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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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3. 1870 bis 1918 | 531897 ließ sich die 39-jährige Lehrerin für die Gemeindewahl in Dornbirn in die Wählerliste eintragen.Doch über Reklamation des deutschnationalen Rechtsanwalts und Gemeindevertreters Dr. Franz Feierle(1861 bis 1926) strich sie die Reklamationskommission der Gemeinde wieder. Huber versuchte, dagegenein Rechtsmittel zu ergreifen. Die Gemeindewahlordnung mache keinen Unterschied zwischenmännlichen und weiblichen Lehrpersonen und es werde „billigenderweise“ wohl nicht angehen, „derLehrerin, die ihre Eignung für das Lehramt gleich dem Lehrer durch dieselben Studien und ebensoviele Prüfungen erbringen muß, die Eignung für die Ausübung des Wahlrechts abzusprechen.“ 244 Diek. k. Statthalterei wies ihren Rekurs aus formalen Gründen zurück: Die Reklamationskommission entscheideendgültig.Das stimmte zumindest insofern nicht, als ihre Entscheidungen bei den Höchstgerichten anfechtbarwaren. Huber ließ es aber offenbar damit bewenden.Das Reichsgericht war ein Vorläufer des Verfassungsgerichtshofs mit bescheidenen Kompetenzen.So stand ihm noch keine Normenkontrolle zu, konnte es zum Beispiel nicht ein Gesetz daraufhinüberprüfen, ob es mit den Staatsgrundgesetzen im Einklang war. Nach dem damals herrschendenRechtsverständnis hätten sich die Frauen davon allerdings nicht allzu viel erwarten dürfen. 245 DieseErfahrung machten auch zwei mährische Lehrerinnen, die als Staatsbürgerinnen von ihrem RechtGebrauch machten, beim Reichsgericht Beschwerde wegen Verletzung ihrer durch die Verfassung gewährleistetenpolitischen Rechte zu erheben, nachdem sie ebenfalls aus der Wählerliste herausreklamiertworden waren. Das Höchstgericht erteilte ihnen 1884 eine Abfuhr. Die Ausnahmebestimmungenin der mährischen Gemeindewahlordnung seien eng auszulegen. Es gehe deshalb nicht an, dasbevorzugte Wahlrecht für „Lehrer“ im Interpretationsweg auf Lehrerinnen auszudehnen, zumal auchdie übrigen Kategorien des Intelligenzwahlrechts durchaus nur Personen männlichen Geschlechts imAuge hätten. Zudem stünde einer solchen Auslegung auch die Erwägung entgegen, dass Frauen undMänner hinsichtlich ihrer Wahlrechte und deren Ausübung nicht gleichgestellt, Frauen vom passivenWahlrecht gänzlich ausgeschlossen seien und auch ein aktives Wahlrecht nicht von ihnen persönlich,sondern nur durch andere Personen männlichen Geschlechts ausgeübt werden könne. 246Der Verwaltungsgerichtshof gelangte in vier gleich gelagerten Fällen zu den GemeindewahlordnungenSchlesiens (1888), Böhmens (1890), Galiziens (1893) und Mährens (1896) zum selben Ergebnis. 247Einmal abgesehen davon, dass die Wahlordnungen auch nur maskulin von „Gemeindebürgern“ sprachen,verblüfft das zweite Argument: Lehrerinnen wurde das „Intelligenzwahlrecht“ mit der Begrün-244VLA: BH Feldkirch L-14/1897: Huber an BH Feldkirch, Dornbirn 28.12.1897.245Vgl. Floßmann, Grundrechtssubjektivität.246Erkenntnis 14.10.1884 (RG Slg Nr. 305). Vgl. Bader-Zaar, Bürgerrechte, S. 552.247Erkenntnis 28.12.1888 (VwGH Slg Nr. 4427). Darauf verweist Erkenntnis 18.12.1890 (VwGH Slg Nr. 5619). Fastgleich lautende Begründung in Erkenntnis 16.10.1896 (VwGH Slg Nr. 9984). Mit Erkenntnis 25.10.1893 (VwGH SlgNr. 7473) wurde gleichzeitig auch die Vorsteherin eines Klosters der Barmherzigen Schwestern in Galizien ausder Wählerliste gestrichen, die sich als „Geistliche“ hatte eintragen lassen. Weitere ablehnende Entscheidungenzum Lehrerinnenwahlrecht: Erkenntnis 18.11.1899 (VwGH Slg Nr. 13393) zu Böhmen; Erkenntnis 21.11.1903(VwGH Slg Nr. 2150 A) zu Mähren. Zum aktiven Wahlrecht in den verschiedenen Gemeindewahlordnungen:Mayrhofer, Handbuch 5/2, S. 723–747; Mayrhofer, Handbuch 5/EBd1, S. 389–542.

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