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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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4. 1918 bis 1938 | 125Bezeichnung mit den 1609 gegründeten „Englischen Fräulein“ auch Verwendung für einen geistlichenSchulorden.Als die Feldkircher Arbeitslehrerin „Jungfrau“ Theresia Leithe 1842 starb, bewarben sich ein adeliges„Fräulein“ und drei bürgerliche „Jungfrauen“ um ihre Nachfolge. 639 Die standesneutrale Bezeichnung„Jungfrau“ oder „Jungfer“ scheint sich regional noch lange gehalten zu haben. Ein Beleg dafür ist dasSterbebildchen der bereits erwähnten „Jungfrau Franziska Keßler“ (geb. 1865), die 1940 nach einemerfüllten Lehrerinnenleben in Tschagguns zu Grabe getragen wurde. 640Die bürgerliche Anrede „Fräulein“ etablierte sich allgemein erst im späten 19. Jahrhundert, und zwargerade als Anrede für erwerbstätige und damit üblicherweise ledige Frauen wie Kellnerinnen oderLehrerinnen. Die Frauenbewegung war in dieser Frage gespalten. Während die „Gemäßigten“ einanderselbstbewusst mit „Fräulein“ ansprachen, lehnten die „Radikalen“ dies als Anachronismus abund bestanden auf der Anrede „Frau“. 641 So konnte die von der Wiener Lehrerin und FrauenrechtlerinAuguste Fickert (1855 bis 1910) herausgegebene Zeitschrift „Neues Frauenleben“ bereits 1905 eine„ganz zeitgemässe“ Anordnung des niederösterreichischen Landesschulrats begrüßen, dass sämtlichenVolks- und Bürgerschullehrerinnen ausnahmslos der Titel „Frau“ zukomme:„Das im Deutschen gebräuchliche Diminutiv ‚Fräulein’ für die unverheiratete Frau wird von derselbenlängst als einer erwachsenen Person, sowie die in dieser Titulatur liegende Unterscheidung von derverheirateten Frau als eines selbstständigen Menschen unwürdig empfunden. Hoffentlich wird dieMassnahme von offi zieller Seite auch auf die allgemeine Sitte einen Einfluss üben.“ 642Ob sich der Sprachgebrauch wirksam verordnen ließ, darf bezweifelt werden. Was allerdings erstaunt:Die „<strong>Vorarlberg</strong>er Lehrerzeitung“, die 1930 bis 1933 als Organ des Katholischen Lehrer- undLehrerinnenvereins erschien, verwendete tatsächlich für ledige Lehrerinnen konsequent die Anrede„Frau“.Bereits im Ersten Weltkrieg ermöglichte eine Allerhöchste Entschließung von 1917 die Ehelichkeitserklärungunehelicher Kinder gefallener oder verstorbener Krieger. Den Müttern konnte gleichzeitigdie Annahme des Familiennamens des Vaters gestattet werden. Für diesen Fall waren die Behördenangehalten, sie im mündlichen und schriftlichen Verkehr nicht als „Fräulein“, sondern als „Frau“ zubezeichnen. 643 Später bemühten sich auch die Nationalsozialisten durch Verschweigen und Vertuschender Unehelichkeit die gesellschaftliche Diskriminierung „rassisch hochwertiger“ Kinder undihrer „arischen“ ledigen Mütter, freilich nur dieser, zu beenden – 644 weitgehend erfolglos.639VLA: KA I Schule-1842/2899.640VLA: Sterbebildchensammlung.641Vgl. Kuhn, Familienstand, S. 97; im Übrigen ebenda, S. 96–99; Dür, Justiz.642Anonym, Neues Frauenleben 17 (1905) 11, S. 21.643Erlass Justizministerium 24.05.1917, VOBlJM 1917/30.644Buske, Fräulein Mutter, S. 169–171.

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