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- 318 - 318115011511152115311546. Aus der Sicht des EGMRMit Erschöpfung des nationalen Rechtszuges und nach erfolglosem Anrufen desBVerfG bzw. eines LVerfG ist es möglich, den EGMR anzurufen, wenn nicht nur einVerstoß gegen nationale Grundrechte reklamiert wird, sondern zugleich ein solchergegen die Grundsätze der EMRK. 1930) Aber:Art. 66 EMRK erlaubt einen Beitritt zur EMRK nur Staaten. Die EU hat die EMRKbisher nicht unterzeichnet und ist auch kein Staat. 1931) Immerhin sind die Mitgliedstaatender EU für sich die Verpflichtung eingegangen, die EMRK zu (be) achten. 1932)Folglich ist bei Anrufung des EGMR wegen Verletzung in der EMRK genannter Menschenrechtenur die EMRK Maßstab. Werden dagegen in einem beim EuGH anhängigenVerfahren Grundrechtsverletzungen gerügt, so sind diese an der Grundrechtsrechtsprechungdes EuGH zu messen der seinerseits in seiner Rechtsprechung zusätzlichGrundsätze der Rechtsprechung des EGMR sowie der EMRK berücksichtigt.BeispielDer Grundsatz des fairen Verfahrens gehört mit der Rechtsprechung des EGMR zumGrundrechtsstandard. In Art. 6 Abs. 1 EMRK ist zwar der Grundsatz des fairen Verfahrensnicht ausdrücklich angesprochen, er wird aber vom EGMR aus Art. 6 Abs. 1EMRK abgeleitet. Nach der Rechtsprechung des EGMR gehört zum Grundsatz desfairen Verfahrens nicht, wie Nationalstaaten im Detail ein Verfahren ausgestaltet habenund ob im konkreten Fall diesen Maßstäben entsprochen wurde, sondern ob imkonkreten Fall das Verfahren als ganzes, einschließlich der Art und Weise der Beweisaufnahme,fair war. 1933)Wurde nach Erschöpfung des nationalen Rechtsweges und erfolglos verlaufenem Verfassungsbeschwerdeverfahrender EGMR angerufen und stellt dieser eine Verletzungder EMRK fest, so ist die Bundesrepublik Deutschland als Konventionsstaat verpflichtet,dies zu beachten (Art. 46 Abs. 1 EMRK). Dies wird vom Ministerkomitee desEuroparates überwacht (Art. 46 Abs. 2 EMRK). 1934) Dabei ist jedoch der Konventionsstaatfrei darin, unter Kontrolle des Ministerkomitees die Mittel auszuwählen, mitdenen er seine Verpflichtungen aus Art. 46 Abs. 1 EMRK erfüllen möchte. 1935)Wenn man nach Erschöpfung des nationalen Rechtsweges incl. eines erfolglos verlaufenenVerfassungsbeschwerdeverfahrens den EGMR anruft, so stellt sich ferner dieFrage, ob die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR in Deutsch-1930)1931)1932)1933)1934)1935)EGMR 08.04.2004 – 71503/01, NJW 2005, 2207, 2208; Kleine-Cosack AnwBl 2009, 326, 327;Rudolf/Raumer AnwBl. 2009, 313; Rudolf/Raumer AnwBl 2009, 318; Odendahl JuS 2005,537,538 f. – Zum Prüfschema für eine Individualbeschwerde beim EGMR siehe Raumer AnwBl2009, 324Bröhmer EuZW 2006, 71; Losch/Radau ZRP 2000, 84, 86Busse NJW 2000, 1074, 1078EGMR 09.06.1998 - 44/1997/828/1034, NStZ 1999, 47, 48; EGMR 03.05.2001 – 31 827/96,NJW 2002, 499, 501; Kotz/Rahlf NStZ-RR 2001, 65, 69 f.EGMR 30.06.2009 – 32772/02 (Verein gegen Tierfabriken Schweiz/Schweiz), NJW 2010, 3699Rdn. 61EGMR 30.06.2009 – 32772/02 (Verein gegen Tierfabriken Schweiz/Schweiz), NJW 2010, 3699Rdn. 88; EGMR 06.07.2010 – 5980/07 (Öcalan/Türkei), NJW 2010, 3703, 3704

- 319 - 31911551156land die Rechtsfolge der Wiedergutmachung haben kann. Dort wo dies nicht der Fallist, ist vor dem EGMR zu beantragen, daß die Bundesrepublik Deutschland dem Beschwerdeführereine angemssene Entschädigung zahlen soll (Art. 41 EMRK).In diesem Zusammenhang wird die Frage diskutiert, wie die Entschädigungsfrage(Art. 41 EMRK) zu behandeln ist, wenn die Konventionsverletzung durch die BundesrepublikDeutschland bzw. ihre Institutionen (Finanzverwaltung bzw. Finanzgerichte)unter Verletzung von Verfahrensvorschriften (Art. 5 bzw. 6 EMRK) zustandegekommenist, indem das deutsche Recht für solche Fälle kein Wiederaufnahmeverfahrenvorieht. 1936) Allerdings hat das BVerfG 1937) iudiziert, daß ein Verwaltungsakt, der gegendie EMRK verstößt, gem. § 48 VwVfG (enspricht §§ 172 ff. AO) aufgehobenwerden kann wie auch eine konventionswidrige Verwaltungspraxis geändert werdenkann. Die Pflicht dazu könnten Gerichte feststellen. Der Entschädigungsantrag vordem EGMR gem. Art. 41 EMRK hängt folglich davon ab, ob bei Konventionsverletzungenunter Verletzung von Verfahrensvorschriften steuerverfahrensrechtlich eineWiedergutmachung möglich wird und auch durchführbar ist. Da aber der EGMR nichtvoraussehen kann, ob in solchen Fällen eine Wiedergutmachung auch erfolgt, schlägtRoth 1938) eine Beweislastumkehr in Verfahren vor dem EGMR bezüglich der Kausalitätder Verletzung von Verfahrensrechten vor. Der Staat, dessen Institutionen dieEMRK verletzt hätten, müßte beweisen, daß der Beschwerdeführer dieselben Nachteileauch dann verletzt hätte, wenn Verfahrensgarantien nicht verletzt worden wären.1939)Also sollte im Vorgriff darauf der betroffene Steuerpflichtige bereits das finanzgerichtlicheVerfahren daran müssen, ob es zu Verletzungen zu Verfahrensgarantiengem. Art. 5 bzw. 6 EGMR kommt, um dann jeweils dem FG vor Augen zu führen, wiesich die Rechtslage des Betroffenen ohne und mit Verletzung von Verfahrensgarantiendarstellt bzw. darstellen würde.11577. Aus der Sicht des EuGHDie Europäische Union beruht gem. Art. 6 Abs. 1 EUV u.a. auf den Grundsätzen derAchtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit, einGrundsatz, der allen Mitgliedstaaten gemeinsam ist. 1940) Sie ist ferner gem. Art. 6 Abs.2 EUV der EMRK beigetreten. Der europäische Grundrechtsschutz ist mithin bereitsdeshalb Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. 1941) Hinzu kommt, dass gemäß Art. 46lit. d) i.V. Art. 6 Abs. 2 EU der EuGH ausdrücklich zur Entscheidung in europäischenGrundrechtsfragen zuständig ist. 1942) Folglich iudiziert der EuGH, 1943) daß die Grund-1936)1937)1938)1939)1940)1941)1942)1943)Roth NVwZ 2006, 753, 754 f.BVerfG 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 325; Roth NVwZ 2006, 753, 756Roth NVwZ 2006, 753, 757 f.Roth NVwZ 2006, 753, 757 ff.Hummer/Obwexer EuZW 2000, 485, 486; Zulegg NJW 2000, 2846Ritgen ZRP 2000, 371Montag NJW 2001, 1613; Ritgen ZRP 2000, 371EuGH 14.10.2004 – Rs. C-36/02 (OMEGA), Slg. 2004, I-9609 Rdn. 33 m.w.N.; EuGH02.05.2006 – Rs. C-341/04 (Eurofood IFSC), Slg. 2006, 3813 Rdn. 65

- 318 - 318115011511152115311546. Aus der Sicht <strong>des</strong> EGMRMit Erschöpfung <strong>des</strong> nationalen Rechtszuges und nach erfolglosem Anrufen <strong>des</strong>BVerfG bzw. eines LVerfG ist es möglich, den EGMR anzurufen, wenn nicht nur einVerstoß gegen nationale Grundrechte reklamiert wird, sondern zugleich ein solchergegen die Grundsätze der EMRK. 1930) Aber:Art. 66 EMRK erlaubt einen Beitritt zur EMRK nur Staaten. Die EU hat die EMRKbisher nicht unterzeichnet und ist auch kein Staat. 1931) Immerhin sind die Mitgliedstaatender EU für sich die Verpflichtung eingegangen, die EMRK zu (be) achten. 1932)Folglich ist bei Anrufung <strong>des</strong> EGMR wegen Verletzung in der EMRK genannter Menschenrechtenur die EMRK Maßstab. Werden dagegen in einem beim EuGH anhängigenVerfahren Grundrechtsverletzungen gerügt, so sind diese an der Grundrechtsrechtsprechung<strong>des</strong> EuGH zu messen der seinerseits in seiner Rechtsprechung zusätzlichGrundsätze der Rechtsprechung <strong>des</strong> EGMR sowie der EMRK berücksichtigt.BeispielDer Grundsatz <strong>des</strong> fairen Verfahrens gehört mit der Rechtsprechung <strong>des</strong> EGMR zumGrundrechtsstandard. In Art. 6 Abs. 1 EMRK ist zwar der Grundsatz <strong>des</strong> fairen Verfahrensnicht ausdrücklich angesprochen, er wird aber vom EGMR aus Art. 6 Abs. 1EMRK abgeleitet. Nach der Rechtsprechung <strong>des</strong> EGMR gehört zum Grundsatz <strong>des</strong>fairen Verfahrens nicht, wie Nationalstaaten im Detail ein Verfahren ausgestaltet habenund ob im konkreten Fall diesen Maßstäben entsprochen wurde, sondern ob imkonkreten Fall das Verfahren als ganzes, einschließlich der Art und Weise der Beweisaufnahme,fair war. 1933)Wurde nach Erschöpfung <strong>des</strong> nationalen Rechtsweges und erfolglos verlaufenem Verfassungsbeschwerdeverfahrender EGMR angerufen und stellt dieser eine Verletzungder EMRK fest, so ist die Bun<strong>des</strong>republik Deutschland als Konventionsstaat verpflichtet,dies zu beachten (Art. 46 Abs. 1 EMRK). Dies wird vom Ministerkomitee <strong>des</strong>Europarates überwacht (Art. 46 Abs. 2 EMRK). 1934) Dabei ist jedoch der Konventionsstaatfrei darin, unter Kontrolle <strong>des</strong> Ministerkomitees die Mittel auszuwählen, mitdenen er seine Verpflichtungen aus Art. 46 Abs. 1 EMRK erfüllen möchte. 1935)Wenn man nach Erschöpfung <strong>des</strong> nationalen Rechtsweges incl. eines erfolglos verlaufenenVerfassungsbeschwerdeverfahrens den EGMR anruft, so stellt sich ferner dieFrage, ob die Feststellung einer Konventionsverletzung durch den EGMR in Deutsch-1930)1931)1932)1933)1934)1935)EGMR 08.04.2004 – 71503/01, NJW 2005, 2207, 2208; Kleine-Cosack AnwBl 2009, 326, 327;Rudolf/Raumer AnwBl. 2009, 313; Rudolf/Raumer AnwBl 2009, 318; Odendahl JuS 2005,537,538 f. – Zum Prüfschema für eine Individualbeschwerde beim EGMR siehe Raumer AnwBl2009, 324Bröhmer EuZW 2006, 71; Losch/Radau ZRP 2000, 84, 86Busse NJW 2000, 1074, 1078EGMR 09.06.1998 - 44/1997/828/1034, NStZ 1999, 47, 48; EGMR 03.05.2001 – 31 827/96,NJW 2002, 499, 501; Kotz/Rahlf NStZ-RR 2001, 65, 69 f.EGMR 30.06.2009 – 32772/02 (Verein gegen Tierfabriken Schweiz/Schweiz), NJW 2010, 3699Rdn. 61EGMR 30.06.2009 – 32772/02 (Verein gegen Tierfabriken Schweiz/Schweiz), NJW 2010, 3699Rdn. 88; EGMR 06.07.2010 – 5980/07 (Öcalan/Türkei), NJW 2010, 3703, 3704

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