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- 158 - 158525526527528- Für den letzteren Fall ist zu verdeutlichen, dass und warum das FG gehalten ist,aus oben genannten Gründen das finanzgerichtliche Verfahren auszusetzen (§ 74FGO) und dem EuGH vorzulegen.Die in der Klagebegründung gegebene Begründung zum Vorlageantrag sollte auchdeshalb sehr ausführlich sein, weil es durchaus vorkommen kann, dass das FG demVorlageantrag zwar entspricht, die Vorlage aber auf andere Schwerpunkte abstützt.Der Kläger kann dann im Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH darauf hinweisen,dass er selbst die Gewichtung anders sieht wie in seiner Vorlagebegründungdargelegt. Der EuGH ist nämlich befugt, eine Umformulierung der Vorlagefragen desnationalen Gerichts vorzunehmen und damit sich auch der Aspekte anzunehmen, dieman im Rahmen der Vorlagebegründung für wesentlich angesehen hat, die aber dasFG anders gewichtet hat. 866)Zudem erleichtert eine ausführliche Vorlagebegründung des FG die Arbeit, einen zulässigenVorlagebeschluss samt Vorlagebegründung zum EuGH abzufassen. 867)Hat der Kläger in seinem schriftsätzlichen Vorlageantrag zum Ausdruck gebracht, dasFG möge für den Fall einer Vorlage zum EuGH mit zum Ausdruck bringen, dass jedenfallsdie zeitlichen Wirkungen eines Urteils des EuGH beschränkt sein sollten,dann empfiehlt es sich für den Kläger, in seinem diesbezüglichen Begründungsschriftsatzdem FG Argumente dazu an die Hand zu geben. 868) Denn die Möglichkeit zeitlicherBeschränkung seiner Urteile durch den EuGH gilt auch für das Vorabentscheidungsverfahren.869) Im Grundsatz sind Richtlinien durch Gerichte in ihrer vollenTragweite seit ihrem Inkrafttreten anzuwenden und nicht erst ab einer Entscheidungdes EuGH. Urteile des EuGH haben mithin in Vorlagesachen ex tunc-Wirkung. 870)Dies hat zur Folge, daß Gerichte Richtlinien auch auf Sachverhalte anzuwenden haben,die sich nach ihrem Inkrafttreten aber vor Ergehen eines EuGH-Urteiles ereignethaben. 871) Und deshalb entspricht es der Rechtsprechung des EuGH, dass zeitlicheBeschränkungen der Wirkungen des Urteils des EuGH der absolute Ausnahmefall sindund nur dann in Frage kommen, wenn die Gefahr von schweren Folgen bei einer großenAnzahl von Rechtsverhältnissen bestehen, die im guten Glauben sich anders aus-866)867)868)869)870)871)EuGH Slg. 1965, XI-3, 1, 8: „Er [der EuGH] kann jedoch aus der Fassung des Vorlagebeschlusseseines innerstaatlichen Gerichts diejenigen Fragen der Auslegung des Vertrages herausschälen,die Vorfragen für die Entscheidung des Rechtsstreites sind;“ EuGH 11.07.2002 – Rs. C-62/00, Beilage zu BFH/NV 10/2002, 144, 146; Siehe auch Iglesias NJW 2000, 1889, 1891. Dassder EuGH zunächst die Vorlageprämisse des vorlegenden nationalen Gerichts prüft, siehe EuGH17.05.2001 – C-119/99, Beilage zu BFH/NV 11/2001, 215, 216Iglesias NJW 2000, 1889, 1892 verweist darauf, dass eine zulässige Vorlage durch ein nationalesGericht eine Aufbereitung des Sachverhaltes und der rechtlichen Problematik durch das vorlegendeGericht erfordert, womit zu verdeutlichen ist, warum es auf die Auslegung von Gemeinschaftsrechtankommt.Dazu insbesondere Albath/Wunderlich EWS 2006, 205, 210 f.; Forsthoff DStR 2005, 1840Albath/Wunderlich EWS 2006, 205, 210Albath/Wunderlich EWS 2006, 205, 210EuGH 17.02.2005 – Rs. C-462/02 (Linneweber und Akritidis), Slg. 2005, I-1131 Rdn. 41 m.w.N.

- 159 - 159529530gerichtet hatten. 872) Es empfiehlt sich folglich, sich mit der Rechtsprechung des EuGHzu solchen Ausnahmefällen explizit und eingehend auseinanderzusetzen und darzulegen,warum ein solcher Ausnahmefall gegeben sein kann. Dies sollte auch belegt werden.Die Behauptung eines Ausnahmefalles alleine reicht nicht. Vielmehr hat man sichals Prozeßbevollmächtigter bei seiner schriftsätzlichen Begründung des empfohlenenVorlageantrages und einer dort mit angesprochenen Beschränkung der zeitlichen Wirkungder EuGH-Entscheidung für den Fall, daß das FG bzw. der BFH vorlegen undder EuGH über den Vorlageentrag entscheidet, an den gleichen hohen Anforderungenzu orientieren, an denen sich letztlich auch der EuGH orientiert. Und solche Ausnahmenwären:- „Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen.“ 873)- Hinzu kommen muß beim betroffenen Mitgliedstaat ein schützenswertes Vertrauen,seine Rechtlage sei europarechtskonform, obwohl dies nicht der Fallsei. 874)Sollten diese Voraussetzungen nicht überzeugend begründet werden können, bleibtnoch die Möglichkeit, für den angeregten Vorlageantrag begründungsmäßig daraufhinzuweisen, der EuGH könnte dem Mitgliedstaat unter Fristsetzung aufgeben, seinenationale Rechtslage dem EU-Gemeinschaftsrecht anzugleichen.531532bb)Ohne VorlageantragUmgekehrt kann bei der europarechtlichen Begründung ohne Vorlageantrag im Vordergrundstehen, dass und warum das FG eine Frage mit europarechtlichem Bezugdurch richtlinienkonforme Auslegung selbst zu beantworten hat, 875) ohne vorlegen zumüssen. Es kann ferner verdeutlicht werden, dass die Notwendigkeit einer Vorlagesich nur bei einer bestimmten Sachverhaltskonstellation stellt, die hier aus darzulegendenGründen nicht gegeben ist und gegebenenfalls vom FG vorab zu klären ist. 876)Und es kann in der Klagebegründung zum FG vorgetragen werden, dass der Klägersich deshalb zu seinen Gunsten direkt auf Regelungen einer europäischen Richtlinie,deren Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, berufen kann,wenn/weil der deutsche Staat die entscheidungserhebliche Richtlinie nicht fristgemäßoder unrichtig in nationales Recht umgesetzt hat 877) oder weil der EuGH einer Richtli-872)873)874)875)876)877)EuGH 04.10.2001 – Rs. C-294/99, Beilage zu BFH/NV 4/2002, 1, 4; EuGH 17.02.2005 – Rs. C-462/02 (Linneweber und Akritidis), Slg. 2005, I-1131 Rdn. 42EuGH 15.03.2005 – Rs. C-209/03 (Bidar), Slg. 2005, I-2119 Rdn. 69; Albath/Wunderlich EWS2006, 205, 210Albath/Wunderlich EWS 2006, 205, 210 m.w.N.EuGH 12.09.1996 – Rs. C-58 u.a./96, Slg. 1996, I-4345; EuGH 28.01.1999 – Rs. C-181/96, HFR1999, 419; BFH 17.05.2001 – V R 38/00, BFH/NV 2001, 1513; W. Wagner, FS 50 Jahre Fachanwältefür Steuerrecht, 1999, Seite 555EuGH 12.11.1998 – Rs. C-399/96, WM 1999, 346, 349; EuGH 28.01.1999 – Rs. C-181/96, HFR1999, 419, 420EuGH 23.02.1994 – C-236/92, Slg. 1994, I-483 Rdn. 8; EuGH 29.09.1999 – Rs. C-56/98, NZG1999, 1049, 1050

- 159 - 159529530gerichtet hatten. 872) Es empfiehlt sich folglich, sich mit der Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGHzu solchen Ausnahmefällen explizit und eingehend auseinanderzusetzen und darzulegen,warum ein solcher Ausnahmefall gegeben sein kann. Dies sollte auch belegt werden.Die Behauptung eines Ausnahmefalles alleine reicht nicht. Vielmehr hat man sichals Prozeßbevollmächtigter bei seiner schriftsätzlichen Begründung <strong>des</strong> empfohlenenVorlageantrages und einer dort mit angesprochenen Beschränkung der zeitlichen Wirkungder EuGH-Entscheidung für den Fall, daß das FG bzw. der BFH vorlegen undder EuGH über den Vorlageentrag entscheidet, an den gleichen hohen Anforderungenzu orientieren, an denen sich letztlich auch der EuGH orientiert. Und solche Ausnahmenwären:- „Gefahr schwerwiegender wirtschaftlicher Auswirkungen.“ 873)- Hinzu kommen muß beim betroffenen Mitgliedstaat ein schützenswertes Vertrauen,seine Rechtlage sei europarechtskonform, obwohl dies nicht der Fallsei. 874)Sollten diese Voraussetzungen nicht überzeugend begründet werden können, bleibtnoch die Möglichkeit, für den angeregten Vorlageantrag begründungsmäßig daraufhinzuweisen, der EuGH könnte dem Mitgliedstaat unter Fristsetzung aufgeben, seinenationale Rechtslage dem EU-Gemeinschaftsrecht anzugleichen.531532bb)Ohne VorlageantragUmgekehrt kann bei der europarechtlichen Begründung ohne Vorlageantrag im Vordergrundstehen, dass und warum das FG eine Frage mit europarechtlichem Bezugdurch richtlinienkonforme Auslegung selbst zu beantworten hat, 875) ohne vorlegen zumüssen. Es kann ferner verdeutlicht werden, dass die Notwendigkeit einer Vorlagesich nur bei einer bestimmten Sachverhaltskonstellation stellt, die hier aus darzulegendenGründen nicht gegeben ist und gegebenenfalls vom FG vorab zu klären ist. 876)Und es kann in der Klagebegründung zum FG vorgetragen werden, dass der Klägersich <strong>des</strong>halb zu seinen Gunsten direkt auf Regelungen einer europäischen Richtlinie,deren Bestimmungen inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, berufen kann,wenn/weil der deutsche Staat die entscheidungserhebliche Richtlinie nicht fristgemäßoder unrichtig in nationales Recht umgesetzt hat 877) oder weil der EuGH einer Richtli-872)873)874)875)876)877)EuGH 04.10.2001 – Rs. C-294/99, Beilage zu BFH/NV 4/2002, 1, 4; EuGH 17.02.2005 – Rs. C-462/02 (Linneweber und Akritidis), Slg. 2005, I-1131 Rdn. 42EuGH 15.03.2005 – Rs. C-209/03 (Bidar), Slg. 2005, I-2119 Rdn. 69; Albath/Wunderlich EWS2006, 205, 210Albath/Wunderlich EWS 2006, 205, 210 m.w.N.EuGH 12.09.1996 – Rs. C-58 u.a./96, Slg. 1996, I-4345; EuGH 28.01.1999 – Rs. C-181/96, HFR1999, 419; BFH 17.05.2001 – V R 38/00, BFH/NV 2001, 1513; W. <strong>Wagner</strong>, FS 50 Jahre Fachanwältefür Steuerrecht, 1999, Seite 555EuGH 12.11.1998 – Rs. C-399/96, WM 1999, 346, 349; EuGH 28.01.1999 – Rs. C-181/96, HFR1999, 419, 420EuGH 23.02.1994 – C-236/92, Slg. 1994, I-483 Rdn. 8; EuGH 29.09.1999 – Rs. C-56/98, NZG1999, 1049, 1050

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