13.07.2015 Aufrufe

PDF-Dokument

PDF-Dokument

PDF-Dokument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DIE ZEIT - Der Verdachthttp://zeus.zeit.de/text/2003/26/NinaSeite 6 von 1026.06.2004Psychologen. Auf die Frage der ZEIT, warum der Kindesvater jetzt nicht festgenommenund vor Gericht gestellt worden sei, antwortet die Staatsanwältin: „Herr A. entspricht inseinem Gutachten nicht den wissenschaftlichen Anforderungen des Bundesgerichtshofs.Auf der Basis einer solchen Arbeit können wir niemanden anklagen. Jeder Richter hättedas Gutachten in der Luft zerrissen.“Nicht so der zuständige Familienrichter. Er hält weiter an A. fest. Warum? Er hätte nur indie Gerichtsbibliothek gehen müssen, um die entsprechende Entscheidung desBundesgerichtshofs aus dem Jahre 1999 nachzuschlagen. Jugendamt undVerfahrenspflegerin beantragen – beflügelt vom Werk des Herrn A. – beim Gericht, denMüllers endlich das elterliche Sorgerecht zu entziehen und für Lena einen Vormundeinzusetzen.Vater Müller kapituliert nicht. Er entwirft einen Schlachtplan, die zweite Etage seinesHauses wird zum Hauptquartier. Von hier aus feuert er Beschwerdebriefe ab, bombardiertseine Anwälte mit Einfällen, telefoniert und korrespondiert mit Sachverständigen. Hierverschlingt er die einschlägige Fachliteratur und durchkämmt das Internet nachMenschen, die ihm helfen könnten. Schließlich stößt er auf den emeritierten Professor UdoUndeutsch, den Doyen der Aussagepsychologie. Alexander Müller reist zu ihm nach Kölnund unterzieht sich bei einer Mitarbeiterin des Professors einer „physiopsychologischenUntersuchung unter Verwendung eines Polygraphen“. Das heißt: Er lässt sich an denLügendetektor anschließen. Müller ist sich darüber im Klaren, dass die Ergebnisse einesPolygrafentests zwar von amerikanischen Gerichten anerkannt werden, aber vomdeutschen Bundesgerichtshof als „völlig ungeeignete Beweismittel“ eingestuft worden sindund dass es ihm darum nicht viel nützen wird, wenn die Maschine ihn für unschuldig hält.Immerhin ergibt die Auswertung der Tests, die Antworten des Alexander Müller seien„wahrheitsgemäß“.Der Bundesgerichtshof hält nichts vom Polygrafen, dafür aber umso mehr von denRealitätskriterien zur gerichtsfesten wissenschaftlichen Aussageanalyse, deren BegründerProfessor Undeutsch ist. Er gilt als eine der Kapazitäten auf dem Gebiet derAussagepsychologie. Die Müllers legen ihm deshalb im Frühling 2002 das Gutachten desPsychologen A. vor und bitten ihn um ein Votum. Das Urteil des Professors fälltvernichtend aus: „Nichts wert“ sei das Gutachten. A. habe einen Kunstfehler nach demanderen begangen. In seiner 150-seitigen Methodenkritischen Überprüfung der Expertiseschreibt Undeutsch, A. begehe „den katastrophalsten Fehler, den ein Gutachter machenkann: das, was erst noch zu beweisen ist, macht er zur Grundlage seiner Erklärungen“.Die eifrigen Helferinnen vom Kinderschutzzentrum und vom Jugendamt hätten sich schon„unprofessionell und pflichtwidrig“ genug benommen, sagt Undeutsch im Gespräch. Erzieht aus den Akten den Schluss, das Kind sei auf „infame Weise indoktriniert“ und Lenas„Aussage zementiert“ worden. Die vermeintlich wohltätige Nachbarin, Frau X., hält erjedoch für den Spiritus Rector der ganzen kindlichen Falschaussage. Sie sei, sagt derProfessor, „der böse Geist in dieser Sache“.Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt noch jemand. Es ist ein Herr von der Firma U.S.D.Detektive, der im Auftrag der Müllers unterwegs ist, die Quelle der kindlichen Aussage zufinden. Der Detektiv nähert sich der Nachbarin X. telefonisch. Er nennt sich Herr Heinrichund gibt vor, er hege einen Misshandlungsverdacht bei einem Nachbarskind und sucheRat. Bei Frau X. rennt er offene Türen ein. Über viele Seiten hat er dokumentiert, was ihmdie Nachbarin in abgerissenen Sätzen und mit sich überschlagender Stimme am Telefonanvertraut hat.Aufgeregt berichtet Frau X. dem Anrufer, sie selbst sei die misshandelte und missbrauchteTochter eines Offiziers, der Missbrauch sei ihr aber erst vor gar nicht langer Zeit währendeiner Psychotherapie klar geworden. Sie vermute besonders in der Bundeswehr eine „irre“Dunkelziffer solcher Straftaten. Wegen ihrer eigenen Biografie habe sie Lena auch gleicheingeladen, als ihre Tochter Sonja aus der Schule die Geschichte mitgebracht habe, dassdas Kind misshandelt würde. Lena sei „absolut vertrauensselig“ gewesen. Sie selbst habe

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!