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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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6. Nach 1945 | 177Karenzzeiten zur Folge. Die <strong>Vorarlberg</strong>er Schulverwaltung habe deshalb damit begonnen, eine Lehrerreserveaufzubauen. Pro Bezirk stünden zwei Lehrerinnen für plötzliche Ausfälle bereit; 941 zwei Jahrespäter waren es insgesamt bereits 50. 942Mit der Verknappung der freien Lehrerstellen wurde im ehemaligen „Zölibatsland“ <strong>Vorarlberg</strong> dieDoppelverdiener-Frage erstmals wirklich aktuell. Landesrat Gasser kündigte im September 1984 an,dass künftig Alleinverdiener bei der Anstellung bevorzugt würden. Ein Bankdirektor etwa müsse seineFamilie auch allein erhalten können. Neulehrern und geschiedenen Frauen, die zu einer Bewerbunggezwungen seien, werde der Vorrang eingeräumt, der soziale Aspekt bei Personalentscheidungenbedeutender. Auch die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung sei erstmals bei der Anstellung von fünfArbeitslehrerinnen genützt worden. 943 Diese Ankündigungen sorgten für Aufregung. Gasser stellteklar, dass keine Lehrerinnen zur Annahme einer Teilzeitbeschäftigung gezwungen würden. 944 Alle Absolventender Pädagogischen Akademie Feldkirch seien untergebracht, nur Bewerber aus anderenLändern wieder nach Hause geschickt worden. Falsch seien Gerüchte, man wolle Lehrerinnen währendder Karenzzeit das Anstellungsverhältnis aufkündigen; abgesehen davon, dass das rechtlich garnicht möglich sei. 945Johanna Dohnal (1939 bis 2010, SPÖ), Staatssekretärin für Frauenfragen, ließ dennoch über die „SozialistischeKorrespondenz“ die Frage stellen: „Will die <strong>Vorarlberg</strong>er Landesregierung den Zölibat fürLehrer?“ Die Vorgangsweise, die Einstellung von Lehrern künftig abzulehnen, wenn die finanziellenVerhältnisse der Familie keinen Zweitverdiener erfordern, sei skandalös und müsse alle Frauen alarmieren.Damit werde versucht, neuerlich den Zölibat für Lehrerinnen einzuführen, „den es in Österreichin einer Zeit gegeben hat, die die Österreicher sicher nicht mehr erleben wollen.“ Es sei auchbezeichnend, dass diese Zwangsmaßnahme zu einem Zeitpunkt getroffen werde, da die Teilzeitarbeitfür pragmatisierte Lehrer diskutiert werde. Es sei dringend zu überlegen, ob nicht auch mit der Teilzeitversucht werden soll, auf Umwegen das gleiche Ziel zu erreichen, das die <strong>Vorarlberg</strong>er Landesregierungbereits verwirklicht habe. 946 – Die <strong>Vorarlberg</strong>er Tageszeitungen transportierten Dohnals Bedenkentrotz Landtagswahlkampf nicht.Ob als notwendiges Übel oder als erfreuliche Entwicklung, die Zahl der verheirateten Lehrerinnennahm allenthalben zu. Wie <strong>Vorarlberg</strong> mussten sich auch andere Länder bemühen, bei Lehrermangelverheiratete Lehrerinnen wieder in den Schuldienst zurückzuholen, wie zum Beispiel ab 1956 derKanton Graubünden (Frauenanteil 1950/51 13, 1970/71 26,5 Prozent). 947 Häufig wurden diese „stillenPersonalreserven“ aber nur mit befristeten oder provisorischen Anstellungen mobilisiert, um flexibelzu bleiben. Dabei ist zu beachten, dass im Unterschied zu Österreich der Schulbereich in echten941APA AHI 0151 II 13.09.1982.942VN 06.09.1984, S. 3 (Alle Junglehrer wurden untergebracht).943NEUE 03.09.1984, S. 6 (Lehrer-Einstellung: Die Alleinverdiener künftig bevorzugt).944APA AHI0123 II 05.09.1984.945NEUE 06.09.1984, S. 10 (Schuljahr 84/85: Alle Lehrer untergebracht); VN 06.09.1984, S. 3 (Alle Junglehrerwurden untergebracht);946APA AHI0197 OT 06.09.1984.947Marti-Müller, Bündner Volksschule, S. 314–315.

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