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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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136 | 4. 1918 bis 1938Erst bei der Novellierung des entsprechenden steirischen Gesetzes 1926 protestierte die Wiener Abgeordneteund Frauenrechtlerin Gabriele Proft (1879 bis 1971) geharnischt gegen die Benachteiligungder Lehrerinnen, insbesondere auch gegen die Regelung, dass die Lehrerinnen die Karenzvertretungenwährend ihres Schwangerschaftsurlaubs bis zum Ausmaß eines Monatslohns selbst zu bezahlenhaben, was zu Abtreibungen zwinge. Man könne nicht von „Hass gegen die Lehrerinnen“ sprechen,entgegnete der christlichsoziale Berichterstatter Volker, wenn eine gut verheiratete Lehrerin Platzmache, wo Hunderte geprüfter Lehrerinnen auf einen Posten warteten. 713Nicht minder heftig fi el noch im selben Jahr die Kritik gegen die Wiedereinführung des <strong>Lehrerinnenzölibat</strong>sin Salzburg aus. Nicht am modernen Wien, sondern an Tirol und <strong>Vorarlberg</strong> habe man sichorientiert, klagte der Salzburger Sozialdemokrat Josef Witternigg (1881 bis 1937); durch den Zölibatzwängen die Christlichsozialen und die Großdeutschen die Lehrerinnen in einen unsittlichen Lebenswandel,in das Konkubinat. Genossin Proft sekundierte. 714Als „schreiendes Unrecht“ brandmarkte 1929 die Kärntner Sozialdemokratin Maria Tusch (1868 bis1939) die Wiedereinführung von Eheverboten in ihrem Heimatland. 715Die Debatte über die burgenländischen Schulgesetze, mit denen 1930 das steirische Modell eingeführtwurde, geriet zum Abgesang auf die Gleichberechtigung. Der Unterrichtsausschuss sei der Meinung,erklärte der christlichsoziale Berichterstatter, dass in der Bewilligungspflicht ein verstecktes Zölibatsgebotenthalten sein könnte; doch sollten dadurch eigentlich die Rechte der nicht angestelltenLehrpersonen gesichert werden, „damit nicht auf der einen Seite Mann und Frau verdienen, währendauf der anderen Seite Lehrpersonen postenlos herumgehen.“ 716 Ein Argument, dem in Zeiten einerRekordarbeitslosigkeit schwer zu entgegnen war. Bis vor kurzem hätten auch alle anderen freiheitlichdenkenden Menschen den <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> als eine Einschränkung der persönlichen Freiheitund als Unrecht betrachtet, bedauerte ein Redner der Sozialdemokraten, die dem Gesetz dennochzustimmten.In der Budgetdebatte 1931 griff die Sozialdemokratin Marie Hautmann (1888 bis 1967) das Themaerneut auf. Sie hatte 1916 in Niederösterreich wegen Heirat als Lehrerin gekündigt. Hautmann stelltein den Raum, dass sehr viele Lehrerinnen schon auf das Gerücht über die Einführung des Zölibats hinsich scheiden ließen, „um eben nicht ‚freiwillig’ entsagen zu müssen,“ weil sie ohne Miterwerb ihrLeben, ihren Haushalt nicht weiterführen könnten. 717 Im Februar 1933, kurz vor der Ausschaltung desNationalrats, kritisierten gleich mehrere Sozialdemokraten in ihren Beiträgen zur Budgetdebatte den713StenProt NR 2. GP, 154. Sitzung 27.07.1926, S. 376–3748. Zum Folgenden vgl. auch Hauch, Frauenstandpunkt,S. 226–228.714StenProt NR 2. GP, 169. Sitzung 16.12.1926, S. 4062–4067.715StenProt NR 3. GP, 83. Sitzung 14.03.1929, S. 2524–2527. – Vgl. N. N., Zölibat.716StenProt NR 3. GP, 123. Sitzung 20.03.1930, S. 3530–3535 (Zitat Berichterstatter Michael Gangl, S. 3531).717StenProt NR 4. GP, 60. Sitzung 09.12.1931, S. 1566. – Zu Hautmann: Hauch, Frauenstandpunkt, S. 227 u.271–274.

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