13.07.2015 Aufrufe

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

arlberger Volksblatt“ beglückwünschte Niederösterreich zur Lehrergehaltserhöhung, durch die derLehrermangel in absehbarer Zeit behoben werden könne. 476 Denn das war das Besondere: ObwohlNiederösterreich Lehrer fehlten, waren die Christlichsozialen bereit, künftig auf Lehrerinnen, die heirateten,zu verzichten.Das kam ihren männlichen Kollegen entgegen. Sie waren es vor allem, die schon länger aus Konkurrenzneidund -angst vor einer „Verweiblichung des Schulwesens“ warnten, die pädagogischenVoraussetzungen von Frauen für den Lehrberuf überhaupt in Frage stellten, die nicht bereit und in derLage seien, dasselbe zu leisten wie Männer, zumal verheiratete Lehrerinnen. 4771905 brachte das Wiener Raimundtheater das Stück „Fräulein Lehrerin“ auf die Bühne, eine literarischeAntwort auf die niederösterreichische Zölibatsgesetzgebung, die die Protagonistin zu einemVerhältnis ohne päpstlichen Segen zwang. 478 Das war freilich eine gefährliche Option, in <strong>Vorarlberg</strong>gewiss eine verbotene Liebe, die disziplinarrechtlich geahndet werden konnte.Sollte der junge, aufstrebende Lehrerinnenberuf aber zum Zerrbild der vertrockneten Jungfrau verkommen?Wie sollten junge Lehrerinnen, nicht zuletzt sich selbst, begründen, weshalb sie auf den„natürlichen Beruf“ der Hausfrau und Mutter verzichteten?Diese Fragen werden auch <strong>Vorarlberg</strong> beschäftigt haben, die Konflikte sollten aber erst nach 1918offen erörtert werden. Zu deren Verständnis sind zwei Entwicklungen oder Strömungen wichtig: diePropagierung einer „geistigen Mütterlichkeit“ einerseits und von mehr, gesünderen und intelligenterenKindern andererseits.3. 1870 bis 1918 | 973.14. Geistige Mütterlichkeit oder Beitrag zur „Rassenverbesserung“?Um einer Zurückdrängung in den häuslichen Bereich und der Entwertung der weiblichen Arbeit entgegenzuwirken,entwickelte der gemäßigte Flügel der Frauenbewegung in der Tradition der Kindergartenpädagogikdes Pestalozzischülers Friedrich Fröbel (1782 bis 1852) noch vor der Jahrhundertwendedas Konzept der „geistigen“ oder „sozialen Mütterlichkeit“ jeder Frau, „die psychische Mütterlichkeit,die die Natur sozusagen als Mutterbereitschaft dem weiblichen Geschlecht mitgegeben hat, jenerTrieb zur Fürsorge für alles Schwache und Hilfsbedürftige,“ 479 die es nicht zuletzt durch eine profes-476VVB 26.10.1904, S. 1. Die neutrale VLZ gab nur Wiener Zeitungskommentare wieder (VLZ 20.10.1904).477U. a. Engelbrecht, Bildungswesen 4, S. 280–281; Kronreif, Frauenemanzipation, S. 70–90; Barth-Scalmani,Professionalisierung, S. 375–381; Tesar, Professionalisierung, S. 156–163; Oppitz, Gehalt und Zölibat, S. 24–39u. 50–60.478Feld Leon und Léon Feld, Fräulein Lehrerin. Volksstück in drei Akten. Wien 1905. Hinter dem Pseudonymversteckt sich Victor Léon, eigentlich Victor Hirschfeld, der zeitgleich Libretti für Lehárs „Lustige Witwe“ lieferteund Volksstücke zum Teil gemeinsam mit seinem Bruder Leo Hirschfeld verfasste. – Oppitz, Gehalt und Zölibat,S. 87–90; Tesar, Professionalisierung, S. 164–165.479Helene Lange, zitiert nach: Kuhn, Familienstand, S. 77. – Zum Folgenden, ebenda, S. 75–79; Stritt, InternationalerFrauenkongress, S. 11–33; Kerchner, Beruf und Geschlecht, S. 41–42; Fleßner, Mütterlichkeit, S. 11–19;Barth-Scalmani, Professionalisierung, S. 376–381; Friedrich, Frauenberuf, S. 111–112.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!