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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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90 | 3. 1870 bis 1918nur in Kroatien sah sie sich seit 1888 mit einem gesetzlichen <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> konfrontiert. DemKönigreich Kroatien kam innerhalb des ungarischen Staates eine Sonderstellung zu; unter anderemverfügte sein Landtag die Gesetzgebungshoheit im Bereich Kultus und Unterricht. 1914 gestand derLandtag den defi nitiven Lehrerinnen die Ehefreiheit zu, den provisorischen einen Ehekonsens, 427 gegenden Trend.Denn international lief der Trend in Richtung Zölibatisierung und wurde auch auf einem internationalenFrauenkongress thematisiert, zu dem sich Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenbewegungen imJuni 1904 in Berlin trafen. Im Deutschen Reich sei die Lehrerin „zum Cölibat verurteilt“, der bei vielenkörperliche Leiden und seelische Verkümmerung hervorrufe, klagte Fräulein Maria Lischnewska, diezum „radikalen“ Flügel der Frauenbewegung zählte. Die Schule könne die immer wachsende Zahl von„‚Staatszölibatären’“ nicht ertragen. Daher werde es in den nächsten Jahrzehnten eine der vornehmstenAufgaben des Standes sein, „das Recht auf ein volles Menschendasein für das junge Geschlechtder Volksschullehrerinnen zu erkämpfen.“ 428Die Spandauer Volksschullehrerin war stellvertretende Vorsitzende des „Landesvereins PreußischerVolksschullehrerinnen“, der im Anschluss an den allgemeinen Kongress zur ersten InternationalenLehrerinnenversammlung einlud, zum Thema „Die verheiratete Lehrerin“. Fast 2.500 Personen hörtenReferate Lischnewskas über „Die verheiratete Lehrerin“ sowie einer Juristin über „Die rechtlichenGrundlagen des Cölibats der Lehrerinnen“ in Preußen, 429 die samt der anschließenden Diskussionveröffentlicht und weit verbreitet werden sollten. Die Vereinsvorsitzende Elisabeth Schneider machtegleich in ihrer Begrüßung klar, dass sie eine „entschiedene Gegnerin“ der Forderung der Zölibatsaufhebungsei, die bisher nicht von Lehrerinnenkreisen, sondern aus den Reihen der fortschrittlichenFrauenvereine hervorgegangen sei. 430 Ihre Stellvertreterin Lischnewska war anderer Ansicht.In einer für viele empörend freimütigen Art wandte sich Maria Lischnewska allgemein gegen die „Ehelosigkeitder weit überwiegenden Masse“ als Begleiterscheinung der modernen Erwerbsarbeit derFrau und speziell gegen Ausschluss öffentlich bediensteter Frauen von Ehe und Mutterschaft, 431 derinternational fortschreite, zum Beispiel auch in Niederösterreich drohe. Der „Staatscölibat“ schädigedie Betroffenen, denn „erst in der Verbindung von Mann und Weib haben wir den ganzen Menschenvor uns“, darum sei ein eheloses Leben „immer irgendwie ein halbes, verkümmertes Dasein“. Daherkomme es, „daß uns so oft unter den Lehrerinnen das traurige Bild der vereinsamten, älteren Frau entgegentritt,das sich selbst körperlich kennzeichnet in jener Hagerkeit und in schwerer Nervosität.“ 432Die jüngeren Lehrerinnen dagegen sähen ihren Beruf aufgrund des Zölibats nur noch als Durchgangsstadium,während auf dem Land Lehrermangel herrsche. Doch die wirtschaftlichen Umwälzungen,die zunehmend erwerbstätige Frauen erforderten, würden die „Knechtschaft der Frau“ beenden: „Solange es für eheliche Hingebung Essen, Trinken, Kleider und Schuhe gibt, ist mit der Frauenbefreiung427Vittorelli, Frauenbewegung, S. 148–151.428Lischnewska, Volksschullehrerinnen, S. 274 u. 275. – Zu ihr: Ichenhaeuser, Bilder, S. 31–32.429Raschke, Grundlagen.430Internationale Lehrerinnenversammlung, S. 8.431Lischnewska, Lehrerin 1905, S. 11 u. 12.432Ebenda, S. 16.

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