Oliver Schweigert, Kritiker der„Autonomen Nationalisten“Lars Wünsche, von der NPD zu „Freien Kräften“ Stefanie Piehl, von den „Freien Kräften“ zur JN Lutz Giesen, seit Jahren inKameradschaften aktiv<strong>–</strong> Freie Kräfte“ „Freie Kräfte Berlin“ und „Autonome Nationalisten Berlin<strong>–</strong> Hohenschönhausen“ benutzt. Diese „Gruppen“ traten meist nur durchAufkleber und Plakate in der Öffentlichkeit auf. Die Routen auf denendiese Aufkleber geklebt wurden, waren mit den alten KS Tor Routen identisch.Das Label „Freie Kräfte Berlin“, dass derzeit von diesen Strukturenbenutzt wird, ist dabei eine neue Struktur aufzubauen. So existiert eineeigene Internetseite, die von Björn Wild betrieben wird. Aufmärsche,die von dieser Gruppe organisiert werden, meldet der aus Strausbergstammende und inzwischen in Berlin wohnende Sebastian Schmidtke an.Intern bezeichnet sich das Grüppchen weiterhin als „Kameradschaft Tor“.Die JN-Berlin, die sich kurz nach dem Verbot der Kameradschaften neugründete,kann ebenfalls als Nachfolgeorganisation angesehen werden.Die „unverbietbare“ Jugendorganisation der NPD wird maßgeblich vonMarkus Loszczynski (Ex-BASO) und Stefanie Piehl (Ex-KS Tor Umfeld) organisiert.Die Organisation wird von den Neonazis genutzt, um auf legalerBasis so weiterzumachen, wie es ihnen mit den verbotenen Kameradschaftennicht mehr möglich ist.Auch ist eine weitere Radikalisierung zu beobachten. Aus dem kleinenKreis der verbotenen Kameradschaften sind seit dem Verbot mehrÜbergriffe verübt worden, als in den Jahren zuvor. Die Neonazis OliverOeltze, Sebastian Glaser, Sebastian Zehlecke, Nicole Stenzel, und ChristianBentz waren dabei besonders oft zu beobachten. So wurden am 1.September 2005 zwei linke Plakatierer von vier Neonazis, darunter Bentzund Glaser verfolgt und schließlich angegriffen. Während eines Infostandesder NPD am S-Bahnhof Prenzlauer Allee wurde ein Antifaschist vonStenzel, Zehlecke und Oeltze angegriffen.Viele dieser Neonazis versuchen zusammen mit <strong>Potsdam</strong>er Neonazisauch in <strong>Potsdam</strong> militant gegen AntifaschistInnen vorzugehen. So wurdeOeltze wegen der Übergriffe auf AntifaschistInnen im Oktober diesenJahres in Untersuchungshaft genommen. Nach den Übergriffen in <strong>Potsdam</strong>,wegen denen gegen ihn ermittelt wurde, hatte er sich an weiterenÜbergriffen in Berlin beteiligt.Die meisten ehemaligen Mitglieder der KS-Tor wohnen inzwischen im LichtenbergerWeitlingkiez. Dort befindet sich eine intakte Infrastruktur mitdem Mischszene-Laden „Ostzone“ und mehreren Kneipen, in denen siesich ungestört treffen können, wie die „Kiste“ und das „Piccolo“. In demKiez starten sie eine Vielzahl ihrer Aktionen und bauen eine Drohkulissegegenüber alternativen Jugendlichen aus dieser Gegend auf. Im direktenWohnumfeld der Neonazis tauchen seit einiger Zeit eine Vielzahl vonSprühereien auf, die unverholen dem Nationalsozialismus huldigen oderzur Ermordung politischer Gegner auffordern. Die Sprüche sind meist sochiffriert, dass sie nur noch vom politischen Gegner verstanden werden(„C4 4 Reds“ <strong>–</strong> Sprengstoff für Rote; „Winke Winke Wiesenthal“ <strong>–</strong> Verhöhnungdes vor kurzem gestorbenen „Nazijägers“ Simon Wiesenthal).Der Spruch „Nur Hitler“, mit dem Björn Wild seine privaten Nachrichten inNeonazi-Foren beendet, findet sich unter einer Vielzahl von Sprühereienim Weitlingkiez und in Nordhohenschönhausen. Im Zeitraum der Silvio-Meier-Demonstration 2005 verstärkten die Neonazis ihre Angriffe deutlich.Höhepunkt war ein versuchter Angriff von einem Dutzend Neonazis,darunter Sebastian Zehlecke, Sebastian Glaser und Roman Berger aufeinen Antifa-Infostand. Die Neonazis griffen mit Flaschen, Schlagstöckenund Reizgas an, konnten nach kurzer Zeit jedoch vertrieben werden.Etwa zehn Neonazis versuchten am 15. Dezember 2005 eine Bürgerveranstaltungin Karlshorst zu stören. Auch hierbei wurden SebastianZehlecke und Nicole Stenzel gesehen. Die Neonazis verschwanden, alsdie Polizei anrückte.Am 5. Januar 2006 versuchte eine Gruppe von 20 Neonazis eineantifaschistische Veranstaltung am S-Bhf. Lichtenberg anzugreifen. DieAngreifer, unter ihnen Nicole Stenzel, Christian Bentz und Stefanie Piehl,bewarfen die Gäste der Veranstaltung mit Flaschen und Steinen undversuchten sie mit Stahlruten zu attackieren. Sie wurden jedoch in dieFlucht geschlagen.Eine weitere Strategie, welche die Reste der KS Tor und der BASO verfolgensind spontane Aufmärsche die im engeren Kreis kurzfristig mobilisiertwerden und an denen immer nur ca. 40-50 Neonazis teilnehmen. Als Anlassfür diese Kurzaufmärsche müssen die verschiedensten und unwichtigstenThemen herhalten. Mal ist eine Verhaftung der Anlass, mal einkaputtes Naziauto oder ein gutes NPD-Wahlergebnis. Fast immer dabeisind Björn Wild, Oliver Oeltze (derzeit ins Untersuchungshaft), SebastianGlaser, Sebastian Zehlecke, Hendrikije Herder, Nicole Stenzel, ChristianBentz, Lars Wünsche (der Lichtenberger war früher in NPD-Kreisen unterwegs,treibt sich inzwischen aber eher bei den KS-Tor Überbleibseln rum)Sebastian Schmidtke und Ines Wegner.Kameradschaft Tor <strong>–</strong> The FutureDie Hoffnung des Berliner Innensenats, mit dem Verbot der KS Tor undder BASO, die beiden aktivsten Kameradschaften Berlins auszubremsen,hat sich als Trugschluss herausgestellt. Ein großer Teil der benanntenAktivisten ist weiterhin aktiv. Die KS Tor wird intern unter gleichem, externunter stets wechselnden Namen weitergeführt und setzt da an, wo sie vordem Verbot stehengeblieben war.Dass sie dabei noch radikaler vorgehen können, liegt zum einen daran,dass sie größtenteils aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwundensind und so die Kräfte, die zivilgesellschaftlich oder repressiv dagegenwirken könnten, die Aktionen nur noch selten wahrnehmen.Da die KS Tor zu einem großen Teil jedoch auf genau diese Öffentlichkeitzur Kommunikation ihrer Aktionen angewiesen war, erhöht sie dieFrequenz ihrer Aktivitäten <strong>–</strong> in den zwei Wochen vor dem Todestag desHitler-Stellvertreters Rudolf Heß veranstalteten sie sieben Aufmärsche;der wiederholte Marsch durchs Brandenburger Tor erreichte dieses Malnicht annährend die Resonanz, wie beim ersten Mal <strong>–</strong> und gestalten sieihre Aktionen drastischer. So versuchten sie mit ca. 35 Neonazis, dieGelöbnix-Demo mit Steinen anzugreifen, wurden aber frühzeitig von derPolizei gestoppt und nach Hause geschickt. Auch aus Aufmärschen herausversuchen sie vermehrt GegendemonstrantInnen anzugreifen, wasmeist an der Polizei oder der Übermacht der Protestierenden scheitert.Wieder zeigt sich, dass das beste Mittel gegen organisierte Neonazis nichtstaatliche Verbote, sondern eine starke antifaschistische Bewegung undeine linke Gegenkultur sind. Nur so können die Neonazis direkt zurückgedrängtwerden und ihnen langfristig der Nährboden entzogen werden.14 Strukturen
KameradschaftSpreewachtDie Kameradschaft Spreewacht ist eine neonazistische Gruppierung ausLichtenberg. Sie wurde Ende der neunziger Jahre gegründet und ihr gehörenmehr als ein Dutzend älterer Neonazis an. Im Gegensatz zu anderenKameradschaften, wie der verbotenen „Kameradschaft Tor“ oder dem„Märkische Heimatschutz“ ist diese Kameradschaft fest im Bereich desRechtsrock verankert. Unter anderem existieren personelle Überschneidungenmit der Neonazi-Band Legion of Thor.Die Kameradschaft selbst schottet sich stark von der Öffentlichkeit abund artikuliert sich, abgesehen von ihrer Homepage und einem Flugblattnicht öffentlich. Im Internet tritt die Kameradschaft militant auf,was daran sichtbar wird, dass sich auf ihrer Seite zahlreiche Bilder voneinem Schlagring, der Zahlenkombination 88 für Heil Hitler und einemSchusswaffen tragenden Skinhead wiederfinden. Einen Grundsatztextoder inhaltliche Publikationen sucht mensch auf der Seite vergeblich.Stattdessen wird ein Lebensstil gefeiert, der aus Saufen, Partys undRechtsrock besteht.Verantwortlich für die Homepage dieser Kameradschaft zeichnete sichMandie Varschen aus Lichtenberg. Mandie Hensel, wohnhaft in derselben Adresse, war für die nun aus dem Internet genommene Homepageder Neonazi-Band Legion of Thor verantwortlich.Die Kameradschaft Spreewacht besitzt ein eigenes Logo, das mindestenszwei Mitglieder auf ihren Körper tätowiert haben. Zudem existierenverschiedene Kleidungsstücke, die dieses Logo aufweisen. Mit dieserKleidung treten sie auch in der Öffentlichkeit auf. So auch bei einemÜbergriff mit anderen Neonazis auf zwei Schwarze am 25. Juni 2005 amS-Bhf Ostkreuz.Seit September 2004 befand sich der Treffpunkt der KameradschaftSpreewacht in der Archenholdstraße in einem ehemaligen Ladengeschäft.An der Einweihungsparty nahmen auch Neonazis aus dem Bundesgebietteil. Das Geschäft wurde jedoch schon einige Monate früher umgebaut.Dabei wurde ein Kneipenbereich eingerichtet und zahlreiche extrem rechtePlakate und Fahnen aufgehangen. Im Zeitraum von März bis Mai 2005gab es mehrere antifaschistische Angriffe auf das Objekt, wodurch dieKameradschaft zum Auszug gezwungen worden ist. Nach Aussagen vonAnwohnerInnen sind die Neonazis Ende Mai 2005 ausgezogen. Kontaktebesitzt die Kameradschaft Spreewacht sowohl zur Berliner NPD und derBrandenburger Deutschen Volks Union (DVU).Am Herrentag 2005, dem 5. Mai, feierte die Kameradschaft Spreewachtauf dem Gelände des Mitglied des Brandenburger DVU-Landesvorstandund Kreisvorsitzenden für Barnim, Oberhavel und Uckermark Klaus Mannim brandenburgischen Seefeld. Zu diesem Anlass fand ein kleines Konzertvon Legion of Thor statt.Am 18. Juni 2005 fand dort ebenfalls eine extrem rechte Veranstaltungstatt. So führte die DVU ein „Sommerfest mit Sonnwendfeier“ durch, andem es <strong>–</strong> nach Berichten der Neonaziszene - zu Schlägereien zwischenAngehörigen der DVU und dem „Märkischen Heimatschutz“ (MHS) kam.Auch Angehörige der nunmehr verbotenen Strausberger Kameradschaft„ANSDAPO“ gehörten zu den Gästen.Für den 13. August 2005 plante die Kameradschaft Spreewacht ein Konzertauf diesem Grundstück. Eingeladen waren die Skinheadbands „Sixil“,„Legion of Thor“ aus Berlin, „Schutt und Asche“ aus Friedrichshafen und„Vollendung“. Dieses wurde jedoch durch die Brandenburger Sicherheitsbehördenverboten.Mit der Berliner NPD realisiert die Kameradschaft Spreewacht hingegenvermeintlich bürgernahe Aktionen. Dazu gehört ein Infostand am 25.Juni 2005 in Heiligensee, der neben der Berliner DVU, dem MärkischenHeimatschutz und dem Nationalen Bündnis Preußen auch durch dieKameradschaft Spreewacht unterstützt wurde. Demonstriert wurde gegenden Ausbau der Schulzendorfer Straße als Autobahnzubringer.Am 16. Juli 2005 führte die NPD auf dem Hof ihrer Parteizentrale inKöpenick ein Kinderfest durch und versuchte so schon bei den Jüngstenmit Hüpfburg und Ballons für ihre menschenverachtende Propaganda zuwerben. Unterstützt wurde sie dabei abermals von der KameradschaftSpreewacht. Die guten Kontakte zur Berliner NPD bezeugte die KSWschon im Jahr 2004, als sie am 8. Mai zusammen mit Eckart Bräuniger(inzwischen Berliner NPD-Vorsitzender), in Kreuzberg Flugblätter gegendie Ausstellung „When love turn to poison“, die sich mit sexuellem Missbrauchbeschäftigt, verteilten.Mit der Lichtenberger „Kameradschaft Tor“ liegt die KSW inzwischen imClinch. Die KSW veröffentlichte auf ihrer Internetseite einen Text, in demsie der KS Tor mit Gewalt drohten. Mitglieder der KS Tor hingegen machenbei vielen Gelegenheiten aus ihrer Verachtung gegenüber der KSW keinenHehl.Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die KameradschaftSpreewacht trotz ihrer wenigen politischen öffentlichen Auftritte ein festerBestandteil der Neonazi-Szene Berlins ist. Sie gehören zum organisierendenTeil der Rechtsrockszene. Zudem besitzen sie neben nationalenVerbindungen auch Kontakte zur internationalen Neonaziszene.Strukturen 15