PDF Version des Buchs herunterladen - Dr. iur. Klaus-R. Wagner
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- 228 - 228799800801802lich iudiziert der BFH, dass Einwände gegen die materielle Richtigkeit des Urteils desFG keinen Nichtzulassungsbeschwerdegrund darstellt. 1303) Damit stellt sich aber dieFrage, ob aus nachfolgenden Gründen genau dieser vom Gesetzgeber nicht berücksichtigteAspekt gleichwohl aus verfassungsrechtlichen Gründen ein ungeschriebenerZulassungsgrund sein könnte:Das Plenum beider Senate des BVerfG hatte in seiner Entscheidung vom 11.06.1980 1304) aus Anlaß der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 554b ZPO a.F. ausgeführt,es liege nach dem GG in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, ob er inbürgerlichrechtlichen Streitigkeiten Rechtszüge einrichte, welche Zwecke er damitverfolge und wie er sie im einzelnen regele.Dies dürfte auch für das novellierte Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsrechtin §§ 115 ff. FGO gelten. 1305) Und das Plenum des BVerfG 1306) entschied seinerzeitnoch, es habe nicht darüber zu befinden, welche verfassungsrechtlichen „Erfordernissesich für ein vom Gesetzgeber eingeführtes echtes Annahmeverfahren im Hinblick aufZugangsbegehren stellten, die in der Sache selbst Aussicht auf Erfolg besitzen.“ Bereitsmit seiner Entscheidung vom 18.11.1980 entschied der 1. Senat des BVerfG, 1307)§ 554b ZPO a.F. sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Annahmeeiner Revision nicht abgelehnt werden dürfe, wenn das Rechtsmittel im EndergebnisAussicht auf Erfolg habe.Das BVerfG hielt mithin die einfachgesetzliche Regelung für verfassungsgemäß,worin die Annahme der Revision nicht für den Fall geregelt worden war, dass dasRechtsmittel im Endergebnis Aussicht auf Erfolg habe. Nicht anders ist es bei demnovellierten Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsrecht in den §§ 115 ff. FGO.Aber das BVerfG nahm ungeachtet dieser gesetzlichen Vorgabe eine verfassungskonformeAuslegung vor, wonach gleichwohl eine Annahme der Revision nicht abgelehntwerden dürfe, wenn das Rechtsmittel im Endergebnis Aussicht auf Erfolg habe. Esstellt sich daher für das novellierte Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahrendie Frage, ob der BFH nicht auch insoweit gehalten ist, eine verfassungskonformeAuslegung vorzunehmen, so dass man z.B. eine Nichtzulassungsbeschwerde auch daraufstützen könnte, jedenfalls habe eine Revision für den Fall ihrer Zulassung Aussichtauf Erfolg.Die Antwort auf diese Frage wird man nicht ohne die Erwägungen des Plenums desBVerfG in seiner Entscheidung vom 11.06.1980 1308) finden können: 1309) Auch in dieserEntscheidung war zum Ausdruck gebracht worden, dass die Annahme der Revisionnicht abgelehnt werden dürfe, wenn die Revision im Endergebnis Erfolg habenkönne. 1310) Dies wurde mit folgenden Überlegungen begründet:1303)1304)1305)1306)1307)1308)1309)1310)BFH 01.03.2006 – VIII B 332/04, BFH/NV 2006, 1313; BFH 29.03.2012 – IX B 120/11,BFH/NV 2012, 1163BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 291So auch List DB 2003, 572, 574BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 293 f.BVerfG 18.11.1980 – 1 BvR 194/78, BVerfGE 55, 205, 206BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277So auch List DB 2003, 572, 574BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 285
- 229 - 229803804805806807808Hauptanliegen der Änderung des zivilprozessualen Revisionsrechts war seinerzeit dieWahrung der Rechtseinheit und die einheitliche Rechtsfortbildung. 1311) Dies ist auchbei der Novellierung des Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren derFGO der Fall gewesen. Aber in §§ 554b Abs. 1 und 2, 555 ZPO a.F. ging es um eineAblehnungsbefugnis, während es in §§ 115, 116 FGO um eine Zulassungsbefugnisgeht.Gleichermaßen wie bei § 561 Abs. 2 ZPO a.F. geht es auch bei §§ 115, 116 FGO umdie „Prüfung der Richtigkeit der rechtlichen Elemente der angefochtenen Entscheidungunter Bindung an die im angegriffenen Urteil festgestellten Tatsachen. Und dasBVerfG iudizierte dazu:„Daraus kann indes nicht der Schluß gezogen werden, die Revision diene - verglichen mitihren weiteren Zwecken - nur in zweiter Linie der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit. DieNachprüfungsbefugnis des Revisionsgerichts ist zwar begrenzt; soweit sie aber eröffnet ist, istsie gerade auch zu dem Zweck gegeben, die rechtliche Richtigkeit der Entscheidung des Falleszu gewährleisten.Dieser Zweck erhellt unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung selbst, nämlich aus der dargelegtenAusgestaltung der Revision als eines Rechtsmittels der Parteien im Dienste der Entscheidungihres Falles. Und das gilt gleichermaßen für die Zulassungsrevision wie für dieWertrevision.“ 1312)Das Plenum des BVerfG sprach folglich mit dem letzten zuvor zitierten Satz ausdrücklichan, dass die rechtliche Richtigkeit des zu entscheidenden Falles auch bei derZulassungsrevision bedeutsam sei und die §§ 115, 116 FGO sind Ausdruck einer Zulassungsrevision,zumal die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH einzulegen undvon ihm zu entscheiden ist.Und das Plenum des BVerfG fuhr fort:„Das heißt nicht, dass die übrigen Revisionszwecke nur nachgeordnete Bedeutung hätten.Denn auf dieser Ebene - des einmal eröffneten Zugangs zum Revisionsgericht - besteht keinegrundsätzliche Gegenläufigkeit der Zwecke; sie gehen Hand in Hand: aus Anlaß der Einzelfallentscheidungwird die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und Rechtsfortbildung angestrebtund die Kontrollfunktion gegenüber den Vordergerichten wahrgenommen. Der Weg zu diesemZiel soll nach der gesetzlichen Regelung über die richtige Einzelfallentscheidung führen.“ 1313)Damit wird verdeutlicht, dass Einheitlichkeit der Rechtsprechung und Rechtsfortbildungkeinen Wert für sich in der Weise darstellen, dass das Rechtsmittel der Revisionnur dafür da sei, dass Betroffene auf eigene Kosten und eigenes Risiko diese Zieleverfolgen müßten. Vielmehr macht das Plenum des BVerfG deutlich, dass Betroffenemit einem solchen Rechtsmittel ihre Einzelfallgerechtigkeit suchen und die Einheitlichkeitder Rechtsprechung und die Rechtsfortbildung aus Anlaß dieser Suche nachEinzelfallgerechtigkeit erfolge.Und vor diesem Hintergrund nimmt das Plenum des BVerfG zur gesetzgeberischenEntscheidung, die Einzelfallgerechtigkeit bei Revisionsrecht nicht erwähnt zu habenwie folgt Stellung:1311)1312)1313)BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 285BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 289 f.BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 290
- Seite 180 und 181: - 178 - 178hat das BVerfG 1004) sic
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- 229 - 229803804805806807808Hauptanliegen der Änderung <strong>des</strong> zivilprozessualen Revisionsrechts war seinerzeit dieWahrung der Rechtseinheit und die einheitliche Rechtsfortbildung. 1311) Dies ist auchbei der Novellierung <strong>des</strong> Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren derFGO der Fall gewesen. Aber in §§ 554b Abs. 1 und 2, 555 ZPO a.F. ging es um eineAblehnungsbefugnis, während es in §§ 115, 116 FGO um eine Zulassungsbefugnisgeht.Gleichermaßen wie bei § 561 Abs. 2 ZPO a.F. geht es auch bei §§ 115, 116 FGO umdie „Prüfung der Richtigkeit der rechtlichen Elemente der angefochtenen Entscheidungunter Bindung an die im angegriffenen Urteil festgestellten Tatsachen. Und dasBVerfG iudizierte dazu:„Daraus kann in<strong>des</strong> nicht der Schluß gezogen werden, die Revision diene - verglichen mitihren weiteren Zwecken - nur in zweiter Linie der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit. DieNachprüfungsbefugnis <strong>des</strong> Revisionsgerichts ist zwar begrenzt; soweit sie aber eröffnet ist, istsie gerade auch zu dem Zweck gegeben, die rechtliche Richtigkeit der Entscheidung <strong>des</strong> Falleszu gewährleisten.Dieser Zweck erhellt unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung selbst, nämlich aus der dargelegtenAusgestaltung der Revision als eines Rechtsmittels der Parteien im Dienste der Entscheidungihres Falles. Und das gilt gleichermaßen für die Zulassungsrevision wie für dieWertrevision.“ 1312)Das Plenum <strong>des</strong> BVerfG sprach folglich mit dem letzten zuvor zitierten Satz ausdrücklichan, dass die rechtliche Richtigkeit <strong>des</strong> zu entscheidenden Falles auch bei derZulassungsrevision bedeutsam sei und die §§ 115, 116 FGO sind Ausdruck einer Zulassungsrevision,zumal die Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH einzulegen undvon ihm zu entscheiden ist.Und das Plenum <strong>des</strong> BVerfG fuhr fort:„Das heißt nicht, dass die übrigen Revisionszwecke nur nachgeordnete Bedeutung hätten.Denn auf dieser Ebene - <strong>des</strong> einmal eröffneten Zugangs zum Revisionsgericht - besteht keinegrundsätzliche Gegenläufigkeit der Zwecke; sie gehen Hand in Hand: aus Anlaß der Einzelfallentscheidungwird die Einheitlichkeit der Rechtsprechung und Rechtsfortbildung angestrebtund die Kontrollfunktion gegenüber den Vordergerichten wahrgenommen. Der Weg zu diesemZiel soll nach der gesetzlichen Regelung über die richtige Einzelfallentscheidung führen.“ 1313)Damit wird verdeutlicht, dass Einheitlichkeit der Rechtsprechung und Rechtsfortbildungkeinen Wert für sich in der Weise darstellen, dass das Rechtsmittel der Revisionnur dafür da sei, dass Betroffene auf eigene Kosten und eigenes Risiko diese Zieleverfolgen müßten. Vielmehr macht das Plenum <strong>des</strong> BVerfG deutlich, dass Betroffenemit einem solchen Rechtsmittel ihre Einzelfallgerechtigkeit suchen und die Einheitlichkeitder Rechtsprechung und die Rechtsfortbildung aus Anlaß dieser Suche nachEinzelfallgerechtigkeit erfolge.Und vor diesem Hintergrund nimmt das Plenum <strong>des</strong> BVerfG zur gesetzgeberischenEntscheidung, die Einzelfallgerechtigkeit bei Revisionsrecht nicht erwähnt zu habenwie folgt Stellung:1311)1312)1313)BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 285BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 289 f.BVerfG 11.06.1980 – 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 290