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- 120 - 120395396überhaupt nicht in Erwägung zieht, 641) oder von Rechtsprechung des EuGH bewußtabweicht und gleichwohl nicht vorlegt. 642) Auch dann, wenn über eine gemeinschaftsrechtlicheFrage seitens des EuGH noch nicht entschieden wurde,liegt eine offensichtliche Unhaltbarkeit vor, wenn – so das BVerfG – Gegenmeinungengegenüber der des Gerichts vorzuziehen sind. 643) Und da mit demBVerfG 644) das letztinstanzliche nationale Gericht in seiner Entscheidung verdeutlichenmuß, daß es sich mit dem Gemeinschaftsrecht ausreichend kundig gemachthat, um dem BVerfG eine Kontrolle zu ermöglichen, sollte der Anwaltauch darauf seinen Augenmerk richten, wenn es um die Beurteilung der Fragegeht, ob eine versagte Vorlage durch ein letztinstanzliches Gericht mit einer Verfassungsbeschwerdeim Hinblick auf Art. 101 abs. 1 Satz 2 GG angegangen werdensollte. Lehnt dann das BVerfG, obwohl ihm solche Gründe im Hinblick aufmangelnde Vorlagebereitschaft vorgetragen wurden, es gleichwohl ab, sich damitzu befassen, ist der nationale Rechtszug incl. BVerfG erschöpft, so daß dieseformalen Voraussetzungen erfüllt sind, um im Nachgang einen gemeinschaftsrechtlichenStaatshaftungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, wenn ansonstendessen Voraussetzungen erfüllt sind.Eine Beschränkung der Vorlagepflicht des BFH ist allenfalls dann gegeben, wenneine gleichlautende Frage bereits in einem anderen Verfahren entschieden wurdeoder zur streitigen Rechtsfrage bereits Rechtsprechung des EuGH vorliegt. 645)Ferner besteht keine Vorlagepflicht, wenn die zutreffende Anwendung von Gemeinschaftsrechtso offenkundig ist, dass keine vernünftigen Zweifel an der Entscheidungder gestellten Frage bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl fürden EuGH wie auch für Gerichte anderer Mitgliedstaaten eine einheitliche Beantwortungder gestellten Frage offenkundig ist, was unter Berücksichtigung desGemeinschaftsrechts zu beurteilen ist. 646)- Für den BFH besteht als letztinstanzlichem Gericht eine Vorlagepflicht gem. Art.267 Abs. 3 AEUV auch dann, wenn bezüglich des bei ihm rechtshängigen Verfahrenseine gemeinschaftsrechtliche Frage zu klären ist, wegen dieser Frage dieKommission aber auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens verzichtethat. 647) Für den BFH als letztinstanzliches Gericht besteht eine Vorlagepflichtauch dann, wenn der EuGH eine Frage nach der Gültigkeit der Bestimmungeiner Verordnung zu entscheiden hat, die er in einem anderen Verfahren zueiner entsprechenden Bestimmung einer vergleichbaren Verordnung schon entschiedenhat. 648)641)642)643)644)645)646)647)648)BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR 2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR 2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 14.07.2006 – 2 BvR 264/06, ZIP 2006, 1486, 1487; BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 14.07.2006 – 2 BvR 264/06, ZIP 2006, 1486, 1487EuGH 06.10.1982 – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg. 1982, 3415 Rdn. 13 ff. ; Schütz DB 2003, 688,690EuGH 06.10.1982 – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg. 1982, 3415 Rdn. 16 ff. ; Schütz DB 2003, 688,690EuGH 22.02.2001 – C-393/98, Beilage zu BFH/NV 8/2001, 105, 107EuGH 06.12.2005 – Rs. C-461/03 (Douane-expediteur), EWS 2006, 238 Rdn. 21

- 121 - 121397398399400Fraglich war, ob ein FG, das gegen sein Urteil die Revision nicht zugelassen hat,dadurch zum letztinstanzlichen Gericht würde, so dass es kein Vorlageermessengemäß Art. 267 Abs. 2 AEUV sondern eine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs.3 AEUV hätte. Indem nunmehr die Nichtzulassungsbeschwerde zum BFH einzulegenist, wird man wohl mit der neueren Rechtsprechung des EuGH 649) sagenmüssen, dass in diesem Fall für das FG keine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 Abs.3 AEUV gegeben ist. Eine andere Frage ist eine Vorlagepflicht für ein solchesFG gemäß Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG. 650)- Das FG bzw. der BFH muß dem EuGH als gesetzlichem Richter im Sinne vonArt. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vorlegen, wenn„zu einer entscheidungserheblichen 651) Frage des Gemeinschaftsrechts einschlägigeRechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes noch nicht vorliegt oder wenn eine vorliegendeRechtsprechung die entscheidungserhebliche Frage möglicherweise noch nichterschöpfend beantwortet hat.“ 652)Ungeachtet dessen besteht nach der Rechtsprechung des EuGH 653) auch für nicht letztinstanzlicheGerichte eine Vorlagepflicht, wenn die Gültigkeit einer gemeinschaftsrechtlichenNorm in Frage steht und das vorlageberechtigte Gericht die Vorschrift fürungültig hält. 654) Umgekehrt besteht auch eine Vorlagepflicht für Instanzgericht, wennes eine vom EuGH bereits als ungültig erklärte Vorschrift als gültig ansehen möchte.655) Und schließlich besteht eine Vorlagepflicht dann, wenn ein deutsches (Finanz-)Gericht einer bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH nicht folgen möchte, umklären zu lassen, ob der EuGH unter Berücksichtigung neuer Argumente nicht vonfrüheren Urteilen abrücken sollte. 656)Indem das nationale Gericht Gemeinschaftsrecht durchzusetzen hat, um damit demEinzelnen die Rechte zu gewährleisten, die ihm nach dem Rechtsschutzsystem desGemeinschaftsrechts zustehen, ist im Grunde das nationale Gericht auch erstinstanzlichesGemeinschaftsgericht im funktionellen Sinne. 657) Gleichzeitig ist der EuGH in649)650)651)652)653)654)655)656)657)EuGH 04.06.2002 – Rs. C-99/00, EuZW 2002, 476, 478 = Beilage zu BFH/NV 10/2002, 148, 150S.u. Rdn. 311Zur Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage siehe insbesondere Clausnitzer, FS 50 JahreFachanwälte für Steuerrecht, 1999, Seite 565, 569 f.BVerfG 09.01.2001 – 1 BvR 1036/99, WM 2001, 749, 751. Kursivsetzungen durch den Autor. Soauch Cremer EuZW 2001, 453, 456; W. Wagner, FS 50 Jahre Fachanwälte für Steuerrecht, 1999,Seite 555, 557. Wenn W. Wagner (aaO) meint, ein FG könne vorlegen, müsse aber nicht vorlegen,so betrifft dies nur Art. 234 Abs. 2 EG, nicht aber Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.EuGH 22.10.1987 – Rs. 314/85, NJW 1988, 1451; EuGH 17.07.1997 – Rs. C-334/95, EuZW1997, 629Clausnitzer, FS 50 Jahre Fachanwälte für Steuerrecht, 1999, Seite 565, 570EuGH 27.03.1963 – Rs. 28 – 30/62, EuGHE 1963, 63, 81; Clausnitzer, FS 50 Jahre Fachanwältefür Steuerrecht, 1999, Seite 565, 569 f.; Iglesias NJW 2000, 1889, 1891EuGH 17.10.1990 – RS. C-10/89, NJW 1991, 626; Iglesias NJW 2000, 1889, 1891Groh EuZW 2002, 460, 462; Pache/Knauff NVwZ 2004, 16, 17

- 120 - 120395396überhaupt nicht in Erwägung zieht, 641) oder von Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH bewußtabweicht und gleichwohl nicht vorlegt. 642) Auch dann, wenn über eine gemeinschaftsrechtlicheFrage seitens <strong>des</strong> EuGH noch nicht entschieden wurde,liegt eine offensichtliche Unhaltbarkeit vor, wenn – so das BVerfG – Gegenmeinungengegenüber der <strong>des</strong> Gerichts vorzuziehen sind. 643) Und da mit demBVerfG 644) das letztinstanzliche nationale Gericht in seiner Entscheidung verdeutlichenmuß, daß es sich mit dem Gemeinschaftsrecht ausreichend kundig gemachthat, um dem BVerfG eine Kontrolle zu ermöglichen, sollte der Anwaltauch darauf seinen Augenmerk richten, wenn es um die Beurteilung der Fragegeht, ob eine versagte Vorlage durch ein letztinstanzliches Gericht mit einer Verfassungsbeschwerdeim Hinblick auf Art. 101 abs. 1 Satz 2 GG angegangen werdensollte. Lehnt dann das BVerfG, obwohl ihm solche Gründe im Hinblick aufmangelnde Vorlagebereitschaft vorgetragen wurden, es gleichwohl ab, sich damitzu befassen, ist der nationale Rechtszug incl. BVerfG erschöpft, so daß dieseformalen Voraussetzungen erfüllt sind, um im Nachgang einen gemeinschaftsrechtlichenStaatshaftungsanspruch gerichtlich geltend zu machen, wenn ansonsten<strong>des</strong>sen Voraussetzungen erfüllt sind.Eine Beschränkung der Vorlagepflicht <strong>des</strong> BFH ist allenfalls dann gegeben, wenneine gleichlautende Frage bereits in einem anderen Verfahren entschieden wurdeoder zur streitigen Rechtsfrage bereits Rechtsprechung <strong>des</strong> EuGH vorliegt. 645)Ferner besteht keine Vorlagepflicht, wenn die zutreffende Anwendung von Gemeinschaftsrechtso offenkundig ist, dass keine vernünftigen Zweifel an der Entscheidungder gestellten Frage bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn sowohl fürden EuGH wie auch für Gerichte anderer Mitgliedstaaten eine einheitliche Beantwortungder gestellten Frage offenkundig ist, was unter Berücksichtigung <strong>des</strong>Gemeinschaftsrechts zu beurteilen ist. 646)- Für den BFH besteht als letztinstanzlichem Gericht eine Vorlagepflicht gem. Art.267 Abs. 3 AEUV auch dann, wenn bezüglich <strong>des</strong> bei ihm rechtshängigen Verfahrenseine gemeinschaftsrechtliche Frage zu klären ist, wegen dieser Frage dieKommission aber auf die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens verzichtethat. 647) Für den BFH als letztinstanzliches Gericht besteht eine Vorlagepflichtauch dann, wenn der EuGH eine Frage nach der Gültigkeit der Bestimmungeiner Verordnung zu entscheiden hat, die er in einem anderen Verfahren zueiner entsprechenden Bestimmung einer vergleichbaren Verordnung schon entschiedenhat. 648)641)642)643)644)645)646)647)648)BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR 2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR 2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 14.07.2006 – 2 BvR 264/06, ZIP 2006, 1486, 1487; BVerfG 06.05.2008 – 2 BvR2419/06, NVwZ-RR 2008, 658 Rdn. 17BVerfG 14.07.2006 – 2 BvR 264/06, ZIP 2006, 1486, 1487EuGH 06.10.1982 – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg. 1982, 3415 Rdn. 13 ff. ; Schütz DB 2003, 688,690EuGH 06.10.1982 – Rs. 283/81 (C.I.L.F.I.T.), Slg. 1982, 3415 Rdn. 16 ff. ; Schütz DB 2003, 688,690EuGH 22.02.2001 – C-393/98, Beilage zu BFH/NV 8/2001, 105, 107EuGH 06.12.2005 – Rs. C-461/03 (Douane-expediteur), EWS 2006, 238 Rdn. 21

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