142 IL Teil. <strong>Die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Gewitter</strong>elektrizitätgemessen wird. Da eine Wolke etwa 5 g Wasser pro Kubikmeterenthält, so gibt das etwa 20 elektrostatische Einheiten Ladung proKubikmeter.Bei normalem Feld sind nach dieser Anschauung die großenTropfen negativ, die kleinen positiv zu erwarten. Das Potentialgefälleam Erdboden müßte also nach Elster und Geitel, weil die negativenLadungen zunächst nach unten gelangen, negativ werden. <strong>Die</strong> aufS. 138 entwickelten Ansichten stehen aber dieser Elster und GeitelschenAuffassung entgegen. Doch trifft es zu, daß nach <strong>der</strong> Influenztheorieentgegengesetztes Vorzeichen zwischen Potentialgefälle undRegenelektrizität, sogenanntes spiegelbildliches Verhalten bei<strong>der</strong> Elemente,zu erwarten ist, und das wird in <strong>der</strong> Tat durch die Beobachtungenbestätigt. Nach Elster und Geitel ist es nicht gesagt, daß das erregendeFeld immer das normale sein muß. Sie halten es wohl fürmöglich, daß innerhalb <strong>der</strong> Wolke durch Verlagerung von Wolkenschichtenund vor allem durch die Blitzentladungen das Feld sichauch umkehrt.Schindelhauer 178 ) glaubt, daß nur die Influenztheorie imstandeist, die Ergebnisse <strong>der</strong> langjährigen Potsdamer Nie<strong>der</strong>schlagselektrizitätsregistrierungenzu erklären. Es fällt ihm jedoch ein Wi<strong>der</strong>spruch mitden Beobachtungen auf. <strong>Die</strong> kleinen Tropfen erweisen sich nicht alspositiv, wie es die neuere Form <strong>der</strong> Theorie verlangt, son<strong>der</strong>n als negativelektrisch, Schindelhauer vermutet, daß die großen negativenTropfen in <strong>der</strong> Luft verdampfen können, während die länger in <strong>der</strong>Luft verbleibenden kleinen positiven anwachsen. Es ist aber wohlunmöglich, daß durch solche gar nicht bewiesenen Vorgänge eineelektrische Wirkung vollkommen in ihr Gegenteil verkehrt werdenkann. <strong>Die</strong> Schwierigkeit mit den Vorzeichen bleibt also bestehen.Simpson 177 ) 179 ) betont eine weitere. Ein elektrischer Kontakt zweierTropfen ohne Zusammenfließen ist kaum denkbar. Vor allem geladeneTropfen müssen stets zusammenfließen. Ungeladene können sich überhauptnicht berühren, son<strong>der</strong>n bleiben stets durch eine Luftschichtgetrennt. Auch beim Zersprengen <strong>der</strong> Tropfen, will Simpson dieInfluenzwirkung nicht gelten lassen. Der Stütze durch das Experimentermangelt die Influenztheorie noch ganz. Zwar führten schon im Jahre173i ) Siehe Seite 129.177 ) Siehe Seite 129.179 ) Siehe Seite 130.
Influenzvorgänge an den Nie<strong>der</strong>schlägen 1431885 Elster und Geitel einen Versuch aus, <strong>der</strong> aber wenig beweiskräftigist, weil an<strong>der</strong>e Vorgänge mit hineinspielen.<strong>Die</strong> Influenztheorie hat aber soviel Vorzüge — keine an<strong>der</strong>e Vorstellungkann den häufigen Zeichenwechsel und die hohen Ladungen,die dabei auftreten, so leicht erklären —, daß an ihr festgehalten werdenmuß. Um die beiden oben erwähnten Hauptschwierigkeiten zu beseitigen,ist es nur nötig, sie an<strong>der</strong>s zu formulieren. <strong>Die</strong> neuere Anschauungvon Elster und Geitel, die ein Abprallen an <strong>der</strong> Unterseitedes großen Tropfens annimmt, muß wie<strong>der</strong> fallen gelassen werden,weil die Vorzeichen an den Tropfen nicht mit <strong>der</strong> Erfahrung stimmen.Man muß entwe<strong>der</strong> zu <strong>der</strong> älteren Auffassung von 1885 und 1890,die von einer Trennung an <strong>der</strong> Oberseite des Tropfens ausging, zurückkehreno<strong>der</strong> aber statt des Herumgleitens o<strong>der</strong> Abpralls zweier Tropfendas Zerreißen, ,,Zerfahren", eines Tropfens im elektrischen Feld alselektrisch wirksam annehmen. <strong>Die</strong>se zweite Möglichkeit vermeidetnicht nur die Schwierigkeit <strong>der</strong> Vorzeichen, son<strong>der</strong>n gleichzeitig auchden Einwand von Simpson wegen <strong>der</strong> Berührung <strong>der</strong> Tropfen.Zunächst das Zerfahren <strong>der</strong> Tropfen. Simpson und Elster undGeitel halten zwar auf Grund <strong>der</strong> Lenardschen Versuche von 1904es für unmöglich, daß durch bloßen Zerreißen <strong>der</strong> Tropfen <strong>Elektrizität</strong>entstehen kann. Nun sind aber Lenards Versuche, die stetsohne Gegenwart eines elektrischen Feldes ausgeführt wurden, hier nichtohne weiteres anwendbar. Es wäre wohl lohnend, sie daraufhin zuwie<strong>der</strong>holen. In <strong>der</strong> Atmosphäre ist jedenfalls dort, wo sich die Vorgängean den Tropfen abspielen, stets ein mehr o<strong>der</strong> weniger starkesFeld vorhanden. Lenard selbst sagt in seiner Arbeit von 1921 181 )über das Zerfahren <strong>der</strong> Tropfen: ,,Das Zerfahren kommt zustande,wenn die Oberflächenschichten des Tropfens bei ruhigem Schwebendesselben Zeit haben, dem nach aufwärts gerichteten wirbelfreien Luftstromunter dem Einfluß <strong>der</strong> tangential gerichteten Reibungskraftzu folgen, ohne daß <strong>der</strong> Tropfen zerrissen wird, wobei in demselbenein Wirbelring sich ausbildet, <strong>der</strong> sich dann öffnet und nachher inTropfen zerfällt." Allerdings fügt er hinzu: „In <strong>der</strong> freien Atmosphärespielt <strong>der</strong> Vorgang in seiner reinen Form wohl nur selten eine Rolle,da genügende Schwankungen des nach aufwärts gerichteten Luftstromswohl meist nicht fehlen." Ich möchte nach dem heutigen Stand<strong>der</strong> Kenntnis von <strong>der</strong> Bewegung in <strong>der</strong> Atmosphäre annehmen, daß181 ) Siehe Soite 133.