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DIE ZEIT - Der Verdachthttp://zeus.zeit.de/text/2003/26/NinaSeite 2 von 1026.06.2004Kind möchte zurück zu Mama und Papa. … Lena hat spontan geäußert, es möchte aufjeden Fall zurück, es vermisse die Mutter und auch den Papa, auch der Bruder fehle ihr.“Nach fast zweijähriger Trennung von den Eltern sagt Lena demselben Richter am 15. April2003: „Für mich ist meine Mama auch eigentlich nicht mehr meine Mama… Ich kann nursagen, ich will nicht zurück.“Was der Familie Müller aus einem Städtchen bei Saarbrücken widerfuhr, ist der Albtraumjedes Vaters, jeder Mutter, jedes Kindes. Die vielen Akten ihres Verfahrens dokumentierendie Zerstörung einer Familie durch staatliche Stellen – das Drama von der Machtlosigkeiteines einzelnen Bürgers, der in die Mühlen von Gerichten und Behörden gerät und für denRest seines Lebens beschädigt bleibt, auch wenn er sich nichts zuschulden kommen ließ.Hier zeigt sich, zu welcher Inhumanität Amtspersonen in der Lage sind, wenn sie zu vielMacht haben und ihr Handeln zu wenig kontrolliert wird. Hier zeigt sich aber auch,welches Unheil angerichtet wird, wenn Gutachter ihre Wissenschaft vernachlässigen undRichter sich auf solche Sachverständigen verlassen. Und es zeigt sich, was vonZwangsvorstellungen getriebene Menschen anderen antun können.„Kindesentführung! Gebt mir mein Kind heraus“, schreit die MutterIhren Anfang nimmt die Katastrophe am 30. August 2001, als das achtjährige Kind LenaMüller von der Grundschule nicht mehr nach Hause kommt. Eine Frau aus derNachbarschaft, sie soll Frau X. heißen, deren Tochter Sonja mit Lena die gleiche Schulebesucht, hat das Kind abgeholt und bei sich behalten. In ihrem Hause wartet schon eineengagierte Dame vom nächsten Kinderschutzzentrum. Die hatte in den Wochen zuvorbereits diskrete Befragungen des Kindes Lena im Hause X. durchgeführt – Lenas Elternhat man im Glauben gelassen, ihre Tochter sei zum Spielen da –, dann hatte sie eineMitarbeiterin des zuständigen Jugendamtes alarmiert. Die Frauen sprachen den Verdachtaus, Lena werde zu Hause misshandelt und missbraucht. Die Frau vomKinderschutzzentrum und die vom Jugendamt beschließen nun, Lenas Mutter an jenem30.August mit den Vorwürfen zu konfrontieren und das Kind nicht mehr nach Hause zulassen, sollte die Mutter nicht einsichtig sein.Der Mutter stellt sich diese Maßnahme der Aufdeckerinnen als ein Feuerwerk desDilettantismus dar: Ihr Telefon klingelt, am anderen Ende ist eine Anruferin mitBindestrichnamen, die sich als Beauftragte des Kinderschutzzentrums vorstellt. Anfangsmeint die Mutter, die Fremde wolle um Spenden werben. Als ihre Gesprächspartnerin sieplötzlich zu überreden sucht, sie, die Mutter, solle als „Schutzengel an die Seite ihresKindes“ treten, glaubt sie an einen dummen Witz. Dann fängt die Anruferin vonMisshandlung und Missbrauch an, und Frau Müller legt auf. „Solch einen Quatsch“ will siesich nicht anhören. Sie überlegt noch, ihr Kind von der Schule abzuholen, hält dieseReaktion jedoch für übertrieben.Aber Lena kommt nicht heim. Dafür taucht die Kinderschützerin jetzt persönlich auf undschiebt einen Zettel unter der Tür durch, auf dem zu lesen ist, Lena sei zu Familie X.gebracht worden. Da begreift die Mutter den Ernst der Lage. Sie radelt die kurze Streckezur Nachbarin X. und gerät vor deren Haus vor Angst außer sich. „Kindesentführung! Gebtmir mein Kind heraus!“, schreit sie. Aber sie wagt nicht, die fremde Wohnung zu betretenund Lena an sich zu reißen. Als ihr Notruf wirkungslos bleibt, stellt sie Lenas großenBruder als Wache auf und fährt zitternd heim, um mit ihrem Mann zu telefonieren, der alsOffizier im Zentrum Innere Führung der Bundeswehr in Koblenz etwa 200 Kilometerentfernt stationiert ist. Der ruft sofort die Polizei und verständigt einen Rechtsanwalt.Gebt mir mein Kind heraus! In wie vielen Nächten ist diese Szene vor dem inneren Augeder Beate Müller erschienen. Ich war zu brav! Ich hätte hineingehen sollen! Warum hat siees nicht getan? „Ich hab nicht begriffen, was gespielt wird“, sagt Frau Müller heute. „Ichhab gedacht, jetzt kommt die Polizei und bringt die Kleine heim. Ich dachte: Alles wirdgut, sobald sich auch nur ein anständiger Mensch dieser Sache annimmt.“Nichts wird gut. Die Mitarbeiterin des Kinderschutzzentrums beschwichtigt die

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