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Fight.Back.03 - APAP – Antifaschistisches Pressearchiv Potsdam

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Durchbruchsversuch am 1. Mai 2004 Berlin in LichtenbergReihe noch aus den 1990er Jahren bekannten Neonazischläger, vondenen angenommen worden war, dass sie sich nunmehr im kriminellenMilieu betätigten und in politischer Hinsicht nicht mehr von Belang seien.Zusammengehalten wird dieser Haufen scheinbar von dem Willen, <strong>Potsdam</strong>mittels ordinärer Straßengewalt zu einer „national befreiten Zone“ zumachen.Als im März 2005 nach einer Nazidemonstration in Dresden AntifaschistInnenattackiert wurden, war ebenfalls die <strong>Potsdam</strong>er Schlägergang mitden Berliner Neonaziaktivisten Danny Leszinski, Andreas Thürmann ausTreptow, Oliver Oeltze und Sebastian Glaser aus Lichtenberg, SebastianKrzyzanowski, Marco Schneider, Patrick Weiß und Holger Thomas ausRudow / Neukölln und Marcus Gutsche aus Marzahn Hellersdorf dabei.Die Gewalttätigkeit der selbsternannten Autonomen Nationalisten, aufdie andernorts zugunsten gesellschaftlichen Raumgewinns teilweise verzichtetwird, scheint eine Kompensation für deren politische Bedeutungslosigkeitzu sein. Ihre Gefährlichkeit besteht somit in der unmittelbarenBrutalität gegenüber Einzelnen. Umso unbegreiflicher bleibt die Reaktionder Stadt, welche die Förderung einiger lokaler Initiativen, die mühsamund teilweise erfolgreich gegen die extreme Rechte arbeiten oder den Opfernder Neonazis Betreuung zukommen lassen, zeitgleich in Frage stellt.Von der Ignoranz und Verharmlosung der Neonazis, von der Ursachensuchebei den Opfern bis zur Verwischung und Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses, von der Denunziation der Linken bis zur Kriminalisierungantifaschistischen Widerstands tauchen Elemente staatlichen Umgangsmit dem Problem neonazistischer Gewalt wie alte Bekannte aus denfrühen 90er Jahren wieder auf. Als das Totschweigen der Neonazigewaltnicht mehr möglich war, nahmen Polizei und Staatsanwaltschaft einenleichtverletzten Neonazi zum Anlass, fünf antifaschistische Jugendlichedes versuchten Mordes zu bezichtigen. Es folgte ein Schreckensbild einessich aufschaukelnden Extremismus, dem nur mit strengster Repressionzu begegnen sei. Im Lichte der unzweideutigen Statistik geradezu einPhantasma. Die Lokalpresse übernahm dieses Konstrukt, wobei derNeonaziterror zum Ergebnis einer von links in Gang gesetzten »Gewaltspirale«stilisiert wurde. Eine der fünf beschuldigten AntifaschistInnen saßmehrere Monate in Untersuchungshaft, zwei andere sind nur auf Kautionentlassen. Das steht im schreienden Missverhältnis zum Umgang mitden Neonazis, die an dem brutalen Überfall im Juli beteiligtwaren. Die Polizei fasste zwar die Täter, deren U-Haftwurde jedoch außer Vollzug gesetzt und siewaren zunächst lediglich dem Vorwurfschwerer Körperverletzungausgesetzt.Dass man sich wehren muss...Da die Mär einer sich bedingenden Gewaltspirale zwischen linken undrechten „Extremisten“ solch drastische Folgen haben kann, gilt es, dieseüberzeugend zu widerlegen. Nicht ohne Grund macht auch die BerlinerKameradschafts-Szene sich diese Sicht zu eigen und verkündet auf Plakaten,welches einen niedergeschlagen jungen Mann mit Irokesenschnittzeigt, „Gewalt erzeugt Gegengewalt“. Es gilt sich als AntifaschistIn nichtauf das gegenseitige »Aufmuskeln« einzulassen, sondern vielmehr genauzu reflektieren, wer aus welcher Motivation heraus sein politisches Handelnwomit begründet. Nationalsozialistische Ideologie und Gewalt sinduntrennbar miteinander verbunden, sie beruht auf einer Unterteilung vonIndividuen in verschiedene Wertigkeiten und der faschistischen Selbstverortungals überlegen und stark. Der Wille, diesen Mythos zu brechenund die Erkenntnis, dass autoritär strukturierte Charaktere sonst nichtzu beeindrucken sind, legitimiert antifaschistische Gegenwehr seit esFaschisten gibt. Und das im Widerspruch zu einer emanzipativen Gesellschaftsvorstellung,welche frei von Gewalt, Unterdrückung und letzendlichder Herrschaft des Menschen über den Menschen ist. Der holländischeAutor Harry Mulisch hat das Thema 1982 in seinem Roman »Das Attentat«verarbeitet: Im Gespräch mit einem 13-jährigen Jungen, dessen Elternaus Rache für ein Attentat auf einen Nazikolloborateur ermordet werden,schildert eine antifaschistische Widerstandskämpferin kurz vor ihrer Hinrichtungdas Dilemma des eigenen Hasses der notwendig geworden war,um der faschistische Gewalt zu begegnen: „Wir müssen (...), damit wir siebekämpfen können, ein bisschen von uns selbst aufgeben (...) sie könneneinfach sie selbst bleiben, darum sind sie so stark. (...) Wir müssen nuraufpassen, daß wir nicht zu sehr wie sie werden (...) dann hätten sie amEnde doch noch gewonnen ...“ Gewaltsames Vorgehen per se zu verdammen,ist zweifelsohne ahistorisch und unpolitisch; es als politischenInhalt zu verkaufen ist genauso falsch. Antifaschistische Militanz hat ihrenZweck als Gegenwehr zu einer Ideologie, die Auschwitz zu verantwortenhat <strong>–</strong> nicht mehr und nicht weniger. Zwar gilt es, ein Bedrohungsgefühldurch Nazischläger gemeinsam und offensiv zu überwinden, als Lifestyleoder Attitüde ist sie nicht geeignet. Für die Neonazischlägergangs <strong>–</strong> obnun organisiert oder unorganisiert <strong>–</strong> ist Gewalt kein notwendiges Übel,sondern der Inhalt ihrer politischen Ideologie. Die hohe Zahl von durchNeonazigewalt in Deutschland zu Tode gekommener Menschenbelegt deren Nichtwertachtung desLebens. Die Gewalt vonNeonazis unterdrücktdiejenigen, welcheihrem Weltbild nichtentsprechen. Siebindet erlebnisorientierteJungnazis undermöglicht es, sichinnerhalb der Neonazi-Szene zu profilieren. DerRückgriff auf politischeStilmittel der radikalen Linlinks:Martin Stelter, 2.v.l. Andy Fischer

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