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Theatermagazins - Nationaltheater Mannheim

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DIE LIEBE IST EIN SELTSAMES SPIELAgnes von Peter Stamm zur Spielzeiteröffnung im StudioDer klassische Beginn einer Liebesgeschichte:Ein Mann, Schweizer Sachbuchautor, entdeckt imLesesaal der Chicagoer Bibliothek eine Frau, dieihn auf Anhieb anzieht und interessiert. Schnellkommt er mit der jungen Amerikanerin in Blickkontakt,bald wechseln sie erste Worte beim gemeinsamenKaffee. Sie ist Physikdoktorandin und heißtAgnes. »Agnes, ein seltsamer Name«, erwidert erund damit beginnt eine Beziehung, die in vielem sogewöhnlich ist wie hunderte Liebesgeschichten vorihr, die aber in ihrem Kern, an dem sie letztlich zerbricht,so ungewöhnlich ist wie keine – alle glücklichenPaare gleichen einander, jedes unglücklicheist auf seine eigene Weise unglücklich.Der Autor Peter Stamm musste fünf Jahre warten,bis er einen Verlag für seinen Debütroman fand. Derwurde dafür ein fulminanter Erfolg: Nach seinemErscheinen 1998 wurde Agnes zum Bestseller undin mehr als 20 Sprachen übersetzt. Stamm arbeitetseit 1990 als freier Autor und Journalist und seinerster Roman ist geradezu ein Musterbeispiel seinerThemen und einer Sprache, die auch in späterenTexten unverwechselbar ist. Stamm seziert undskizziert seine Figuren gleichzeitig. Er verwendetdafür eine klare, fast simple Form, die Sätze seinerRomane und Erzählungen sind kurz und pointiert.Dem Leser solle Raum für eigene Bilder gelassenwerden und »es gibt komplexere Formen alsMe taphern«, sagt Stamm. Und doch geht von dieserkargen Sprache ein unglaublicher Sog aus.So hat auch die Erscheinung von Agnes im Romaneine ähnliche Anziehungskraft auf den Leser wieauf den männlichen Protagonisten und Erzähler,durch dessen Augen und Beschreibungen wir Agneskennenlernen. Er erzählt vom gemeinsamen Glückund beginnt direkt mit seinem Scheitern. Gebliebenist ihm nur ihre Geschichte auf dem Papier, die sichrascher entwickelte als die reale Liebe und dieseschließlich übertrumpfte. Wie Realität und Fiktion,Figur und Schöpfer zusammenwirken, das ist einesvon Peter Stamms Themen.Es ist Agnes selbst, die, ohne zu wissen was sietut, ihren Freund um dieses Porträt bittet. Das istder Anfang vom Ende. Nachdem die Geschichtezunächst dokumentierte, was geschah, läuft sieeine Zeit lang parallel zur wirklichen Liebesbeziehung,um schließlich in die Zukunft vorzudringen.Als Agnes schwanger wird, sagt er den falschestenaller Sätze. Warum, das weiß selbst Peter Stammnach eigener Aussage nicht – er ist so wenig allwissendwie sein Erzähler.ICH KENNE DICH VIELLEICHTBESSER ALS DU DICH SELBST.Michaela KlammingerFoto: Christian KleinerDer Erzähler schafft sich ein Idealbild von seinerFrau, an dem diese nur scheitern kann. Gleichzeitighat sie dieses Bild heraufbeschworen undwill vorerst auch nicht davon lassen. Peter Stammtreibt damit etwas auf die Spitze, das so in jederBeziehung zu finden ist: Vorgreifende Gefühle, dieVorstellung, wie etwas sein müsste, utopische Imaginationen.Dass wir alle in unserem Leben Erzählungenausleben, ist ein spezifisches Kennzeichender Moderne. »Moderne Gefühle sind fiktionalaufgrund der Vorherrschaft von Erzählungen, Bildernund Simulationstechniken zur Konstruktionund Manipulation von Sehnsüchten«, erklärt dieSoziologin Eva Illouz in ihrem Buch Warum Liebeweh tut. Romane, Filme, Werbung – alles beeinflusstuns und füttert unsere Einbildungskraft.Das Objekt unserer Begierde erfinden wir zu einemGroßteil selbst. Stamms Protagonist schöpft dabeiaus seiner Fantasie und macht von der MotivationGebrauch, neben seinen Sachbüchern doch nocheinmal einen Roman zu schreiben.Was Peter Stamms Roman für das Theater so interessantmacht, ist auch seine Form. Die Übersetzungseiner eindimensionalen Perspektive istgleichzeitig eine Herausforderung und ein Potentialfür die Bühne, die diese aufbrechen und erweiternkann. Gerade die Figur der Agnes, die im Romannur indirekt zu Wort kommt, bekommt hier denSpielraum, auch ihre Perspektive der Geschehnissedarzustellen oder auf die durch ihn erzählteGeschichte zu reagieren und sie zu kommentieren.Damit hat der Zuschauer dem Leser etwas voraus,nämlich die Freiheit, auch durch Agnes’ Augen aufdie Geschichte blicken zu können. lgAGNESvon Peter StammPremiere am 19. Septemberum 20.00 Uhr im Studioanschließend Premierenfeier im CasinoInszenierung Birgit Bauer | Bühne undKostüme Marcela Snaselova | Musik UdoKnauer | Dramaturgie Lea GerschwitzMit Michaela Klamminger; Michael FuchsWeitere Vorstellungen 20. und 28. Septembersowie 15., 16., 23. und 24. Oktober 2013Workshop »Agnes«:Vom Romantext zur BühnenfigurPeter Stamm beschreibt in seinem gleichnamigen Roman die Liebesbeziehungder jungen Physikdoktorandin Agnes mit einem Sachbuchautor, der ihrgemeinsames Glück in einer Geschichte festhält. Wie entwickelt sich aus denepischen Beschreibungen von Agnes auf dem Papier eine Person aus Fleischund Blut für die Bühne? Wie schlüpft aus dem Romantext eine Theaterfigur?Wann 13. Oktober 2013 | 15.30 – 17.30 Uhrinkl. Vorstellungsbesuch AGNESam 15. Oktober um 20.00 Uhr im StudioTreffpunkt Pforte Werkhaus Mozartstr. 9Mit Michaela KlammingerNur mit Voranmeldung bis 6. Oktober bei nationaltheater.buergerbuehne@mannheim.de oder Tel. 0621 1680 527Kosten € 10,- inkl. Workshop und Vorstellungsbesuch

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