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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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Sehen wir vom hohen Anteil der Lehrschwestern ab, war <strong>Vorarlberg</strong> kein Sonderfall. Spätestens ab1900 war in Österreich, im Deutschen Reich sowie in der Schweiz ein Trend zur Zölibatisierung, zurVerdrängung verheirateter Lehrerinnen aus dem Schuldienst, zu beobachten. In der Regel reagiertendie Schulbehörden damit auf einen Lehrerüberschuss. In anderen österreichischen Ländern stellte ersich bereits um 1880 ein und entfachte einen Konkurrenzkampf. Die Lehrer fürchteten um ihr Fortkommenund Sozialprestige, stellten die körperlichen und intellektuellen Voraussetzungen der Frauen zumLehrberuf in Frage und warnten vor den gesellschaftlichen Folgen einer „Verweiblichung“ der Schule.In <strong>Vorarlberg</strong> gab es in der liberalen Lehrerschaft Animositäten gegen die „billigen“ BarmherzigenSchwestern, die ideologisch unterfüttert waren. Zu massiven Auseinandersetzungen kam es allerdingsnicht.Im Deutschen Reich wurden Zölibatsklauseln vorwiegend in die Dienstverträge eingebaut, in derSchweiz verheiratete Lehrerinnen nicht wiederbestellt. In Österreich waren Beschränkungen gesetzlichauf Länderebene geregelt, wobei sämtliche Landesgesetze bis 1918 nur mit kaiserlicher Sanktionin Kraft treten konnten. Die Modelle reichten von der Ehefreiheit über einen Ehekonsens (Bewilligungspflicht) bis zu einem Eheverbot. Die Tendenz ging schließlich immer mehr zum strikten Eheverbot.Am Vorabend des Ersten Weltkriegs stand Lehrerinnen nur noch in Dalmatien und im niederösterreichischenSchulbezirk Wien das Heiraten grundsätzlich frei. In den meisten Ländern galt zudemfür nicht defi nitiv angestellte Lehrer der Ehekonsens.Mit dieser Restriktionswelle wurde der <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> um 1904 international zum Diskussionsthema,wobei sich die organisierten Lehrerinnen in Österreich wie im Deutschen Reich mit großerMehrheit für den Zölibat aussprachen. Die Gegner erhielten während des Ersten Weltkriegs Auftrieb,als immer mehr Lehrerinnen eingerückte oder gefallene Lehrer ersetzen mussten.In <strong>Vorarlberg</strong> wurden auch während des Krieges verheiratete Lehrerinnen nur vereinzelt und nur alsAushilfen in den Schuldienst verpfl ichtet. Es war daher nicht nötig, verheiratete Lehrerinnen nachKriegsende abzubauen.Im neuen Österreich blieb die Grundsatzgesetzgebung in Schulfragen weiterhin beim Bund, die Ausführungsgesetzgebungbei den Ländern. Von 1920 bis zur autoritären Verfassung von 1934 konntendie Landesschulgesetze jedoch nur in Kraft treten, wenn und sobald das Bundesparlament buchstabengleicheBundesgesetze verabschiedete. Sämtliche Ehebeschränkungen und Abbaumaßnahmen,die die Landtage in dieser Zeit erließen, waren mit dem Bundesparlament paktiert.Im <strong>Vorarlberg</strong>er Landtag wurde der <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> erstmals 1919 diskutiert, als die Sozialdemokratenseine Abschaffung forderten. Für die christlichsoziale Mehrheit war das Thema rasch erledigt.Die Regelung wurde beibehalten (Lehrerbesoldungsgesetz 1920).Gleichzeitig wurden die Handarbeitslehrerinnen in das <strong>Vorarlberg</strong>er Lehrerdienstrecht einbezogen.Nun galt auch für sie ein gesetzlicher Zölibat, der jedoch durch die Lehrer-Dienstpragmatik 1923eingeschränkt wurde. 1923 wurde in <strong>Vorarlberg</strong>, im Unterschied zu anderen Bundesländern, der Pensionistinnenzölibatwieder aufgehoben. Heiratenden Lehrerinnen stand künftig ein Abfertigungsanspruchzu (Lehrergehaltsgesetz 1923).7. Ergebnisse | 187

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