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- 62 - 62182183184185nichtigem Verwaltungsakt muß kein Vorverfahren durchlaufen werden, vielmehr kannsofort auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt werden. 251) Alleine der Umstand, daßein Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, führt allerdings noch nichtzu seiner Nichtigkeit. 252)Es ist daher eine Frage der Prozessstrategie, ob man bei einem nichtigen Verwaltungsaktsofort Feststellungsklage erhebt oder gegen diesen Einspruch einlegt. Immerhin istin der Praxis festzustellen, dass bei Erhebung einer Feststellungsklage mit der Behauptungder Nichtigkeit des Verwaltungsaktes die aus der Finanzverwaltung stammendenFinanzrichter einen erstaunlichen Korpsgeist entwickeln und in der überwiegendenZahl der Fälle alles unternehmen, um mit äußerst phantasiereichen Begründungenunter extensivster „Auslegung“ - wie es dann genannt wird - die Nichtigkeitvermeiden zu können und allenfalls eine Rechtswidrigkeit anzunehmen; denn ein Fehler,der zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führt, liegt nur dann vor, wenn derVerwaltungsakt die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungenin einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann,ihn als verbindlich anzuerkennen und dies ist rechtlich Wertungsfrage, die in der Praxisbeliebig handhabbar ist. 253)Dann aber kann seitens des FG darauf hingewiesen werden, es fehle am vorher durchlaufenenVorverfahren und außerdem sei die Anfechtungsklage die richtige Klageart,womit die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird. In solchen Fällen wirddie Begründung von Finanzrichtern dann so abgefaßt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerdekeinen Erfolg verspricht. Und sollte man gar wegen der Nichtigkeit auf dieEinlegung eines Einspruchs verzichtet haben, ist dann plötzlich der Verwaltungsaktbestandskräftig und der Anwalt kann sich plötzlich regresspflichtig gemacht haben.Die Feststellungsklage wegen Nichtigkeit des Verwaltungsaktes ohne Vorverfahren istmithin prozessstrategisch ein heißes Eisen. In die Unparteilichkeit von aus der Finanzverwaltungstammenden Finanzrichtern sollte man kein zu großes Vertrauen setzenund die Gefahr, dass man dort versucht, den Prozessanwalt in eine Regressproblematikzu verwickeln, ist Realität. Es empfiehlt sich daher, vorsichtshalber auch bei nichtigenVerwaltungsakten zunächst ein Einspruchsverfahren zu durchlaufen - in diesemVerfahren hilfsweise den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zu stellen (§ 125Abs. 5 AO) 254) -. Und das ist dann auch die Absicht der zuvor beschriebenen Entwicklung:Dem Steuerpflichtigen wird ein schneller Rechtsschutz vorenthalten und der Steuerpflichtigewird in ein Zeit in Anspruch nehmendes Vorverfahren gedrängt, dem sichdann ein mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr zu vereinbarendes langes Finanzgerichtsverfahrenvon bis zu 6 Jahren und mehr - alleine beim FG - anschließenkann. Es hat mitunter den Eindruck, als ob dem Staat mit seiner Finanzgerichtsbarkeit251)252)253)254)BFH 25.02.1999 - IV R 36/98, BFH/NV 1999, 1117; Gräber/von Groll, FGO, § 41 Rdn. 35FG Niedersachsen 03.11.2011 – 11 K 361/10, EFG 2012, 837BFH 15.05.2002 – X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415, 1416BFH 24.01.2008 – V R 36/06, BStBl. II 2008, 686: Für den Fall, daß eine Nichtigkeitsfeststellungsklagegem. § 41 FGO beabsichtigt ist, muß nicht zuvor ein Antragsverfahren gem. § 125Abs. 5 AO durchlaufen werden. Und für den Fall, daß zunächst ein Antrag gem. § 125 Abs. 5 AOgestellt wurde, muß für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht zunächst der Ausgang des Verfahrensgem. § 125 Abs. 5 AO abgewartet werden.

- 63 - 63186eine Verzögerung von Rechtsschutz nicht ungelegen kommt, zumal er in Fällen derAdV am Aussetzungszins von 6 % p.a. verdient.Unverständlich ist die Rechtsprechung des BFH 255) betr. § 41 Abs. 2 FGO, wonacheine Feststellungsklage auch dann unzulässig sein kann, sofern in absehbarer Zukunftseitens des Finanzamtes mit einem Verwaltungsakt zu rechnen ist, weil dann der Steuerpflichtigedurch Gestaltungs- oder Leistungsklage vorgehen kann. Dies bedeutetpartielle Rechtsschutzverweigerung und damit einen Verstoß gegen das Grundrechtauf Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG), weil der BFH dem Steuerpflichtigen für diese„absehbare Zukunft“ Rechtsschutzmöglichkeiten untersagt. Denn da ein Verwaltungsaktnoch nicht ergangen ist, ist eine Gestaltungs- bzw. Leistungsklage noch nicht möglichund was „absehbare Zeit“ ist, definiert der BFH nicht.187188bb)AntragstellungMan muß sich folglich im vorgenannten Fall stets das Risiko vergegenwärtigen, dassein nichtiger Verwaltungsakt vom FG in einen rechtswidrigen uminterpretiert wird,weshalb es sich sicherheitshalber empfiehlt, der Klage ein Vorverfahren vorzuschalten.Aber es kommt auch immer wieder vor, dass bei einem anzugreifenden Verwaltungsaktobjektiv unklar ist, ob er nichtig oder nur rechtswidrig ist. Wäre er eindeutignichtig, so wäre die Feststellungsklage die richtige Klageart (§ 41 Abs. 2 Satz 2 FGO)und auf ein Vorverfahren und die Klagefrist des § 47 FGO käme es nicht an. Wäre erdagegen eindeutig rechtswidrig, so wäre die Anfechtungsklage die richtige Klageartund erfolglos durchlaufenes Vorverfahren (§ 44 FGO) sowie die zu beachtendes Klagefristdes § 47 Abs. 1 FGO wären bedeutsam. 256) Dies führt in der Praxis dazu, dassnach vorsichtshalber durchlaufenem Einspruchsverfahren entweder als Hauptantragein Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit und als Hilfsantrag ein Anfechtungs- oderVerpflichtungsantrag gestellt wird oder umgekehrt vorgegangen wird. 257)„Macht z.B. ein Kläger zur Begründung seiner Verpflichtungsklage neben den Einwendungengegen die Ablehnung der Aufhebung eines Gewinnfeststellungsbescheides auch die Nichtigkeitdes Gewinnfeststellungsbescheides geltend, konnte im Streitfall offenbleiben, ob in diesemVerfahren eine Verpflichtung des FA zur Aufhebung des Gewinnfeststellungsbescheides wegenNichtigkeit ausgesprochen werden kann oder ob in der Geltendmachung der Nichtigkeit --zumindest hilfsweise-- auch der Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Gewinnfeststellungsbescheideszu sehen und eine ggf. zuzulassende Klageänderung nach § 67 FGO zu bejahenwäre (vgl. BFH-Rechtsprechung).Im Streitfall konnte dahinstehen, ob das FA über den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeiteines Verwaltungsaktes i. S. des § 125 Abs. 5 AO 1977 durch Erlaß eines ablehnenden Verwaltungsaktesentscheiden kann und ob mit dessen Bestandskraft der Einwand der Nichtigkeit255)256)257)BFH 04.07.2007 – IV B 43/06, BFH/NV 2007, 2127, 2128Für die Bekanntgabe i.S.d. § 47 Abs. 1 FGO gilt – unabhängig von § 130 BGB - gemäß § 122Abs. 2 Nr. 1 AO der schriftliche Verwaltungsakt am Dritten Tag nach der Aufgabe zur Post alsbekanntgegeben, selbst wenn der dritte Tag auf einen Samstag oder Sonntag fällt. Auf einen tatsächlichfrüheren Zugang entsprechend § 130 BGB darf nicht zurückgegriffen werden: BFH13.09.2002 – V B 84/02, BFH/NV 2003, 140, 141BFH 07.10.1997 - VIII R 4/96, BFH/NV 1998, 1195; Dürr, Der Steuerberater vor dem Finanzgericht,Seite 53; Seer in: Tipke/Kruse, FGO, Stand 06/1997, § 40 Rdn. 4

- 62 - 62182183184185nichtigem Verwaltungsakt muß kein Vorverfahren durchlaufen werden, vielmehr kannsofort auf Feststellung der Nichtigkeit geklagt werden. 251) Alleine der Umstand, daßein Verwaltungsakt einer gesetzlichen Grundlage entbehrt, führt allerdings noch nichtzu seiner Nichtigkeit. 252)Es ist daher eine Frage der Prozessstrategie, ob man bei einem nichtigen Verwaltungsaktsofort Feststellungsklage erhebt oder gegen diesen Einspruch einlegt. Immerhin istin der Praxis festzustellen, dass bei Erhebung einer Feststellungsklage mit der Behauptungder Nichtigkeit <strong>des</strong> Verwaltungsaktes die aus der Finanzverwaltung stammendenFinanzrichter einen erstaunlichen Korpsgeist entwickeln und in der überwiegendenZahl der Fälle alles unternehmen, um mit äußerst phantasiereichen Begründungenunter extensivster „Auslegung“ - wie es dann genannt wird - die Nichtigkeitvermeiden zu können und allenfalls eine Rechtswidrigkeit anzunehmen; denn ein Fehler,der zur Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes führt, liegt nur dann vor, wenn derVerwaltungsakt die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungenin einem so erheblichen Maß verletzt, dass von niemandem erwartet werden kann,ihn als verbindlich anzuerkennen und dies ist rechtlich Wertungsfrage, die in der Praxisbeliebig handhabbar ist. 253)Dann aber kann seitens <strong>des</strong> FG darauf hingewiesen werden, es fehle am vorher durchlaufenenVorverfahren und außerdem sei die Anfechtungsklage die richtige Klageart,womit die Feststellungsklage als unzulässig abgewiesen wird. In solchen Fällen wirddie Begründung von Finanzrichtern dann so abgefaßt, dass eine Nichtzulassungsbeschwerdekeinen Erfolg verspricht. Und sollte man gar wegen der Nichtigkeit auf dieEinlegung eines Einspruchs verzichtet haben, ist dann plötzlich der Verwaltungsaktbestandskräftig und der Anwalt kann sich plötzlich regresspflichtig gemacht haben.Die Feststellungsklage wegen Nichtigkeit <strong>des</strong> Verwaltungsaktes ohne Vorverfahren istmithin prozessstrategisch ein heißes Eisen. In die Unparteilichkeit von aus der Finanzverwaltungstammenden Finanzrichtern sollte man kein zu großes Vertrauen setzenund die Gefahr, dass man dort versucht, den Prozessanwalt in eine Regressproblematikzu verwickeln, ist Realität. Es empfiehlt sich daher, vorsichtshalber auch bei nichtigenVerwaltungsakten zunächst ein Einspruchsverfahren zu durchlaufen - in diesemVerfahren hilfsweise den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit zu stellen (§ 125Abs. 5 AO) 254) -. Und das ist dann auch die Absicht der zuvor beschriebenen Entwicklung:Dem Steuerpflichtigen wird ein schneller Rechtsschutz vorenthalten und der Steuerpflichtigewird in ein Zeit in Anspruch nehmen<strong>des</strong> Vorverfahren gedrängt, dem sichdann ein mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht mehr zu vereinbaren<strong>des</strong> langes Finanzgerichtsverfahrenvon bis zu 6 Jahren und mehr - alleine beim FG - anschließenkann. Es hat mitunter den Eindruck, als ob dem Staat mit seiner Finanzgerichtsbarkeit251)252)253)254)BFH 25.02.1999 - IV R 36/98, BFH/NV 1999, 1117; Gräber/von Groll, FGO, § 41 Rdn. 35FG Niedersachsen 03.11.2011 – 11 K 361/10, EFG 2012, 837BFH 15.05.2002 – X R 33/99, BFH/NV 2002, 1415, 1416BFH 24.01.2008 – V R 36/06, BStBl. II 2008, 686: Für den Fall, daß eine Nichtigkeitsfeststellungsklagegem. § 41 FGO beabsichtigt ist, muß nicht zuvor ein Antragsverfahren gem. § 125Abs. 5 AO durchlaufen werden. Und für den Fall, daß zunächst ein Antrag gem. § 125 Abs. 5 AOgestellt wurde, muß für eine Nichtigkeitsfeststellungsklage nicht zunächst der Ausgang <strong>des</strong> Verfahrensgem. § 125 Abs. 5 AO abgewartet werden.

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