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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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entlassen konnte. So war 1898 die Hälfte der Elementarschullehrerinnen verheiratet. Doch als vieleLehrschwestern ihre Ordensgemeinschaften verließen und als weltliche Lehrerinnen in den öffentlichenSchuldienst traten, schrumpfte der Anteil verheirateter Lehrerinnen bis 1911 auf ein Drittelzusammen. Damit lag Frankreich allerdings international immer noch mit Abstand an der Spitze.3. 1870 bis 1918 | 933.13. Motive für die EhebeschränkungenEine Begründung für die Heiratsbeschränkungen gab 1869 weder das Ministerium noch der <strong>Vorarlberg</strong>erLandtag. Sie sahen sie offenbar als selbstverständlich an. Auch das konservative „<strong>Vorarlberg</strong>erVolksblatt“ und die liberale „Feldkircher Zeitung“ thematisierten den <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> in ihrer gegensätzlichenLandtagsberichterstattung über das Lehrergesetz mit keinem Wort. 451Vieles spricht dafür, dass der <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> tatsächlich ein „Zipfel des Klosterschleiers“ war,wie das Zeitgenossinnen beklagten, 452 dass die zölibatäre Nonne das Leitbild der Lehrerin historischgeprägt hatte. 453 Aber sollen sich ausgerechnet liberale, kulturkämpferische Schulreformer an diesemLeitbild orientiert haben?Ein Stück weit hilft uns zum Verständnis ein Vergleich mit dem Staatsdienst weiter. Auch dort galtenEhebeschränkungen, die geringsten im Bereich des Zivilstaatsdienstes, empfindliche bei den Militärbeamten,den Offi zieren der Landwehr und Gendarmerie, besonders rigoros bei den Offizieren desHeeres. 454 Es ging darum, die „Standesgemäßheit“ zu wahren, im Extremfall eine Proletarisierungdurch die Familiengründung zu verhindern. Von einem k. u. k. Leutnant wurde 1907 eine Heiratskautiongefordert, die dem 75-fachen seiner Jahresgage entsprach! Ein Zivilbeamter in Provinzstädtenmusste 300 Gulden Jahreseinkommen nachweisen, auf dem Land 200 Gulden, sonst ging seine allfälligeWitwe der Pension verlustig.Mit Nebenverdiensten, auf die sie ohnehin angewiesen waren, hätten die Unterlehrer dieses Minimaleinkommenbereits nach dem 1869 beschlossenen <strong>Vorarlberg</strong>er Gehaltsschema erreicht. Siewurden jedenfalls in ihrer Ehefreiheit weit stärker und länger eingeschränkt als zivile Staatsdiener.Der Ehekonsens für Unterlehrer erinnert mehr an den „politischen Ehekonsens“ für soziale Unterschichten,der in Tirol und <strong>Vorarlberg</strong> in bayerischer Zeit und erneut 1820 eingeführt worden war, 455451VVB 26.10.1869, S. 543–544, 29.10.1869, S. 551–553, 02.11.1869, S. 559, 09.11.1869, S. 575–576; FZ30.10.1969, S. 345–348. Ebenso die neutrale VLZ 28.10.1869, 30.10.1869.452Isabella Santy 1870 auf der Allgemeinen deutschen Lehrerversammlung in Wien (LehrerversammlungWien 1870, S. 68). – Vgl. auch Lischnewska, Lehrerin 1905, S. 17; Lischnewska, Lehrerin 1904, S.3; N. N., Eheverbote und Ehekonsense, S. 278.453Z. B. Gahlings/Moering, Volksschullehrerin, S. 76; Weinzierl, Emanzipation, S. 77; Andraschko/Ecker, Frauenim Lehrberuf, S. 296 u. 300; Kronreif, Frauenemanzipation, S. 172; Seebauer, Frauen, S. 129; Beilner, Emanzipation,S. 31.454Zum Folgenden: Megner, Beamte, S. 162–171.455Hofdekret 12.05.1820, PGSTV Bd. 7, 1820/94; ausgeweitet LGBl. Nr. 87/1849/50. Mantl, Heirat als Privileg;Mantl, Verordnete Ehelosigkeit, S. 47–65.

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