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- 54 - 54149Die Frage der Prozessstrategie befaßt sich mithin nicht nur mit dem Hauptsacheprozess,sondern auch mit der Frage wie man diesen positioniert und welche Begleitmaßnahmenmöglich oder ratsam sind.1501511521531541551561571581. Festlegung der ProzessstrategieHat man sich für die Durchführung des Steuerprozesses entschieden, geht es alsdanndarum, sich auf eine Prozessstrategie festzulegen. Dazu kann gehören, die Schwerpunktedes eigenen Vorgehens zu bestimmen.- Welchen Stellenwert sollen verfahrensrechtliche (AO) und prozessuale Fragen(FGO) erhalten?- Soll es (nur) auf Sachverhaltsfragen ankommen?- Oder soll es z.B. auf zivilrechtliche Vorfragen und daraus abzuleitende steuerlicheFolgen ankommen?- Stehen europarechtliche Fragen im Vordergrund?- Sollen verfassungsrechtliche Fragen thematisiert werden?- Ist man an einer schnellen oder langsamen Entscheidung interessiert? Im letzterenFall wird man viel mehr u.U. vorlagebedürftige Fragen thematisieren als im ersterenFall.Hat man sich für eine Klageerhebung entschieden, so empfiehlt es sich, zunächst dieKlageschrift mit darin enthaltenen Klageanträgen unter Beifügung einer Abschrift desstreitgegenständlichen Verwaltungsaktes und der Einspruchsentscheidung nach Maßgabedes § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO, jedoch noch ohne Klagebegründung, einzureichen.Denn die Klagebegründung „soll“ nur mit enthalten sein, sie muß es nicht (§ 65 Abs. 1Satz 2 FGO). Dies deshalb, um alsdann zunächst Akteneinsicht zu nehmen (§ 78 Abs.1 FGO). Auf diese Weise erhält man klägerseits erstmals die Möglichkeit, in dieAmtsakten einzusehen und kann sich entsprechende Kopien fertigen lassen. 202) Vorgänge,die bisher dem Kläger unbekannt waren (z.B. Kontrollmitteilungen, Auskünfteanderer Behörden, anonyme Anzeigen etc.) gelangen dem Prozeßanwalt auf dieseWeise zur Kenntnis. 203)Bereits hier können sich Probleme stellen. So ist mitunter festzustellen, dass FinanzämterSachverhalte aus der Steuersphäre Dritter dem Mandanten entgegenhalten, ohneihm die Möglichkeit zu geben, solche Sachverhalte zu überprüfen. Wendet man ein,dadurch werde das Steuergeheimnis Dritter verletzt (§ 30 Abs. 1 AO), weswegen Bedenkengegen die Verwertbarkeit solcher Sachverhalte erhoben werden, so wendet dasFinanzamt ein, dies sei aufgrund des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AO gestattet. Für diesen Fallkann im finanzgerichtlichen Verfahren § 96 Abs. 2 FGO thematisiert werden. § 30Abs. 4 Nr. 1 AO und § 96 Abs. 2 FGO bedingen sich. Wenn das Finanzamt meint,unter Hinweis auf die Zulässigkeit des Einbringens von Sachverhalt aus der Steu-202)203)Restriktiv BFH 17.10.2007 – VI B 138/06, BFH/NV 2008, 101, wonach grds. kein Anspruchbesteht, sich Kopien der gesamten Gerichts- und Verwaltungsakten fertigen zu lassen.Sauer/Schwarz, Wie führe ich einen Finanzgerichtsprozess? Rdn. 598
- 55 - 55159160161ersphäre Dritter in den Finanzgerichtsprozess auf § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO verweisen zukönnen, dann muss aufgrund § 96 Abs. 2 FGO dem Kläger gestattet werden, sich dazuäußern zu können, was wiederum zur Folge hat, all das überprüfen zu können, was dasFinanzamt dieserhalb dem Finanzgericht an Unterlagen zugereicht hat, wenn es dennvom FG der eigenen Entscheidung zu Grunde gelegt werden sollte.Auch Gerichtsakten können beigezogen werden, wozu u.U. auch beigezogene Aktenanderer Vorgänge gehören können (Steuer- und Prüfungsakten, Strafakten, Bauaktenetc.). 204) Klägerseits erfährt man auf diese Weise etwas über die Meinungsbildung desFinanzamtes. 205) Die Vorbereitung der Klagebegründung sollte folglich stets mit demAktenstudium des Prozessgegners, des Finanzamtes, beginnen.Es gilt ferner auch zu prüfen, ob die Rechtsauffassung des Finanzamtes etwa daraufberuht, dass das Finanzamt sich an ein BMF-Schreiben oder eine OFD-Verfügunggebunden fühlt. Zwar handelt es sich dabei nicht um Normen, so dass Finanzgerichtedaran nicht gebunden sind. 206) Aber etwas anderes kann dort gelten, wo das Finanzamtaufgrund Gesetzes ein Ausübungsermessen hat, das per BMF-Schreiben oder OFD-Verfügung vereinheitlicht wird. 207) Dies ist etwas grundlegend anderes, als norminterpretierendeVerwaltungsvorschriften, die Gerichte nicht binden. 208) In solchen Fällendes gesetzlich gewährten Ausübungsermessens können diese für ein FG sehr wohlbeachtlich sein, da im Grundsatz ein FG dort, wo das Gesetz der Verwaltung ein Ermesseneinräumt, Gerichte nicht eine eigene Ermessensausübung an die Stelle desErmessens der Finanzverwaltung setzen dürfen. 209) Wohl aber kann das FG überprüfen,ob die Behörden sich an ihre eigenen Richtlinien gehalten haben bzw. ob dieRichtlinien ihrerseits den Anforderungen an eine sachgerechte Ermessensausübungentsprechen. 210) Diese Überlegungen müssen insbesondere in Fällen gemäß §§ 163,227 AO vorab angestellt werden, weil eine gerichtliche Überprüfung lediglich beimErmessensfehlgebrauch ansetzen darf. 211)Bei der Überprüfung von Ermessenentscheidungen durch ein Gericht ist grundsätzlichauf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen, die im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidungvorhanden waren. 212) Ob man folglich eine Ermessensentscheidungangreifen könnte, hängt davon ab, ob man insoweit einen Ermessensfehlgebrauchnachweisen kann.204)205)206)207)208)209)210)211)212)Sauer/Schwarz, Wie führe ich einen Finanzgerichtsprozess? Rdn. 599Dürr, Der Steuerberater vor dem Finanzgericht, Seite 119FG Saarland 07.05.2002 – 1 K 74/02, EFG 2002, 951Nach BFH 24.11.2005 – V R 37/04, HFR 2006, 482 hat das FG nur zu prüfen, ob (1) das FA sichan die Richtlinie gehalten hat und (2) die Richtlinie selbst eine sachgerechte Ermessensausübungist. So auch BFH 11.04.2006 – VI R 64/02, HFR 2006, 849BFH 26.04.1995 – XI R 81/93, BStBl. II 1995, 754; BFH 09.12.1999 – III R 74/97, BStBl. II2001, 311; BFH 08.10.2001 – VI B 138/01, BFH/NV 2002, 839FG Saarland 07.05.2002 – 1 K 74/02, EFG 2002, 951BFH 24.11.2005 – V R 37/04, BFH/NV 2006, 1014, 1016BFH 11.05.2006 – II B 119/05, BFH/NV 2006, 1676; BFH 18.05.2006 – II B 41/04, BFH/NV2006, 1679, 1680; FG Saarland 07.05.2002 – 1 K 74/02, EFG 2002, 951 mit Anm. Büchter-HoleBFH 26.01.2006 – VI B 89/05, HFR 2006, 440, 441
- Seite 5 und 6: - 3 - 3V. Aufbau einer Klageschrift
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