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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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186 | 7. ErgebnisseDer liberal dominierte <strong>Vorarlberg</strong>er Landtag erhob diese Bestimmungen ohne Diskussion zum Gesetz.Heiratete eine Lehrerin, so wurde das ab 1870 von Gesetzes wegen als freiwillige Dienstentsagunggewertet, womit sie ihre Anstellung und ihre Pensionsansprüche verlor (Lehrergesetz 1870, 1899).Neben Lehrschwestern wurden gegen Ende der 1870er-Jahre allmählich auch weltliche Lehrerinneneingestellt. Doch in keinem anderen Kronland Österreichs war und blieb der Anteil der Lehrschwesternso hoch. Der Hauptgrund dafür dürften die Kostenvorteile gewesen sein. Während <strong>Vorarlberg</strong>erLehrer in anderen Ländern bessere Verdienstmöglichkeiten suchten, „importierte“ bis 1900 fast dieHälfte der <strong>Vorarlberg</strong>er Gemeinden Lehrschwestern, die selbstlos zu Dumping-Löhnen unterrichteten.Möglich war dieses breite Engagement dank vorübergehend enormer Zuwachsraten der katholischenFrauenorden und -kongregationen, die im beginnenden 20. Jahrhundert historische Höchststände erreichten.Hinzu kamen Privatschulen, die das kommunale Angebot ergänzten und ebenfalls überwiegend vonLehrschwestern geführt wurden. Es gab aber auch weltliche Lehrerinnen, die vorübergehend privateVolksschulen betrieben.Die Ausbildung zur Lehrerin blieb bis ins 20. Jahrhundert hinein für Mädchen weithin die einzigeMöglichkeit, regulär eine Mittelschule zu besuchen. Lehrerin war der „Intelligenzberuf“ für Frauenschlechthin. Das „Intelligenzwahlrecht“ wurde ihnen zwar abgestritten, aber schon aufgrund desFixeinkommens mit Pensionsberechtigung und der „Amtsheimat“ waren die Lehrerinnen an öffentlichenPfl ichtschulen ab den 1870er-Jahren ein privilegierter Berufsstand, auch wenn die Gehälter undPensionen schmal bemessen waren. In <strong>Vorarlberg</strong> standen den Lehrerinnen zunächst nur 60 Prozentder „Hungerlöhne“ ihrer männlichen Kollegen zu. Die Entlohnung der Lehrschwestern wurde vertraglichgeregelt und lag noch weit darunter.Als die Orden und Kongregationen um 1900 an ihre Kapazitätsgrenzen stießen, nahm die Zahl derweltlichen Lehrerinnen deutlich zu. Mit ihrem Ledigenstatus boten sie gegenüber den Lehrern undpotenziellen Familienvätern ebenfalls Kostenvorteile, auch wenn die Grundgehälter 1899, 1908 und1919 schrittweise angeglichen wurden.Die Katholisch-Konservativen, später Christlichsozialen, die ab 1870 die Landespolitik beherrschten,stellten die Ehebeschränkungen nicht in Frage, dehnten das Eheverbot mit 1906 sogar auf ehemaligeLehrerinnen aus, die bereits in Pension waren.Die Einführung des Pensionistinnenzölibats ließ die weltlichen Lehrerinnen 1906 erstmals politischaktiv werden. Sie mag auch ein Auslöser dafür gewesen sein, dass sich die Mehrzahl dem KatholischenLehrerverein für <strong>Vorarlberg</strong> anschloss, der einflussreichsten Lehrerlobby, in der sie sich ab1913 in Form einer Lehrerinnensektion weitgehend emanzipierten und selbstbewusst die Rechte derLehrerinnen vertraten. Eine Aufhebung des <strong>Lehrerinnenzölibat</strong>s zählte nicht dazu. Bereits 1908 konntendie Lehrerinnen jedoch erste Erfolge erzielen: Der Versorgungsgenuss der Pensionistinnen ruhtekünftig „nur“ noch für die Dauer ihrer Ehe, aktiven Lehrerinnen, die heirateten, wurden wenigstensihre Pensionsbeiträge zurückbezahlt (Lehrergesetz 1908).

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