerIntelligenz das Mosaik ihrer Aktion zusammentrugen.Sie waren immer schneller,gewitzter, flexibler, präsenter undunsichtbarer als der Gegner. Vor allemaber waren sie, im Gegensatz zu ihremFeind, in der eigenen Gesellschaft zuhause.Da schienen tatsächlich welche geschafftzu haben, VWMJndie letzten Jahrehierzulande dennaßen inflationär die Redewar: den Durchbruch. Ein unschlagbaresErfolgsrezept. Eine vage Hoffnungschien plötzlich wie in einem Zoom ausfernen verschwimmenden Horizontenzum Greifen nah in unseren Alltag zukommen. Dies oder jenes kannst du jetztso oder so anpacken. Mit deinen eigenenHänden, in deiner eigenen Lebenswelt.WlI' sahen in dem Film vor allem das organisatorisch-militärischeMeisterstück, daslangfristige politische Konzept blieb inder Ferne, undeutlich.Irrtümer sind mitunter langlebig. irrtümerin der Politik stellen sich ein, wenn<strong>von</strong> der Gesamtheit einer Konstellationetwas weggelassen wird. Strategie derTupamaros war es, zuummen mit dem\blk den Proze8 der Macht <strong>von</strong> unten zuerlernen, zu akkumulieren. Das Richtigezu tun. Um im und aus dem Alltäglichender Menschen das Bewußtsein ihrer Geschichtsmächtigkeitreifen zu lassen. Diebewaffnete Aktion war Mittel zu diesemZweck. Sie war nicht Gegenmacht, siewar einer ihrer Katalysatoren. Luis beimsondern Besuch: um "Es Uberwindung geht nicht 11mZerstiJnmg,dessen, WQ$ist.•• \\:m ihrer Gründung <strong>bis</strong> heute warenund sind die Thpamaros eine Organisationfür die soziale Revolution. Huidobro undRosencof sollten auf ihrer Lesereise 1991durch die Bundesrepublik aus dem Staunennicht herauskommen. Guerilla, bewaffneterKampf, das war für sie immereine 18ktik im Kampf für die soziale Revolutiongewesen. WlI' sind damit gescheitert,der Kampf geht weiter, so RosedCOfsiJmgemi8 im Interview (clockwort25, S. 7.91). Und weitergeben kanner, weil das \blk wo Uruguay in diesen20 JlIhreD eindeutig einen politischenLempn1rIJeBclutchlauh hat, Erlebnisse,Er&hrungal und ihren Begriff aJdwmulierthat. In MODfeVideoist das viel zu spüren.Eine Grundlage ist aufgebaut in zweiJahr7.dmIie:D,wo der aus die Tupamarosheute eine neue Phase einleiten können.


In der Bundesrepublik gehen die rev0­ Guerilla gelesen habe, aber nur bei zweienlutionären Uhren anders. Um LichtjahreAuthentizität gespürt habe. Bei Allen­entfernt <strong>von</strong> jenem Selbstverständnis der70er Jahre, wonach der strategische Prozeßde jedenfiills nicht.,,Ja, ja," Luis macht mit dem Daumenein gesellschaftlicher und die bewaff­die Bewegung des schnellen Durchblätdenete Aktion darin ein taktisches Instrumentterns, "Allende, eine Modeautorin, dasist, ein Katalysator, ein Exempel,wird die bewaffnete Aktion nicht mehr alslesen die Leute am StrandCabe(JlS, ganz klar ... "... " "Aber"Exempel" gedacht, als Beispiel, das Luis nickt, deutet an, daß er Cabezasauf soziale ~rallgemeinerung hin konzi- . kennt.piert ist, sondern als diese strategische "Und tJmrn': sage ich, ,,das zweite sindVerallgemeinerung an und für sich. Die die Erinnerungen <strong>von</strong> Huidobro und Rosencofan ihre Knastzeit (Rosencof/Fer­Selbstgewißheit, die die Thpamaros ausdem gemeinsamen Prozeß mit dem Volk muidez Huidobro: Wie Efeu an der Mauer.Erinnerungenziehen, wird hierzulande zur illusionärenaus dem Kerker derSpiegelung in staatlichen Reaktionen. Der Diktatur, V~r1ag Libertäre Assoziation,Stoffwechsel (die Akkumulation) findet Hamburg). Da sitzen zwei Menschen imnicht statt zwischen der politischen Initiativevollkommenen Nichts, zwölf Jahre hermeläuftund Teilen der Gesellschaft, er vertischeKontaktsperre, StaalSgeisel, unterin einem parapolitischen Raum, nebenBedingungen, unter denen eiri TIer binnender Gesellschaft, zwischen Staats­kurzem eingehen würde, aber in der Isola­schutz und Revolutionären. So wiederholt tion zeigt sich schließlich, was eine/rsich darin die vom Kapital geprägte Mentalitätwirklich ist: Sie gründen eine J.Jf?lt.Wieund Entwicklung unserer Zeit: die sie es draußen auch gemacht haben. Sol­Versteppung des Sozialen. Diese Versteppungchen Menschen vertraut man. Sie bildendes Sozialen ist eine Bedingung für in diesem Jbkuum - und deshalb in jederImperialismus nach außen. Zwischen der anderen Situation - eine J.Jf?lt:die Identitätder Revolutionäre. Sie gründen eineAsozialisierung der eigenen Gesellschaftund dem Völkermord in der Dritten Welt J.Jf?lt,in der sie diese und jene Fähigkeit,besteht durchaus ein innerer Zusammenhang.dieses und jenes Talent und Bedarfnis inSo weit ist es <strong>von</strong> den Golfkriegern Marsch setzen. Das ist· die eigentlicheEnzensberger und Biermann <strong>bis</strong> Saarlouis Auskunft ihres Berichts. Nicht das endloseund Hoyerswerda nicht. Eine Resignation Gejammer über die Folter - wer hlitteder Linken, der Revolutionäre vor der Grund dazu, wenn nicht sie -, nicht dieWrrklichkeit der Metropolengesellschaft moralische Überftihrung der Folterer undwird Großdeutschland endgültig zum globalenihrer US- amerikanischen Lehrherren ­Sprengsatz machen. Dies ist die nein, aus ihrer Sicht eines tätigen und ab­Sorge der Thpamaros, dies ist die Kritik wechslungsreichen Lebens im Nichts bekommtan uns: Sorgt euch nicht um die Befreiungskämpfedie Folter ein ganz anderes Ge­bei uns, sorgt euch um den sicht. Nicht dieses Gefühl, die Folterinneren Zustadtl eurer Nation.könnte ihnen das Leben aussaugen, nein,umgekehrt: Die Gewißheit, das einzig andere,mit dem sie zwölf Jahre lang konfrontiertsind, das einzig andere, das demonstrativnur Tod ist, besi~gt zu habenmit ihrem Mut und ihrer Findigkeit, über­Es geht nichtum Zerstörung ...Ich entdecke Luis hinter der geöffnetenTür. Er steht auf, lacht, wir umarmen uns.Wrr sitzen am Tisch, B., die übersetzt,zwischen UDS. Das Gespräch ist gleich da,wie unter Freunden, die sich eine Wocheoder einen Monat lang nicht gesehenhaben.Er will wissen, was ich lese, ob ich nochmale. Ein Bild, das er bei T. gesehen hat,hat ibm gefiillen. ,,Ja, malen tilt ich schongerne, . aber zur Politik und zum Malenbrauchst du gute Laune, wenn es was Gescheiteswerden soll. Und wenn ich denKopf und die Zeit nicht frei habe, funktioniertdas mit dem Malen nicht. Ganz einfachnebenbei geht es nicht. Wir alle sindin einer Umbruchsituation, das heißt, esgibt viel zu tun, das Problem hier in derBundesrepublik, vor allem in der Linkenist ... " "Ach, hör auf', er hebt beschwörendbeide Hände, "hör auf mit derPolitik, wir haben doch eineinhalb StundenZeit, laß uns doch erst so ein bißchenquatschen!"Wrr reden hier ein bißchen, da ein bißchen.Über lateinamerikanische Literatur.Ich sage ibm, daß ich einige Literatur<strong>von</strong> lateinamerikanischen Autoren überall eine J.Jf?lt tu gründen, hat den Tod abgehängt.Und so sind im Gesicht der Folterbald die Züge des Verlierers erkennbar.Hbs nicht heißt, daß diese zwölf Jahre.nicht ein barbarisches Verbrechen gewesenwaren. Aber Menschlichkeit iststlirker, und darin liegt der empirisch gehiirteteBeweis, daß Befreiung den Menschenmöglich ist. Huidobro und Rosencofsind nur zwei Menschen. Es liegt darinaber auch der empirisch gehiirtete Beweis,daß Befreiung, ohne die Fähigkeit,eine J.Jf?lt ZU grllnden, Simulation bleibt .•,Luis: "Wir brauchen eine Strategie desGlücks, nicht der Opfer. Die Linke mußdiese Strategie des Glücks spürbar, sichtbarverkörpern, Kreuzzüge muß sie dafürorganisieren. Sie muß wegkommen <strong>von</strong>der spartanischen, der dem Leben abgewandtenEinstellung. Ich bin sehr arm,aber ich fühle mich sehr reich. Es gehtnicht um Zerstorung, sondern um Überwindungdessen, was ist. Der Reichtum imKapitalismus ist, für sich genommen,nichts Schlechtes. Aber in deinem Landwerden viele Dinge verschwendet, die wirin Uruguay zum Leben bitter nötig hätten.Reichtum muß man teilen können. DieMenschen in deinem Land können dasAnzeigenak.....• damit dasKapital nicht dasletzte Wort behältSeit 20 Jahrenberichten, dokumentierenund kommentieren wir u.a.:• Nazi-Terror undalltäglichen Rassismus••Klassenjustizdie Situation nach demZerfall der Sowjetunion• den Kampf gegen § 218• die FrauenbewegungOst und Westin• Befreiungsbewegungenin der ,Dritten Welt'• Linke Debatte um das Endedes ,realen Soziatismus'und die Folgen ... und ...Der ak erscheint vierwöcht/ich im 20. Jahr.Er kostet DM 6 und ist in allen linken Buchlödenund gut sortierten Zeitschriftenlädenerholt/ich. Oder direkt bei derHamb'"1ll.rSatz- und Verlagsk_perativeSchulterblatt 58, 2000 Hamburg 36Tel. 040 / 43 53 20Der ak kostet im Abonnement:jährlich DM 72; halbjohrlich DM 38FOrAbonnentinnen in der (ex-)DDR:johrlich DM 60; halbjöhrlich DM 33Einzelbestellungen: DM 6 + DM 1 PortoKostenloses Probeexemplar bestellenlDie RadiuIIität linker Geeahch8ft88fllllyse undStreitkUtur hat ZUkunft. Und einen Namen:SPEZIALlinks und radikalErscheint zweimonat6chfür 5 DMSchwerpunkte: Hgh- Tech-KapitalismJs.Euro-~,Gro8Deutschland. RadkaIeUnke. Ex- ReaISozialsmus. NeuerAntifasctismus. AntiimperiaIismJs heute.Neue Linke-neue Chance? u.a.••••••.•••••••• 25 DII bei SPI!ZIAL,ScIIiS•••••.•• 18A, 3 ~ t,TeL05111702528 Pu. 70448340 Seiten Probeheft anfordern75


nicht mehr. Und so sind es meist einsameMenschen. Hbs mich verblüfft hat, ist,daß in der linken dieselbe Unfdhigkeit zurSolidarität verbreitet ist. Verstehe ichnicht, wie du als linker so existierenkannst. In den Gruppen scheint es immerwieder zwei Verhaltensweisen zu geben:Egoismus gegenüber dem Kollektiv undUnterwürfigkeit gegenüber dem Kollektiv.In Uruguay haben wir eine nationaleIdentität <strong>von</strong> unten, eine gesellschaftliche,soziale Identität. Sie zeigt sich als solidarischesund offenes Verhdltnis derMenschen zueinander. Das gehört sozusagenzum guten Ton. A su servicion, zuIhren Diensten, ist nicht nur eine Formel,es wird auch so gelebt. Im Alltag. Zieht jemandneu in eine Straße, gehen die Nachbarnauf ihn ZU und helfen ihm. ~nn jemandkrank ist, wird Geld gesammelt.~r da nicht mitmacht, ist nicht gut angesehen."Ich sage ihm, daß es bei uns eher umgekehrtist: Wer offen und hilfsbereit ist,wird oft als naiv, wo nicht als lebensuntüchtigangesehen, und ich furchte, Teileder Linken haben sich dieser dummenKaltschnäuzigkeit angepaßt.Die Solidaritätder Menschen ...Luis: "Wir haben unsere Politik auf dieseSolidarität der Menschen aujgebaut. Nurein Beispiel : Bei großen Aktionen kam esvor, daß wir 30 oder 40 Autos brauchten.Wir haben die Autos angehalten, die Haffenwaren nie geladen. Wir sagten denFahrern, wer wir sind, viele waren begeistert:Endlich kommt ihr zu mir - ablehnendeHaltungen gab es aber auch. mtrdeetwa ein Taxi angehalten, wurde demFahrer der Verdienstausfall ersetzt. Esgingen welche mit ihm in eine Bar, habenmit ihm gegessen und getrunken, mit ihmgesprochen. Brauchten wir z. B. einenChemiker, wurde auch ihm alles bezahlt.Es wurde genau darauf geachtet, sich sozialund solidarisch zu verhalten .••Auf der überzeugenden und beeindrukkendenWirkung des solidarischen Verhaltenswurde die Politik mit aufgebaut.Immer und immer wieder zu zeigen undvorzuleben, was MenscWichkeit, was Gerechtigkeitund Solidarität sind, statt nurin der Propaganda da<strong>von</strong> zu reden, hat denTupamaros Schutz und Hilfe mehr gebrachtals die Vorsichtsmaßnahmen odergar eine Unkultur des Mißtrauens, wie siehier in der Linken oft vorkommt. Denndiese Kultur frißt die MenscWichkeit unddie <strong>von</strong> ihr herkommende Kraft.,,~ißt du, wie Che Guevara <strong>von</strong> einemKampjgefdhrten beschrieben wird: ,Erwollte immer mehr tun als die anderen. Erzweifelte an niemandem. Man fühlte sichihm verpflichtet. Denn man hatte sein Vertrauen.'"Luis: "Ja, das ist es. Vertrauen. ~nndu Vertrauen in dich selbst hast, in dieMenschen, in deine Genossinnen und Genossen,in die Sache, um die es geht ­dann gehen die Dinge gut. Ich hatte Ver-76trauen, daß es mit unserem Besuch klappt,ich wußte, daß es gut geht. Auch wenn esMenschen wie Steine gibt," - Seitenblickaufs LKA - "wir müssen Vertrauen indie Menschen haben. Wir dürfen uns nicht<strong>von</strong> jenen Menschen, die wie Steine sind,irritieren lassen in unserem grUndsätzlichenVertrauen."Ich werfe ein, daß gerade Vertrauenkeine losgelöste subjektive Eigenschaftist. Sie ist eine erworbene Eigenschaft,eine grundlegende Gewißheit über das Eigeneund das Soziale, die erworben werdenmuß. In einer Gesellschaft, in der Solidaritätund Hilfsbereitschaft hoch bewertetwerden wie in der uruguayischen,ist das leichter, in einer Gesellschaft, dieder kapitalistischen Doktrin des Egoismuspolitisch-kulturell so wenig entgegenzustellenhat wie die derzeitige Metropolengesellschaft,ist das erheblich schwerer.Die Doktrin des Egoismus, Motor derkapitalistischen Zivilisationsleistung wieder furchtbarsten Verbrechen derMenschheitsgeschichte, löst den gesellschaftlichenZusammenhalt auf. DieserProzeß hat sich in den letzten Jahren starkbescWeunigt. Soziales, Gesellschaftlichesmuß bestimmte Voraussetzungen vorfinden,um am Leben, vital bleiben zu können.Wie der Mensch ein soziales Wesenist, so ist die vitale Gesellschaft auf diesensozialen Menschen angewiesen. Zu diesenVoraussetzungen gehören also Einstellungenund Verhaltensweisen, die ausder Dimension des Menschen, sozialesWesen zu sein, zoon politicon, fließen.Wo diese sozialen Einstellungen und Verhaltensweisenauf dem Rückzug sind, dorterlischt auch die Erinnerung an sie. SozialesVerhalten wird unwirklich, scheint derWelt des Egoismus fremd zu sein. WasLuis mir <strong>von</strong> Egoismus und Unterwürfigkeitim Kollektiv sagte, scheint ein Signaldafur zu sein, daß die Erinnerung an dieseWelt menscWicher Gesellschaft selbst beimanchen Linken, die doch in ihrer Propagandavorgeben, fur diese Welt zu kämpfen,ins Dunkel des Vergessens absinkt.Oder: Unsere Ziele, Solidarität und Gerechtigkeit,werden nur noch gewußt,aber nicht mehr gespürt und gelebt. Manorganisiert sich in einer Gruppe, um fürBefreiung zu kämpfen, verhält sich aberegoistisch und / oder unterwürfig. Daseigentliche Drama ist aber, daß viele zudiesem Gespaltensein der eigenen Existenzkeinen Zugang mehr haben. EinBlinder wird sich mit dem Farbunterschiedzwischen rot und grun nicht beschäftigenkönnen. Und so haben solcheLinke <strong>bis</strong> jetzt auch keinen Anlaß furEmanzipationsprozesse entdeckt. Die beidenTeile der Persönlichkeit, die antikapitalistischeIdeologie und die kapitalistischeMentalität, stehen sich gegenseitigim Weg. Das defizitäre Vertrauen in sichselbst und andere, scWießlich in die Ziele,um die es geht, drängt dazu, eine Scheinsicherheitin ideologischen Formeln zusuchen. Umgekehrt führt die Gewohnheit,sich innerhalb ideologischer Leitplankenvorwärtszubewegen, dazu, daßman verlernt, die eigenen VerstandesundSeelenkräfte frei zu gebrauchen.Aber ohne das werden neue Terrains nichterscWossen. Ein Teufelskreis, in dem sichjene, die ehedem mit den authentischstenGründen - vielleicht vorpolitischenGründen - aufgebrochen sind, persönlicheund politische Entwicklungsmöglichkeitennehmen. Der eigene und der gemeineEmanzipationsprozeß würde Vertrauenin die Fähigkeiten zum selbständigenDenken und zur eigenständigen Initiativeentstehen lassen, der Weg, auf dem Willenentsteht. Willen entsteht immer imThn und in der Konfrontation, nicht alslogische oder ideologische ScWußfolgerung.Es wäre dann nicht ein Prozeß, indem "mehr" gemacht würde, es wäre einProzeß, in dem etwas anderes gemachtwürde. Und <strong>von</strong> daher natürlic.h auchmehr. Da die Selbstblockade im nicht gelöstenWiderspruch zwischen kapitalistischerMentalität und antikapitalistischerIdeologie autbrecl\en, in neuer Gestaltidentisch, Identität würde und <strong>bis</strong> dahinnie gespürte Energien freisetzen würde,Energien, die <strong>bis</strong> dahin dazu gebrauchtwerden, den nicht gelösten Widersprucheinigermaßen im Zaum zu halten und mitden daraus resultierenden Problemen fertigzu werden.1789, Französische Revolution: Dierevoltierenden Volksmassen waren nichtin der Lage, sich etwas anderes vorzustellenals eine andere Monarchie. Es istschwer, neue Welten zu gründen. Der altenWelt den Laufpaß zu geben, wäre einentscheidender Schritt.Erfahrungenwerden nicht aufgearbeitetLuis: "Sendic dachte auch so - neue sozialeRäume öffnen. Has mich an der linkenhier ebenfalls erstaunt hat, ist, daß eskeinerlei Akkumulation gibt, weder inhaltlichnoch personell. Erfahrungen werdennicht aujgearbeitet, ich habe das Gefühl,diese linken fangen ständig <strong>von</strong> vornean, haben kein Fundament, <strong>von</strong> dem sieausgehen können. Es ist doch wichtig, dieeigenen Erfahrungen zu sammeln und dieVerarbeitung zur Geschichte zu betreiben.••"Ja, das ist auch eine Ebene, um demVerlust des sozialen Gediichtnisses entgegenzuarbeiten.••Luis: "Wir arbeiten seit einigen Jahrendaran. Einige Genossen haben die systematischeAufarbeitung der Geschichte derKlassenkämpfe übernommen. Sie konzentrierensich auf diese Arbeit, auf dieDurcharbeitung der Geschichte der Organisation,des Volkes, des Landes. PUr unsist es ungeheuer wichtig, diese geschichtlichenVerknüpfungen und Kontinuitiitenherzustellen - denn wir sind, genausowie ihr hier, mit der Geschichtsschreibungder Bourgeoisie konfrontiert. Dasdarf man nicht stehen lassen, dem muß dielinke ihre eigene Geschichte entgegenstellen.Aber es handelt sich dabei nichtum die abgeschottete Arbeit <strong>von</strong> Experten,die Arbeit ist verknüpft mit dem Volk. Dasist schließlich ihr eigentlicher Zweck: Sie1J


den Menschen zu bringen, das Volkin diesenJJewußt$einsprouß einzubeziehen, inDiskussiOMTl etc. Durch unser Radio habenwir heute eiM vollkommen andereMöglichkeit ZU einem stlbuligen und intensivenDialog mit den Menschen. Wir machenSendungen mit diesem oder jenemThema, sie können anrufen, es wird diskutiert."Durch diesen umfassenden Prozeß kanndas Volk sich selbst als geschichtsmächtigesSubjekt entdecken, und selbstverständlichist das der fruchtbare Boden, aufdem das Vertrauen der Menschen zu sichselbst und zu den anderen wächst.Luis: "Nach der Befreiung 1985 habenwir unter uns intensiv über unsere vergangenenzwei Jahnehnte diskutiert und auchöffentliche Ausei1llJ1lClersetzungen darübergefUhrt. Wir haben systematisch darangearbeitet, und es gab sehr viele kritischeBeiträge dazu, die wir auch nach allenRichtungen hin angefordert hatten. Siewurden gesichtet, durchgearbeitet, nach1hemenschwerpunkten geordnet - unddann haben wir einen Kongreß organisiert,auf dem wir über alles gesprochenhaben. An dem Kongreß haben Mitgliederder Organisation teilgenommen, paralleldazu haben wir uns den Diskussionen aufder Straße gestellt. Das Volk in Uruguayhat in den letzten 20 Jahren ein große politischesBewußtsein akkumuliert, es warendie Kämpfe, und es war ihre Bewußtmachung.Als wir das Referendum machten(Referendum gegen eine Amnestie derMilitärs), als bekmuu wurde, daß sie sichdurchgesetzt hatten (genug Unterschriftengesammelt hatten, damit das Referendumzugelassen wird), gingen Hunderttausendeauf die Straße und riefen: Uruguay,Uruguay. Nationale Identität <strong>von</strong> unten.Die Feinde der eigenen Nation sind nichtdie Nachbarnationen, auch nicht das USamerikanischeVolk- es sind die Militärsund Imperialisten .••"Geschichtsbewußtsein, •• sage ich,"ist auch so etwas wie Unterscheidungsfähigkeit.Zu begreifen, daß wir jetzt ineine andere Epoche gehen, heißt begreifen,was die zurückliegende Epoche war.HW mir an dem, was du sagst, klar wird:daß ihr eure politischen Erfolge nach1985 nie erreicht hättet, wenn ihr eureGeschichte nicht öffentlich durchgearbeitethättet. Die Verarbeitung der Vergangenheitist die Voraussetzung, sich /Ureine neue Entwicklung entscheiden zukönnen, sich /Ur die frei zu machen. Sichentscheiden heißt immer auch: sich trennen.Von Inhalten, <strong>von</strong> Personen. Einesdeiner Stichworte vorhin war: Es gehtnicht um Zerstörung, sondern um Überwindungdessen, was ist.••Dieser Mangel an Weltgründungsfähigkeitwirft einen Teil der Linken immerwieder auf die Mentalität des Zerschlagenszurück. Mögliche historische Ursachen:einmal das schlichte Faktum, daßdie historischen Erfahrungen mit einersozialistischen Alternative entweder sehrdünn gesät waren (Commune ... ) oder,wie der Realsozialismus, nicht geradeüberzeugend waren. Was wohl auch daraufzurückgeht, daß die Entwicklung dermenschlichen und sachlichen Produktivkräftenoch l1ie SO weit war. Heute aber istder Reichtum an Möglichkeiten, derReichtum an entwickelten Produktivkräften,der Reichtum an menschlicher Kompetenzund Bedürfnissen größer als je zuvor.So daß sich der <strong>von</strong> Marx nie aufgelösteWiderspruch zwischen dem "totalentfulteten Individuum", aus dem sichseinen Vorstellungen zufolge die zur sozialistischenOrganisation der Gesellschaftreife Arbeiterklasse zusammensetzensollte, und dem Ist-Zustand der Arbeiter-Produzentenim Frühkapitalismus :körperlich, geistig, seelisch verkrüppeltesAnhängsel der Maschine zu sein -, sodaß sich also dieser nicht aufgelöste, dassubjektive immer wieder in die Rolle desObjekts <strong>von</strong> herrschenden Klassen drängendeWiderspruch aus den Zeiten desFrühkapitalismus sich heute anders darstellt.Die Arbeiterklasse zu Marx' Zeiten wareine gesellschaftliche Minderheit, eineMachtausübung durch sie konnte deshalb,so Marx, nur eine diktatorische sein: Diktaturdes Proletariats. Heute ist die Arbeittotal vergesellschaftet, die Arbeitendensind in ihrer übergroßen Mehrheit Warenbesitzer,und zwar nicht mehr allein Besitzerder Ware Arbeitskraft. Insofern hatein gewisser Emanzipationsprozeß stattgefunden:Der Arbeitende ist nicht mehrausschließlich Anhängsel der Maschineund Besitzer der Ware Arbeitskraft. Erhat in diesem Prozeß signifikante Kompetenzenund Bedürfnisse entwickelt, dieschon längst über die zu eng gewordenenGrenzen des Warenverhältnisses hinausschwappen.Die <strong>Gefangenen</strong> aus der RAFhaben in der ersten Hälfte der 70er Jahrediese Tendenz im Begriff der "VertikalenKlassenanalyse" gefußt. InsbesondereHolger Meins, der 1974 im Kampf gegendie Isolationsfolter starb, hat daran gearbeitet.Vertikale Klassenanalyse heißt: Esist nicht mehr nur eine minoritäre Arbeiterklasse,die ein Interesse gegen die bürgerlicheKlasse hat (und andere Klassenund Schichten allenfulls als Verbilndetegewinnen kann), es ist ein großer Teil derGesellschaft, dessen entwickelte Kompetenzenund Bedijrfnisse aus dem eng gewordenenGefängnis Warenproduktion,derkapitalistisch bestimmten Arbeit in dieFreiheit drängen. Andererseits ist dieseFigur des Warenbesitzers zweifellos eineCharaktermaske: Geschlagen mit allenMentalitäten des Markts und der Metropoleist es eine ausgesprochen widersprüchlicheExistenz: auf der einen Seitezu gesellschaftlicher Vernunft und Kompetenzund Initiative fähig, wie sie <strong>von</strong> derpolitischen Klasse schon längst nicht mehrzu erwarten ist, auf der anderen Seite zuall den reaktionären Einstellungen undVerhaltensweisen bereit, zu denen Kleinbesitzeraller Zeiten fähig sind. So begegnetuns heute in der Bevölkerung der Bundesrepublikein reichlich durchwachsenesGemisch aus erstaunlich vernünftigen p0­litischen und sozialen Einstellungen ­aber ebenso reaktionären. Vertikale Klassenanalyseheißt: diese Kompetenzen undBedürfnisse freisetzen und gegen die De~struktivität des ökonomischen und politischenProzesses durchsetzen. Eine andereWelt gründen. Ein großes Wort, ich weiß,aber dieses Ziel in den nächsten Jahren alsfemen Horizont auftauchen zu lassen, wäreein wesentlicher Schritt.Ein allgemeingültigesRezept gibt es nichtLuis: "Ein allgemeingültiges Rezept /Urden Sozialismus kann es tatsttchlich nichtgeben. Jedes Land muß hier seinen eigenen~g finden. ~nn wir <strong>von</strong> nationalerIdentität sprechen, sprechen wir nicht <strong>von</strong>einem revolutionären Projekt. Selbstverstltndlichist das nicht revolutionär. Aberwir nehmen es der Bourgeoisie weg. Unddas ist ganz wichtig. Eine nationale Identität,die nicht <strong>von</strong> der Bourgeoisie bestimmtist, sondern Resultat der Klassenkämpfe.Der Hinweis darauf, daß die nationaleFrage nicht mehr thematisiert werdenkönne, weil ihr hier Faschismus gehabthabt, zieht nicht, wir haben auch Faschismusgehabt, der war äußerst brutal,der hat auch gravierende Nachwirkungenin der Gegenwart des Volkes. Die Frageist, ob man konsequent ist und sich dieserschwierigen Situation stellt oder ob mandas eigene Volk<strong>von</strong> sich ausklammert .••.,Ja, ich denke, die deutsche Linke unddie deutsche Arbeiterbewegung waren indiesem Jahrhundert ganz besonders mitunvorstellbaren Übermiichten konfrontiert:Hitler und Stalin. Vondem dabei erlittenenZwergentrauma, der Rolle desewigen Objekts und allenfalls Einklägers<strong>von</strong> Forderungen bei Staat und Kapital istsie nie ganz losgekommen. So wenig wiedie Deutschen ihr Faschismustrauma inder Gründung einer anderen ~lt überwundenhaben, so wenig hat die Linke diesesihr historisches Trauma abgestreift.Von Generation zu Generation weitergegeben.Antifa ist nur ein Resultat da<strong>von</strong>.Und so sind wir '68, als dem wohl einschneidendstenVersuch, da<strong>von</strong> loszukommen,an diesem Punkt über eineSchuldzuweisung an die Elterngeneration(Kollektivschuld) und damit verbundenein Auswandern in die bessere JVelt dernationalen Befreiungskämpfe im Trikontnicht hinausgekommen, jedenfalls nichtweitreichend genug. Andere Faktorenspielen mit, bestimmte Begriffiapparate,etwa so ein Begriff wie Arbeiteraristokratie.Lenin hat das in seiner Enttäuschungüber den widerstandslosen Zusammenbruchder 2. Internationalen vor dem imperialistischen~ltkrieg geprägt. SolcheBegriffe haben unser Denken und unsereHbhmehmung <strong>bis</strong> in die 70er Jahre hineinbeeinflußt. Damit ist heute die Wirklichkeitnicht mehr zu erreichen .••Luis: "Die linke hat auch ein Verhältniszu Man: und seinen Schriften wie zueiner Bibel, ein religiöses Verhältnis,einen religiösen Dogmatismus. HW Man:sagt, wird nicht als ~rkzeug benutzt.sondern als Endprodukt. Auch war es einFehler der Befreiungsbewegungen, nichtwirklich den eigenen ~g gegangen zu77


sein. Auch sie hielten an Konzeptionen,wie sie vom Reolsoziolismus ausgingen,fest. So waren sie nicht in der Lage,schiJpferisch ZU sein und &freiungslconzepteaus den Bedingungen der einzelnenlAnder zu entwickeln. Das negatorischeVerhalten der Linken bedeutet, daß siekein generelles Gesamtlconzept, keine Gesomttheoriehot, die me heutigen gesellschaftlichenJf!rhilltnisse IcliJrtund erlcl4rtund <strong>von</strong> der aus abgeleitet werden kiJnnte,was zu tun ist. Im 1nIcont werden sich einzelnepmgmatische Initiativen, Lösungsvemu:heakkumulieren, neue ~ierungsversuche,me einjoch aus der Notwenmgkeit,das Leben ZU sichern, geborerawe1rlen.Das ist schließlich auch unsereSitJultionheute in Uruguay.••Zum Schluß möchte ich zitieren, wasMilitante der BR·PCC im italienischenSpezia1gefingnis \'Oll Navarra im April1991 geschrieben haben : "Unter denhauptsilchlichen Regionen des intematio­1Ullenkapitalistischen Systems ist die Regionder EJHJ jene, wo die objektiven Bedingungenzur Erneuerung der starkenIdee des SotialismIIs und Komnuuaismusgegeben siNlln '*stewvpa, gerrule wodiese Idee geboren wurr:le,tendiert sie da­ZU, erneut zurllt:/c;zuJce. Dieses Malaber kommt sie zurlkk mit der ganzen a1c­1cunwlierten ErjQJarungder internationalen~.Bewegung und mit allerPotentialitiJt, die tburh die heutigeEpoche eriJf/net wim .••Denn der ökonomische Prozeß des Kapitalszieht wie eine Naturkatastrophedweh die ~lt. Wie die Zeiten der "Diktaturdes Proletariats" wrbci sind, so dieZeiten, wo. es "geschäftsfiihre Ausschüssedes Kapitals" gab, ein steuerndesund kOntrollierendes politisches Subjektdes kapitalistischen Gesamtprozesses. Sobetont Edzard Reuter, daß Daimler-Benzsich in keiner ~ise verpftichtet fiible, inden neuen Bundesländern zu investieren:"Wir sind nicht Pioniere einer nationalenoder nationalistischen Sache, sondernUntemeluner. M&ur in OsttleutschlondGewinne zu machen sind, investieren wir.Aber nicht, 11Ift einigen Politikem einenGeji;dlen zu tun." (Hamu'dmanager 4191)Der kapitalistische Gesamtprozeß ist inseiner dominanten Strömung schoo läDgstinternational, bürgerliche ~litit abernoch immer im Nationalen zuhause, mitnatioDalen Instrumentco operierend.,.AMers als ihn lbJ1'dnger ZU Zeiten,als Globalisierung noch nicht das 17temawar, jiJhlen sich suprrl1llllionale Managerkei1tmt bestimmten Ltmd gegenilber verpJIicJItet.Vielmehr lockern sielt in _weltweit tiJtigm UnterneIunen immer 111­scher die herlc6nrmlichen Bande zwischen,Ilenen' und ,uns: den Bilrgern eines bestimmtenLtmdes. Dtzftb' wenIen wir Zeuge.wie sich eine bIo1tk.ere RJnn <strong>von</strong> KDpitolismashermwchtJlt. bei der sielt MonagerQIU iIIme traditiortelIet ~QftJbIk und Herlamjtsort liJsen lI1Id ihn Ent­~ eher disttmziert. gadttJftsmiIjJigund ktvUch viJUiglcIIIrlwtd lTIIio­1tal treJJm. JbIerImItbIiebe isllteIIIe beiden ~ DU' Jf&IIl <strong>von</strong> ProdIIIctioraund SIoIrtJon nidrt ",.. ~.1Uerziihlen allein die Gebote des globalen'*ttbewerbs. " (Harvardmanager 4191)Das Kapital im ~1tma8stab hat längstdie Flucht nach vorne angetreten. Durchdie Bewegung im Trikont nach dem2. Weltkrieg (nationale Befreiungsbewegungen,Blockfreie, neue ~ltwirtschaftsordnung)und die Emanzipationsversuchein den Metropolen vor die Alternativegestellt, Wachstum der kapitalistischenWntschaft oder menschenwürdigeGesellschaften, bat sich das Kapital fürdas erste und gegen das zweite entschieden.Für den 1iikont ablesbar etwa an derSchuldenkrise, vor allem aber an ihrerHandhabung in den 80er Jahren (dieSchuldenkrise ist ein zentrales Beispieldafür, daß eine politisch steuernde internationaleStruktur des Kapitals fehlt), fürdie v."e5tlichen Industrieländer am Absturzdes Kcynesianismus in den 80er Jahren,für die Bundesrepublik an ckr brutalenKolonisierung der DDR oder amRückzug aller etablierten Gro8organisationen,<strong>von</strong> CSU über SPD/Gewerkschaften<strong>bis</strong> hin zu den GRÜNEN ausihren gesellschaftlichen oder Basisbezügen.Das gesellschaftliche Terrain stehtot'fim. Seinen· historischen Anspruch,WOhlstand und Freiheit für alle Menschenzu bringen, bat das Kapital längst überBord geworfen. ~ vom Ende der Geschichtedie Rede ist, dann ist hier\'OIl dieRede.79


IrmgardMöDerErklärung vom 15. 4. <strong>1992</strong>wir wollen gleich kurz folgendes sagen:die entscheidung unserer genossen istrichtig, sie entspricht dem, worauf auchwir gefangene für den politischen prozeßaus sind.wir wollen - seit 89 ja schon - eine zäsurim gesamten politischen zusammenhang.ein solcher schritt kann <strong>von</strong> allenbeteiligten nicht nur am bereich der gefangenenangepackt werden.wir sehen auch heute noch um vielesdeutlicher, als es schon mitte der 80er zuerkennen war und im hungerstreik 89 <strong>von</strong>uns das erste mal politisch angepackt undin eine praxis umgesetzt wurde, daß dieglobalen und innergesellschaftlichen umbrücheso tiefgehend sind, daß sie für alleeine einfache fortsetzung der politik undpraxis der 70er und 80er jahre unmöglichmachen.wer weiter an der notwendigkeit revolutionärerumwälzung der bestehendenweltweiten und innergesellschaftlichenungerechten und zerstörerischen verhält­Bisse festhält, muß diese umbrüche begreifenund zu einer neubestimmung <strong>von</strong>inhalten und formen der eigenen politikkommen, auch im verhältnis zu den jeweilsanderen linken erfahrungen und lebensweisen.wir gefangene begreifen das als direktepolitische zielsetzung für jetzt und "nachdem knast": neuorientierung in der gesellschaftund den internationalen zusammenhängenund beziehungen, ein offenerlernprozeß.das muß als erstes für die vier haftunfähigenrealität werden.bemd und güRter müssen sofort raus.erst mit ihrer freilassung gibt es wiederein rationales moment in der auseinandersetzungzwischen den politischen gefangenenund dem staat. dabei geht es umeinen gründlicheren schritt für alle beteiligten.einen einschnitt gegenüber der geschichte<strong>von</strong> 22 jahren.wir spinnen uns nicht an dem, was realmöglich ist, vorbei, wenn wir sagen: wirwollen eine perspektive der freiheit für alle<strong>von</strong> uns in einem absehbaren nächstenzeitraum. auch in unserer vorstellung gehtdas nicht sofort und nicht auf einmal füralle <strong>von</strong> uns.wir sagen aber ganz deutlich: was 22jahre lang nach politischen erwägungenund kriterien der bekämpfung und vernichtungauch gegenüber den gefangenenentschieden wurde (<strong>von</strong> den sondergesetzenüber die staatsschutzgerichte <strong>bis</strong> zuden details der isolation) - wogegen wiruns als kollektiv durchgekämpft haben,neun <strong>von</strong> uns gefangenen sind in diesemkampf gestorben, aber in seinen zielenhaben wir es zum scheitern gebracht,kann nicht· nach diesen jahrzehnten alsscheinnormales verfahren einer "lösung"zugeführt werden.das ginge an der wirklichkeit vorbei undwäre eine verhöhnung aller, die einen anderenbegriff der politischen geschichteder letzten 25 jahre der brd haben als diesicherheitsapparate und die staatsschutzjustizund die sich ihre politischeschichte nicht rauben lassen wollen.ge­geschichte ist kein staatsbesitz,staatsoffizielle version ist nicht unsere.diees geht nur so, daß mit gesellschaftlichenwidersprüchen politisch umgegangenwird.wir, die gefangenen aus rat und widerstand,und die raf haben dafür den raumaufgemacht.mit "taktieren" hat das nichts zu tun.irmgard möllerfür die gefangenen aus raf und widerstand,lübeck,15.4.9283


.~'Die Adressen der Autor InnenIrmgard MöllerMarliring 412400 LübeckMichael DietikerKleebergerstr. 236308 ButzbachLutz ThuferTrift 143100CelleBernhard RosenkötterKleebergerstr. 236308 ButzbachKarl-Heinz DellwoTrift 143100CelleSven SchrnidKleebergerstr. 236308 ButzbachKnut FolkertsTrift 143100CelleRolfHeißlerLudwigshafener Str. 206710FrankenthalRolf-Clemens WagnerParadeplatz 5~578 SchwalmstadtCarlos GrosserSchönbomstr. 327520 BruchsalHelmut PohlParadeplatz 53578 SchwalmstadtAliJansenParadeplatz 53578 SchwalmstadtNorbert HofmeierKrümmede346S0BochumAndrea SieveringRochusstr. 3505000 Köln 30Eva HauleObere Kreuzäckerstr. 46000 Frankfurt 501Sigrid HappeObere Kreuzäckerstr. 46000 Frankfurt 501GabiHankaObere Kreuzäckerstr. 46000 Frankfurt 501Nachweise:Karl-Heinz Dellwo: WIr wollen ein Leben ohneVerkauf und Verrat - veröffentlicht im "Angehörigen-Info"94 vom 5.6. <strong>1992</strong> unter dem Titel"Beitrag <strong>von</strong> Karl-Heinz Dellwo für die I. Mai­Demo in Göttingen"Gabi Hanka, Siggi Rappe: In konkreten Schrittenfür reale Veränderungen - Der Text vom Oktober1991 wurde im "Angehörigen-Info" 81 vom6. 12.1991unter dem Titel "Gabi Hanka und SigridHappe zur Kampagne ,500 Jahre Kolonialismusund Widerstand'" veröffentlicht.Martina Bick, Rosmarie Prieß, Marelle Schmegner,Rosita TIßlITI:Unser Kampf für das Leben ­veröffentlicht u. a. in: "u" 341Norbert Hofmeier: Es gab nicht nur den bewaffnetenKampf, Antwort auf "Unser Kampf für dasLeben" - veröffentlicht in: "u" 342 vom6.5.<strong>1992</strong>Lutz Taufer: Auf der Suche nach der Strategie desGlücks, Notizen nach einem Gespräch mit demThpamaro Luis Rosadilla - veröffentlicht in:"u" 337vom 16.12.199184

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