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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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und abfällige Bemerkungen über ihre Männlichkeit fürchten. Selbst wenn es ursprünglich Männerund Frauen in einem Beruf gibt, wir nennen den Beruf X, wird nach einiger Zeit ein Geschlecht dominieren.Welches Geschlecht das Primat erreicht, hängt von den beruflichen Alternativen der Männerab. Wenn nach einiger Zeit die Tätigkeit herabgestuft wird, und die Löhne fallen, oder wenn neueTätigkeiten geschaffen werden, die für die Männer ökonomisch interessanter sind, werden sich dieMänner aus X herausziehen. Im Fall der geringeren Attraktivität anderer Tätigkeiten gegenüber Xwerden die Männer X besetzten. Es besteht auch die Möglichkeit der Abwanderung der Frauen inandere Berufe. Für diesen Fall müssen ausländische Arbeiter angeworben werden. Es gibt eine deutlicheHierarchie der Spieler im Wechselspiel der Berufe: die Männer haben immer die erste Wahl. Auchdie Interdependenzen der geschlechtsspezifi schen Zuordnung von Berufen ist bemerkenswert: ob einBeruf von einem Geschlecht bestimmt bleibt oder ob gewechselt wird, hängt nicht nur von den Löhnenund Arbeitsbedingungen des betreffenden Berufs ab, sondern auch von denen alternativer Berufe.Es scheint ausschlaggebende Gründe für das ‚Umkippen’ der Typisierung eines Berufes zu geben.Sobald ein Beruf deutlich von Männern (oder Frauen) bestimmt ist, kippt er sehr schnell und wird mitgroßer Mehrheit männlich (oder weiblich). Bei welchem prozentualen Anteil dieser Punkt der Typisierungerreicht wird, ist je nach Bedarf und historischem Zeitpunkt unterschiedlich.Die Gründe für die Existenz dieses ‚tipping point’ ergeben sich aus der vorherigen Diskussion derStabilisatoren der geschlechtsspezifi schen Zuordnung eines Berufs. Sobald sich ein Beruf als eindeutigmännlich herauskristallisiert hat, verhindern die Männer aktiv ein Eindringen der Frauen, undes widerstrebt den Frauen, sich für den Beruf zu bewerben. Im umgekehrten Fall meiden die Männerdann diesen Beruf. Mit anderen Worten, die Erwartung, daß Berufe entweder für Männer oder Frauensein sollten, erweist sich als eine ‚self-fulfi lling prophecy’.“ 957Zum Zeitpunkt der Schulreform 1869/70 war der Unterricht an den <strong>Vorarlberg</strong>er Pflichtschulen nocheindeutig ein Männerberuf. Doch der Landtag, ein „Männerparlament“, setzte die Mindestgehälterso niedrig fest, dass es für einen Mann und potentiellen Familienerhalter im Vergleich nicht lukrativwar, in <strong>Vorarlberg</strong> zu unterrichten. Die Schulerhalter und Schulbehörden, durchwegs von Männernrepräsentiert, wichen deshalb zunehmend auf die Rekrutierung von Frauen aus, zunächst in großemAusmaß auf „Immigrantinnen“, wobei die Lehrschwestern zu Dumpinglöhnen arbeiteten. Aus Konkurrenzgründenmusste der Katholische Lehrerverein an einer Angleichung der Frauenlöhne interessiertsein, obwohl das dem Image des Männerberufs nicht zuträglich war. Wie in den USA blieben an größerenSchulen die Leitungspositionen Männern vorbehalten. Während des Zweiten Weltkriegs kippteder Männerberuf vorübergehend in einen Frauenberuf. Es ist allerdings fraglich, inwieweit sich Frauen,zumal Mütter, freiwillig die Positionen der Männer übernahmen oder von einem diktatorischenRegime dazu gezwungen sahen. Zudem wurden in die Schulen zu einem guten Teil nur provisorischstatt professionell ausgebildeten Frauen verpfl ichtet. Den männlichen „Arbeitgebern“ war ab 1945zunächst sehr daran gelegen, das Umkippen in einen Frauenberuf zu verhindern. Sie steuerten gezieltdagegen, allerdings nicht mit dem Ziel einer Gewinnmaximierung. Strober würde wohl argumentieren,dass die Ideologie einschließlich des subtilen Drucks durch Familie, Angestellte, Kunden und„die Gesellschaft“ bestimmte Einstellungstabus Arbeitgeber daran hindern, eine Gewinnmaximie-957Ebenda, S. 139–141.6. Nach 1945 | 181

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