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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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130 | 4. 1918 bis 1938sumfähigkeit verursachte Vermehrung der Arbeitslosigkeit durch unmittelbaren Entzug von Arbeit inden Kreisen, denen sie früher Waren oder Dienstleistungen abnehmen konnte, und ging von diesenmittelbar weiter als Minderbeschäftigung anderer. Die bei Eheschließung Bedrohten hatten keineWahl zwischen Ehe und Beruf, da die Ehen nur auf Grund ihres Miterwerbs geschlossen werdenkonnten. Die Wirkung mußte daher ausbleiben. Solange zureichender Familienlohn nicht zu schaffenist, muß Zurückdrängung der Frauen aus den Berufen ein weiteres Absinken der Geburtenziffern undein Verelenden der Geborenen bewirken.“ 673 Schweden habe deshalb auf die Sicherung der Erwerbsarbeitvon Frauen und Müttern umgeschwenkt. „Ist es vom bevölkerungspolitischen Standpunkt etwaerwünscht,“ fragte die gelernte Lehrerin, „wenn junge Lehrerinnen mit der Eheschließung so langewarten, bis der Mann, der heute vielleicht 200 Schilling Einkommen hat, so viel erwirbt, als sie jetztbeide zusammen hätten?“ 674Dass die Maßnahmen gegen das „Doppelverdienertum“ in den 1930er-Jahren kein Spezifikum autoritärerund diktatorischer Systeme war, zeigt ein Blick in die Schweiz. So hatten ab 1932 auch die weiblichenBediensteten des Kantons Bern mit ihrer Verehelichung aus dem Staatsdienst auszuscheiden,verheiratete Frauen konnten nicht mehr eingestellt werden. Die zahlreichen Lehrerinnen waren alsGemeindebedienstete nicht davon betroffen. Soweit sie verheiratet und ihre Ehemänner erwerbstätigwaren, wurden ihnen von 1936 bis 1947 die Alterszulagen gekürzt. Im Kanton Solothurn waren Lehrerinnenvon vornherein nur sehr restriktiv angestellt worden. 1934 wurde in das kantonale Schulgesetzdie Bestimmung aufgenommen, dass verheiratete Lehrerinnen nicht mehr „wählbar“ (wiederbestellbar)seien und auch das Anstellungsverhältnis von Lehrerinnen, die heiraten, auf Ende des Schuljahrsaufgelöst werde. Und diese Restriktionen hielten vor dem Bundesgericht stand. 6754.10. Erneute Zölibatisierungswellen im Zeichen der WirtschaftskrisenVöllig abwegig ist die Feststellung, dass in <strong>Vorarlberg</strong> als einzigem Bundesland in der Ersten Republiknoch der <strong>Lehrerinnenzölibat</strong> in Kraft gewesen sei. 676 Das Gegenteil war der Fall.„In der ersten Zeit der jungen Freiheit ist es auch fast in allen Bundesländern gelungen, das verderblicheZölibat, das den Lehrerinnen auferlegt worden war, zu Falle zu bringen. Leider ist aber in dieserBeziehung seit einigen Jahren eine rückläufige Bewegung zu verzeichnen,“ klagte Irene Goldenberg1928 in einer sozialdemokratischen Frauenzeitschrift. 677 Sie empfahl den betroffenen Lehrerinnen,nach dem Vorbild reichsdeutscher Kolleginnen, die erfolgreich gegen die preußischen Abbaugesetzegeklagt hatten, gegen den Zölibat beim Verfassungsgerichtshof Klage wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzeseinzubringen. – Ob das erfolgreich gewesen wäre, ist eine andere Frage.673Hoheisel, Bevölkerungspolitische Folgen, S. 22.674Ebenda, S. 22.675Zu Zölibat und Doppelverdienertum in den Kantonen Bern und Solothurn: Hodel, Kinder, S. 729–737.676Schatzmann, Frauenrechte, S. 194.677Goldenberg, Zölibat, S. 7.

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