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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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54 | 3. 1870 bis 1918dung abgesprochen, dass die – ausschließlich männlichen – Gesetzgeber Frauen generell für unfähighielten, ihr aktives Wahlrecht persönlich auszuüben.Das galt zunächst auch für <strong>Vorarlberg</strong>. Selbst wenn Katharina Huber als Wählerin zugelassen wordenwäre, hätte sie ihr Wahlrecht noch nicht selbst wahrnehmen dürfen. Die in ehelicher Gemeinschaftlebenden Gattinnen hatten es durch ihre Ehegatten, andere „eigenberechtigte Frauenspersonen“durch einen Bevollmächtigten ausüben zu lassen. 248 Erst die Gemeinde- und Landtagswahlreform1909 räumte den eigenberechtigten Steuerzahlerinnen ein persönliches Wahlrecht ein. – Damit wärefür die ledigen <strong>Vorarlberg</strong>er Lehrerinnen die höchstgerichtliche Argumentation zum Teil obsolet geworden.– Das Wahlrecht von Ehefrauen übten hingegen weiterhin ihre Ehemänner aus, denen aber,auch wenn sie selbst wahlberechtigt waren, für beide gemeinsam nur noch eine Stimme zukam. 249In dieser Hinsicht stand nun <strong>Vorarlberg</strong> in Österreich in Sachen Frauenwahlrecht an der Spitze derDemokratisierung. 250 Vom Landtagswahlergebnis 1909 war die „fortschrittliche“ Frauenbewegung jedochenttäuscht. Die Beteiligung der Frauen habe keine neuen Ergebnisse gebracht, „denn die Frauenwählen in der Mehrzahl gleich den Männern jener Gegend, im Sinne der klerikalen Partei.“ 251 Daswerden jene Sozialdemokraten als Bestätigung empfunden haben, die den Frauen das Wahlrechtnoch nicht zugestehen wollten, weil sie reaktionär und klerikal seien. 252 Die <strong>Vorarlberg</strong>er Sozialdemokratensollten sich noch 1919 mit dem Argument gegen die Wahlpflicht aussprechen, dass ein großerTeil der Frauen in Verlegenheit sei, „was sie mit diesem Geschenk anfangen sollen.“ 253 Sie wählten,wie befürchtet, christlichsozial.Der Verwaltungsgerichtshof hatte seine Auffassung inzwischen diametral geändert. 1904 war er inhistorischer Wortinterpretation zur Erkenntnis gelangt, dass der böhmische Landesgesetzgeber 1864unter „Lehrer“ nicht nur männliche Lehrpersonen gemeint haben müsse. Die besonderen Eigenschaften,die dieses bevorzugte Wahlrecht rechtfertigten, seien ausschließlich in der öffentlichen Anstellungund in der höheren Bildung der Lehrer zu erkennen, die ganz in derselben Weise und in demselbenMaß auch bei den Lehrerinnen zutreffe. 254Es bliebe zu klären, ob bei den <strong>Vorarlberg</strong>er Landtags- und Gemeindewahlen 1909 definitive Lehrerinnenvon ihrem Wahlrecht Gebrauch machten und machen konnten. Bei der Verabschiedung einer neuenGemeindewahlordnung war das Thema nicht zur Sprache gekommen, die maskuline Formulierung248LGBl. Nr. 20/1890, § 4 Z. 1.249LGBl. Nr. 16/1909, § 6; LGBl. Nr. 14/1909, § 10 Abs. 2.250Therese Schlesinger hielt dem auf der sozialdemokratischen Frauenkonferenz 1908 entgegen, dass die Sozialdemokratenfür die Männer auch das Wahlrecht angestrengt hätten, „als sie noch reichlich ebenso sehr im Bannedes Klerikalismus gestanden sind, als unsere Frauen heute stehen“ (Frauenwahlrecht, S. 29). Vgl. Bader-Zaar,Bürgerrechte, S. 552.251A. R. E. in: Neues Frauenleben 21 (1909) 8, S. 207.252Bader-Zaar, Bürgerrechte, S. 556.253Fritz Preis, StenSib PVLV, 8. Sitzung 21.01.1919, S. 7.254Erkenntnis 06.07.1904 (VwGH Slg Nr. 2805 A). Entsprechend auch Erkenntnis 23.06.1909 (VwGH Slg 6831 A)zu Istrien, Erkenntnis 31.05.1911 (VwGH Nr. 8276 A) zu Dalmatien, Erkenntnis 19.02.1913 (VwGH Slg Nr. 9424A) zu Böhmen.

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