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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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3. 1870 bis 1918 | 41Wenn in Versammlungen des liberalen „<strong>Vorarlberg</strong>er Landeslehrervereins“ mit pädagogischer Begründunggegen die Geschlechtertrennung in der Volksschule argumentiert wurde, hatte das nebenideologischen vor allem standespolitische Gründe. Denn dieses Verlangen habe, wie ein Lehrer 1883zu wissen meinte, „meistenorts zum Hintergrund die Einbürgerung der barmherzigen Schwesternüberhaupt, dann die Ueberlieferung der größern Mädchen an dieselben“. 164 – Das wird hier und daeine Rolle gespielt haben, näher kam der Sache ein Vergleich der Kostenstrukturen im „Tiroler Schulfreund“,dem Vereinsorgan der liberalen Lehrer, der auf die sehr große Zahl der weiblichen Lehrkräfte,„alias der billigen (!) barmherzigen Schwestern“ hinwies – 165 wobei „Barmherzige Schwestern“ in<strong>Vorarlberg</strong> als Synonym für Lehrschwestern verschiedener Gemeinschaften verwendet wurde. 166Wenn sich so viele Gemeinden um Schwestern bemühten und zum Teil auch Mädchenklassen einführten,ging es ihnen meist weniger um Sitte und Seelenheil. Das nahm man als Zubrot, zum Vorwandoder in Kauf. Mancherorts wird man die pfl egeleichteren, mobilen Schwestern auch kritischen „Dorfprofessoren“vorgezogen haben. Vor allen aber ging es um Kostenvorteile, zumal sich der Schulaufwandfür die Gemeinden durch das Reichsvolksschulgesetz empfindlich erhöhte.So entschied sich 1870 die Gemeinde Lustenau, die ihren Lehrern Gehälter über Jahre schuldig blieb,zwei Mädchenklassen zu errichten und dafür Barmherzige Schwestern zu engagieren. 1889 bezog einnormaler Lustenauer Lehrer jährlich 440 Gulden, die drei Lehrschwestern zusammen 96 Gulden plusKost und Logis im Armenhaus. 167 Und das war kein Einzelfall, sondern Standard.Das zeigt eindrücklich eine Aufstellung über die Lehrergehälter, die der Landesausschuss dem Landtag1891 vorlegte: 168 Es gab 195 öffentliche Volks- und Bürgerschulen mit 339 systemisierten Lehrstellen,davon nur 34 für Frauen. Es unterrichteten aber allein 59 Schwestern an den Schulen. 169 DieHälfte war also auf Stellen für männliche Kollegen berufen worden, meist nur provisorisch. Möglichund nötig war das aufgrund des eklatanten Lehrermangels. Über ein Viertel der Lehrstellen konntenur mit Aushilfslehrern ohne Lehrbefähigung besetzt werden; „in <strong>Vorarlberg</strong> sollen sogar einzelneNothlehrer im Alter von 15 Jahren aufgenommen werden,“ heißt es 1898 in einer Darstellung derösterreichischen Volksschule. 170 Dieses Gerücht spricht für einen notdürftigen Ruf des <strong>Vorarlberg</strong>erSchulwesens. Auch der Landesschulinspektor führte den mangelnden Erfolg zu einem guten Teil aufdie beträchtliche Anzahl der Aushilfslehrer zurück, „welchen das erforderliche Wissen und Können164Tiroler Schulfreund 4 (1883), S. 179, zitiert nach: N. N., Zehn Jahre unter der roten Flagge, S. 176–177; zu denAuseinandersetzungen um die Barmherzigen Schwestern: ebenda, S. 174–177. Zu dieser Propagandaschrift vgl.Girardi, Volksschulgeschichte, S. 181–182.165N. N., Gedanken, S. 263.166Vgl. Anm. 169.167Bösch, Lustenau, S. 62.168StenSib 7. VLT 2. Se 1891/92, Blg 1; Original und weitere Unterlagen in: VLA: LA SF 23/2. – Vgl. eine gleichartigeAufstellung für 1896 in: StenSib 8. VLT 1. Se Blg 17, und VLA: LA SF 23/2.169Es ist im Bericht einheitlich von „Barmherzigen Schwestern“ die Rede, in Dornbirn-Haselstauden und in Schlinsunterrichtete aber je eine Kreuzschwester, in Göfi s eine Ilanzer Schwester (vgl. Anhang).170Vgl. Frank, Volksschule, S. 118–119. Einen ausgezeichneten Einblick in die Schulpraxis und -statistik jenerJahre bietet der Jahresbericht LSR <strong>Vorarlberg</strong> 1896/97 bis 1904/05.

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