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Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

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vereins stellte [1915, UN] unter anderem fest, daß mit der Verwendung verheirateter Lehrerinnen ‚denunverheirateten Frauen einer der schönsten und ihrer mütterlichen Veranlagung entsprechendstenBerufe strittig gemacht würde.’ Andrerseits entzöge der ‚Doppelberuf’ einer Reihe von Geschlechtsgenossinnendie Ehemöglichkeit, was wiederum eine Verschlechterung der sozialen Lage und dersittlichen Zustände zu Folge hätte.“ 628Auch ohne marianische Überhöhung bot die Jungfräulichkeit ein gutes Abgrenzungskriterium, da siemit der Eheschließung verbunden war. Erst mit dem „Vollzug“ wurde eine Eheschließung rechtlichperfekt. Keine sollte „’s Fünferle und ’s Weggle“ gleichzeitig haben, ein „gefallener Engel“ nicht in dieSchule zurückkehren dürfen.Wie auch immer: Zur Sinnstiftung und Rechtfertigung, wahrscheinlich aber auch mit einem SchussNeid, Missgunst und Konkurrenzdenken, wurde die geistige Mütterlichkeit zu einer marianischenMütterlichkeit von Gottes Gnaden überhöht.Im Ergebnis wurde auch für weltliche Lehrerinnen die Entscheidung für den Lehrberuf zur Berufungstilisiert, verbunden mit einem widerrufbaren Gelübde der Ehelosigkeit und Keuschheit. Ehestand mitMutterschaft möglich, aber: entweder–oder.Ob das wirklich alle Lehrerinnen aufrichtig mittrugen, ist eine andere Frage. Auch in Bayern trat 1919die Mehrheit der Lehrerinnen gegen die Eheerlaubnis ein: Die jungen Lehrerinnen wollten sie zwar,aber die alten lehnten sie ab. 629Nüchterner und ohne katholische Verbrämung sprach sich 1919 der „Verein deutscher LehrerinnenTirols“ für die Beibehaltung des Zölibats aus: „Wenngleich die in der Landesversammlung beantragteAufhebung des genannten Gesetzes als Rechtsgrundsatz zu begrüßen ist, erscheinen nach den übrigengenannten Gesichtspunkten im allgemeinen die Nachteile der Verwendung verheirateter Lehrerinnengrößer als die Vorteile.“ 630Leider wird sich aufgrund der Quellenlage nicht ermitteln lassen, wie hoch der Anteil der <strong>Vorarlberg</strong>erPfl ichtschullehrerinnen war, die aufgrund einer Verehelichung aus dem Schuldienst ausschieden. ZurEinordnung fehlten uns zudem detaillierte Studien über das allgemeine Heiratsverhalten in <strong>Vorarlberg</strong>.Ledig zu bleiben war jedenfalls gerade hierzulande keine stigmatisierende Ausnahmeerscheinung.Heiraten und eine Familie gründen musste man sich mit oder ohne politischen Ehekonsens leistenkönnen. 631 Umgekehrt ermöglichte es die Pensionsvorsorge gerade den privilegierten Lehrerinnen, aufdie Versorgungsfunktion einer Familie auch bewusst zu verzichten. In der Altersstufe vom vollendeten30. bis 39. Lebensjahr waren 1920 in <strong>Vorarlberg</strong> von den Frauen 57,6 Prozent verheiratet, 36,6 Prozent4. 1918 bis 1938 | 123628Beilner, Emanzipation, S. 163.629Buchinger, Gesamtdarstellung, S. 27–28.630Beschluss Landesversammlung 17.07.1919, zitiert nach: Haselwanter, Volks- und Bürgerschulwesen, S. 193–202.631Vgl. Helfer, Bevölkerungsentwicklung, S. 36, der allerdings irrtümlich davon ausging, der Ehekonsens habe inTirol und <strong>Vorarlberg</strong> nur bis 1870 gegolten.

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