13.07.2015 Aufrufe

PDF download - Villa Grisebach

PDF download - Villa Grisebach

PDF download - Villa Grisebach

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

kunst, menschen, werteDas JournalAusgabe 3, Herbst 2013Hermann Glöcknersliebe zur GeometrieVon Uwe TellkampDie FreunDlicHkeitDes eremitenVon Botho StraußcollaGen von karlHermann trinkausVon Theresia EnzensbergermaX liebermannsGleissenDes licHtVon Nora BossongWelcHe Frau erFanDossip zaDkine ?Von Steven UhlytHomas DemanD,Der tatortreiniGerVon Benjamin von Stuckrad-Barrelyonel FeininGerunD GerHarD marcksVon Ulrich Luckhardt


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 201330Florian Illies über Otto DixKann man ein Schlachtfeld malen?Otto Dix kämpfte an der deutschen Westfront imI. Weltkrieg, ganz in der Nähe von Ernst Jünger.Die Bilder von Dix wirken wie Illustrationen zuJüngers Stahlgewittern. Ein Aquarell aus demJahre 1917 erzählt, wie die Krater die Landschaftauf immer zu einem Schlachtfeld machen.34Theresia Enzensberger über einen Bauhaus-KünstlerWiederentdeckung eines CollagistenKarl Hermann Trinkaus, der Student amDessauer Bauhaus, fand ganz eigene Bilder fürden Zeiten umbruch der späten zwanziger, frühendreißiger Jahre. Aus seinem Nachlaß sind jetztatemberaubende Collagen aufgetaucht.42Jorinde Voigt über das Neue SehenStaunen über die PaprikaJorinde Voigt, Künstlerin subtil durchkomponierterZeichnungen, die dem Chaos eine neueStruktur geben, blickt auf Photographien vonAenne Biermann aus der Zeit um 1930.Seite 34 Apokalyptische Vorahnung: „Gasmaske“ nannte KarlHermann Trinkaus diese Collage von 1931 – mit einem nationalsozialistischenParteitag als Fratze.45Botho Strauß über den AußenseiterBesuch beim EremitenGerade hat Botho Strauß seine Theorie des Außen ­seiters veröffentlicht. Für das <strong>Grisebach</strong>-Journalblickt er auf ein Eremitenbildnis des 19. Jahr ­hun derts und entdeckt das Freundliche im Heiligen.48Uwe Tellkamp über eine Dresdner LegendeDer PolarsternHermann Glöckner brachte alleine dieAbstraktion in der DDR auf ein internationalesNiveau. Der Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamperinnert in einer Erzählung an den Helden desKonstruktivismus.60Ausstellungen in der <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>Willi Baumeister & Richard HamiltonIn Berlin und in Düsseldorf zeigt die <strong>Villa</strong><strong>Grisebach</strong> zwei Verkaufsausstellungen.62Ein Cartoon von Christoph NiemannSelbstportrait mit GattinSeite 48 Große Kunst, ganz einfach: Hermann Glöckner entwickelteeinen Konstruktivismus der eigenen Art – voller Empathie und Ernst.5


6„Der Gespenstermann, aus dem Grabe aufsteigend“: So nannte Lyonel Feininger (links)voller Bewunderung die Skulptur „Weltangst“, die Gerhard Marcks (rechts) ihm geschenkt hatte.Geschnitzt aus einer Kastanie vor dem Weimarer Bauhaus erinnert das Werk auch an diegemeinsame Vergangenheit dieser beiden großen Künstler.


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Geschnitzt aus derKastanie, die vor demBauhaus standAus dem Nachlaß von T. Lux Feininger: Zur Geschichte derbedeutenden Skulptur „Weltangst“ von Gerhard Marcks undLyonel Feiningers außergewöhnlichem „Jungen Mann aus dem Dorfe“Von Ulrich LuckhardtWann Lyonel Feininger und Gerhard Marcks sich zumersten Mal begegnet sind, ist nicht bekannt. Es könnte imJahre 1914 in Berlin gewesen sein, als beide sich an derAusstellung der Freien Secession beteiligen. Der 43jährigeAmerikaner Feininger, der am Beginn seiner Karriere alsMaler und Grafphiker steht und der mit seiner Frau Juliaund den drei Söhnen in Zehlendorf bei Berlin lebt, mitzwei Gemälden, der 18 Jahre jüngere Bildhauer Marcksmit zwei Bronzen. Es könnte aber auch erst nach demErsten Weltkrieg zu einer ersten Begegnung beider gekommensein, als sie die Aktivitäten des Arbeitsrates fürKunst unterstützen. Ein Zusammentreffen ist für denVormittag des 5. Oktober 1919 gesichert, an dem sich derMeisterrat des Bauhauses in Weimar unter Leitung vonWalter Gropius trifft. Bereits Mitte April hat GropiusFeininger und Marcks, den er seit seiner Jugend kennt,als Meister an das von ihm gegründete Bauhaus berufen.Marcks jedoch kann diesem Ruf erst zum 1. Oktober folgen,da er noch an die Staatliche Kunstgewerbeschule inBerlin gebunden ist. Feininger übernimmt als Meister derForm die druckgraphische Werkstatt – zu genau jenemZeitpunkt, in dem der Hauptteil seines im Vorjahr begonnenHolz​schnittwerks entsteht. Marcks wird dieLeitung der 30 Kilometer von Weimar entfernt in Dornburgliegenden Keramikwerkstatt übertragen. Sechsthüringische Jahre, bis zur Übersiedlung des Bauhausesnach Dessau, wo es keine Keramikwerkstatt mehrgibt, haben sich Feininger und Marcks trotz der räum ­lichen Distanz immer wieder getroffen und ausgetauscht.Schnell hat sich eine Freundschaft zwischen dem eherintro​vertierten Maler mit dem deutlich jüngeren Bildhauerund Keramiker entwickelt. Das vertrauliche „Du“,das seit 1923 zwischen beiden dokumentiert ist, ist nurein Zeichen der freundschaftlichen Wertschätzung.Daß Marcks ein Vierteljahrhundert später Feininger alsden „Lehrer“ für sein Holzschnittwerk nennt, das seit1920 entsteht, ein anderes.Wie das Datum und der Umstand ihres erstenTreffens im Dunkeln liegt, so gilt dies auch für den gegenseitigenTausch von Kunstwerken. Er geschiehterstmals frühestens 1920. Feininger überläßt Marckssein kleines Gemälde Angler mit Spreekahn, das indiesem Jahr entsteht, und Marcks gibt im Gegenzugseine 1919 aus Holz geschnittene, fast einen Meter hoheFigur Weltangst an Feininger. Es ist nicht der einzigeTausch, den die beiden Künstler miteinander tätigen.Zeichnungen und Holzschnitte wechseln zwischen denKünstlern. Die Wege beider trennen sich, als sich ab1923 das Bauhaus programmatisch neu ausrichtet, wasbeiden Künstlern widerstrebt. Feininger geht, aufGropius’ ausdrücklichen Wunsch, mit dem Bauhausnach Dessau, allerdings ohne Lehrverpflichtung;Marcks nimmt eine Professur für Bildhauerei an derBurg Giebichenstein in Halle an. Aber auch hierkommt es zu intensiveren persönlichen Kontakten,denn Feininger erhält 1929 den Auftrag für die Halle-Bilder, verbunden mit einem Atelier im Torturm derMoritzburg, in das er sich wochenlang zurückzieht.7


Aus unserer Auktion am 28. November 2013:Gerhard Marcks„Weltangst“. 1919Kastanienholz. Höhe 70,5 cm (ohne Sockel)Schätzpreis: € 80.000 – 120.000Hier haben sich beide in den folgenden zwei Jahrenimmer wieder getroffen und ausgetauscht.Mit der Rückkehr Feiningers nach New York brichtder Kontakt ab. Offene Briefe können wegen der Zensurkaum noch geschrieben werden. Aber Feininger, der1937 in seine Heimatstadt zurückkehrt und Deutschlandnie wieder besuchen wird, kann in den Jahren derVerfemung in Deutschland, die sein eigenes wie auchMarcks’ künstlerisches Werk betrifft, immer wiederWerke von Marcks sehen: in der New Yorker BuchholzGallery, die Curt Valentin betreibt, der beiden Künstlernein verbindlicher Kunsthändler ist.Feininger ist voller Bewunderung für die Werkevon Marcks, die er bei Valentin sieht: „Du hast wahrhaftGutes und Schönes und Ur-Deutsches geschafft. Es isteine bezwingende, liebliche Herbheit, stets mit inneremAusdruck vereint (und nicht selten mit Ironie) in allenDeinen Werken“, schreibt er am 9. März 1941 an Marcksund berichtet weiter über seine familiäre Situation: „Luxist seit 1936 hier (…) Und Lux, der sehr arbeitet und dieschönsten Malereien macht, ist jede Woche zwei-, dreimalbei uns abends zum Dinner. Kein Künstler, der sichvon der ‚commercial art‘ freihält, hat es hier leicht. WieLux einmal sagte: ‚The richest country in the world,with the poorest paid artists!‘ und recht hat er. (…) EinGefühl der Unsicherheit verläßt uns niemals in bezugauf die Existenz.“Nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind es dieCarepakete, die Lyonel und Julia Feininger zu ihrenFamilienangehörigen und Freunden nach Deutschlandschicken und die die dortige Existenz erleichtern.Auch an Gerhard Marcks und seine Frau Maria werdensie häufig auf den Weg gebracht. Und der New-York-Besuch von Marcks im Jahre 1950 läßt die alteFreundschaft wieder aufleben. 1951, ein Jahr nachdemsich beide in New York zum ersten Mal seit vermutlichüber 15 Jahren wiedergesehen haben, machtMarcks einen Bronzeguß seiner Melusine Feiningerzum Geschenk.Am 9. Januar 1952 berichtet Feininger nach Köln,wo Marcks lebt: „Zu Weihnachten haben wir die ‚neueEs war einmal in Amerika: Wiedersehen zwischen Marcksund Feininger in New York, 1950.Gerhard Marcks (1889–1981) war einer der großendeutschen Bildhauer und lernte Lyonel Feininger spätestens 1919kennen, als beide nach Weimar ans Bauhaus als Meister berufenwurden. Seine „Weltangst“, die in jenem Jahr entstand, gilt alseines seiner wichtigsten expressionistischen Werke.Lyonel Feininger (1871–1956). Bevor Feininger zu einemder bedeutendsten Künstler der Klassischen Moderne wurde,arbeitete er als Karikaturist für amerikanische und deutscheZeitungen. Die schreitende Figur auf „Der junge Mann aus demDorfe“ ist ein Echo dieses Frühwerks inmitten einer seiner legendärenkristallin gebrochenen Farblandschaften, die die Dynamikder Moderne zeigen.Melusine‘, wie Du sie nennst, auf die festlich mitTannenlaub geschmückte ‚Ofenbank‘ (…) gestellt undwo sie sich sehr gut machte. (…) Auf derselben ‚Ofenbank‘,am anderen Ende, steht von Marini ein Reiter,und über dem Bücherbrett neben einem ganz frühenPicasso steht Dein Gespenstermann aus dem Grabe aufsteigendaus Kastanienholz des frischgefällten kleinenBaumes, der bei unserem Einzug in das Bauhaus nochauf dem Platz hinter dem Werkstattgebäude stand.“Der „Gespenstermann“, der aus dem Grab aufsteigt,ist die „Weltangst“. Jahrzehntelang begleitet sie LyonelFeininger – vermutlich bereits in Weimar, dann inDessau und Berlin, bis sie ihren Platz in der kleinenNew Yorker Wohnung findet. Es ist der „innereAusdruck“, der dieses expressive frühe HauptwerkMarcks’ so einzigartig macht, in der Zerrissenheit des9


Feininger, Marcks · Ulrich LuckhardtAus unserer Auktion am 28. November 2013:LYONEL FEININGER„Der junge Mann aus dem Dorfe“. 1916/17Öl auf Leinwand. 48,5 x 40,5 cmSchätzpreis: € 500.000 – 700.000„Der Junge Mann aus dem Dorfe“, 1916, Aquarell, 31,4 x 24,1 cmFratzenhaften, aber auch im schmerzhaft Verzerrten,und im „Aufsteigenden“ zu etwas Neuem. Nach denSchrecken des Ersten Weltkrieges schafft GerhardMarcks hier ein Werk, in dem sich Depression undAufbruch gleichermaßen widerspiegeln.Und was ist mit dem Gemälde „Der Angler imSpreekahn“, Feiningers Geschenk an Marcks? Es verbrenntin den Berliner Bombennächten, zusammen mitMarcks’ Werken. Wie das Gemälde ausgesehen hat, wissenwir nicht. Eine Photographie ist nicht erhalten; einAquarell gleichen oder ähnlichen Titels, das Auskunftüber die mögliche Komposition geben könnte, läßt sichheute nicht nachweisen.Besser, aber ebenfalls nicht undramatisch, ergeht esdem Gemälde „Der junge Mann aus dem Dorfe“, dasLyonel Feininger 1916 oder 1917 malt. Es bleibt 1937,als die Feiningers nach New York übersiedeln, in derObhut von Dr. Hermann Klumpp in Quedlinburg, deres mit weiteren 50 Gemälden vor den Wirren des Kriegesverwahrt. Zumeist frühe Gemälde hat Feininger inDeutsch land zurückgelassen. Vorerst, um sie später nachAmerika zu holen, wozu es nicht mehr kam. Diesefrühen figürlichen Gemälde scheinen ihm auch 1937, alser künstlerisch gerade andere Visionen verfolgt, nicht sowichtig zu sein, ebenso einige spätere Kompositionen, dieer unsigniert beläßt, da die Komposition seinem kritischenBlick zwar standhält, die malerische Ausführungaber in seinen Augen möglicherweise noch nicht so weitist, um das Werk mit der Signatur zu beenden. Wie beidem 1916 entstandenen Gemälde „Straßenkehrer“, dergrößten Leinwand, die er je bemalt, nimmt Feininger bei„Der junge Mann aus dem Dorfe“ ein am 29. September1916 entstandenes Aquarell (siehe Abbildung links) alsVorlage und führt es nun in Öl auf Leinwand aus. ImSchaffen von Feininger ist das ein vollkommen üblichesVerfahren. Der Vergleich von Aquarell und Gemäldezeigt, wie weit Feininger bei der Weiterbearbeitungdieses Motivs gelangt. Das, was im Gemälde skizzenhafterscheint, ist so in der aquarellierten Fassung bis inDetails angelegt. Was Feininger letztlich bewogen hat,diese Leinwand nicht durch seine Signatur zu beenden,wissen wir nicht.Beide Kunstwerke, die „Weltangst“ wie „Der jungeMann aus dem Dorfe“, befinden sich im Nachlaß vonT. Lux Feininger (1910–2011), dem jüngsten Sohn vonLyonel und Julia. Er, der selbst ein beachtliches malerischesWerk geschaffen hat, sich aber nicht zum „commercialartist“ machte, hat sich intensiv mit dem Werkseines Vaters auseinandergesetzt und Dokumente sorgsamgehütet. Spätestens seit dem Tod seiner Mutter imJahr 1970 kam die „Weltangst“ in seine Obhut undbe gleitete sein eigenes Werk, indem sie – ihres Sockelsberaubt – in T. Lux Feiningers Atelier auf dem Bodenzwischen Tür und dem Bücherregal stand, in dem diePublikationen und Ausstellungskataloge zu LyonelFeininger verwahrt wurden.Später findet sich der originale Sockel wieder anund kann nun mitversteigert werden. „Der junge Mannaus dem Dorfe“ hing seit Mitte der 1980er Jahre imDining Room des traditionellen dreigeschossigen Holzhausesim nördlichen Teil vom Cambridge, MA, undfügte sich dort in die Reihe anderer Bilder derbeiden Maler Feininger harmonisch ein. T. Lux Feiningerwar stolz, diese Werke um sich zu haben.10Ulrich Luckhardt, Jahrgang 1958, hat zahlreiche Bücher zu LyonelFeininger veröffentlicht. Nach seiner Zeit als Kurator an der KunsthalleHamburg leitet er jetzt die Internationalen Tage von Boehringer Ingelheim.


Ossip Zadkine · Steven UhlyEs war einmalWarum in Ossip Zadkines überlebensgroßer Figureine Frauaus dem Jahre 1920 eine Erinnerung an den Ursprungder Kunst und der Scham verborgen liegtVon Steven Uhly12


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Wir leben in einem pornografischen Zeitalter, ich binein Kind meiner Epoche, mein Blick sucht in jederDarstellung von weiblicher Nacktheit nach An​zeichenvon Erotik. Auf mich wirkt eine Skulptur wiedie „Wasserträgerin“ von Zadkine nicht einfach nurfremd, sie wirkt eher wie eine russische Matrioschkaaus ineinandergeschobenen Erinnerungen: Ja, es gabeine Zeit im 20. Jahrhundert, als die Künstler weiblicheAkte darstellten, um eine Essenz zu suchen, diejen seits (oder diesseits) optimaler menschlicher Proportionen existiert, eine Synthese aus Ruhe undBewegung vielleicht, aus Baum und Mensch in diesemFall. Und ja, diese Skulptur verkörpert die Erinnerungan eine viel ältere Zeit, als die Künstler ihre Werke imDienst ritueller Handlungen anfertigten und sie vielleichtgar nicht anders konnten, als dem Materialstattzugeben. Vielleicht hatte die Form sich noch nichtzur reinen Idee verselbstständigt, deren Macht jedesDing in die immer gleiche Figur hätte zwingen können,vielleicht war Realismus noch nicht etwas so sehrnach außen Gewandtes, dass nur noch der optischeAbgleich mit dem Gegebenen Bestand gehabt hätte.Primitivität war vielleicht eine Fähigkeit, inneres undäußeres Erleben neben- und ineinander gelten zulassen. Und dann liegt in Zadkines wassertragenderMatrioschka vielleicht eine noch viel ältere Erinnerungan den Ursprung der Kunst selbst verborgen, den ichnur erahnen kann in ihrer Erdhaftigkeit, ihrem niedrigenSchwerpunkt, ihrer in sich gekehrten Haltung,ihrer Abstraktheit, den kreisrunden Brüsten, dieschamlos in einer Weise sind, die an längst vergangene,paradiesische Zeiten erinnert, als die Scham nochnicht erfunden war.Was ist das Gesetz der Nacktheit?Ich lebe in einem pornografischen Zeitalter, und dasbedeutet, daß der weibliche Akt kaum noch zu trennenist von der Darstellung schamloser Nacktheitvon der Art, die es seit der Erfindung der Schamgibt. Ich frage mich, was für ein Mann müsste derjenigesein, der Zadkines Mädchen mit dem Kruganschaut nicht wie ein Kunstwerk, sondern wie eineFrau? Was für ein Blick müsste das sein? Hat es ihnje gegeben, gibt es ihn noch in mir, stammt er auseiner Zeit, in der Frauen ihre Weiblichkeit nachihren eigenen Regeln zur Schau trugen und dieMänner beides als eines wahrnahmen: ihre Nacktheitund ihr Gesetz?13


Aus unserer Auktion am 28. November 2013:Ossip Zadkine„Jeune fille à la cruche“. 1920 (Ausschnitt)Holz, teilweise farbig gefaßt. Höhe 199 cmSchätzpreis: € 400.000 – 600.000<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Oder sind alle diese ineinandergeschachtelten Er​innerungennichts als Trugbilder eines Mannes, der imZeitalter der Entblößung auf einen Traum vomParadies gestoßen ist? Ist Zadkines Skulptur meinüberoptimaler Auslöser für die Suche nach einemGegengewicht, damit ich nicht ausweglos meinerEpoche ausgeliefert bin? Ich habe gelesen, Zadkinehabe sich an Ingres orientiert. Ingres’ „Wasserträgerin“ist eine Lolita, ihre Perfektion suggeriert mir eine unbewussteSchamlosigkeit, von der ich weiß, dass sieimmer schon eine Lüge der Männer war. Was wollteZadkine, als er all dies zurücknahm? Ich habe gelesen,er habe neue Ausdrucksformen finden wollen. War eralso moderner als Ingres, dessen Gemälde heute imMeer der nackten Frauen verschwände, wäre es nichtso alt und so gut gemalt, dass man wirklich glaubt, einMädchen vor sich zu sehen und nicht ein Bild?Welcher Blick erkennt das Kunstwerk?Ich habe Zadkines Figur meiner Frau gezeigt. Sie hatgesagt: „Schön.“ Mehr nicht. Von ihr weiß ich, daß sienicht im pornografischen Zeitalter lebt, von ihr weißich, daß sie sich im Spiegel als Frau und als Kunstwerkbetrachtet, von ihr weiß ich, dass ich nie genau wissenwerde, was sie sagt, wenn sie dieselben Worte benutztwie ich. Trotzdem bewaffne ich mich mit ihremAttribut und schaue mir die „Wasserträgerin“ nicht alsFrau, sondern als Kunstwerk an. Und stelle fest, daßich blind bin, blind und dumm, denn ich weiß nichtOssip Zadkine (1890–1967) Der Aufstieg des im weißrussischenSmolensk geborenen Bildhauers begann unmittelbarnach seiner Übersiedlung nach Paris – mit 21 Jahren stellteZadkine bereits im Salon des Indépendants und Salond’Automne aus und gehörte zum Kern der kubistischenBewegung. Er verkehrte mit Picasso und Gertrude Stein undentwickelte einen eigenen Stil, der kubistische Elementemit primitiven Einflüssen kombinierte. Nach seiner Teilnahmeam Ersten Weltkrieg entstand seine lebensgroße Frauenfiguraus Holz, die bei Aufnahmen aus den zwanziger Jahren alleanderen Werke in seinem Atelier überragte. Zadkine arbeiteteseine Figuren ohne jede Skizze direkt aus dem Holzstamm,weil er mit dieser Ursprünglichkeit der „taille-directe“ desschöpfe rischen Gestaltens an die großen Werke aus primitivenoder frühen Kulturen anschließen konnte. Es gibt eine Serievon „Wasserträgerinnen“, aus denen unsere Skulptur alleinwegen ihrer Größe von 199 Zentimetern herausragt. Sienehmen Ingres Gemälde „Die Quelle“ auf und transformierenes. Christa Lichtenstern rühmte, daß an den abstrahiertenBrüsten und der Verknappung der Körperformen hier bereits„Stilele mente des Art déco“ sichtbar werden.Überragend: Die Skulptur im Atelier von Zadkine in Paris 1925.15


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013einmal, was es bedeutet, ein Kunstwerk wie ein Kunstwerkanzuschauen. Ein Kunstwerk wie ein Kunst werkanzuschauen müsste bedeuten, es gerade nicht wie einKunstwerk anzuschauen, aber auch nicht wie eine nackteFrau, deren Proportionen nicht stimmen. Es müsstebedeuten, es mit dem Herzen anzuschauen, weil nur imHerzen das Innere und das Äußere eins sind.Aus welchem Holz ist diese Frau geschnitzt?Ich mache eine Pause. Ein Tag vergeht. Ich gehe durchsMoor. Bäume, hier gibt es so viele Bäume, Eichen,Buchen, sogar Farne, die hoch wie Palmen gewachsensind und an längst vergangene Zeitalter erinnern. Ichfrage mich, aus welchem Holz ist Zadkines Figur geschnitzt?Ich schaue meiner Frau zu, die ihren Töchternzuschaut, und sehe plötzlich die Trauer in ZadkinesFigur, keine persönliche Trauer, eine menschlicheTrauer, eine Trauer, die nicht da ist, weil der Krugschwer ist oder der nächste Schritt, sondern weil allesschwer ist, der Körper, das Herz, die Gedanken, dasLeben. Das Moor ist gefährlich, sagen uns die Leute,man kann tatsächlich versinken. Aber ich trage die„Wasserträgerin“ und ihre Trauer durch die Landschaftund weiß, es ist genau so schlimm, nicht versinken zukönnen, wie schwer auch alles ist.Steven Uhly, Jahrgang 1964, ist deutsch-bengalischer Abstammung,promovierte über „Multipersonalität als Poetik“ und hat im Secession-Verlag die Romane „Mein Leben in Aspik“, „Adams Fuge“ und „Glückskind“veröffentlicht.„Jeune fille à la cruche“ (links) im Palais des Beaux Arts in Brüssel, 1933. Linke Seite: Ossip Zadkine in seinem Atelier in den 1920er Jahren.17


Thomas Demand · Benjamin von Stuckrad-BarreDer TatortreinigerÜber die Unschuldigkeit der Dinge inThomas Demands Fotografie „Campingtisch“Von Benjamin von Stuckrad-BarreDie Brille hatten sie ihm vom Kopf geschlagen. Auch die Uhr hatten sie ihmabgenommen, „You have to lose your sense of time“, hatte der von ihm als „derEngländer“ bezeichnete Entführer das begründet.33 Tage lang befand sich Jan Philipp Reemtsma in der, ja, Gewalt derEntführer. In seinem Bericht „Im Keller“ beschreibt er diese Tage, er erzählt inder dritten Person von dem Entführten in diesem Keller, und dieseObjektivierung hat einen ungeheuren Effekt: Sein subjektives Erleben kannReemtsma dadurch umso genauer, reflektierter und rücksichtsloser beschreiben,zugleich veranschaulicht dieser Perspektivwechsel, in welch demütigendeRolle Reemtsmas „Ich“ genötigt wurde, nämlich bloße Funktionalität, ein seinerRechte beraubtes Individuum, somit ein anderer, ein Dritter, für dieEntführer nur ein Gegenstand, Mittel zum Zweck, ein Etwas, das vorerst lebendigbleiben muss, weil man es gegen 30 Millionen Mark eintauschen kann,ein Menschenleben mit Preisschild dran. Obendrein und vor allem aber istReemtsmas Erzählperspektive ein Triumph über jene, die ihn seiner Freiheitberaubten – die Wahrung der Würde. Ihr habt mich entführt, in diesen Keller,aber mein „Ich“ bleibt oben. Die Brille gaben sie ihm dann zurück, nicht ausFreundlichkeit, sondern damit er Briefe schreiben konnte, die den Forderungender Entführer Nachdruck verleihen sollten.Als sie ihn angekettet in diesem Kerker zurückließen und er sich dasKlebeband von den Augen zog, sah er sich um: „Ein weiß verputzter Raum,etwa drei mal vier Meter, niedrig, knapp über zwei Meter, ein Kellerraum wohl.“Wir kennen das Ende dieser Geschichte, sie ging ja sozusagen gut aus,Reemtsma überlebte, die Täter wurden gefasst und bestraft. Zwar ist er demKeller entkommen, doch, so schreibt Reemtsma, „den Keller lässt man nicht zurück.Der Keller wird in meinem Leben bleiben.“ Meint der juristische Terminus„lebenslang“ nur in Ausnahmefällen tatsächlich eine Haftstrafe bis zum Endedes Lebens für den Täter, so trägt das Opfer dieses Trauma tatsächlich ein Lebenlang mit sich. Abfassen und Veröffentlichung des Buchs „Im Keller“ jedochschienen für Reemtsma ein Weg zu sein, zumindest ein wenig die Brille und dieUhr auch im übertragenen Sinne zurückzubekommen, sich zu nehmen, wiederHerr des Verfahrens zu werden, dieses Verfahrens in ureigenster Sache.Bis heute ist nur ein kleiner Teil des Lösegelds wiederaufgetaucht, derHaupttäter sitzt noch in Haft und denkt wahrscheinlich weniger über dasReemtsma von ihm zugefügte Leid nach als darüber, wie er nach seinerFreilassung dermaleinst den im Wald oder wo immer versteckten Rest des erpresstenGeldes in Euro umtauschen kann.18


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Aus unserer Auktion am 28. November 2013:ThoMas deMand„Campingtisch“. 1999C-Print, Diasec. 85,1 x 58,1 cmEines von 6 Exemplaren.Schätzpreis: € 30.000 – 40.00019


Thomas Demand · Benjamin von Stuckrad-BarreWüssten wir nun nicht, dass es sich bei diesem Bild um die Fotografieeiner Rekonstruktion des Tisches in jenem Keller handelt, so würden wir esganz anders betrachten, achtloser, nichts deutet ja auf die den abgebildetenGegenständen nur qua Kontext eingeschriebene Gewalttätigkeit hin. DerKontext, das sind: die Menschen, ihre Taten, ist Geschichte, sind Geschichten.Demands Papier skulpturen sind detailgetreue Rekonstruktion von Schauplätzen,die – mal mehr, mal weniger zufällig – zu Symbolen wurden, verankertin der kollektiven Erinnerung. Menschen tun Dinge, übrig bleibt dieKulisse, die Szenarium wurde, nicht zwingend prädestiniert dafür, aber es hatsich ebendort etwas Bedeutsames abgespielt. Befleckt, erinnerungsbeladen, geschändetvom Menschen bleiben diese Orte zurück, und kaum merklich objektiviertDemand sie bei seiner Abbildung des Abbilds: beschriftete Gegenständewerden entschriftet, gleichsam wird ihnen die Unschuld wiedergegeben.Thomas Demand ist demgemäß ein Tatortreiniger: die Barschel-Badewanneim Zimmer 317 des Genfer Hotels Beau Rivage oder die von Demonstrantenverwüstete Stasi-Zentrale – es fehlen auf diesen Bildern die Menschen,derenthalben wir diese Bilder kennen, zu kennen glauben, die Subjekte; undfast spüren wir darob das Aufatmen der Objekte, deren Befreiung von denMenschen Objektivität ermöglicht. Die Dinge an sich sind ja schuldlos, ihre stupendeGleichgültigkeit und durch Demand wieder sichtbar gemachteUnschuldigkeit zeigt auch, wenn wir – wissende Bildbetrachter – nun denKontext addieren: den barbarischen Menschen. Der durch Demands Arbeiterst mögliche neue Blick auf das bekannte Bild hat eine irritierende Wirkung.Schockierend deutlich wird die Banalität der Requisiten einer Straftat, dieserStraftat, aber, so denkt man automatisch, und da wird es ungemütlich: jederStraftat. Eine Rolle Klopapier, eine Brille, eine Wasserflasche, Zahnpasta,Zeitungen, ein Campingtisch.Reemtsmas „Er“ erinnert sich so an den Kram, der – aufgeladen durch das,wozu Menschen ihn verwendeten – gerade in seiner vermeintlichen Nichtigkeitdas Martyrium verdinglicht: „Auf dem Tisch Flaschen mit Wasser (,Evian‘),zwei Campingleuchten, Pappteller, Plastikbesteck, ein Plastik schwamm, Zahnbürsteund Zahnpasta (,Perlweiss‘), Seife (,Fa‘, ,die wilde Frische‘, fiel ihmunpassenderweise ein), Klopapier.“ Wir erinnern uns ja an das Große immermittels Lappalien, sie sind die Enterhaken im Gehirn. „Die wilde Frische“ – ineinem dunklen Kellerverlies. Schuld sind immer die Menschen. Menschen tunDinge – und nicht umgekehrt. Der deutsche Vertei digungsminister fiel kürzlichdurch eine waghalsige Formulierung auf, er bezeichnete unbemannte, bewaffneteDrohnen, die es möglich machen, Menschen ohne jedes eigene Risiko –freilich auch ohne Prozess – gezielt zu töten, als „ethisch neutrale Waffen“.Wenn man länger über diese Formulierung nachdenkt, zerfällt die Welt in einPappmodell von Thomas Demand. Fortschritt als Dezivilisation, die Maschinenübernehmen. Das nach einer solchen Äußerung eigentlich fällige Amts niederlegungsgesuchdes Ministers wäre bei Demand: ein weißes Blatt Papier.20Benjamin von Stuckrad-Barre, Jahrgang 1975, ist Schriftsteller. Veröffentlichungen u. a.:„Soloalbum“, „Deutsches Theater“, „Festwert speicher der Kontrollgesellschaft“, „was.wir.wissen“,„Auch Deutsche unter den Opfern“.


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Eine Ikone der Alten Nationalgalerie in Berlin: Max Liebermanns „Flachsscheuer in Laren“ (1887).Vorstudie zum GedichtFlachsVon Nora BossongDies sind die Parzen für die groben Stoffe:Elf Frauen in monströsen Holzpantinenziehen, flusen, drehen Fadenschemen.In den Armen stranguliertes Flachsgefieder,die Luft aus Holz und alles Arbeit. Blonde Gerbungunter Haubenstümpfen, weiße Schatten um die Münder.Im Hintergrund ein Viereck Gleißen. Gelobt sei Gott,der Miesepeter. Man ist hier stumm bis in die Glieder.Den Geist erstickt mit Graubrot, Fleiß und Schürzenfalten,dem Bast im Kopf und in den Sehnen. Unterm raschgekratzten Bodenholz – nur Flachs. Der letzte Tagim untergehenden Gewerbe.Nora Bossong, Jahrgang 1982, ist eine der wichtigsten Lyrikerinnen undSchriftstellerinen ihrer Generation. Ihre wichtigsten Gedichtbände sind „Reglose Jagd“ (2007)und „Sommer vor den Mauern“ (2011), und im Jahre 2012 erschien ihr jüngster Roman„Gesellschaft mit beschränkter Haftung“.21


Nora Bossong · Max LiebermannAus unserer Auktion am 27. November 2013:Max Liebermann„Kompositionsstudie zur‚Flachsscheuer in Laren‘“. 1886Öl auf Pappe. 43,5 x 55,2 cmSchätzpreis: € 140.000 – 180.000


César Klein, Michael Rachlis · Stefan Körner24Aus unserer ORANGERIE-Auktion am 28. November 2013:CÉsar Klein und Michael RachlisKommode für die <strong>Villa</strong> Zissu, Berlin. 1929Kaukasisches Nußholz mit marketierten Hölzern. 89 x 139 x 56 cmSchätzpreis: € 18.000 – 24.000


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Echo aus eineranderen WeltEine stilistische Offenbarung der BerlinerNoblesse in den „Roaring Twenties“:Über eine wiederentdeckte Kommodevon César Klein und Michael RachlisVon Stefan Körner„Hier spricht ein Künstler, der es auch in diesenunwirschen deutschen Zeiten versteht, in das Daseinseiner Mitmenschen einen freundlichen und fest ­lichen Klang zu tragen“, jubelte der KunstkritikerMax Osborn über die architektonischen Schöpfungenvon Michael Rachlis (1884–1953). Der Architekt undInnen gestalter stand kurz vor der Weltwirtschafts ­krise im Zenit seines Ruhmes als Ausstatter der nobelstenCafés und Restaurants im Berlin der „RoaringTwenties“. Nach seinen Vorgaben entstand 1929 eineaußer gewöhn liche Kommode mit aufwendigen Holzintarsien,die der Künstler César Klein (1876–1954)entworfen hatte.Das jetzt wiederentdeckte Spitzenmöbel stammt ausder spannungsreichen Spätzeit der Weimarer Republik.Es kontrastierte und verband die sachliche Ehrlichkeitdes Bauhauses, die Tektonik des Konstruktivismus mitder „frischen Gestaltungslust“ Rachlis’ und dem „gehobenenLebensausdruck“ seines Auftraggebers, wie esOsborn nannte. Die Kommode ist Ausdruck der lustvollenSuche nach einem neuen luxuriösen Stil in „unwirschendeutschen Zeiten“.Der rumänisch-jüdische Zuckerfabrikant AvramLeib Zissu (1888–1956) beauftragte Michael Rachlis, derseit 1911 in Berlin als Architekt und Innengestalter arbeitete,mit dem Neubau und der Ausstattung seinesBerliner Wohnhauses am Hundekehlesee im vornehmstenBerliner Stadtteil, im Grunewald. Hier – neben derVerlegerfamilie Ullstein, den Kaufhauserben Tietz, dem25


César Klein, Michael Rachlis · Stefan KörnerWeltbühne-Autor Max Epstein und vielen Industriellen,meist jüdischer Herkunft – baute Zissu „das Äußerstean solidem Luxus. Rachlis’ fanatische Liebe zu kostbaremMaterial konnte sich hier schrankenlos ausleben.Der Bauherr, der kluges Verständnis für solche Künstlerschaftbesaß, ließ ihn nach Lust gewähren“, wie MaxOsborn begeistert über den begonnenen Neubau in derGustav-Freytag-Straße 15 festhielt.César Klein (1876–1954), „Lieber Rhythmus...“nannte Walter Gropius den Maler und Graphiker,der auch durch seine Bühnenbilder, Film​szenographien,Glasfenster und Intarsien bekannt wurde.Der Hamburger war 1910 Mitbegründer der NeuenSecession in Berlin und stattete das Kino Marmorhausam Kurfürstendamm aus. Er brachte expressionistischeFormen ins Kunstgewerbe und war in der Novembergruppesowie im Deutschen Werkbund tätig.Bei den Böden, Wänden, Einbauten und den eigenshierfür entworfenen Möbeln wurde alles in denDienst der „Intimität der Wirkung gestellt, die durchdie ins Moderne übersetzte klassizistische Gemessenheitnicht zur banalen Gemütlichkeit wird. SchönsteBearbeitung der Materialien in jedem Winkel undjedem Detail. Metall, Stein, Holz, alles ist gleichermaßen,ich möchte sagen, mit solcher Herzlichkeit,solcher inneren Anteil nahme aufeinander abgestimmt,daß man der persönlichen Künstlerarbeit dauernd bewußtbleibt“ (Max Osborn: Michael Rachlis, Räume,Leipzig 1929).Zusammen mit anderen Künstlern, die im Hausfür Fresken, Gemälde und Intarsien zuständig waren,schuf Rachlis einen Musterbau seiner Architek turauffassung:Ausgehend vom Bauhaus wollte er hellund hygienisch bauen und mit den besseren Formendas Echte, Primäre, eben „Moderne“ schaffen.Dafür löste er sich vom starren Diktat derkonstruktiven Ehrlich keit: „Kein Renommierenmit Konstruktion, keine aufdringlicheEhr lichkeit, die in die Augen springt, keineBelästigung mit technischer Romantik.“ Esging ihm darum, Räume zu entwerfen, dieden Menschen beschäftigen. „Das mensch licheAuge läßt sich nicht abstellen wie ein Wasserhahn[...] Ist der Mensch nicht mehr tätig, soschaut das Auge und tastet und sucht und willbeschäftigt werden.“ Daher wolle er Innen chitektur, sofür die „elegante moderne Frau [...], die sich für diesenRaum sorgfältig schmückt und von dem Raum verlangt,daß er sich für sie schmücken soll; die vom Raumein gutes Licht für ihren Teint verlangt und keine,Sachlichkeit‘: weil unsachlich ist das Schlemmen, dasPlaudern, das Tanzen und der Flirt“ (Michael Rachlis:Aufgaben unserer Zeit, in: Innen dekoration, Jg. 41 (1930),S. 311).26Aus unserer ORANGERIE-Auktion am 28. November 2013:César KleinArchitekturlandschaft. Intarsie für eine Kommode. Juli 1929Werkkarton 1:1. Gouache, Tusche, Kreide, Bleistift auf Papier. 43 x 130 cm.Beigabe zur Kommode.


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Ecke des Damenzimmers in der <strong>Villa</strong> Zissu, Berlin-Grunewald. Fresken von Georg Walter Rössner, 1929.Blick vom Musikzimmer zur Marmorhalleund Speisezimmer an der Seite des Hauseszum Hundekehlesee.27


César Klein28


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Straßenfassade der <strong>Villa</strong> Zissu an derGustav-Freytag-Straße, nach den Plänendes Architekten Michael Rachlis.Die lustvolle, ausschweifende Materialästhetikfand sich dann auch in einem der herausragendstenMöbelstücke des Hauses für Zissu: Die Kommode folgtim Korpus aus kaukasischem Nußholz dem sachlichenStil Peter Behrens’ (1868–1940) und setzt mit der vonCésar Klein entworfenen Architekturlandschaft ausfast einem Dutzend exotischer und heimischer Hölzereinen neuen Akzent im Stil des Art déco. Klein, der1926 mit seinen wandfüllenden Marketerien für denZuschauerraum des Berliner Renaissance-Theatersund mit Bühnenbildern für Max Reinhardt (1873–1943)bekannt geworden war, lieferte laut seinem Tagebuchim Juli 1929 seine „Intarsienskizze für Zissu“, die in derBerliner Intarsienwerkstatt Ernst Nast ungesetzt wurden.Wie ein Bühnenbild staffeln sich Gebäude undLandschaft auf dem Entwurfskarton, der überraschendin den 1980er Jahren auftauchte und nun zusammenmit der Kommode versteigert wird. Sie war Glanzpunktim Vestibül des für Berlin außergewöhnlichenGesamt kunstwerkes der <strong>Villa</strong> für Avram Leib Zissu.Der Hausherr, den Osborn als Spezialgelehrtenmit der Vorliebe für „geistige Erholungsspaziergänge“bezeichnete, dürfte immer nur für kurze Zeit in seinerdurchgestylten Berliner Dependance gelebt haben.Durch sein wirtschaftliches, publizistisches und späterauch politisches Wirken in Bukarest wurde er 1942 und1943 in den Berliner Adressbüchern als „im Ausland“geführt. Zissu trat in der Antonescu-Diktatur mit seinenEssays und Romanen für einen revisionistischenZionismus ein und organisierte dort zeitweise dieEmigration von Juden nach Palästina. Nach demZusammenbruch des Regimes in Rumänien imSommer 1944 übernahm Zissu den Vorsitz der JüdischenPartei des Landes. Das Haus blieb bis zu seinemTode 1956 in seinem Besitz.Die Künstler, die an der <strong>Villa</strong> Zissu und ihrerAusstattung beteiligt waren, gingen schon bald nachFertigstellung des Hauses schweren Zeiten entgegen:Nach Weltwirtschaftskrise und Machtübernahme derNationalsozialisten in Deutschland wurde César Kleinwegen seiner „entarteten“ Kunst mit Berufs verbot belegt.Michael Rachlis emigrierte nach London, wo erjedoch nicht mehr an seine Erfolge im Berlin der 20erJahre anknüpfen konnte. Ein Großteil der Nach barschaftim Grunewald wurde wegen seiner jüdischenHerkunft enteignet und verließ Deutsch land. Gebliebenist die <strong>Villa</strong> Zissu, die eine – viel zu wenig bekannte– Inkunabel der Noblesse der späten WeimarerRepublik ist. Die Kommode nach Ent würfen vonRachlis und Klein ist beredtes Zeugnis der Suche nacheiner verfeinerten Stilkultur in „unwirschen deutschenZeiten“.Vestibül der <strong>Villa</strong> Zissu mit unserer Kommode,Entwurf Michael Rachlis und César Klein (Photographie 1929).Stefan Körner, Jahrgang 1978, zuletzt Kustos der Sammlungen der FürstenEsterházy, leitet seit 2012 die Abteilung ORANGERIE. Ausgewählte Objekteder <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>.29


KANN MAN EINSCHLACHTFELDMALEN?Im Ersten Weltkrieg kämpfte Ernst Jünger an derWestfront in Frankreich und erzog sich inmittender Schlachtfelder zum Ästheten: „In Stahlgewittern“nannte er das Buch seiner Kriegserfahrungen, eineiskaltes Destillat der Brutalität. Wenige Meterneben Jünger kämpfte Otto Dix (Photo links) an derWestfront. Auch er versuchte, das Gesehene zu Kunstzu machen. Er aquarellierte, wenn sich derRauch der Schlacht verzogen hatte.Von Florian Illies30


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 201331


Otto Dix · Florian IlliesIm Krieg, so sagte Otto Dix später, habe er sich zumRealisten erzogen. Und so wie der Realist Dix nichtwegschaut, wenn sich ihm das Grauen darbietetoder der aufs Animalische reduzierte Mensch, so kanner auch seine Augen nicht verschließen, wenn für einenMoment die Sonne durchbricht, am Morgen nach einerschrecklichen Materialschlacht. Viele deutsche Künstlersind in den Ersten Weltkrieg gezogen, zwei derGrößten, Franz Marc und August Macke, hat er frühhinweggerafft. Otto Dix hingegen hat dem Krieg vierlange Jahre in die Augen geschaut – er war danach einanderer und seine Kunst auch.Aber es existieren zahlreiche Zeichnungen, Aquarelleund Bilder, die Dix an der West front in Frankreichgemalt hat, Protokolle einer Kata s trophe, Versuche, zubannen, was man noch nicht begrei fen kann.Man kann die Zeichnungen und Aquarelle lesenwie eine Illustration zu In Stahlgewittern – jenem indiesen Schlachten erlebten Buch seines Kampfge nossenErnst Jünger. Doch wo Jünger versucht, jede Empfindungin sich abzutöten und den Krieg als natürlichesEreignis zu schildern, bleibt Dix berührbar. Ausseinen Bildern der zerfetzten französischen Kraterlandschaftenscheint man die Erde schreien zu hören. Unddoch gibt es ein Aquarell aus dieser Serie, das aus demRahmen fällt, die „Landschaft“, die wir auf der rechtenSeite abbilden. Zwei, drei leuchtendblaue Seen siehtman, in denen sich weiße Wolken spiegeln, ansonstenHerbstbäume in einer kühnen expressionistisch-kubistischenLandschaft. Erst durch die Datierung unddurch unser Wissen darum, wo Dix in jenem Jahre 1917war, eben an der Westfront, beginnt die Landschaft ineine unruhige Bewegung zu geraten. Man begreift, daßes keine Seen sind, sondern Regen wasser in Bombenkratern,wie man es auf dem Kriegsphoto auf der vorherigenDoppelseite erkennen kann. Und man spürt,daß die schwarzen Linien, die sich über das Land ziehen,wirken, als seien es Wunden, in die Haut geritzt.Oder wie Dix in einer Feldpostkarte schreibt: „Tiefwühlt der Stahl sich in der Erde Eingeweide.“ DieSonne scheint tatsächlich an diesem Morgen, das Blauleuchtet auf, auch das Rot der Herbstbäume – und esscheint, als könne Dix den ewigen Kreislauf der Natur,die Unbarmherzigkeit, mit der die Sonne nicht nurIdyllen, sondern auch Schlachtfelder bescheint, nur ertragendadurch, daß er zu malen versucht. Ihm gelingtdabei etwas sehr Seltenes: Die französische Land schaftbleibt einerseits erkennbar, mit Bäumen, Bergen,Was ser – und zugleich schreibt er ihr ihre Geschichteein. Sie war einmal Landschaft und wird nun auf immervor allem Schlachtfeld bleiben (schaut man lange genughin, verwandelt sie sich in ein angstverzerrtes Gesicht).Dix schreibt aus Frankreich an seine VertrauteHelene Jakob Worte, die wie eine Beschreibung unsererGouache klingen: „Voll elementarer Wucht sind Granattrichterinnerhalb Dörfern. Es sind die Augen höhlender Erde, was darum herum kreiselt, sind irre schmerzlichphantastische Linien.“Und doch scheitert Dix’ Versuch, die „eigenartigseltene Schönheit“ der zerbombten Landschaften dauerhaftals eigene Kategorie zu würdigen. Anders als beiErnst Jünger, der nach Kriegsende aus seinen Kriegstagebüchernseine „Stahlgewitter“ als ästhetischesDestillat gewinnt, bleibt bei Dix die Erfahrung an derFront ein dauerhafter Alptraum, der ihn bis in dieDreißiger Jahre hinein peinigt (bis der nächste Kriegbeginnt). Seine großen retrospektiven Kriegs gemäldeund Druckgraphiken aus den späten Zwan zigern,frühen Dreißigern sind eindringliche Anti-Kriegsbilder.Seine Aquarelle von 1916/17 hingegen beziehen ihreungeheure Kraft aus ihrer Ambivalenz gegenüber dem„Naturereignis Krieg“ (Dix).Florian Illies, Jahrgang 1971, ist Geschäftsführender Gesellschafterder <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> und dort verantwortlich für die Abteilung „Kunstdes 19. Jahrhunderts“.32


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Aus unserer Auktion am 28. November 2013:Otto Dix„Landschaft“. 1917Gouache auf Papier. 40 x 38,7 cmSchätzpreis: € 110.000 – 130.00033


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013ironischebeinarbeitDie „Third Floor“-Auktionen bei <strong>Grisebach</strong> haben einen vergessenenBauhaus-Künstler ans Licht geholt: Wer war Karl Hermann Trinkaus? DieCollagen aus seinem Nachlaß sind verwirrende Spiele mit der BedrohlichkeitVon Theresia EnzensbergerDas Bauhaus hat über die Jahre viele Gesichter bekommen.So viele, daß ein ehemaliger Student einmalgesagt haben soll, man könne den Eindruck gewinnen,es hätte nicht eines, sondern sieben verschiedeneBauhäuser gegeben. Was in dem verklärenden Blickauf die Bauhaus-Zeit immer wieder vernachlässigtwird, ist die Tatsache, daß das Bauhaus in erster Linieeine pädagogische Einrichtung war. Das mag natürlichauch damit zusammenhängen, daß die Lehrer derEinrichtung viel berühmter geworden sind als ihreEleven, die oft erst am Anfang ihrer künstlerischenKarriere standen, als der Zweite Weltkrieg ausbrach.Doch jetzt bekommt endlich auch einer der zahlreichenSchüler ein prägnantes Gesicht: Karl HermannTrinkaus. Er trat seine Lehrzeit am Bauhaus Mitte der1920er Jahre an, in der Provinz, im fernen Dessau.Damals wurde die Metropole einerseits als bedrohlicheAnonymi sierungsmaschine gesehen; andererseits galtsie auch als Hoffnungsträger des Fortschritts. Oftfuhren die Studenten an Wochenenden mit dem Zugins sagenumwobene Berlin. „Die Stadt hatte magnetischeKräfte“, erzählt Werner David Feist, einer vonTrinkaus’ Mit studenten. Schon Paul Citroen undMarianne Brandt, zwei andere junge Mitstreiter, hattensich der Großstadt in den Jahren zuvor mittels derCollage genähert, doch nirgendwo erscheint sie so desorientierendwie in Trinkaus’ Interpretation.Eindrucksvoll läßt er sie implodieren und findetdadurch Bilder für die ganze Bandbreite der ambivalentenGefühle seiner Zeitgenossen gegenüber der urbanenÜberforderung.Man sieht aber auch die Bemühung, einen neuen,eigenen Blickwinkel im Collagieren einzunehmen.Reiche Phantasie, armer Kerl: Empfehlungsbrief von Kandinsky von 1926.Genau das entsprach dem erklärten Ziel des Vorkursesam Bauhaus, den alle Neuankömmlinge belegen mußten.Die Studenten sollten lernen, alte Sehgewohnheitenabzuschütteln und neue Mög lichkeiten zu erforschen.Während sich László Moholy-Nagy, ein wichtigesDie Gleichstellungsbeauftragte hatte gut aufgepaßt:Karl Hermann Trinkaus als maskuline „Studierende“am Bauhaus in Dessau.35


Karl Hermann Trinkaus · Theresia Enzensberger36Aus unserer Auktion am 30. November 2013:Karl Hermann Trinkaus„Statisch-Dynamisch“. 1926Tuschfeder, -pinsel, Aquarell und Tinte über Bleistiftauf festem Papier. 28,5 x 25 cm (29,2 x 25,5 cm)Schätzpreis: € 900 – 1.200


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Mitglied der Fakultät, zu dieser Zeit hauptsächlich dem„Neuen Sehen“ in der Fotografie widmete, wurden imVorkurs alle nur denkbaren Materialien verwendet.Die Collage bot sich auch als Mittel zum Dis tinktionsgewinnan; in den klassischen Akademien wurdesie immer noch als unseriös und niveaulos verachtet.Die schlanken Beine, die sich bei Trinkaus’ Konstruktioneines militärischen Ordens im Kreiseräkeln, wären in einer traditionellen Kunstakademiegewiß als anstößig empfunden worden. Am Bauhaushingegen stieß der Witz, der seiner Respektlosigkeitinnewohnt, auf offene Ohren und Augen.Die Möbel und Bauten, die heute mit dem Bauhausassoziiert werden, sind funktional, strahlen Würdeund Ernsthaftigkeit aus. Witz, Ironie und Humor sindEigenschaften, die zwar Paul Klee, der mehr als zehnJahre dort unterrichtete, zugestanden werden, dieeinem jedoch selten in den Sinn kommen, wenn manim Haus am Horn steht oder eine Wagenfeld-Lampeanknipst. Ähnlich verhält es sich mit der Collage. Sieist gewiß nicht das Medium, das in der Rezeption desBauhauses die größte Rolle spielt. Das hängt auchdamit zusammen, daß das Bauhaus das Konzept der„Corporate Identity“ so mühelos beherrschte wie kaumeine andere Institution der Zeit. Schon damals wurdenach außen hin der Eindruck der Geradlinigkeit erweckt,was auch politische Gründe hatte: Die Bauhäuslerwurden sowohl von den Weimarer als auch vonden Dessauer Bürgern mißtrauisch beäugt. ÖffentlicheGelder waren für die Schule jedoch von existentiellerWichtigkeit. Walter Gropius gab sich zudem großeMühe, die Schule als politisch unbedarft darzustellen,obwohl die aufgeladene Stimmung dieser Jahre natürlichauch an den Studenten nicht spurlos vorbeiging.Für eine gewisse Erleichterung vom öffentlichenDruck sorgte der „Kreis der Freunde des Bauhauses“,zu dem auch Hugo Junkers gehörte. Der Unternehmer,der 1919 die Junkers Flugzeugwerke AG in Dessaugründete, stattete das neue Bauhausgebäude in Dessaumit Heizungen und Wasserleitungen aus und wurdezur Eröffnung als Ehrengast geladen. Von dieserengen Verbindung profitierten auch die Studenten:Nachdem Karl Hermann Trinkaus das BauhausKarl Hermann Trinkaus wurde 1904 in Leipzig geboren.Nachdem er eine Ausbildung zum Elektroinstallateur absol vierthatte, ging er 1926 an das Bauhaus in Dessau. Dort studierteer unter anderem bei Josef Albers in der Tischlereiwerkstatt,bei Joost Schmidt in der Druck- und Reklamewerkstatt sowiebei Wassily Kandinsky, Paul Klee und Herbert Bayer. 1935machte er sein Diplom als Ingenieur für Flugzeugbau undarbeitete ab 1938 bei den Junkers Flugzeug- und Motorenwerkenin Dessau sowie ab 1945 bei LeichtflugzeugbauKlemm in Böb lingen. Ab 1950 war er im Museum für DeutscheGeschichte in Berlin beschäftigt. 1964 kehrte er nach Leipzigzurück, wo er sich 1965 das Leben nahm.verlassen hatte, wurde er in den „Junkerswerken“ inDessau zum Diplom-Ingenieur ausgebildet. Bis 1945arbeitete er bei Junkers. Doch auch die „Freunde desBauhauses“ konnten nicht garantieren, daß politischeStrömungen an der Universität frei zum Ausdruckgebracht werden konnten. Die meisten Studentenwaren linksgerichtet, viele waren ehemalige Wan​dervögel,und doch ist dieser Impetus nur in wenigen37


Karl Hermann Trinkaus · Theresia EnzensbergerAus unserer Auktion am 30. November 2013:Karl Hermann Trinkaus„Orden“. 1930Collage und Tuschfeder auf feinem Papier. 29,7 x 21,3 cmSchätzpreis: € 1.000 – 1.500Karl Hermann Trinkaus„Die Kunst dem Volke?“.Collage auf leichtem Karton. 29,5 x 20,7 cmSchätzpreis: € 1.000 – 1.500Arbeiten zu sehen. So erscheint uns das Bauhaus heuteweder besonders politisch noch übermäßig witzig.Doch auch wer noch nie eine Kunsthochschule voninnen gesehen hat, wird sich denken können, daß es zuallerlei Albernheiten kommt, wenn man eine Hordevon exzentrischen und abgrenzungslustigen Studentenzusammen hausen läßt. Das neue Wohngebäude inDessau wurde von Studenten zum Entsetzen Gropius’als Klettergerüst benutzt; ein Student berichtet, wie erim Zug nach Berlin die Zeitung kopfüber las, um dieProvinzler um ihn herum zu provozieren; Gropiusbekam zum Geburtstag eine mit Radieschen gespickteGurke geschenkt, zur Erweiterung seiner Kakteensammlung.Vermutlich hat auch Trinkaus, den einerseiner Kommilitonen als einen „eifrigen, ehrgeizigenSachsen“ bezeichnet, von dieser lustigen Atmosphäregezehrt.Lothar Schreyer sagte über seine Zeit am Bauhaus:„Wir ironisierten alles, vor allem uns selbst, und wurdendadurch frei für die Ehrfurcht, die wir von Naturaus dem Leben und den Menschen entgegenbrachten.“Vielleicht kommt der unverdiente Ruf der Humor​losigkeit,der den Bauhäuslern anhängt, auch daher, daßihre Ironie, die man nicht nur in Trinkaus’ Collagenerkennen kann, sehr wenig gemein hat mit der heuteüblichen, deren zynischer Beigeschmack hauptsächlichdestruktiv wirkt. Wenn Karl Hermann Trinkaus dengrinsenden Kopf des Schauspielers Adolf Wohlbrückauf den Körper eines tanzenden indischen Gottesmontiert, ihm eine Skulptur auf den Schoß setzt undfragt: „die Kunst dem Volke?“, ist das zwar komisch,aber es zeigt auch die Bereitschaft, sich ernsthaft mitdem Spannungsfeld zwischen Kunst und Unterhaltungauseinanderzusetzen.Die spielerischen Experimente fanden zwar hauptsächlichintern statt, waren jedoch bezeichnend fürdas Ethos der Schule. Wer sich mit dem Alltag amBauhaus beschäftigt, stößt immer wieder auf Collagen:fleißig wurden Einladungen, Geburtstagswünscheund Briefe aus Zeitungsausschnitten und Fotografien38


Aus unserer Auktion am 30. November 2013:Karl Hermann Trinkaus„Gasmaske“. 1931Collage und Spritztechnik auf Papier. 59,3 x 42 cmSchätzpreis: € 8.000 – 10.000


Karl Hermann Trinkaus · Theresia EnzensbergerDie Stadt als pulsierende Überforderung: Das bislang teuersteWerk von Trinkaus aus unserer Auktion am 31. Mai 2013:Karl Hermann Trinkaus„Stadt“. 1927/28Collage auf Papier. 61 x 43,8 cmVerkauft für € 45.000 (Hammerpreis, Schätzpreis € 5.000 – 7.000)zusammen geklebt. Was Karl Hermann Trinkaus in derTischlerei werkstatt herstellte, der er zum Sommer​semester1928 beitrat, wissen wir nicht. Dafür dürfenwir seine Collagen als Dokumente einer selbstverständlichenForm der Kommunikation und des Ausdrucksam Bauhaus bewundern. Sowohl der Humor als auchdas starke Zugehörigkeitsgefühl der Studenten speistesich aus der euphorischen Lust, Regeln zu brechen unddamit etwas Neues zu erschaffen.Die historischen Ereignisse haben es Karl HermannTrinkaus, wie vielen seiner Mitstudenten, schwergemacht,an diesem Hochgefühl festzuhalten. 1931schon nehmen seine Collagen einen düsteren Grundtonan. Das Ventil der Gasmaske, die er aus Fotografienzusammenklebt, ist ganz offensichtlich vonNationalsozialisten verstopft. Aus der Sicht scheibeblickt uns nur ein Auge an. Der Rest der Maske bestehtaus Marschierenden, Politikern und Toten​köpfen.Hier wird die Energie der Bedrohung spürbar,die Trinkaus in ein geniales Kunstwerk umwandelt.1930 wurde Hannes Meyer, der das Bauhaus seit1928 leitete, vom Bürgermeister Dessaus frist los entlassen.Meyer hatte die Studenten zu mehr poli tischemEngagement ermuntert. Trinkaus’ neuer Arbeitgeber,Hugo Junkers, wurde 1933 enteignet und muß seinenBetrieb an die Nationalsozialisten über geben. Auchdas verhaßte „kulturbolschewistische Flaggschiff“Bauhaus, das für einen letzten Versuch nach Berlin gezogenwar, mußte im Juli 1933 schließen. 1964 schriebKarl Hermann Trinkaus über das Sterben in der DDRmit nunmehr bitterer Ironie: „Gestorben, geehrt nachwohl abgemessenem Maßstab und vergessen!“ SeineFrau Magda war ein Jahr früher an einem Herzinfarktgestorben, für den er die „Genossen“ verantwortlichmachte. Die Zeile stammt aus seinem Testament, dasgleichzeitig ein Abschiedsbrief ist. Karl HermannTrinkaus nahm sich im selben Jahr in Leipzig dasLeben. Doch durch die Wiederentdeckung seinerCollagen im Nachlaß beginnt für ihn plötzlich einneues Leben – nach dem Tod. Eine Ironie, die ihm gefallenhätte.40Aus unserer Auktion am 29. November 2013:Karl Hermann Trinkaus„Stadt“. 1927/28Collage auf Papier. 61,2 x 43,9 cmSchätzpreis: € 8.000 – 10.000Theresia Enzensberger, geboren 1986, ist die Regisseurin des in New Yorkgedrehten Kurzfilms „Bauen“, der sich mit der Gründungszeit des Bauhausesin Weimar auseinandersetzt. Sie arbeitet als Journalistin in Berlin.


Aenne Biermann · Jorinde VoigtAus unserer Auktion am 27. November 2013:Aenne BiermannOhne Titel (Paprika). 1928Vintage. Silbergelatineabzug. 17,4 x 12,6 cmSchätzpreis: € 1.500 – 2.50042


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Der Stolz der PaprikaBeim Blick auf die Photographien von Aenne Biermannüberkommt einen unaussprechliches StaunenVon Jorinde VoigtAenne Biermanns Arbeiten sind ein treffendes Beispieldafür, dass bei einer bewußten Photographie das Photolange vor dem Photo beginnt.Die Arbeiten Paprika und Eisblumen bilden in unverstellterWeise den Denkprozeß und die Entscheidungender Künstlerin ab.Die Photographien müssen aus einer Haltunggrößter Neugier entstanden sein. Sie zeigen das Bestehengrößter Intimität mit dem Betrachteten, Fas zinationam Entdecken im Prinzip endlos alternierenderKon traste, überraschender Schattenspiele und Reflexionen,das Austarieren der Probleme räumlicherAnordnung und als Hauptsache das ernste Spielen entlangdieser Parameter, eine Art architektonischenUm gang damit. Die Paprika mit den Polen provokant-vergänglich,die Eisblumen sanft-theatralisch.Mit ihrer einerseits sachlichen Haltung zumObjekt, andererseits deutlichen persönlichen Faszinationsowie ihrer Fähigkeit differenziertester Reflexion,ihrer technischen Versiertheit in Chemie,Optik und Licht hat sie sich Voraussetzungen für eineSituation geschaffen, in der das mit der Kamerabetrachtete Objekt unter den von ihr geschaffenenBe dingungen austauschbar beziehungsweise allesgleichberechtigt interessant wird, da das Betrachtetein diesem Setup plötzlich anfängt, unerschöpflichüberraschende und überwältigend ambivalente Eigenschaftenzu zeigen. Das Ergebnis ist wie eine unendlicheKette aus Surprise und Befreiung.Aus unserer Auktion am 27. November 2013:Aenne Biermann„Eisblumen“. 1929Vintage. Silbergelatineabzug. 17,1 x 12,7 cmSchätzpreis: € 1.500 – 2.50043


Aenne Biermann · Jorinde VoigtImpressumGRISEBACHKUNST, MENSCHEN, WERTEDas JournalAusgabe 3, Herbst 2013Auflage30.000 Exemplare© <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH · BerlinRedaktionFlorian Illies · <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>Konzept und BeratungRainer Groothuis · www.groothuis.de · Hamburg/BerlinGestaltungJanet Riedel · www.janetriedel.de · BerlinGestaltung des EinlegersLena Mahr · www.studiomahr.de · BerlinKorrektoratAxel Fischer · BerlinFotos der KunstwerkeKaren Bartsch · Fotostudio Bartsch · BerlinLithographie, Druck und BindungUlf Zschommler · <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> / Königsdruck GmbH · BerlinBILDNACHWEIS:Editorial: © Foto Bernd Schultz: <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>, S. 3; Feininger/Marcks: Nachlaß T. Lux Feininger, S. 6, 9; Zadkine: © ADAGP(société des auteurs dans les arts graphiques et plastiques),Paris 2013 / Fotos: © Bibliothèque Kandinsky, Centre Pompidou,S. 15–17; Portrait Zadkine: Marc Vaux; Liebermann: © akg-images,Max Liebermann, S. 21; Klein: Archiv, S. 26; © Max Krajewsky,S. 27, 28; Markus Hawlik, S. 29; Dix: © akg-images, Froide Terrebei Verdun, 1917, S. 30/31 und Dix-Portrait in Uniform © KunstsammlungGera; Trinkaus: © DHM, Berlin / S. Ahlers, S. 34/35;Portrait © Nachlaß Trinkaus, S. 37; Strauß: © Wolfgang Stahr, S. 45;Glöckner: © Klaus Dennhardt, Berlin, S. 51, 57; Schlußseite:Illustration © Christoph Niemann, S. 62. © VG-Bild kunst, Bonn 2013(für die vertretenen Künstler). Trotz intensiver Recherchen war esnicht möglich, alle Rechteinhaber ausfindig zu machen.Wir danken Holger Peter Saupe, Kunstsammlung Gera, für dieBereitstellung des Dix-Portraits.Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Onlinediensteund Internet und Vervielfältigung auf Datenträgern nur nach vorgängigerschriftlicher Zustimmung des Auktionshauses.<strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong> Auktionen GmbH, Fasanenstraße 25, 10719 BerlinGeschäftsführer: Bernd Schultz/Micaela Kapitzky/Florian Illies/Dr. Markus Krause/Daniel von Schacky/Rigmor StüsselHandelsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 25552www.villa-grisebach.deIn der Ästhetik liest man eine Art Stolz über dieseEntdeckung, auch Passion und unbedingte Hingabenoch genauer hinsehen zu wollen.Gleichzeitig ist jede Arbeit ein für sich stehendes,nicht wiederholbares Resultat, entstanden in einemMoment kleiner als eine Sekunde, irgendwann imJahr 1928 oder 1929. Seit ihrem Entstehungsmomentliegen die Photographien in den entropischen Bedingungender Zeit und werden kostbarer, je älter siewerden, da sie den einzigartigen, von der Künstlerinerzeugten – genauso wie den ihr passierten Momentnur für wenige Generationen in der Sichtbarkeit überdie Foto grafie aufrechterhalten können. Das darinliegende Ephe mere entspricht dem Charakter unseresDaseins. Es überkommt einen ein unaussprechlichesStaunen und Verharren in Anbetracht dessen, daß voreinem ein Moment kristalliner Konzen tration vonAenne Biermann in seiner Reinform von 1930 liegt,etwas,was uns jetzt schon überdauert hat, aus ihrerZeit in unsere gefallen ist.Aenne Biermann, im März 1898 in Goch geboren,starb mit 34 Jahren im Januar 1933 in Gera an Vergiftungdurch ihre Arbeit im Labor. Sie wird dendeutschen Photographen der Neuen Sachlichkeit zugerechnet.Sie startete als Autodidaktin in den 1920erJahren mit Dokumentationen ihrer Familie.Ihre heute bekannten Arbeiten stammen aus einerexzessiven Arbeitsphase zwischen 1926 und 1932, inder sich ihr Interesse auf Mineralien, Pflanzen, Haushaltsgegenstände verlagerte.Sie zählte zur Gruppe der Künstler, die sich derStilrichtung des „Neuen Sehens“ zugehörig fühlten.Diese entstand nach dem Ersten Weltkrieg in einerAtmosphäre gesellschaftlicher Veränderung und Ex perimentierfreu digkeit, der Abkehr vom Piktora lis mushin zur straight photography. Die Photographiewird nicht mehr als reproduzierendes, sondern produzierendesMedium verstanden. Weitere Vertreterdieses Ansatzes sind zum Beispiel Lucia Moholy,László Moholy-Nagy, Alexander Rodtschenko.Jorinde Voigt, Jahrgang 1977, ist eine der wichtigsten deutschenKünstlerinnen. In ihren Zeichnungen hat sie eine neuartige Form gefunden,aus scheinbar nüchternem Material und Algorithmen im Destillat neueStrukturen und poetische Kompositionen zu entwerfen.44


anmerkungen zumaußenseiterÜber das Heilig-Freundliche des Eremiten von Franz Ludwig CatelVon Botho Strauß45


Aus unserer Auktion am 27. November 2013:Franz Ludwig catel„Einkehr eines Pilgers und einer Pilgerin bei einem Einsiedler“. 1818Öl auf Leinwand. Doubliert. 62 x 48,5 cmSchätzpreis: € 12.000 – 15.000<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Man darf annehmen, daß alle kindlichen und gelehrten Fragen derTheologie im Laufe der Kirchengeschichte gestellt und gerade so unbefriedigendbeantwortet wurden, daß von ihnen ein nützlicher Stachel imGeist zurückblieb. Zum Beispiel bei der Frage: Kann der Anachoret, derUneingemeindete, der Welt entsagen, ohne sich dem Verdacht auszusetzen,er wolle Gott für sich alleine haben? Sind nicht all diese „Direkten“,die Gottunmittelbaren, die Asketen und Eremiten, sind die Weltflüchtigennicht immer auch Menschenflüchtlinge gewesen? Was sonst ist die Weltals die Gesamtheit von Verhältnissen? Vor und zu Gott aber verhält mansich nicht, verliert sich jede Verhältnismäßigkeit.Zwei Formen der extremen Andacht – in weltlich abgewandelter Formwird jeder irgendwann vor eine vergleichbare Frage des Unvereinbarengestellt, wie der Eremit und der Wüstenheilige sie für sich entscheidenmußten: Bin ich Gott näher in der Verborgenheit oder im erhöhten undoffenen Ausgesetztsein? Werde ich ein Höhlen- oder ein Säulenbewohner?Gehe ich hinaus oder umschließe ich mich? Lebe ich uteral oder phallisch?Bin ich klaustrophil oder agoraphil?Der Gottunmittelbare steht hoch aufgerichtet und starr wie eine Säule.Oder kauert und hockt, auf den Knien das Buch, und sucht das Gesicht inder Schrift. Bei sich verdunkelndem Sinn leistet der Rekluse die Arbeiteines zunehmend verständnislosen Entzifferns, gerade so, als wollte jemandaus unendlich vielen Poren ein Gesicht zusammensetzen. Es ist wahr,daß die leidenschaftliche Absonderung den Verstand zerstört, und erstnach langem Ausharren in der Höhle wird er vom Unsichtbaren wiedersehend gemacht. Er begegnet den Sentenzen der Schrift wie Augen, diestrahlen, er kann kaum hineinblicken, ohne daß nicht das eigne Sehen zerrisse.Und es gibt andere Stellen, die sind dunkle Eingänge; hier sieht ernichts mehr, er wird von Finsternis umschlossen – und in ihr ist einHerzklopfen, das höher wird und nähert sich ihm. Es muß dieser eineRaum, dieser eine und letzte noch geöffnet sein, der in die Tiefe desEntsetzens führt … das endlos, heillos und unablösbar ist. Man hat sichihm häufig genähert, bildlich, rhetorisch, ihm jedoch niemals ganz Raumgegeben. Das Entsetzen. Vielleicht der letzte Versuch nach allem, was wirwissen, hochherzig und niedergeschlagen wissen, der letzte Versuch zuexistieren: erstarrt. Da springt über der Herzschlag und draußen pocht eslaut gegen die Tür …Der Rekluse, der nie einen anderen als den völlig unerwarteten Besuchempfängt, wird, von niemandem gesehen, Tag für Tag Gestalt annehmen,Figur abgeben. Gang und Haltung müssen immer federnd bleiben, alsschritte er im nächsten Augenblick, längst bevor es klopft, zur Tür, umden endlich Ankommenden bei sich aufzunehmen.Botho Strauß, Jahrgang 1944, ist einer der großen Autoren der Gegenwart.Im August ist sein neues Buch „Lichter des Toren“ (Diederichs-Verlag) erschienen.47


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013der polarsternHermann Glöckner – der Dresdner Generationsgenosse von Hans Arpund Kurt Schwitters hat deren Bedeutung, aber noch nicht deren Ruf.Eine Annäherung an einen der großen Liebhaber der GeometrieVon Uwe Tellkampür Glöckner muß man ein Gehör haben, sagte Vater,F nicht nur ein Auge. Übrigens ist auch er ein Carusianer.– Wie veränderte sich Vater bei den Carus-Sachen, wenn er mich zu einem Spaziergang lud oderin die Sternwarte, wie wir sein Arbeitszimmer nannten;dann war er nicht mehr der Tag-Mensch mit seinendem nüchternen Leben zugekehrten Sorgen undHandlungen, sondern der Toxikologe, der die Gifteliebte, den Schneekristall und die Schlangen, denMaler Glöckner: ihn als Ganzes, die Kunst und denMenschen. Glöckner wohnte auf der Schwebebahnseitedes Elbhangs, Pillnitzer Landstraße, im sogenanntenKünstlerhaus, das in seiner vielfenstrigen Wuchteinem Kastell glich; in der ersten Etage hatte Glöcknersein Atelier. Er war Jahrgang 1889, wir sprachen alsoüber einen bald Hundertjährigen, hatten vor, ihn zubesuchen, und während mir noch der Widerspruch zuschaffen machte, daß Glöckner lebte, eine Telefonnummerhatte und besuchbar war, gleichzeitig abereiner bereits mythisch gewordenen Vor-Welt angehörte,vertiefte Vater den Graben zwischen dieser Vor-Weltund der Gegenwart in seinem Arbeitszimmer, indemer Namen und Jahre nannte, die er als GlöcknersUmgebung bezeichnete: 1887 seien Duchamp, Arpund Schwitters geboren worden, 1888 Itten, der Bauhaus-Meister,1890 Man Ray und Lissitzky, und ernenne diese Namen nicht zufällig, denn Glöcknerhabe deren Bedeutung, wenn auch nicht deren Ruf.À propos: Wir müssen ihn anrufen, sagte Vater, ganzso einfach kann man ihn nicht besuchen. Stellst du mirbitte den Wecker auf halb sechs? – Früh? – Ja, halbsechs Uhr früh. Um sechs Uhr ist er am sichersten erreichbar.– Aber morgen ist Sonntag. – Macht nichts,sagte Vater. Glöckner sei der Meinung, daß man gerade,wenn man es nicht müsse, etwas tun solle. Die Carus-Sachen: Es genügte zum Beispiel, durch den Elbhangbei Wachwitz zu gehen, einem Bekannten zuzunickenund zu sagen: Hier wohnt Glöckner. Aus denReaktionen konnte man zwei Schlußfolgerungen ziehen:daß Glöckner eine hochgeachtete Persönlich keitund ein nahezu unbekannter Künstler war. Bis zu seinemachtzigsten Geburtstag bekam er in Dresdenkeine Ausstellung. Er war Außenseiter, hielt sich vomBetrieb fern. – Wir müssen uns den Wecker unbedingtso stellen, daß wir es nicht verpassen, ihn pünktlich anzurufen.Am besten stellen wir alle Wecker, die wirhaben, sagte Vater, ging zum Telefon, nahm ab, lauschte,hielt den Hörer eine Weile sinnend in der Hand. DerToxikologe und Assistent an der MedAk, wie dieMedizinische Akademie Carl Gustav Carus kurz genanntwurde, hatte kein Telefon bekommen; er war ander Akademie mehr geduldet als gewünscht, wennauch von einflußreichen Carusianern wie dem DermatologenKleine-Natrop geschützt. Das Telefonhatte der Bürgerrechtler bekommen, der Vater auchwar; es braucht ein Telefon, um TelefongesprächeAus unserer Auktion am 29. November 2013:Hermann Glöckner„Zentrale Teilung in rot und weiss“. Vor 1976Mischtechnik auf Leinwand auf Holz. 27 x 22,5 cmSchätzpreis: € 10.000 –15.00049


Hermann Glöckner · Uwe Tellkampabhören zu können. Haben wir Süßigkeiten im Haus?Glöckner liebe Süßigkeiten, wenn auch nicht in derKunst. Bei Feinkost-Fendler am Schillerplatz hatte icheine Tüte Schaumgummi-Kosmonauten gekauft, dehnbarauf doppelte Länge, ohne zu zerreißen, das Stückzu zehn Pfennig. Vater schob die Tüte in seine Hebammentasche,neben Chargen von Wasser schierling-,Meerzwiebel- und Fingerhut-Extrakt, Aconitin (dasGift des Eisenhuts) und einiger Alkaloide, darunterMuscarin, das Fliegenpilzgift: eine reichhaltige Giftsammlung,die in Ampullen friedlich neben VatersFrühstücksbroten zu schlummern pflegte. Wir müssenuns vorbereiten, sagte Vater. Zu einem wie Glöcknergeht man nicht einfach so, einem solchen Mann stiehltman nicht die Zeit durch Geschwätz. Ich möchte, sagteVater, daß du Glöckner ein wenig verstehst, er ist nichtwie die anderen hier, er paßt nicht in das DresdnerTon-in-Ton, in die übliche Dresdner Landschafterei,gemalt von wackeren und redlichen Pinseln. Er ist einsogenannter Konstruktivist, und das ist ein kompliziertesWort für seine einfachen Bilder. Auch auf sietrifft zu, was Fritz Löffler einmal als höchstes Lobüber das Werk eines Künstlers gesagt hat: Es ist ganzeinfach und dabei ganz persönlich. Das Wort Konstruktivistbesagt nicht viel, es ist, auf Glöckner gemünzt,eine Einengung. Mit gleichem Recht könnteman auch die Natur als Konstruktivistin bezeichnenoder eine Galaxie nachts auf der Suche nach einemAstronomen, der sie endlich entdeckt. Glöckner, soVater, sei ein Grundlagenforscher der Malerei, undbegonnen habe es mit dem Kleinen Dampfer von1927, schau her: Vater zog eine seiner Grafikmappenaus dem Schreibtisch, nahm eine Fotografie desDampferbildes heraus, die mit Maßlinien überzeichnetwar; Mittelachse, sowohl in vertikaler wie auch in horizontalerRichtung Halb-, Viertel- und Achtelunterteilungen,alle, sagte Vater, durch Bildelementebetont. Glöckner habe sich in diesem Bild selbst entdeckt,und er habe noch einmal von vorn angefangen,radikal seine frühere Malerei verworfen, in der esdennoch Blätter größter Qualität gebe. Der KleineDampfer mit der kleinen Sachsen fahne am Heck,grün-weiß, sagte Vater, er hat mir dieses Foto gegeben,weil ich den Kleinen Dampfer liebe, der schon aufFeiningers Schiffe und Meerbilder hinausweist, weilwir über Carus gesprochen haben, dessen Schriftenüber Goethe und Landschaftsmalerei er schätzt wieich, und weil ich mit den richtigen Empfehlungenkam: von Rudolf Mayer, Herausgeber der eikonGrafik-Presse, und von Werner Schmidt, Direktor desKupferstichkabinetts. Vater wühlte in der Grafikmappe.Guckst du bitte mal nach der Waschmaschine?Es war Sonnabend, Mutter war in U-Haft, meineSchwester im Jugendwerkhof Torgau, Vater hatte gewaschen.Wir müssen wieder klar und einfach werden,sagte er, als ich zurückkam. Nicht von ungefährspricht man von Farbtönen; diese Töne sollen wiederrein klingen. Aber eine Reinheit, die still ist und nichtfanatisch. Glöckner nimmt eine Papptafel, Format35 x 50 cm, tränkt sie mit heißem Leimwasser, immerwieder, bis sie durch und durch naß ist, und immer wiederwird sie getrocknet. Die Tafel bekommt durch dieseProzedur eine besondere Härte. Die Vorderseite wirdweiß, die Rückseite schwarz gemalt, zwei Kanten werdenweiß, zwei schwarz umgebogen, es entsteht einsechsflächiger Körper. Die zweite Tafel wird diagonalvon der linken oberen zur rechten unteren Ecke geteilt,zwei Dreiecke entstehen, eins wird weiß, das andereschwarz geklebt. Dazu ein Grau auf der Rückseite. EineTeilung wie bei den Takten in der Musik. StrengsteSpannungen. Nichts ist überflüssig, alles ist möglich.Wie oft an solchen Geschichten-Abenden begannmir Vaters Gegenwart und die des Arbeitszimmerszu verschwimmen, ebenso die Karte mit demDoppel-Mond (Vorder- und Rückseite), die an derWand über dem Sofa hing und, markiert mitBleistiftpunkten, einen Fluchtplan über Rumänienenthielt, verborgen im Mare frigoris, dem Meer derKälte, und dem Lacus somniorum, dem See derTräume, und es war, als ob ich nicht Vater sähe, sondernden Maler Glöckner selbst, einen hageren undtrotz seines Alters straff-elastisch wirkenden Mann,der sich von keiner Anfeindung und von keinem Lobhatte von seiner Arbeit abbringen lassen. Das SchwarzeQuadrat, sagte Vater, der Schwarze Hund des Malers50


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Glöckner, die Schwarzen Pflanzen des Malers Bourg,das schwarze Weltall. Durchzogen von roten Strahlenbündelnwie im gleichnamigen Bild aus GlöcknersTafelwerk. Der Eindruck: eine rostige Fläche, einSternennebel aus feinsten, bis zum Hauch verstreutenPartikeln, von links eine Schwarz-Einmischung, derNebel dünnt aus, seine Taten finden keinen Halt mehr.Die Schwärze, die Leere. Aber gerade dort, die linkeBildkante berührend und mittelnd, existiert ein roterKern, der fünf Strahlen aussendet, Meridiane, die ander gegenüberliegenden Bildkante abzuprallen scheinenund ins Bild zurückgeworfen werden, aber in bestimmtenWinkeln gebrochen: ein Koordinatensystem,ein Netz aus Breiten- und Längengraden entsteht, stabilisiertund in der Vertikalen verspannt durch wiederumfünf, aber kräftiger gerissene Linien, derenFluchtpunkt, ihr Nordpol, außerhalb des Bildes liegt.Schau her: Vater stand auf, legte die Grafikmappe aufeinen der Papierhaufen, die zusammen ein kleines,aber zerklüftetes Gebirge bildeten und die Freiheit desSchreibtischs von allen Seiten belagerten, so daß, nebenTintengläsern, Stiften, Bleistiftspitzmaschine, Leimtubenund einer besonders unaufgeräumten Zone mitKrimskrams, Briefmarken, gestapelter Post, Rauchzeugund einer Kartusche zur Erzeugung vonSeifenblasen, die meiner Schwester gehört hatte, nurein Quadrat in der Schreibtischmitte übrigblieb, eintaschentuchgroßes Quadrat auf einer Tischplatte vonzweieinhalb mal anderthalb Metern Fläche. Der Papiergipfelgeriet unter der eilig abgeworfenen Mappe insWanken und gab nach einigen wilden Griffen meinesVaters nach, und während wir die Papiergüsse zu bändigenversuchten, dachte ich, daß so, wie der MalerGlöckner die verwirrende Vielfalt der auf den Blick einstürzendenäußeren Welt von den Ablenkungen, vomSchaum zu befreien versuchte, bis etwas entstand, daseine Gesetzmäßigkeit zeigte oder sie, für einen aufgeschlossenenBetrachter jedenfalls, erreichbar machte: einbefreites Bild – daß so mein Vater versuchte, jeden Tagund sein ganzes erwachsenes Leben lang, dieses Quadratin der Mitte seines Schreibtischs freizuräumen, es denWucherungen von seitlich zu entziehen und unberührt51


Hermann Glöckner · Uwe Tellkampvon Ablagen, Müll, Forderungen zu halten. Vater rumorteim Schrank und in den Schreibtischschubladenherum, doch alles, was er hervorzog, war eine FotografieRichard Wagners, die er mit Erstaunen betrachteteund mir mit den Worten reichte: 2013 wird seinzweihundertster Geburtstag gefeiert werden, ich sagedir voraus, daß in den Zeitungen von nichts anderemdie Rede sein wird. Vielleicht noch von Verdi, sonstaber Wagner und noch einmal Wagner. Kein Britten,1913 geboren, kein Lutosławski, 1913 geboren, duwirst an meine Worte denken. Vater setzte sich wieder,starrte auf das leere Quadrat, strich mit den Händensacht über die Maserung des Holzes. Es könnte dieMilchstraße sein, sagte er nach einer Weile, einAusschnitt, durch den die roten Strahlenbündel laufen,und vielleicht ist der Posten des Beobachters dieKanzel in einem Raumschiff. Ein Schiff, das durchRaum und Zeit fährt, und diese wie Musik, wie eineFuge gespannten Linien sind die Takelage diesesSchiffs, wie man die nur auf den ersten Blick verwirrende,in Wahrheit aber streng funktionale und klareAnordnung der Masten und des sie haltenden Tauwerksauf einem Segelschiff nennt. Die Liebe zurGeometrie ist die Liebe zur Ordnung und zur Klarheit,sagte Vater, und bei aller Abstraktion ist GlöcknersKunst doch keine Rechenarbeit, er ist eben keinMathematiker, der sich in die Kunst verlaufen hat, wiees der Kunstfunktionär Grenette bei einem Atelierdurchgangeinmal behauptet hat, Glöckner ist einMaler. Außerdem ein bedeutender Plastiker, imZentralinstitut für Kernphysik Rossendorf steht dieFaltung, aus Edelstahl von den Rossendorfern selbstangefertigt. Rossendorf und sein Kulturklub; dasRefugium, sagte Vater. Weißt du, die Deutschen liebendie Mathematik nicht. Das sei zu rational, da fehle dasGefühl. Aber jedes Kunstwerk, das etwas tauge, seinach bestimmten Prinzipien geformt, enthalte Proportionen,Maße und ihre Verhältnisse, Symmetrien. AlsoMathematik. Die reine Mathematik berühre sich mitder Poesie, und selbst im schlimmsten Operetten-Empfindungsmatsch werde konstruiert, dort sogar,unter der Tarnschicht aus Kitsch, am abgebrühtesten.Die Schwünge Glöckners und die MelodieführungMozarts seien elementare Poesie, einfach, aber nichtsimpel, ein Unterschied, so Vater, den einer wieGrenette niemals begriffen habe. Dieser Mensch mitdem schönen französischen Namen sei ein Wüterichgewesen, ein Kunstvernichter, er habe ihn – Vaterstarrte auf das freie Quadrat in der Schreibtischplatte,das durch unsere Papier reparaturversuche noch kleinergeworden war – immer an jenes sonderbare Werkzeugim Orchester erinnert, den Stopfer oder Dämpfer,den es in Ausführungen für Streich- und für Blasinstrumentegebe; Grenette nun habe ihn besonders anden Tuba-Stopfer erinnert, den der Tubist Liemen hinund wieder in den Schalltrichter seines Instrumentsgekeilt habe, der Tubist Liemen trage diesen Tuba-Stöpsel, der einem Medizinball ähnele, in einemFutteral herum. Für sich, so Vater, habe er diesesUtensil auf den Namen Grenette getauft, die beidenhätten vieles gemeinsam. Der Galerist Schweinebradenhätte Grenette heißen sollen, und der GrenetteSchweinebraden, sagte Vater, aber so ist es eben: Einklares Werk spannt sich über ein unklares Leben, undein integrer Galerist heißt Schweinebraden, einKunsthenker dagegen Grenette. Es verhalte sich, erklärteVater vergnügt, wie mit den Plänen undAbsichtserklärungen: Schon manches Goldstück habesich in Sowjetrubel verwandelt, aber ein Grenette nochnie in einen Schweinebraden. Grenette, Grenette,murmelte Vater, irgendwie kommt Granate darin vor.Dem Tafelwerk, sagte Vater, hat sie nichts anzuhabenvermocht, wie auch jene anderen Granaten nicht, überdie Glöckner im Erpenbeck-Buch spricht, das imVerlag Der Morgen, dem Verlag der Liberalen, 1983erschienen ist. Versammlung des Verbands BildenderKünstler im Dresdner Künstlerhaus auf der GrunaerStraße, kurz nach 33, den Vorsitz führten uniformierteHohlladungen mit umgehängten Revolvern, LeaGrundig habe sich erlaubt zu protestieren, worauf einedieser Hohlladungen den Revolver auf den Tisch legteund erklärte, hier werde nicht mehr diskutiert, hierwerde angeordnet und befohlen. Die Liebe zurGeometrie, setzte Vater wieder an, die Roten Strahlenbündelaus dem Tafelwerk, und nur ein eilig vorübergehenderBetrachter könne sagen, daß dies eine kalte,52


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Aus unserer Auktion am 29. November 2013:Hermann Glöckner„Grüne und blaue Formen an roter Kugelform“.Tempera auf gelblichem Papier. 57,3 x 40,5 cmSchätzpreis: € 4.000 – 6.000eine Maschinenkunst sei; die Delikatesse, ja Noblesseder Farb-Tonwerte sei von liebenden Augen gesehenund entspräche Empfindungen, die überaus diffe renziertenStufungen von Rot empfinde er als Auffächerungvon Zuneigung; schade, daß ich dir das Bildnicht zeigen kann. Ich hatte mich auf das Sofa unter dieMondkarte gesetzt und beobachtete Vater, der ganz inseine und Glöckners Welt versunken zu sein schien,mehr zu sich selbst als zu mir sprach, einem Zuhörer,der noch zu jung war, um alles verstehen zu können,was ihn, den Erzähler, bewegte, wenngleich ich seinenHinweis auf die Tonwerte von Empfin dungen durchausbegriff, hatten wir doch zuvor Kind of Blue gehört,die Musiker um Miles Davis hatten eine Melodie entworfenund sie gleich darauf wiederholt, aber um einenAkzent, den ich mir nicht erklären konnte, um dasGewicht eines Hautflüglers leichter gemacht, wodurchsich der ganze Bau änderte, eine anders-gleicheEmpfindung ausdrückte. Tausend bunte Scherben, dieim Kirchenfenster das Bild eines Heiligen formen, brechenzu einem bestimmten Zeitpunkt das bestimmtevolltönende Licht einer Sonnenposition zu einemSpektrum, ändert sich aber auch nur ein Element, wirddas Licht durch eine vorüberfliegende Schwalbe, eineHimmelstrübung, durch eine bisher unberührt gebliebeneScherbe gelenkt, so ändert sich der Farbakkord inder Kathedrale. Kind of Blue hatte ein im Stübchen desBildhauers Dietzsch aufkreischender Winkelschleifer,eine sogenannte Flexsäge, beendet. Vater war hinunterzu Dietzsch gegangen, der aber hatte nicht geöffnet, dieKlingel war abgestellt, das Telefon nahm er nicht ab,Steinchen, die ich an sein Fenster geworfen hatte, ignorierteder Bildhauer. Nachdem der Winkelschleifer verstummtwar, klingelte unser Telefon, Vater hatte denHörer abgenommen, aber niemand hatte sich gemeldet.Kaum aufgelegt, hatte es wieder geklingelt, so war eseine halbe Stunde gegangen, bis Vater den Telefonsteckeraus der Anschlußbuchse gezogen hatte.53


Hermann Glöckner · Uwe TellkampAus unserer Auktion am 29. November 2013:herMann GLöckner„Variante zu Blatt 7 der Folge ‚10 Handdrucke‘“. 1973Hochdruck von Linoleumformen (Handabrieb) undStoffabdruck auf Zeitungspapier. 36,5 x 51cmSchätzpreis: € 2.000 – 2.500


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Die Waschmaschine lallte, daß sie fertig sei. Weißtdu was? Vaters Gesicht hellte sich auf: Wir bauenein Bild, wir bauen Glöckners Bild Wäsche auf demTrockenplatz, das im Kupferstichkabinett ist. Da dieSchleuder kaputt war, wrangen wir die Wäsche überder Badewanne aus, schlappten sie in den Wäschekorb.Bei der Kälte müßten wir sie auf dem Dachbodenaufhängen, sagte Vater, aber da können wir das Bildnicht sehen.Im Hof spannte Vater zwei Leinen zu einemAndreaskreuz, dann zwei Leinen parallel, die es obenund unten begrenzten. Du kannst dir das Ganze wieeinen Windmühlenflügel denken, links oben zweiLaken, rechts oben eins, das dafür breiter ist, links unteneins, ebenfalls breiter, doch nicht so breit wie das Lakenrechts oben, rechts unten drei Laken, so schmal wie daslinke links oben.Die erste Personalausstellung habe Glöckner 1968gehabt, bei Lothar Lang im Institut für Lehrer weiterbildungin der Woelckpromenade in Berlin-Weißensee.Es gab nicht nur Grenettes, sagte Vater, es gab auchSchmidt und Lang und Mayer und Frau Janda. Und denGaleristen Kühl, der abends um sechs Uhr ins Atelierkam, alles ansah und so begeistert war, daß er erst nachtsum drei Uhr mit einem Taxi wegfuhr. Vater ging nocheinmal nach oben, die Klammern, die an den Wäschestangenzur allgemeinen Verfügung standen, gefielenihm nicht, es mußten Holzklammern sein, eine bestimmteschlanke, wie Bubenhosen geschnittene Sorte,wie sie Zahnärztin Knabe für ihre Wäsche in einemKarton auf dem Dachboden aufbewahrte. – Giebel überDächern aus Wünschendorf, sagte Vater, als er zurückkam,beide Hände voller Wäscheklammern. Voitsdorfim Böhmischen. Die Windmühle in Boxdorf. NichtParis und London, sondern Boxdorf und die Giebel überDächern aus Wünschendorf, sagte Vater. Eine Scheunenfront,weiß grundiertes Papier, entschiedene schwarzeLinien führungen, Pinsel in Tusche, Verstrebungen,Winkel, Keile, die Scheune erwartet den Betrachter, imoffenen schwarzen Tor lauert die Nahrung, das Korn –oder das Erschießungskommando.Im Wäschekorb fanden sich nur breite Laken;Vater legte vier zusammen, um die schmalen Lakendes Bilds zu bekommen, das ihm vorschwebte, dieseLaken würden zwar schlecht trocken, sagte er, aber ermüsse mir alles exakt demonstrieren. Haben wir einkariertes Tuch? Ein kariertes Tuch hängt auf deroberen der beiden parallelen Leinen links und schneidetdie Bildkante an. Vater wühlte im Wäschekorb,fand ein kariertes Geschirrtuch, hielt es triumphierendan die Leine. – Lehre als Musterzeichner, Entwürfefür Textil- und Tapetenmuster. Im Zeichenatelier beginntdie Arbeit früh um sieben Uhr, geht bis zwölfUhr, dann weiter von zwei Uhr bis sieben Uhr abends.Von acht bis zehn Abendschule, es werden Pflanzengezeichnet, Köpfe, Figuren, Akt. Eine halbe StundeHeimweg. – Der Maler Glöckner geht in die Gemäldegalerie,sagte Vater und hieb Klammern auf die Laken,er schmuggelt unter einer Lodenpelerine eins seinerBilder ein und stellt es unter die Holländer, um zu sehen,wie es wirkt. Ich habe das Bildchen, sagt Glöckner imErpenbeck-Buch, unbemerkt wieder mit hinausgenommenund bin dann nach Hause geschlichen.Für die untere der beiden parallelen Leinen, aufder, so Vater, in Glöckners Bild hochschmale Tücherhingen, teils laviert, nahm Vater Socken; in unsererWäsche befanden sich immer viele Socken, aber nurwenige hochschmale Tücher.Er ist an der Somme gewesen und in Flandern, neunzehnsechzehn.Die eigene Artillerie, die zu kurzzielte, hat die Truppe zusammengeschossen. SeineFrau ist Schneiderin gewesen, sie haben sehr ärmlichgelebt. Sie hat ihn auf den Bau begleitet, sie haben sichin der Nazizeit mit Sgraffitoarbeiten über Wasser gehalten.Schriften an Bäckereien, Gasthöfen, Firmen imUmland. Eine Schneiderin, die den Maurern sagenkonnte, sie sollten den Putz nicht so suppig anrühren,wie sie es gewöhnt seien, der trüge sich zwar leichterauf, halte aber nicht so gut, sie müßten für dieSgraffitoarbeit ja mehrere Schichten auftragen. EineFrau, die einem störrischen Maurer sagte, wenn er esnicht so mache, wie sie wolle, müsse er eben vomGerüst und sie selbst den Putz anrühren lassen. Vaterzog die Laken glatt, trat zurück, zog das linke obereLaken einen Zentimeter nach links. Die Architekten55


Hermann Glöckner · Uwe Tellkampseien skeptisch gewesen, denn man habe den Fürstenzugursprünglich in Sgraffito technik ausgeführt, nachund nach sei er abgebröckelt; der Fürstenzug in gebranntenMeißner Kacheln, wie man ihn heute kenne,sei erst später ausgeführt worden. Glöckner imErpenbeck-Buch: Man habe fehlerhaft gearbeitet, diePutzschichten müßten bei der Sgraffitotechnik in frischemZustand aufeinander aufgetragen werden, sodaß eine direkte Bindung entsteht. Würde man dasGanze abschlagen, dürfte nicht eine einzelne Schichtabblättern, sondern die ganze Putzschicht müßte sichbis zum Grund von der Wand ablösen.Die Anordnung der Wäschestücke mißfiel Vater, eränderte, überlegte, änderte wieder. Er lief insTreppenhaus, um aus einem Fenster die Wirkung desWäschebilds zu überprüfen, aber es war schon zudunkel, um genau zu sehen, und von den umliegendenWohnungen fiel nicht genügend Licht in den Hof. Eswar noch viel Wäsche im Korb, sie würde, sagte Vater,das Bild stören; wir gingen auf den Dachboden, umden Rest der Wäsche aufzuhängen.Glöckner habe ihm einmal Fotos von diesenArbeiten am Bau gezeigt. Wär nicht das Auge sonnenhaft,die Sonne könnt es nicht erblicken, Dresden,Königsheimplatz, Schrift im Vorraum zur Praxisdes Augenarztes Bornemann. Likörfabrik Hafftmann,Pirna. Waldschlößchenbrauerei Dresden, zwei Wappenan der elbseitigen Fassade. Werkzeug maschinenwerkDresden, Silhouette eines fliegenden Adlers, Schrift:Das Vaterland darf jedes Opfer fordern.Aus dem Dachbodenfenster sah ich einen weißenWindmühlenflügel im Hof.Nach dem Angriff am 13. Februar 1945 blieb vomHaus nichts übrig als eine Porzellanfigur, die amAtelierfenster gestanden hatte.Das Arbeitszimmer roch nach frischer Wäsche.Vater stand am Fenster, wandte mir den Rücken zu. Inden Händen hielt er ein Buch. Über Frieda Glöckner,seine Frau, sagt er im Erpenbeck-Buch: Wir waren fastimmer allein. Wenn sie Zeit hatte, befaßte sie sich mitihrer Schneiderei. Vor allem aber interes sierte sie sichsehr stark für meine Arbeit. Zunächst hatte sie nichtselbst gezeichnet, bis wir dann 1929 im Gebirgewaren, wo sie sich draußen im Freien auch versuchte,es kamen sehr schöne Zeichnungen zustande, einehängt hier in meinem Wohnraum. Ich hatte ihr grundiertesPapier zur Verfügung gestellt, sie zeichnetestets mit Bleistift und Lineal. Ich bedaure sehr, daßkaum etwas erhalten geblieben ist. Ich hatte dieZeichnungen damals in den Koffer gepackt, der einenTeil meiner im zweiten Weltkrieg ausgelagertenBlätter enthielt, sie hat mir hinterher, als ich ihreArbeiten nicht mehr fand, gestanden, daß sie die eigenenSkizzen herausgenommen und andere von mirhineingetan hat.56Aus unserer Auktion am 29. November 2013:Hermann Glöckner„Stehender männlicher Rückenakt vor Wand“. 1928Öl auf Pappe. 48,7 x 19,3 cm. Verso: „Roter Schornstein, vor weißem Himmel“.Schätzpreis: € 8.000 –12.000


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Hermann Glöckner (1889–1987). Stammt aus der Generationder großen konstruktiven und abstrakten Vordenker wie Arp,Schwitters, Itten und Lissitzky und schuf in Dresden seit denspäten 1920er Jahren ein einzigartiges künstlerisches Universum.Seine „Faltungen“, Zeichnungen, Skulpturen undBildtafeln verbinden höchste ästhetische Ansprüche mit einerbesonderen Liebe zur Geometrie.Dampfer und Sonne, Dampfer und halbe Sonne,Silhouetten von: stehender Mann, zwei Segelboote,Ufer, Wasserfarben, sagte Vater. Wie einfach und elementar.Dinge und Leben, dazwischen die Zeit. Schiffund Stern: das ist die Reise. Die Takelage einesSegelschiffs ist auch Geometrie, aber wohl niemandwürde auf die Idee kommen, sie als kalt zu bezeichnen,als etwas Nicht-Menschliches, sagte Vater, nachWorten suchend. Die roten Strahlenbündel: Mich erinnertdie Komposition dieser Tafel auch an das Netzeiner Kreuzspinne, da gibt es ähnliche Spannfädenund Tangenten, und darin Beute wie die gelben Flecke,die Glöckner ins Bild getupft hat, Andromedanebel,Sternhaufen, und quer die Spuren dreier Kometen,das Bild wie gesprüht, wie eingeschmutzt vonMomenten außerhalb der Gesetze, von Zufällen undFluchten, man kann diese Wirkung auf schwarzunbeflogenenOberflächen erzeugen, einem fabrik frischenFilm etwa, den man mit Finger abdrücken bedeckt, betatscht,wie man im Sächsischen sagt, nur sind dieseTatschungen oder Touchierungen, man müßte sogarTuschierungen, von Tusche, sagen, auf diesem Bild behutsamergesetzt, bedachtsamer: die Ruhe, die japanischeKalligraphie ausstrahlt, liegt darin. Nun kreischtenWinkelschleifer vor unserem Fenster. Vor einigenTagen war ein Gerüst aufgebaut worden, doch keinBauarbeiter erschienen, jetzt, mit Einbruch der Nacht,waren plötzlich Bauarbeiter da. Vater öffnete dasFenster und erkundigte sich, was es nachts am Hauszu sägen gebe. – Jalousiekästen, Doktor, antworteteeiner der Hausverschönerer in höflichem Ton. Diealten sind morsch, Sie bekommen neue, und die altenmüssen wir heraussägen. – Ob das nicht bis morgenfrüh Zeit habe? – Sie seien die mobile Einsatzbrigadeder Wohnungsverwaltung, eine Art Feuerlöschtruppe,die nur dort eingesetzt werde, wo es, gewissermaßen,brenne, auch in Nachtschichten, was denn der HerrDoktor sich zu beschweren habe, er könne froh sein,daß man so schnell die Reparatur in Angriff nehme. –Sie klären – oder vielmehr: löschen – also einen Sachverhalt,sagte Vater, da wünsche ich Glück auf, es sindMinusgrade gemeldet. – Das lassen Sie mal unsereSorge sein, Doktor, erwiderte der Jalousiebauer, wennes hier einen gibt, der sich warm anziehen muß, dannsind Sie das.Glöckners Atelier, versuchte Vater ins erneute Aufkreischender Winkelschleifer hinein; ich brachteihm Ohropax und nahm selbst welches, Vater reichtemir ein Stück Papier: Wir haben jetzt Grenettes imOhr, bis gleich aus dem Postamt von Putbus, stand inseiner kritzeligen Schrift darauf. Eine Weile schrieb er,ich beobachtete ihn, wieder schien er völlig versunken,der Raum, in dem er sich aufhielt, war Wohnungsverwaltungs-Jalousiebauernunerreichbar, ich sah sievor dem Fenster in zunehmender Helligkeit (in denHäusern ringsum gingen mehr und mehr Lichter an,Gesichter erschienen) ihre Arme mit den kreisrundenFortsätzen schwenken. Vater hatte die Schublade mitden Postkarten aufgezogen, das Stempelkissen undden selbstgebastelten Stempel dazu aus der Ecke mit57


Hermann Glöckner · Uwe TellkampAus unserer Auktion am 29. November 2013:Hermann glöckner„Mast mit zwei Faltungszonen“. 1975Eisenblech, vernickelt. Höhe 95 cmSchätzpreis: € 20.000 – 30.000Studie zu „Mast mit zwei Faltungszonen“ (Beigabe zur Skulptur), der einzigen monumentalen abstrakten Skulptur,die zu DDR-Zeiten öffentlich errichtet wurde – vor der TU der Mensa in Dresden. Die Fotos der Vorstudie erlaubeneinen seltenen Einblick in den kreativen Prozeß. Mit einem Kreuzchen markiert Glöckner die gewünschte Lösung.Krimskrams und dem Seifenblasenspender hervorgesucht,jetzt öffnete also wieder einmal das PutbuserPostamt; wenn wir nichts hören und stumm wie dieMecklenburger sind, hatte Vater beim Debüt diesesSpiels vor einigen Jahren geschrieben, dann könnenwir uns doch wenigstens Postkarten schreiben,Briefmarken brauchen wir nicht für den kurzen Wegvom Schreibtisch in die Wohnung, einen Stempel aberschon, es muß seine Ordnung haben. Dieses Kreischen,las ich auf der Postkarte, die mir Vater abgestempeltherüberreichte, stammt aus ordnungsgemäß bedientenund ebenso konstruierten Maschinen, das bereits mindertdie Angst, die wir davor haben sollten. DasBildmotiv der Postkarte zeigte einige, wie man damalssagte, Mannequins, die Schürzen für die moderneHausfrau unter dem Slogan Diese Schürzen sind mehrals Schürzen vorstellten. Es mindert die Angst deshalb,las ich auf der zweiten Postkarte, die mich aus demPutbuser Postamt erreichte, da ordnungsgemäß erzeugterLärm nicht die Eigenschaft chaotisch wirkendenLärms besitzt, nämlich an das erderschütterndeGewummer einer sich nähernden Mammutherde zuerinnern, das unseren Vorfahren zugesetzt haben muß.So daß, hier brach die Schrift auf dieser Postkarte ab(sie zeigte einen Mähdrescher aus dem VEB FortschrittLandmaschinen), setzte sich erst auf der nächstenKarte fort (zwei winkende Kosmonauten) – so daß, genaugenommen,der Lärm, den diese Winkelschleifererzeugen, nicht existiert, da es nicht der Lärm ist, densie erzeugen sollen, da das, was an und aus ihnen Lärmist, nicht das ist, was bei uns davon übrigbleibt(Abbruch, nächste Karte: ein von einer mißmutigblickenden Rentnerin über dem Grabbeltisch einesWestberliner Winterschlußverkaufs enorm in dieLänge gedehnter Damenschlüpfer), also, wie Kantsagt, einer anderen, uns nicht berührenden Welt angehörtund also ignorabel ist, eine regulative Idee wieder Mann im Mond, den noch keiner außerhalb vonBechsteins Märchen sah (die fünfte Postkarte zeigteallerdings, ein Scherenschnitt aus dem AtelierZwirnevaden, diesen bechsteinschen Mann im Mond).Inzwischen hatten die Jalousiebauer Prügel angedrohtbekommen und vorläufig die Arbeit eingestellt. Spätin der Nacht erreichte mich, für dieses Mal, eine letztePostkarte aus dem Putbuser Postamt, das Motiv daraufwar von Hermann Glöckner und zeigte den Schwungin Rot, Pastellkreide, gewischt, in heiterer Leichtigkeit.Glöckner ist der Kepler der Malerei, stand auf derKarte geschrieben. Morgen das Atelier.Ich habe es nie gesehen, es kam etwas dazwischen(eine Jalousie, wenn ich mich richtig erinnere), ichhabe Glöckner, den Menschen, nicht mehr persönlichkennengelernt; er starb 1987, im neunundneunzigstenLebensjahr. Der Polarstern. Ins Innere der Gesetzedringen. Glöckner, hatte mir Vater unter die Todesnachrichtgeschrieben.Uwe Tellkamp, Jahrgang 1968, hat mit „Der Turm“ nicht nur den großenDresdner, sondern auch einen der großen deutschen Romane derNachkriegszeit geschrieben. Er arbeitet jetzt an der Fortsetzung „Lava“.58


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 201359


Ausstellungen20.9.–19.10.2013, <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>, BerlinWilli BaumeisterArbeiten auf Papier 1923 –1954Die Ausstellung Willi Baumeister, Arbeiten auf Papier1923–1954, die in der <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>, Berlin, vom 20. Septemberbis 19. Oktober 2013 zu sehen sein wird, istin Zusammenarbeit mit den Galerien Fred Jahn,München, und Simon Theobald, London, entstanden.Die Auswahl der Werke wurde im wesentlichenvon der Tochter des Künstlers, Felicitas Bau meister,getroffen. Alle Arbeiten kommen aus dem Nachlaß desKünstlers und sind in den bestehenden Werkverzeichnissenaufgeführt.Die an dieser Ausstellungstournee beteiligten Ga ­le rien zeigen eine jeweils anders gewichtete Auswahl.In der Berliner Ausstellung überwiegen Arbeiten der1940er und 1950er Jahre, deren Abschluß eine bedeutendeMontaru-Collage aus dem Jahr 1954 bildet.Diese Gemeinschaftsveranstaltung ist die umfangreichsteAusstellung verkäuflicher Arbeiten auf Papiervon Willi Baumeister in Privatgalerien in den vergangenenJahrzehnten.Zu dieser Ausstellung ist ein Katalog erschienen:128 Seiten, deutsch/englisch, 57 Farb- und 1 s/w-Abb.,Hardcover mit Schutzumschlag – mit einem Essay vonSiegfried Gohr.Willi Baumeister: „Montaru“, 1954, 25,6 x 24,9 cm.AusstellungenbeiWilli Baumeister: „Urzeitgestalten“, 1947, 47,8 x 61 cm.Willi Baumeister: „Freundliches Phantom“, 1952, 45,5 x 53,5 cm.60


<strong>Grisebach</strong> · Das Journal · Herbst 2013Richard Hamilton: „Release“, 1972, 70 x 94,5 cm.7.9.–6.12.2013, <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>, DüsseldorfRichard HamiltonSwingeing London – Druckgraphik 1960 –1980In der Düsseldorfer Repräsentanz der <strong>Villa</strong> <strong>Grisebach</strong>wird nach einer vielbeachteten Ausstellung mit früherDruckgraphik von Lucian Freud nun eine Ausstellungmit Druckgraphiken des englischen Künstlers RichardHamilton gezeigt. Hamilton, der im Jahre 2011 gestorbenist, wird inzwischen als eine der zentralen Vaterfigurender europäischen Pop Art angesehen. Besonders seinepermanente Auseinandersetzung mit der Druckgraphikund ihren Techniken setzte Maßstäbe, die Künstler undSammler immer mehr faszinieren. Die Ausstellung„Swingeing London“, die sich auf Hamiltons Schaffenzwischen 1960 und 1980 konzentriert, ist eine Kombinationaus verkäuflichen Werken und Leihgaben. Sievermag mit 25 Werken einen sehr präzisen Überblicküber die revolutionäre Leistung Hamiltons auf diesemGebiet zu geben. Berühmt geworden sind seine Postercollage„Just what makes today’s homes so different, soappealing?“ von 1956 und seine Gestaltung des 1968 erschienenenBeatles-Covers von „The White Album“. Imnächsten Früh jahr wird die Tate London HamiltonsLebenswerk in einer großen Retrospektive ehren.Richard Hamilton: „Fashion-Plate“, 1969/70, 99,2 x 68,8 cm.61


Selbstportrait mit Gattinund AuktionskatalogVon Christoph Niemann62Christoph Niemann, Jahrgang 1970, entwirft Titelseiten für „The New Yorker“,„Atlantic“ und „New York Times Magazine“. Sein Buch „Abstract City.Mein Leben unterm Strich“ ist 2012 im Knesebeck Verlag erschienen.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!