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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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76 | 3. 1870 bis 1918dem städtischen Bürgertum rekrutierten, auf eine Lehrstelle im ländlichen Bereich nicht erpicht unddort aufgrund der Milieuunterschiede auch nicht immer willkommen waren. 355In <strong>Vorarlberg</strong> mussten sie nicht aus einer Großstadt stammen, schon den Fräulein „vom Land draußen“fi el es nicht immer leicht, den Ansprüchen einschichtiger Dorfautoritäten gerecht zu werden.„Die Fräulein Lehrerinnen waren sowohl während der Ferien als auch fast an allen Festtagen, wennmehr als 1 Feiertag war, von hier abwesend,“ klagte 1933 der Pfarrer der Gemeinde Schoppernauim hinteren Bregenzerwald, die sich um eine Lehrschwester bemühte. Darunter habe die Beaufsichtigungder Kinder in der Kirche gelitten, und in der Führung der Sonntagsschule hätten die FräuleinLehrerinnen bis auf eine völlig versagt. „Endlich benötiget die weibliche heranwachsende Jugendnicht, an den Fräulein Lehrerinnen ständig die neuesten Moden zu bewundern, sondern Einfachheit,Wohlanstand und Bescheidenheit vorgelebt zu sehen.“ 356Die Lehrpersonen hatten von Gesetzes wegen in ihren Schulgemeinden zu wohnen. Ihre sozialen Verpflichtungen endeten nicht mit dem Unterricht und das Leitbild der Lehrschwester wirkte sich auf dieweltlichen Lehrerinnen nicht nur hinsichtlich des Zölibats als Hypothek aus. Schoppernau wollte vorallem deshalb lieber eine Lehrschwester, weil sie gleichzeitig als Krankenschwester aushelfen sollte.Die Armen- und Krankenpfl ege war für zahlreiche Gemeinden ein zumindest gleich starkes Motiv, dieMutterhäuser um die Errichtung einer Filiale zu ersuchen. Soweit Organisten, Mesner, Kassenverwalter,Bienenzucht- und Obstbaufunktionäre, Chorleiter oder Kapellmeister benötigt wurden, sprach dasfür die Anstellung von Lehrern.3.9.6. ArbeitsmigrationDass die Zahl der weltlichen Lehrerinnen kaum gewachsen sei, weil es in <strong>Vorarlberg</strong> keine Ausbildungsmöglichkeitengab, 357 ist schon deshalb ein Fehlschluss, weil die Zahl der weltlichen Lehrerinnenkontinuierlich und überproportional zunahm.Die kaum zu beantwortende Frage müsste lauten, ob der Anteil an gebürtigen <strong>Vorarlberg</strong>erinnen höhergewesen wäre, wenn es in <strong>Vorarlberg</strong> eine Lehrerinnenbildungsanstalt gegeben hätte.Über die vom Landesausschuss noch um 1890 beklagte Abwanderung von Lehrern aus <strong>Vorarlberg</strong> inandere Länder, wo sie besser entlohnt würden, liegen keine Untersuchungen vor. Ebenso wenig zurFrage, ob, wann und in welchem Ausmaß Lehrer nach <strong>Vorarlberg</strong> zuwanderten.Bei den Lehrerinnen ist evident, dass der kostengünstige „Import“ zur Folge hatte, dass lange Zeit derüberwiegende Teil der Lehrerinnen nicht in <strong>Vorarlberg</strong> aufgewachsen war. Als Geburtsort, der freilichnur ein Indiz sein kann, ist im Lehrerschematismus 1902 bei 44 Prozent der Schwestern ein Ort in Tirol(einschließlich der heute italienischen Landesteile) und bei 23 Prozent ein Ort im Deutschen Reich,355Schmude, Feminisierung, S. 50–54; Bölling, Sozialgeschichte, S.356VLA: LSR VIII-22/1934 (622/1934): Pfarrer Franz Josef Jutz an LH Ender, Schoppernau 01.08.1933.357Wanner, Lehrerbildung, S. 103; ähnlich Wirthensohn, Ausbildung, S. 19.

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