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Vor 60 Jahren in Allenstein - Stadtgemeinschaft Tilsit eV

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<strong>Vor</strong> <strong>60</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>in</strong> Allenste<strong>in</strong><strong>60</strong> Jahre s<strong>in</strong>d seit Flucht und Vertreibung vergangen, und immer noch stehenuns die schrecklichen Tage, Wochen und Monate des Jahres 1945 deutlichvor Augen. So er<strong>in</strong>nere ich mich noch ganz genau (ich war damals <strong>in</strong> der Untersekunda,heute Klasse 10) an den Mittwoch, den 17. Januar 1945, als unsereKlassenlehrer<strong>in</strong> „Kutsche“ (Olga Kutschelis) uns morgens begrüßte mitder Mitteilung, dass wegen Kohlemangels die Schule geschlossen werdenmüsse und wir nach Hause gehen könnten. Man hörte zwar den Kanonendonner<strong>in</strong> der Ferne, aber davon oder sogar von Flucht war ke<strong>in</strong>e Rede. Ichwurde stattdessen noch am Donnerstag und Freitag von der Hitlerjugendzum Bahnhofsdienst e<strong>in</strong>geteilt, wo ich den Schwestern des Roten Kreuzeshalf, an verwundete Soldaten <strong>in</strong> den durchfahrenden Lazarettzügen Kaffee,Tee und belegte Brote zu verteilen.Der russische Schriftsteller Lew Kopelew (damals Major der Roten Armee)hat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Buch „Aufbewahren für alle Zeit“ mit ungeheurer Präsenz <strong>in</strong>schonungsloser Aufrichtigkeit sich selbst und dem Erlebten gegenüber denE<strong>in</strong>marsch der Roten Armee auf deutschen Boden, auch nach Allenste<strong>in</strong>, geschildert.Und tief bestürzt berichtet er von den Plünderungen, Vergewaltigungenund Morden der eigenen Truppen und Kampfgenossen. Nicht nurse<strong>in</strong> moralisches Empf<strong>in</strong>den, auch se<strong>in</strong> sozialistisches Bewusstse<strong>in</strong> lehntesich auf, und er versuchte, die Ausschreitungen zu verh<strong>in</strong>dern. Die Folge war,dass er am 5. April 1945 wegen „Propagierung des bürgerlichen Humanismus“,„Mitleid mit dem Fe<strong>in</strong>d“ und „Untergrabung der politisch-moralischenHaltung der Truppe“ verhaftet und zu zehn <strong>Jahren</strong> Straflager verurteilt wurde.Er sagte später e<strong>in</strong>mal: „Ich b<strong>in</strong> ke<strong>in</strong> Regimekritiker. Ich b<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Literat, der e<strong>in</strong>Gewissen hat. Ich trete nicht gegen das Regime auf, sondern für Menschen.“Lassen wir e<strong>in</strong>ige Zeitzeugen zu Wort kommen, die uns noch e<strong>in</strong>mal dieschreckliche Zeit vor <strong>60</strong> <strong>Jahren</strong> <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung rufen.Hanna Bleck-ParschauSonnabend, der 20. Januar 1945Von Eva M. SirowatkaDer Tag begann mit stundenlangemFliegeralarm, wie wir ihn bisher nochnicht erlebt hatten. Fe<strong>in</strong>dliche Tieffliegerbrausten über die Dächerh<strong>in</strong>weg. Wir saßen eng zusammengerücktim Luftschutzkeller e<strong>in</strong>esHauses <strong>in</strong> der Soldauer Straße. Detonationen!Irgendwo, vielleicht <strong>in</strong>der Stadtmitte, mussten Bombengefallen se<strong>in</strong>. Kalk rieselte von denWänden, die K<strong>in</strong>der we<strong>in</strong>ten.Wir erlebten bange Stunden, bisendlich die Entwarnung kam. VielSchaden konnten die Bomben nichtangerichtet haben. Wir sahen ke<strong>in</strong>eRauchwolken über der Stadt, das11

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