13.07.2015 Aufrufe

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

nicht gewagt zuzugreifen. Sie hattebeim besten Willen ke<strong>in</strong> Sterbenswörtchenaus ihm herauspressenkönnen, nicht e<strong>in</strong>mal, als sie versuchthatte, mit ihm über die Ernteund über das Wetter zu sprechen. Erhatte immer nur genickt; und erstganz zum Schluß war e<strong>in</strong> schüchternes„Ich weiß nich“ über se<strong>in</strong>e Lippengekommen. Vielleicht hatte siees sich auch nur e<strong>in</strong>gebildet undse<strong>in</strong> müdes Schulterzucken für e<strong>in</strong>Ich-weiß-nich gehalten.„Gehst am nächsten Sonnabend mitzum Tanzen?“, hatte Erna gefragt.Und er hatte, stumm wie e<strong>in</strong> Fisch,genickt; und auch, als sie ihm vorgeschlagenhatte, sie sollten sich umvier unter der L<strong>in</strong>de treffen, hatte ernur, wenn auch e<strong>in</strong> wenig lebhafter,genickt.Erna zog die gestreifte Baumwollbluseund den breiten Plisseerock anund suchte nach dem schwarzenLackgürtel, den sie nirgends f<strong>in</strong>denkonnte. Ab und zu warf sie e<strong>in</strong>en flehendenBlick zur Mutter h<strong>in</strong>über,wagte jedoch ke<strong>in</strong>e Frage zu stellen,da sie genau wußte, daß die Mutterihr grollte.-„Er ist wenigstens treu“, sagte sieschließlich, und es klang wie e<strong>in</strong>eSelbstrechtfertigung. „Er wird sich’snicht e<strong>in</strong>fallen lassen, e<strong>in</strong>e andereMarjell zum Tanz aufzufordern. Fürihn b<strong>in</strong> nur ich da,.“ Und das schienihr sehr wichtig. Wenn sie tanzeng<strong>in</strong>g, wollte sie e<strong>in</strong>en Jungen für sichalle<strong>in</strong> haben und nicht e<strong>in</strong>en, derimmer über ihre Schulter h<strong>in</strong>wegnach anderen Mädchen schielte.„Das kann ich mir denken“, sagte dieMutter spöttisch. „Und der kann sicherse<strong>in</strong>, daß ihn ke<strong>in</strong>e andere auffordert.Wer will schon mit so e<strong>in</strong>em . . .“„Das ist me<strong>in</strong>e Sache“, unterbrachErna sie schnippisch. „Ich geh ja mitihm und nicht du!“Wütend warf die Mutter die Tür zu,im Augenblick wollte sie nichts mehrvon ihrer Tochter wissen.Erna fand den schwarzen Lackgürtelauch ohne die Hilfe der Mutter. Sietrat vor den Spiegel und schnürte ihnso fest um ihre Taille, wie es nurg<strong>in</strong>g. Sie war e<strong>in</strong> hübsches Mädchen,das wußte sie, und sie hättegewiß manchen anderen habenkönnen, wenn sie nur gewollt hätte.Aber sie wollte nun e<strong>in</strong>mal ihn. Ergefiel ihr; und sie war sicher, daß erihr immer treu bleiben würde.Als sie zur L<strong>in</strong>de kam, wartete erschon auf sie. Er zog e<strong>in</strong> Gesicht, alshätte er bereits e<strong>in</strong>e Stunde odernoch länger gewartet, und als sie ihndanach fragte, antwortete er nur mite<strong>in</strong>em vielsagenden „Hm!“. Sie wardas gewohnt, hängte sich lässig anse<strong>in</strong>en Arm, und sie schaukelten ü-ber das Kopfste<strong>in</strong>pflaster zum „LachendenElch“.Die Musik spielte schon zum Tanz;die Paare drehten sich auf dem Parkett.An e<strong>in</strong>em der Seitentische fandensie Platz. Sie bestellte e<strong>in</strong>e TasseKaffee; der Ober sah ihn fragendan. Mit dem Daumen wies er auf dasBierglas se<strong>in</strong>es Nachbarn, und alsder Ober ihn fragte, ob er auch e<strong>in</strong>Glas Bier wünsche, nickte er nur.Gierig schlürfte sie ihren Kaffee, denner war nicht mehr heiß – und zu Hausgab es nur Malzkaffee! –, er abernippte nur an se<strong>in</strong>em Glas undwischte den Schaum mit dem Handrückenvon se<strong>in</strong>em Mund. Dann fragtesie ihn, ob er nicht tanzen wolle.Schwerfällig erhob er sich. Zaghaftergriff er ihre Hand und führte sie49

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!