PDF Version des Buchs herunterladen - Dr. iur. Klaus-R. Wagner

PDF Version des Buchs herunterladen - Dr. iur. Klaus-R. Wagner PDF Version des Buchs herunterladen - Dr. iur. Klaus-R. Wagner

13.07.2015 Aufrufe

- 236 - 236833834835„Für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der angesprochenen Rechtsfrage reichtnicht die bloße Behauptung aus, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung. Vielmehrmuss die Beschwerde, ausgehend von der höchstrichterlichen Rechtsprechung, konkret auf dieRechtsfrage eingehen, ihre über den Streitfall hinausgehende Bedeutung für die Allgemeinheitdartun und ferner ausführen, warum die Frage zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechungoder für eine Fortentwicklung des Rechts höchstrichterlicher Klärung bedürfe.Sofern zu diesem Problemkreis Rechtsprechung und Äußerungen im Fachschrifttum vorhandensind, genügt nicht allein der Hinweis darauf, sondern es ist eine grundlegende Auseinandersetzungdamit sowie eine Erörterung geboten, warum durch diese Entscheidungen des Bundesfinanzhofs(BFH) die Rechtsfrage noch nicht als geklärt anzusehen ist bzw. weshalb sie ggf.einer weiteren oder erneuten Klärung bedarf (vgl. BFH-Beschluss vom 8. November 1999 IIIB 53/99, BFH/NV 2000, 485, m.w.N.).Die Beschwerde muss dazu substantiiert aufzeigen, dass die Rechtsprechung die Rechtsfragenoch nicht abschließend geklärt hat, weil von den FG und/oder in der Literatur gewichtigeEinwendungen gegen diese Rechtsprechung erhoben worden sind, mit denen sich der BFHnoch nicht auseinander gesetzt hat (vgl. BFH-Beschluss vom 28. Juli 1997 VIII B 68/96,BFH/NV 1998, 29, unter 1. a der Gründe, m.w.N.). Insbesondere reicht der um Quellenzitateflankierte allgemeine Hinweis, die BFH-Rechtsprechung sei auf Kritik gestoßen, allein keinesfallsaus (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 1988 VIII B 71/88, BFHE 155, 44, BStBl II1989, 566; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 116FGO Tz. 43).“ 1353)Noch weitergehend fordert der BFH, die maßgebliche Rechtsfrage müsse dasabstrakte Interesse der Gesamtheit an einer einheitlichen Entwicklung des Rechtsberühren; „es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame undauch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln.“ 1354)Auch gravierende Fehler eines finanzgerichtlichen Urteils bei der Auslegung reversiblenRechts können nunmehr einen Revisionsgrund darstellen, wenn sie von erheblichemGewicht sind und geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechung zu beschädigen.1355)Damit wird § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO in gewisser Weise auch individualrechtschützenderCharakter beigemessen. 1356)1353)1354)1355)1356)Ähnlich BFH 05.02.2002 – VIII B 48/01, BFH/NV 2002, 792; BFH 20.02.2002 – X B 157/01,BFH/NV 2002, 803; BFH 21.11.2002 – VII B 58/02, BFH/NV 2003, 485, 488; BFH 18.12.2002 –VII B 110/02, BFH/NV 2003, 659; BFH 15.10.2003 – III B 114/02, BFH/NV 2004, 223BFH 29.07.2002 – XI B 219/01, BFH/NV 2002, 1490; BFH 07.08.2002 – I B 151/01, BFH/NV2003, 60 f.; BFH 29.04.2003 – X B 62/02, BFH/NV 2003, 1087; ähnlich BFH 12.12.2002 – X B99/02, BFH/NV 2003, 496; BFH 12.10.2005 – XI B 203/04, BFH/NV 2006, 239Schmidt-Troje/Schaumburg, Der Steuerrechtsschutz, Rdn. 1117; Spindler DB 2001, 61; RüskenDStZ 2000, 815Beermann DStZ 2000, 773, 775; Beermann DStZ 2001, 155, 156; Seer in: Tipke/Kruse, AO, §115 FGO Rdn. 41; Suhrbier-Hahn DStR 2001, 467, 472; a.A. Sauer/Schwarz, Wie führe ich einenFinanzgerichtsprozess? Rdn. 817, wonach nur die Interessen der Allgemeinheit berührt sein müssen.Lange DB 2001, 2312, 2315 ordnet schwerwiegende, offensichtliche Fehler eines FG dem § 115Abs. 2 Alt. 2 FGO zu und beschreibt als darzulegen:- schwerwiegende Fehler des FG,- deren Offensichtlichkeit,- die Korrekturmöglichkeit im Revisionsverfahren,- die Erforderlichkeit einer Korrektur durch den BFH.

- 237 - 237836837838839840Aber auch hier zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung des BFH trotz Novellierungdes Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsrechts, womit ja seitens des Gesetzgeberseine Zugangserleichterung zum Revisionsverfahren angestrebt wurde, erneutdamit beginnt, sich aus dem Gesetz nicht ergebende Verfahrenshürden aufzustellen.So stellt der BFH 1357) darauf ab, ob das Kriterium des Fehlers „von erheblichem Gewicht...“ nur oder erst dann gegeben sei, wenn Fehler vorlägen, die nach der Rechtsprechungdes BVerfG als willkürlich zu bezeichnen wäre. Und unter Hinweis aufeine Entscheidung des BVerfG 1358) wird dann ein Fehler von erheblichem Gewichtverneint. Ob unterhalb der Willkürrechtsprechung des BVerfG es ebenfalls Fehler vonerheblichem Gewicht geben kann, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechungzu beschädigen, wird schlicht ausgeblendet und statt dessen die vorinstanzlicheEntscheidung für vertretbar bezeichnet, weil sie die Meßlatte der Willkürrechtsprechungdes BVerfG nicht erreiche, 1359) was eine höchst subjektive Meßlatte ist.Und der XI. Senat des BFH relativiert diesen Revisionszulassungsgrund für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren,indem er iudiziert, dass eine „schlichte Fehlerhaftigkeit“nicht ausreiche.Damit hat es der BFH in der Hand, nach eigenem Gusto die Nichtzulassungsbeschwerdezurückzuweisen, indem er einerseits ausführt, der gerügte Fehler sei zu„schlicht“ oder andererseits iudiziert, er sei nicht willkürlich genug. Der BFH scheintfolglich nach wie vor zu meinen, das Gesetz binde ihn bei den Nichtzulassungsbeschwerdegründennicht, er könne darüber nach freiem Belieben mit verbalen Allgemeinplätzenentscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass das BVerfG dem irgendwann einmaleinen Riegel vorschiebt und den BFH nachhaltig an Art. 19 Abs. 4 GG erinnert,so wie der Große Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 03.09.2001 1360) die einfachenSenate schon einmal daran erinnern mußte.Sollten sich andere Senate des BFH dem anschließen und dieserhalb in Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrendie Hürden erneut anheben, obwohl der Gesetzgeber dieHürden niedriger hängen wollte, so wird durch den Prozessbevollmächtigten mit demKläger bei einer darauf sich beziehenden Ablehnung einer Nichtzulassungbeschwerdezu überlegen sein, ob man nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG 1361) dagegen dannVerfassungsbeschwerde einlegt.1357)1358)1359)1360)1361)BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841; BFH 10.10.2002 – I B 147/01,BFH/NV 2003, 197BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841 u.H.a. BVerfG 26.05.1993 – 1 BvR208/93, BVerfGE 89, 1, 14BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841BFH 03.09.2001 . GrS 03/98, BFH/NV 2001, 122BVerfG 10. 8. 1999 - 2 BvR 184/99, NJW 2000, 649; BFH 09.06.1986 - IX B 90/85, BStBl II1986, 679

- 237 - 237836837838839840Aber auch hier zeichnet sich ab, dass die Rechtsprechung <strong>des</strong> BFH trotz Novellierung<strong>des</strong> Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsrechts, womit ja seitens <strong>des</strong> Gesetzgeberseine Zugangserleichterung zum Revisionsverfahren angestrebt wurde, erneutdamit beginnt, sich aus dem Gesetz nicht ergebende Verfahrenshürden aufzustellen.So stellt der BFH 1357) darauf ab, ob das Kriterium <strong>des</strong> Fehlers „von erheblichem Gewicht...“ nur oder erst dann gegeben sei, wenn Fehler vorlägen, die nach der Rechtsprechung<strong>des</strong> BVerfG als willkürlich zu bezeichnen wäre. Und unter Hinweis aufeine Entscheidung <strong>des</strong> BVerfG 1358) wird dann ein Fehler von erheblichem Gewichtverneint. Ob unterhalb der Willkürrechtsprechung <strong>des</strong> BVerfG es ebenfalls Fehler vonerheblichem Gewicht geben kann, die geeignet sind, das Vertrauen in die Rechtsprechungzu beschädigen, wird schlicht ausgeblendet und statt <strong>des</strong>sen die vorinstanzlicheEntscheidung für vertretbar bezeichnet, weil sie die Meßlatte der Willkürrechtsprechung<strong>des</strong> BVerfG nicht erreiche, 1359) was eine höchst subjektive Meßlatte ist.Und der XI. Senat <strong>des</strong> BFH relativiert diesen Revisionszulassungsgrund für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren,indem er iudiziert, dass eine „schlichte Fehlerhaftigkeit“nicht ausreiche.Damit hat es der BFH in der Hand, nach eigenem Gusto die Nichtzulassungsbeschwerdezurückzuweisen, indem er einerseits ausführt, der gerügte Fehler sei zu„schlicht“ oder andererseits iudiziert, er sei nicht willkürlich genug. Der BFH scheintfolglich nach wie vor zu meinen, das Gesetz binde ihn bei den Nichtzulassungsbeschwerdegründennicht, er könne darüber nach freiem Belieben mit verbalen Allgemeinplätzenentscheiden. Es bleibt zu hoffen, dass das BVerfG dem irgendwann einmaleinen Riegel vorschiebt und den BFH nachhaltig an Art. 19 Abs. 4 GG erinnert,so wie der Große Senat <strong>des</strong> BFH in seiner Entscheidung vom 03.09.2001 1360) die einfachenSenate schon einmal daran erinnern mußte.Sollten sich andere Senate <strong>des</strong> BFH dem anschließen und dieserhalb in Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrendie Hürden erneut anheben, obwohl der Gesetzgeber dieHürden niedriger hängen wollte, so wird durch den Prozessbevollmächtigten mit demKläger bei einer darauf sich beziehenden Ablehnung einer Nichtzulassungbeschwerdezu überlegen sein, ob man nicht im Hinblick auf Art. 19 Abs. 4 GG 1361) dagegen dannVerfassungsbeschwerde einlegt.1357)1358)1359)1360)1361)BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841; BFH 10.10.2002 – I B 147/01,BFH/NV 2003, 197BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841 u.H.a. BVerfG 26.05.1993 – 1 BvR208/93, BVerfGE 89, 1, 14BFH 30.08.2001 – IV B 79, 80/01, BStBl. II 2002, 837, 841BFH 03.09.2001 . GrS 03/98, BFH/NV 2001, 122BVerfG 10. 8. 1999 - 2 BvR 184/99, NJW 2000, 649; BFH 09.06.1986 - IX B 90/85, BStBl II1986, 679

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!