13.07.2015 Aufrufe

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Die Antwort konnte alles heißen. Jedenfallsbegann Hans e<strong>in</strong>e verhältnismäßigemsige Tätigkeit zu entfalten.Fast jeden Nachmittag erschiener im Schülerrudervere<strong>in</strong>, um Umschauunter dessen weiblichen Mitgliedernzu halten, hielt um die Zeitdes Schulschlusses die Mädchenschulender Nachbarschaft abwechselndunter Kontrolle – ohne Erfolg.E<strong>in</strong>mal, im November, glaubte er siebei e<strong>in</strong>em Ballettabend <strong>in</strong> der Garderobewiederzuerkennen, aber ehe ersich Gewißheit verschaffen konnte,war sie <strong>in</strong> der Dunkelheit verschwunden,die mutmaßliche Marjell mitdem Mediz<strong>in</strong>ball.E<strong>in</strong> paar Monate später war HansSoldat, kam nach Holland zur Ausbildung,dann nach Belgien, zurücknach Deutschland, wiederum <strong>in</strong> denWesten und dann von heute aufmorgen <strong>in</strong> den Osten, wo der großeBrand bis an die Grenzen Ostpreußensvorgedrungen war. Zweimalgab es für ihn Urlaub <strong>in</strong> dieser Zeit,und jedesmal ließ er den Blick durchdie – beim zweiten Besuch schonzerbombte – Vaterstadt streifen mitder stillen Hoffnung, irgendwo dochnoch die Marjell mit dem Mediz<strong>in</strong>ballwiederzuf<strong>in</strong>den. Dabei war er sich<strong>in</strong>sgeheim klar darüber, daß er ja garnicht e<strong>in</strong>mal wußte, ob sie wirklichaus Königsberg war. Der Sprachenach hätte er freilich darauf wettenmögen. Warum er sie unbed<strong>in</strong>gtwiedersehen wollte, wußte er dagegenziemlich genau: der grünen Augenmit den goldenen Pünktchenwegen, mit denen sie ihn damals sospitzbübisch angeblitzt hatte: „Nunhab dich man nicht so . . .“Hans war mittlerweile Fahnenjunker-Unteroffizier geworden, als er kurzvor dem letzten Kriegsweihnachtenim Goldaper Grenzgebiet verwundetwurde – an ziemlich unpassenderStelle und bei unpassender Gelegenheit.Se<strong>in</strong> Kompaniechef hatte ihnselbst zum Hauptverbandsplatz gefahrenund dann dafür gesorgt, daßer nach der Operation zu e<strong>in</strong>emKrankentransportzug befördert wurde,der ihn <strong>in</strong> e<strong>in</strong> rückwärtiges Lazarettbr<strong>in</strong>gen sollte. Nach der ärztlichenVersorgung wartete zum erstenmalseit Monaten wieder e<strong>in</strong> weißes Bettauf Hans, ungewiegt schlief er e<strong>in</strong>.E<strong>in</strong>e Frauenhand rüttelte ihn amnächsten Morgen wach. Als Hansdie Augen öffnete, warf er e<strong>in</strong>en zunächstnoch halb verschlafenen,dann ziemlich ungläubigen Blick aufdie neben ihm stehende Schwester,um dann sofort wieder die Lider zuschließen.Das darf nicht wahr se<strong>in</strong>, dachte er,die grünen Augen mit den goldenenPünktchen! Da stellt man e<strong>in</strong>e halbeStadt auf den Kopf, zerbricht sichden eigenen Schädel durch halb Europaund dann das – und bei solcherGelegenheit . . .„Nur Fieber messen“, sagte dieSchwesternstimme, „nun haben Siesich man nicht so!“„Das habe ich schon mal von Ihnengehört, me<strong>in</strong> Fräule<strong>in</strong>“, sagte Hans.„Unmöglich. – Sie s<strong>in</strong>d doch gesternAbend erst gekommen, Herr“ – ihrBlick suchte nach der Tafel amKopfende – „Herr Erckens“.„Stimmt“, erwiderte der Patient mitnoch immer geschlossenen Augen.„Aber diesmal ist es ke<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>ball,sondern e<strong>in</strong> Granatwerfersplitter,und auch nicht der Bauch, sonderndas Gegenteil. Und wenn ich fragendarf, gibt es hier vielleicht e<strong>in</strong>en Lär-45

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!