PeerPeer – Psychologische Betreuung der EinsatzkräfteSchwerer Verkehrsunfall, zwei Tote, erster Einsatz für 16-jährigen Feuerwehrmann …Wie wird man selbst mit so etwas fertig?BM Erich Wagner, Kommandant 3. Zug, PeerMein Name ist Erich Wagner, ich bin 43Jahre alt und seit 26 Jahren bei der Feuerwehr.Ich bin verheiratet und habe einenzwölfjährigen Sohn, der sich mit viel Freudein unserer Jugendfeuerwehr einbringt.Einen Teil meiner beruflichen Aufgabenbeim Österreichischen Bundesheer umfasstdie psychologische Betreuung (Peer)der Einsatzkräfte. Heute weiß ich aufgrundmeiner Lebenserfahrung und Ausbildung,wie man mit Extremsituationumgeht, damals war ich alleine. Mein allerersterFeuerwehreinsatz war ein schwererVerkehrsunfall. Zur damaligen Zeitmeinte man noch, dass Helfer Betreuungsowie geschulte Ansprechpartner nichtnötig hätten, um die traumatischen Erlebnisseaufarbeiten zu können. Heute stelltsich diese Problematik ganz anders dar.Bei vielen von uns sind die schrecklichenBilder der Unfälle aus demVorjahr noch immer präsent.Sie hinterlassen Spuren, deshalbwird diesem Thema seitensunseres Kommandos einbesonderer Stellenwert eingeräumt.Es ist wichtig, unserenMitgliedern – unabhängig vonder jeweiligen Funktion – dieMöglichkeit zur strukturiertenVerarbeitung zu bieten. Dieswird durch Sensibilisierung desThemas „emotionaler Stress“und auch durch Schulungenim Umgang mit kritischen Ereignissenerreicht.Ich möchte in meinem Beitragversuchen, die einzelnen Begriffezu erklären, die darausresultierenden Konsequenzenzu beschreiben und Möglichkeitendarstellen, in derartigen Situationrichtig zu reagieren.Stress• im Einsatzdienst und die daraus resultierendenAuswirkungen.• Stressbearbeitung nach belastendenEreignissen. „Critical Incident“ triffteine Personengruppe die aus beruflichGründen bedingt gemeinsam einer potentiellentraumatisierenden Situationausgesetzt waren.Was ist ein Critical Incident?Ein Ereignis, das außerhalb der gewöhnlichenAlltagserfahrungen liegt, plötzlichund unerwartet eintritt, die Handlungsmöglichkeitmassiv beeinträchtigt, alslebensbedrohlich wahrgenommen wird(z. B. Unfälle, Todesfälle) und körperlicheund / oder seelische Schädigungen verursachenkann. Die möglichen Reaktionenkönnen sehr stark und unmittelbar, verzögertoder als Spätfolgen auftreten. DieStressbearbeitung soll den Teilnehmerndie Möglichkeit geben, das Erlebte zuverarbeiten und die Entwicklung einerposttraumatischen Belastungsstörung(PTBS) verhindern.Stressbearbeitung im Einsatz leistet damitfür Einsatzkräfte in etwa das Gleiche wiedie Krisenintervention im Rettungsdienstfür Angehörige. Die <strong>Hauptfeuerwache</strong><strong>Villach</strong> hat z. B. einen eigenen Peer-Berater-Dienstetabliert, der in kleinerem Rah-Wichtiger Kernpunkt der Krisenintervention – schnelleHilfe, am besten noch unmittelbar nach dem Einsatz –im eigenen Rüsthaus.men ähnliche Aufgaben wahrnimmt. DiePeers gehören meist jeweils der eigenenEinsatzorganisation an und üben ihre psychologischenKenntnisse in ihrem Berufaus. In Einsatzfällen sind sie überwiegendehrenamtlich (als Peers bei der Feuerwehr:Feuerwehrkameraden; freiwillige Helferbei der jeweiligen Organisation etc; siesind per definitionem (s. o.) Insider).Kernpunkte der Krisenintervention:• schnelle Hilfe• meist vor Ort• normalisierend• echte Unterstützung• Aussprache von persönlich Erlebtem• Besprechen und Anerkennen der Gefühle• Gefühle werden kognitiv bearbeitetstatt verdrängt/verneint• Reaktionen innerhalb der Gruppe werdenausgetauscht und kommuniziert• Reaktionen werden als normal besprochenund erlebt• Stressbewältigungstechniken werdenerklärt1. Unmittelbare ReaktionenKörperliche Reaktionen• Zittern, Schüttelfrost, Schweißausbrüche• erhöhter Puls und Blutdruck• Kopfschmerzen, Bauchschmerzen• Übelkeit, Erbrechen, spontaner StuhloderUrinabgang• Atembeschwerden, SchwindelgefühlPsychische Reaktionen• Gefühle von Angst, Wut, Ärger, Aggression• Orientierungslosigkeit, Arbeitswut,Ruhe losigkeit• Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Niedergeschlagenheit,Erschöpfung• Schuldgefühle, Selbstvorwürfe, vermindertesSelbstvertrauen• Konzentrations- und Merkschwierigkeiten• Rückzug von der UmgebungVerzögerte Reaktionen• Schlafstörungen, Alpträume• Gefühle von Schuld, Angst, Wut, Trauer• starke Beschäftigung mit dem Erlebten• abrupte wechselnde Stimmungslage• Isolation und Entfremdung2. MaßnahmenUnmittelbare psychische Selbsthilfe• atme langsam, ruhig und tief (Bauchatmung)28www.feuerwehr-villach.at
PeerErinnerungen an die Orte und Geschehnissebleiben zurück.• sei Dir bewusst, das Deine Reaktionenim Moment normal sind• versuche, möglichst ruhig und konzentriertzu bleiben• versuche, an etwas Positives zu denken• vermeide Untätigkeit (Gefahr des Grübelns)Mittelbare psychische Selbsthilfe• Tägliche Fitness-Übungen reduzierendie innere Anspannung• Achte auf Deine Ernährung und ausreichendeFlüssigkeitszufuhr (kein Alkoholim Übermaß)• Nimm Dir Zeit für Dich, tue Dir wasGutes• Sprich über wiederkehrende Träumeund Gedanken• Deine Beschäftigung und Sorge um dasEreignis ist normal• Sei Dir bewusst, dass Deine Reaktionennormal waren und noch immer sind3. Keinesfalls• davon ausgehen „verrückt“ zu sein (dasEreignis war verrückt)• annehmen, als Einziger betroffen wordenzu sein• Konsum von Alkohol, Drogen oderBeruhigungsmitteln• sich von seiner Umgebung zurückziehenBM Erich WagnerKdt. 3. Zug und Peer der HFW <strong>Villach</strong>Literatur:Richard J. McNally: Remembering Trauma.Harvard University Press, Cambridge. ISBN0674018028Jeffrey T. Mitchell, George S. Everly und AndreasIgl, Joachim Müller-Lange (Hrsg. d. dt. Ausgabe):Streßbearbeitung nach belastenden Ereignissen.Zur Prävention psychischer Traumatisierung.Stumpf & Kossendey Verlag, Edewecht1998, ISBN 3-923124-72-4George S. Everly, Jeffrey T. Mitchell: CISM – Stressmanagementnach kritischen Ereignissen – einneuer Versorgungsstandard bei Notfällen, Krisenund Katastrophen. Facultas-Univ.-Verl., Wien2002, ISBN 3-85076-560-1Einzelnachweise:Taschenkarte Critical Incident KdoIE BMLVS ORMag. Helmut SlopWikipedia die freie Enzyklopädie (Autorin 549)www.feuerwehr-villach.at29