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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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96 | 3. 1870 bis 1918Beifall.)“ 468 – Die Reaktion der drei <strong>Vorarlberg</strong>er Lehrer, die als Stipendiaten des liberalen „Vereins derVerfassungsfreunde“ teilnahmen, 469 ist nicht überliefert.In Schweizer Lehrerkreisen rieten dagegen sogar verheiratete Lehrerinnen ihren jungen Kolleginnenaufgrund ihrer Erfahrungen vom Heiraten ab; etwas müsse immer leiden, die Schule oder der Haushalt,oft beides; und viele Männer umgarnten ein Fräulein mit sicherem Einkommen, um sich von ihmernähren zu lassen. 470 In Österreich war die Lehrerin denn schon früh als „Goldkind“ verunglimpftworden. 471Andrerseits wurde in der Schweizer Diskussion der 1870er-Jahre gegen die Verwendung von Lehrerinneneingewendet, dass sie nur kurz im Schuldienst blieben, um dann zu heiraten, dass sich diestaatlichen Investitionen in ihre Ausbildung nicht rentierten. „Über die Reproduktionsfähigkeit derFrau legitimieren die Schulautoritäten deren Ausschluss aus dem Schuldienst, um zugleich aufzuzeigen,dass die kurze Berufsverweildauer den ökonomischen Ansprüchen nicht zu genügen vermag.Einen Ausweg aus diesem Dilemma bietet das Bild der unverheirateten Lehrerin, die, unbelastet vonhäuslichen Subsistenzleistungen, ihre gesamte Kraft und Zeit der Schule zur Verfügung stellen kann.Diese Lösung erweist sich nur als vermeintliche, denn – und hier beginnt der Zirkel des Argumentationsganges– ledige Lehrerinnen stellen, indem sie nicht heiraten und zukünftige Generationengebären, eine ‚Unnatur’ dar, der Einhalt zu gebieten ist.“ 472Die Einführung des <strong>Lehrerinnenzölibat</strong>s in Niederösterreich einschließlich der Weltstadt Wien fand1904 international Beachtung, wurde auch in Deutschland oder der Schweiz als Signal empfunden.Luegers Christlichsoziale, die nun mit ihrem Programm einer Rechristianisierung von Schule und Familieernst machten, 473 griffen auf die bereits bekannten Argumente zurück: schwangere Lehrerinnenseien unschicklich, ihre Vertretung verursache zusätzliche Kosten und sei pädagogisch problematisch;die natürliche Bestimmung der Frau sei die Ehe und Mutterschaft, die mit einem Erwerbsberuf unvereinbarseien. Zudem gefährde das Vordringen der Frauen in männliche Erwerbsdomänen die Existenzgründungder Männer; der „ideale Zustand“ sei aber doch, dass dem Lehrer „Gelegenheit gegebenwerde, sich eine ausreichende Existenz zu schaffen, um einen Hausstand zu gründen und die Frauihrem eigentlichen Beruf als Gattin und Mutter zuführen zu können.“ 474In <strong>Vorarlberg</strong> erregte die niederösterreichische Zölibatsdebatte keine Aufregung, die Medien spartensie in ihrer Berichterstattung aus. Der deutschnationale „<strong>Vorarlberg</strong>er Volksfreund“ geißelte dieSchulreform als „Anschlag gegen die freie Schule und den Lehrerstand“. 475 Das christlichsoziale „Vor-468Lehrerversammlung Wien 1870, S. 68.469VLA: LSR II 168/1870.470Hodel, <strong>Lehrerinnenzölibat</strong>, S. 24–25.471Freie pädagogische Blätter 8 (1874) 2, S. 28, zitiert nach Kronreif, Frauenemanzipation, S. 77.472Corti, Lehrerinnen, S. 274.473Vgl. Parteiprogramm der christlichsozialen Arbeiterpartei 1896, Art. 9 u. 10, ediert in: Berchtold, Parteiprogramme,S. 169–172.474Dr. Josef Porzer, zitiert nach Oppitz, Gehalt und Zölibat, S. 84.475VVF 26.10.1904, S. 3 (Pfui Teufel!).

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