13.07.2015 Aufrufe

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

Ulrich Nachbaur, Lehrerinnenzölibat - Vorarlberg

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

122 | 4. 1918 bis 1938ernste Zuneigung entwickeln sollte, die beide einmal im Bund der Ehe vereinen werde. 624 Denn wennauch der ledige Stand der „vollkommenere“ sei, so sei doch der größte Teil der Lehrerschaft für denEhestand berufen. „Mit der angenehmen Häuslichkeit im trauten Familienkreise errichtet sich derLehrer eine schützende Mauer für seinen unbedingt notwendigen guten Ruf und erhält sich frisch undfröhlich bei den anstrengenden Arbeiten des Berufes. Die Familie ist sein Halt und sein Hort.“ 625 DerLehrer aber, der ledig bleibe, bedürfe einer besonderen Charakterfestigkeit, „um nicht da und dort zuentgleiten.“ 626Kein Wort davon, dass nur der ehelose Mann erfahre, „was es heißt, Veranlagungen und Talente desVerstandes ungehemmt entfalten zu dürfen.“ Taugte nur die Lehrerin zum vollkommeneren Stand derEhelosigkeit? Oder hatte es der Lehrer nicht nötig, seinen Verstand ungehemmt zu entfalten?Aber weshalb ließen sich die Lehrerinnen zu „Ordensfrauen im Weltgewand“ stilisieren? Weshalbverschrieben sie sich einem Leitbild der Jungfräulichkeit, einem Virgilitätsideal?Das war keineswegs eine Eigenheit des <strong>Vorarlberg</strong>er Lehrerinnenvereins und wohl auch nicht nur mitEdelmut propagiert.Im deutschen Kaiserreich hatten die katholischen Lehrerinnenorganisationen den Zölibat noch entschiedenerund geschlossener befürwortet als ihre konfessionell nicht gebundenen Kolleginnen,wobei für Brigitte Kerchner drei Gesichtspunkte besonders hervortraten: „zunächst auch hier die berechtigteSorge um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die absehbare Mehrbelastung derFrau; darüber hinaus das in der katholischen Glaubenslehre begründete marianische Frauenideal unddie Leitbildwirkung der Ordensfrau – beides Faktoren, die nicht nur Ehelosigkeit, sondern für denfreigewählten Beruf auch ‚freigewählte Jungfräulichkeit’ der Lehrerin geboten; schließlich aber auchhandfeste Standesdünkel, die den Beruf der Lehrerin für die gebildete, ledige Frau zu reservierentrachteten und die Konkurrenz durch die verheirateten Lehrerinnen zu unterbinden suchten.“ 627Gerade den letzten Aspekt dürfen wir nicht außer Acht lassen, die Konkurrenz der weltlichen Lehrerinnenuntereinander. Zu Recht verweist Helmut Beilner darauf, dass in der Diskussion, absichtlich oderunabsichtlich, selten an jene Lehrerinnen gedacht wurde, deren Ehemänner gestorben oder derenEhen gescheitert waren. – Der bereits zitierte, nicht sanktionierte oberösterreichische Gesetzesbeschlussvon 1917 bildet die Ausnahme. – Zudem stellt sich die Frage, wieso eine verheiratete Frauohne Kinder nicht unterrichten durfte. Ob sie wirklich bereits der Gatte und der Haushalt dermaßen inAnspruch nahmen? „Der tiefere Grund für die kategorische Ablehnung der verheirateten oder verheiratetgewesenen Lehrerin, der nur meist verschwiegen wurde, weil er nicht so recht in das Gesamtkonzeptder Frauenbewegung passte, war sicher die Anstellungsproblematik der Lehrerinnen, die sichhier zu einem Domänendenken der Ledigen steigerte,“ folgerte Beilner für Bayern: „Die katholischenLehrerinnen sprachen dies offen aus. Babette Kiefaber, die Vorsitzende des Katholischen Lehrerinnen-624Metzler, Weggeleit, S. 96.625Ebenda, S. 202.626Ebenda, S. 202.627Kerchner, Beruf und Geschlecht, S. 127. – Vgl. Gahlings/Moering, Volksschullehrerin, S. 61–75.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!