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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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172 | 6. Nach 1945Kündigungsschreiben. Und das in einer Zeit, wo Staat und Kirche sich bemühen, die Eheschließungenzu fördern.“ 911In die „ÖVP-Landesregierung“ waren freilich auch die SPÖ und seit 1949 der Verband der Unabhängigen(VdU) eingebunden. – Die SPÖ forderte unter anderem die „Gleichberechtigung der weiblichenBediensteten“ und die „Erlassung eines modernen und sozialen Dienstrechtes“ und lud die öffentlichenBediensteten ein, den „wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt“ zu wählen. 912 Sie gewann dreiMandate vom VdU zurück.Dass Frauen mit der Heirat aus dem Erwerbsleben ausscheiden, entsprach jedenfalls auch Gesellschafts-und Rollenbildern jenseits christlicher Familienideale, entsprach mindestens bis in die1960er-Jahre hinein der gesellschaftlichen Konvention über bürgerliche Kreise hinaus, nicht nur in<strong>Vorarlberg</strong>. Es bliebe zu klären, ob die Ausfallquote der Lehrerinnen durch Heirat und Geburt über demDurchschnitt der erwerbstätigen Frauen insgesamt lag.Vermutlich werden verheiratete Lehrstellenbewerberinnen, ähnlich wie in Tirol, 913 zunächst auch in<strong>Vorarlberg</strong> kaum Chancen auf eine Anstellung gehabt haben. Es ist auch schwer abzuschätzen, inwieweitdie Schulbehörden nach Aufhebung des gesetzlichen Eheverbots 1949 im Einzelfall Druck aufLehrerinnen ausübten, den Dienst mit der Heirat dennoch zu quittieren. Diesbezüglich führte die SPÖ1954 keine Klagen. Aus den Akten geht jedoch hervor, dass zumindest die für die Schulpolitik Verantwortlichenin der Landesregierung weiterhin gerne über ein rechtliches Instrumentarium verfügthätten, verheiratete Lehrerinnen loszuwerden; und dass auch das Bundesministerium für Unterrichtin der vorübergehenden Phase des Lehrermangels durchaus auf verheiratete Lehrerinnen verzichtethätte.Sehen wir vom Sonderfall <strong>Vorarlberg</strong> ab, herrschte in allen Bundesländern Mitte der 1950er-Jahremehr oder weniger ein Lehrstellenmangel. Verheiratete Lehrerinnen sollten einmal mehr animiertwerden, ihre Dienstposten für Junglehrerinnen zu räumen. War es vergleichsweise einfach, das Verhältnismit einer Vertragslehrerin zu lösen, stießen die Schulbehörden bei pragmatisierten Lehrerinnenauf weit größere rechtliche Schwierigkeiten. 914Das Unterrichtsministerium setzte zum Abbau auf das Anreizsystem, auf die Verbesserung der Abfertigungsregelungen,auf die auch der Katholische Tiroler Lehrerverein hoffte. Seit 1952 hatte der <strong>Vorarlberg</strong>erDr. Ernst Kolb (1912 bis 1978, ÖVP) das Ministerium geführt, der Ende Oktober als Landesstatthalterin die <strong>Vorarlberg</strong>er Landesregierung wechselte. Ihm folgte Dr. Heinrich Drimmel (1912 bis1991, ÖVP) als Unterrichtsminister. Im Dezember 1954 ersuchte das Ministerium die Landesschulräte911VVW 30.09.1954, S. 1. Mit der „CV-Spinne“ kritisierte das SPÖ-Blatt den hohen Anteil an Mitgliedern von Korporationendes „Österreichischen Cartellverbandes der katholischen österreichischen Studentenverbindungen“im Landesdienst. – Vgl. Plitzner, Volkspartei, S. 609.912VVW 30.09.1954, S. 1. – Erst 1972 wurde das Dienstrecht mit einem Landesbedienstetengesetz auf einegesetzliche Grundlage gestellt (LGBl. Nr. 16/1972). – Vgl. StenSib 21. VLT 1971, Blg 25, S. 438–441.913Schreiber, Sparpaket, S. 36.914Vgl. zu Tirol: Schreiber, Sparpaket, S. 36.

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