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Theatermagazins - Nationaltheater Mannheim

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Menschen im NTMDiesmal mit Dr. GerhardTTheaterarzt am NTMDer Theaterarzt hat in <strong>Mannheim</strong> eine lange Tradition,bereits zu Schillers Zeiten gab es einen. KönnenSie uns mehr über diese Tradition erzählen?Dr. Gerhardt: Bereits bei Schillers UraufführungDie Räuber in <strong>Mannheim</strong> war Franz Anton May(1742 – 1814) als Theaterarzt anwesend, der 1797zum Rektor der Ruprecht Karl Universität Heidelberggewählt wurde. Damals kümmerte May sich inerster Linie um das Wohl der Schauspieler bis hin zuRezepturen für hautverträgliches Schminken, denEntwurf eines detaillierten Speiseplans und eineabwechslungsreiche, gesunde Lebensweise.Noch vor wenigen Jahren stand in den Verträgen derSchauspieler des <strong>Nationaltheater</strong>s, dass bei denVorstellungen ein Theaterarzt anwesend ist. Heutewird diese Tradition auf freiwilliger Basis von unsweitergeführt; und natürlich sind wir auch für dasTheaterpublikum da.Wie wird man Theaterarzt? Braucht man einenbestimmten Facharzt?Dr. Gerhardt: Jeder approbierte Arzt mit guter klinischerAusbildung kann am NTM Theaterarzt werden,da er in seiner Ausbildung gelernt hat, Notfällezu behandeln. Als Internist habe ich am UMM gearbeitetund bin seit 1979 auch als Theaterarzt tätig.Am Anfang war ich alleine hier in <strong>Mannheim</strong>, meineFamilie war noch in Gießen. Da bin ich halt ab undzu oder auch häufiger ins Theater gegangen, denndie Versorgung mit Theaterärzten gehörte zu denDienstaufgaben des UMM. Unsere MitarbeiterinFrau Tecins koordinierte damals schon die Einsätzeder Theaterärzte aus verschiedenen Kliniken undauch aus dem Gesundheitsamt in <strong>Mannheim</strong>. Mittlerweilekommen die Theaterärzte nicht mehr nurvom Klinikum, aber Frau Tecins hält immer noch dieKontakte zu allen Ärzten und nimmt die Einteilungder Dienste mit Engagement und der ihr eigenenDurchsetzungsfähigkeit vor.Wie viele Theaterärzte gibt es am NTM?Dr. Gerhardt: Insgesamt gibt es derzeit 38 Theaterärzte.Sechs bis acht davon machen sehr viel, sindimmer ansprechbar und springen auch mal kurzfristigein. Dann gibt es ca. 20 bis 25 Kollegen, diehin und wieder Dienste übernehmen. Es sind aucheinige dabei, die schon im Rentenalter sind wie ich,aber das eben auch gerne noch weiter machen. Wirhaben ja auch etwas davon, indem wir mit einemBegleiter die Vorstellungen besuchen können.Wie läuft so ein Abend als Theaterarzt ab? WerdenSie gefragt, welche Aufführungen Sie sehen wollen?Dr. Gerhardt: Frau Tecins wartet immer auf denLeporello und gibt uns Ärzten dann Termine vor.Sie kennt unsere Interessen und versucht, diese zuberücksichtigen. Vom 1. bis 25. eines Monats ist siemit der Terminvergabe dran, und vom 26. bis zumEnde eines Monats übernimmt das Gesundheitsamt.Als Theaterarzt komme ich 30 Minuten vor Vorstellungsbeginnins Theater und trage mich in eine Listeein, damit jeder weiß, dass ich da bin. Dann kontrolliereich im Sanitätsraum unter dem Aufgang A obdie Arzt-Taschen vollständig sind und begebe michauf meinen reservierten Platz.Wie oft kommt es vor, dass sie aus der Vorstellunggerufen werden?Dr. Gerhardt: Hier in <strong>Mannheim</strong> haben Theaterärztedurchschnittlich zwei bis drei Mal im Monat Dienst.Aus einer Vorstellung werden wir nur selten über»Rüttler« oder persönlich von einer Platzanweiseringerufen, um kleinere ›Wehwehchen‹ oder auchgrößere zu heilen.Aber es passieren durchaus auch drei bis vier Notfällepro Jahr. Und da sind wir echt gefordert. DasTheater-Personal ist dann natürlich heilfroh, wennein Arzt da ist, der sich auskennt und das jeweiligeProblem beherrschen kann.Ich erinnere mich an einen lustigen Einsatz beieinem Festlichen Opernabend. Es wurde Il barbieredi Siviglia gespielt und die Darstellerin der Rosinafühlte sich plötzlich indisponiert und wollte nichtauf die Bühne. Da wurde ich aus der laufendenVorstellung geholt, um mich um die Dame zu kümmern,während der Gastsänger schon auf der Bühnestand und verzweifelt nach seiner Rosina rief. Alsich hinter der Bühne ankam, hatte der Inspizientaber schon kurzen Prozess gemacht und Rosina mitSchwung wieder auf die Bühne gebracht. Das warsicher die einfachste Lösung des Problems.Als Theaterarzt sehen Sie viele Vorstellungen. Wasist Ihre Lieblingsinszenierung am NTM?Dr. Gerhardt: Heutzutage leben viele Inszenierungenja von der Einfachheit in Kostüm und Bühnenbild.Ich finde das immer sehr beeindruckend.Im Schauspiel fand ich zum Beispiel Iphigenie aufTauris sehr schön. Das ist eine Inszenierung, diesich wirklich sehr stark auf den Text und die Darstellungkonzentriert, was ich spannend finde. Inder Oper ist Parsifal eine meiner Lieblingsinszenierungen.Auch hier wird man nicht von einem opulentenBühnenbild abgelenkt, sondern kann sichganz auf die Musik und den Gesang konzentrieren.Im Ballett finde ich Handlungsballette wie Romeound Julia und Othello toll. Es ist einfach beeindruckend,wie hier Geschichten ohne Worte erzähltwerden. Viel Freude bereiten mir auch die Akademiekonzerteunseres hervorragenden Orchestersim Rosengarten.Wir sind sehr stolz auf die Leistungen unseres NTMund freuen uns auf die kommende Spielzeit.Eine Bitte zum Schluss:Sind Sie Arzt und haben Sie Lust als Theaterarztaktiv zu werden? Dann kontaktieren Sie mich bitteunter Tel. 0621 477792.Das Gespräch führten Maike Kassebom undCorinna Heubel.DAS LETZTE WORTDIE KOLUMNE DER HAUSAUTORINTheresia Walser ist in der Spielzeit 2013/2014 Hausautorinam NTM. Ermöglicht wird der Aufenthalt derHausautorin durch die freundliche Unterstützung derManchmal, wenn ich im Theater sitze, schaue ichkurz ins Halbdunkel auf die, die neben mir sitzenund auf die Bühne schauen. Für einen Momentschaue ich den Zuschauenden beim Zuschauen zu.Ich mache das auch, um mich selbst zu beruhigen.Umso überzeugter bin ich dann, dass es niemalsaufhören wird: diese Lust, dass der Mensch demMenschen so gerne zuschaut. Und, dass Menschenso gut Menschen spielen können, bloß schöner undschlimmer. Wo sonst können wir so im Halbdunkelsitzen und uns insgeheim wünschen, es möge davorne auf der Bühne doch bitte noch schlimmerkommen! Das befreiende Glück an der katastrophalenZuspitzung, die Lust und das Lachen amSchrecken. Dass man sich in widersprüchlichstenGedanken zerrissen fühlen darf, dass man dieBösen toll, die Guten langweilig, die Verlierer zumSchreien finden kann. Dass man selbst über diemonströsesten Zyniker noch hell auflachen darf.Theresia Walser

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