Barbara JoswigHistorisches Lernen durchs<strong>in</strong>nliche erfahrung e<strong>in</strong>es lokalhistorischenRaumsBericht von e<strong>in</strong>er Unterrichtsreihe zum „langen“ 19. JahrhundertLeistungskurs Geschichte, Jahrgangsstufe 12 (Q1) am Albrecht-Dürer-Gymnasium,Schuljahr 2011/2012A Die ProjektkonzeptionIm Allgeme<strong>in</strong>en ist e<strong>in</strong>e für das Erfahrungsfeld der Lernenden so fern liegende Epoche wiedas 19. Jahrhundert e<strong>in</strong>e komplizierte Thematik. Zum e<strong>in</strong>en wirkt die Zeit irgendwie vertraut,zum anderen s<strong>in</strong>d die Räume, Verhaltens- und Denkweisen sowie die politischen,wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände so anders geartet als heute, dass e<strong>in</strong>e großeFremdheit bleibt. Man versteht die Menschen und ihre Anliegen kaum.Die Chance, die sich durch das Kooperationsprojekt mit der TU Dortmund und der <strong>Wüstenrot</strong><strong>Stiftung</strong> bot, lag dar<strong>in</strong>, die historische Geografie der Stadt Hagen, die Heimatstadtder Schüler/<strong>in</strong>nen, für das Verstehen von historischen Prozessen zu nutzen. Von Anfang derUnterrichtsreihe an wurden daher die verschiedenen Lernprozesse nebene<strong>in</strong>ander gesetzt.Die Schüler/<strong>in</strong>nen wussten gleich zu Beg<strong>in</strong>n, dass es um e<strong>in</strong> Dreifaches gehen sollte: Sie solltenwissen, was sich im 19. Jahrhundert zugetragen hat (historische Sachverhalte, wie sie <strong>in</strong>den Abituranforderungen des Landes NRW vorgeschrieben s<strong>in</strong>d), sie sollten verstehen, wiesich die besondere Entwicklung der Stadt Hagen bis h<strong>in</strong> zu ihrem Mäzen Karl Ernst Osthauserklären lassen könnte. Als e<strong>in</strong> Drittes wurde ihnen e<strong>in</strong> Lernbuch überreicht, <strong>in</strong> demsie prozesshaft ihren eigenen Lern-, Aneignungs- und Verstehensprozess nach <strong>in</strong>dividuellemVermögen und Interesse dokumentieren sollten, e<strong>in</strong>em Projektbuch oder Portfolio vergleichbar.Neben der fachlichen Wissensvermittlung wurden freie, kreative und <strong>in</strong>dividualisierendeErarbeitungsformen angewendet, um jeder Schüler<strong>in</strong> und jedem Schüler e<strong>in</strong>en persönlichenLernzugang zu ermöglichen. Die Dokumentation der eigenen Überlegungen, Darstellungen,Erarbeitungen und Prozessergebnisse f<strong>in</strong>det sich <strong>in</strong> den Projektbüchern. Da ke<strong>in</strong>e im engerenS<strong>in</strong>ne künstlerische Anleitung geboten werden konnte, waren die Schüler/<strong>in</strong>nen selbstaufgefordert, ihr eigenes kreatives Potenzial zu nutzen. Sie erarbeiteten Texte und dokumentiertenihre Erkenntnisse <strong>in</strong> dem Buch. Bei Exkursionen fotografierten sie ihnen wichtigersche<strong>in</strong>ende Objekte und Blickw<strong>in</strong>kel. Sie zeichneten architektonische Details oder Gegenstände(z. B. am Hohenhof oder im Riemerschmid-Haus). Sie recherchierten im Internet,<strong>in</strong> Bibliotheken (v.a. <strong>in</strong> der sehr hilfsbereiten Stadtbibliothek Hagens) oder im Stadtarchiv(„Historisches Zentrum“) oder sie besuchten Bewohner der Häuser am „Stirnband“ und andererhistorischer Straßen. Das Osthaus Museum und se<strong>in</strong>e Bau- und Gestaltungsgeschichte,der Hagener Hauptbahnhof oder die Fassadengestaltung des Hagener Theaters stelltenbedeutende Ankerpunkte e<strong>in</strong>er besonderen Kulturanalyse dar. Die Schüler/<strong>in</strong>nen nutzten51
die elterlichen Kontakte oder Arbeitsstellen, um mehr über e<strong>in</strong>en Teilbereich der Stadt – e<strong>in</strong>Unternehmen, e<strong>in</strong>e städtische Behörde oder e<strong>in</strong>en Vere<strong>in</strong> – zu erfahren.Schließlich setzten sie sich mit Texten von Karl Ernst Osthaus selbst ause<strong>in</strong>ander. Sie lerntense<strong>in</strong>e Art der Fragen kennen, wie er die Stadtentwicklung sah und welche Auffassunger dazu vertrat. Zum Schluss wählte jede/r e<strong>in</strong> eigenes Projekt aus, das sie/ihn am meisten<strong>in</strong>teressierte. Die von den Schüler/<strong>in</strong>nen ausgewählten Themen und Fragestellungen zeigen,wie erheblich der Lern- und Wissenszuwachs der jungen Leute ist. Auch die Tatsache, dasssich e<strong>in</strong>ige Kursteilnehmer für e<strong>in</strong>e Facharbeit im Kontext der Lokalgeschichte, v.a. des HagenerImpulses entschieden, verstärkt den positiven E<strong>in</strong>druck.B Die regionalgeografische Orientierung als historische MethodeDie Unterrichtsreihe zum „langen 19. Jahrhundert“, die im Jahre 2011/12 <strong>in</strong> der 12. Klasse(Q1) e<strong>in</strong>es Gymnasiums <strong>in</strong> Hagen durchgeführt wurde, sollte von der <strong>in</strong>haltlichen Ausrichtungher ke<strong>in</strong>e Abweichung gegenüber allen anderen Geschichtskursen im Land Nordrhe<strong>in</strong>-Westfalen darstellen. Die Kern<strong>in</strong>halte mussten die gleichen bleiben. Den Schüler<strong>in</strong>nen undSchülern sollte jedoch Zusätzliches geboten werden. Der Kurs stellte den Versuch dar, denLernenden differenzierte Kenntnisse und Fertigkeiten im Umgang mit historischen Konflikten,Personen und Prozessen zu vermitteln, um sie schließlich ganz bewusst <strong>in</strong> die Lagezu versetzen, eigenständige Erklärungen, Erläuterungen und auch Urteile über die historischenSachverhalte zu entwickeln. Zentraler Zugriff war die Vermittlung global- bzw. nationalhistorischerEreignisse parallel zu den lokalhistorischen Vorgängen. Daraus ergab sichbeispielsweise, dass die napoleonischen Kriege nicht nur für Deutschland und Europa betrachtetwurden, sondern auch für den Raum Hagen. Die deutsche (und europäische) Revolutionvon 1848/49 lernten die Schüler/<strong>in</strong>nen auf nationaler (und auch europäischer) Ebenekennen, aber ebenfalls bezogen auf die spannenden Ereignisse und Konflikte <strong>in</strong> den Häusernund Straßen Hagens und se<strong>in</strong>er Umgebung. E<strong>in</strong> weiteres Thema war die besondereQualität der Industrialisierungsprozesse <strong>in</strong> Hagen, die sich durch die Eigenarten der geografischenLage Hagens an vielen Bächen und Flüssen (Ruhr, Lenne, Volme, Ennepe) e<strong>in</strong>gebettet<strong>in</strong> das hügelige Sauerland, erklärt. In diesem Mittelgebirgsraum hatte es schon seitdem Spätmittelalter Kle<strong>in</strong>eisen<strong>in</strong>dustrie mit recht bedeutenden Handwerksbetrieben undKle<strong>in</strong>unternehmern gegeben. Das macht die ungewöhnlich frühen Entwicklungsschübe imBereich von Eisenproduktion und Textilwirtschaft verstehbar. Die erste Eisenbahn Deutschlandsproduzierte der Unternehmer und Adelige Friedrich Harkort im Raum Hagen.52Für die gesamte Unterrichtsreihe konnte e<strong>in</strong> großes Lern<strong>in</strong>teresse und die hohe Kommunikationsbereitschaftder Lernenden beobachtet werden. Wiederholt zeigte sich, dass sich die
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