13.07.2015 Aufrufe

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

162 | 6. Nach 1945Einer <strong>Vorarlberg</strong>er Lehrerin, die gut drei Wochen später heiratete, teilte Bernhard noch am 24. Augustfür die Landesregierung mit, dass die Verehelichung gemäß Lehrer-Dienstpragmatik einer freiwilligenDienstentsagung gleichgekommen sei. 867 Am 29. August 1949 wurde das Landeslehrer-Gehaltsüberleitungsgesetzkundgemacht. 868 Damit war das gesetzliche Eheverbot für <strong>Vorarlberg</strong>s PflichtschullehrerinnenGeschichte – im Übrigen auch der Ehekonsens für nicht definitive Lehrer, der ja formell ebensonoch in Geltung gestanden hatte, aber vermutlich bereits totes Recht gewesen war.6.5. Ledige Lehrerinnen mit Kindern als „nationalsozialistisches Erbe“?Mehrfach wurde bereits der Zusammenhang zwischen Zölibatszwang und Abbaudruck einerseits sowieAbtreibung und verheimlichter Lebensgemeinschaft andererseits angesprochen.1910 erinnerte der christlichsoziale Rechtsanwalt und Abgeordnete Dr. Robert Pattai (1846 bis 1920)im niederösterreichischen Landtag die Zölibatsbefürworter drastisch an Schwurgerichtsprozesse,„wo eine unglückliche Lehrerin, die ihr Kind umgebracht hat, von den Geschworen freigesprochenwurde, weil sie ihr eingeräumt haben, daß sie sich in einer Zwangslage befunden hat. Sie kann nichtaus ihrer Natur heraus, für sie gibt es nur das natürliche Gesetz der Welt, und wenn die Geschworenenso urteilen, so ist das Volksstimme und das ist viel wichtiger als alle die kleinlichen Bedenken,die hier vorgebracht werden.“ 869Die aus Österreich stammende sozialdemokratische Frauenrechtlerin Adele Schreiber (1872 bis 1957)untersuchte 1912 in Berlin die Verhältnisse von 2.000 unehelichen Müttern und ihren Kindern undkam zum Ergebnis, dass ihre Zahl in „gebildeten Kreisen“ weit höher sei als angenommen. Der Zölibatszwangbürgerlicher Frauenberufe wie Lehrerin, Beamtin oder Krankenschwester erzeuge eine„sexuelle Notlage“. Paare könnten nicht heiraten, weil sie auf beide Gehälter angewiesen seien. DasErgebnis seien „zahllose, sorgfältig verheimlichte außereheliche Beziehungen“ und ein besondershoher Anteil an Abtreibungen. 870Denselben Druck verursachten die Maßnahmen gegen Doppelverdienerinnen ab 1923. Nicht vonungefähr wurden gerade bei grundsätzlicher Ehefreiheit außereheliche Lebensgemeinschaften als867VLA: AVLReg IIa PA: Feger Else. – Angerer, Leiden, S. 34, zitiert nach Harald Walser / August Fleisch, Diebildungspolitische Sonderstellung <strong>Vorarlberg</strong>s. Projektbericht des Interuniversitären Forschungsinstituts, StudienzentrumBregenz o. J., S. 34, ein Schreiben, mit der Bregenzer Bezirksschulinspektor 1958 einer Lehrerin mitteilte,dass ihr der Bezirksschulrat die „Genehmigung zur Ehe“ erteile. Bereits 1949 war allerdings auf Anfrageder Bezirkshauptmannschaft Bludenz klargestellt worden, dass die Eheschließungen nicht genehmigungspfl ichtigsind. – Die zitierte Studie war mir leider nicht zugänglich, Dr. Harals Walser, Altach, danke ich jedoch für seineBemühungen.868BGBl. Nr. 188/1949.869StenProt 10. NÖLT 1. Se 44. Sitzung 18.02.1910, S. 1484. – 1929 führten diese Wortmeldung eine sozialdemokratischeFrauenzeitschrift gegen den Zölibat ins Treffen, allerdings nicht in wörtlicher Wiedergabe: Pattai,Zölibat.870Schreiber, Uneheliche Mütter, S. 267.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!