114 II. Teil. <strong>Die</strong> Erklärung <strong>der</strong> <strong>Gewitter</strong>elektrizitätdas Vordringen <strong>der</strong> stark kernhaltigen unteren Luftmassen in hoheSchichten, es kann sogar staubfreie Luft aus <strong>der</strong> Höhe heruntergeführtwerden. Durch die Sonne wird aber die stabile Schichtung unterbrochenwerden können, <strong>der</strong> aufsteigende Luftstrom dringt hindurch,beson<strong>der</strong>s rasch dann, wenn er wie<strong>der</strong> auf eine Schicht mit adiabatischemTemperaturgefälle stößt. <strong>Die</strong> Folge ist eine starke Übersättigung unddamit eine plötzliche Kondensation an den negativen Trägern, unterhalb<strong>der</strong> 0°-Isotherme in Form von grobtröpfigem Regen, oberhalb O 0in fester Form. Ger dien schätzt die Höhe, in <strong>der</strong> das vor sich geht,zu etwa 4000 bis 5000 m, wo erfahrungsgemäß etwa eine elektrostatischeEinheit <strong>Elektrizität</strong> im Kubikmeter, das sind 3 x 10 9 Trägerin <strong>der</strong> Luft enthalten sind. Da nach Conrad 34 ) die Wolke, wenn siedicht ist, etwa 5 g Wasser im Kubikmeter enthält, ergäbe das für5 g Nie<strong>der</strong>schlagsmenge eine Ladung von einer elektrostatischen Einheit,eine Größenordnung, die mit den von Gerdien bei seinen Messungen<strong>der</strong> Nie<strong>der</strong>schlagselektrizität und -menge gefundenen Werten übereinstimmt.Nach <strong>der</strong> Kondensation an den negativen steigen die positivenTräger <strong>der</strong> Luft weiter in die Höhe, allerdings behin<strong>der</strong>t durch dasstarke Feld, das sich jetzt zwischen beiden Trägerschichten bildet.Nach Erreichung <strong>der</strong> 6 fachen Übersättigung kann auch bei ihnenKondensation eintreten; doch ist das für die Erklärung <strong>der</strong> Erscheinungennicht nötig. <strong>Die</strong> Entfernung zwischen den beiden verschiedengeladenen Schichten schätzt Gerdien zu nur einigen Hun<strong>der</strong>t Metern,so daß die Feldstärke recht hoch wird. <strong>Die</strong> Vertikalbewegung, dienötig wäre, um die positiven Träger gegen dieses Feld fortzutragen,wäre etwa 10 m/sec. Nach unten zu wirkt das Feld ebensowenig wieeine Cumuluswolke. Erst wenn die Nie<strong>der</strong>schläge fallen, treten aucham Erdboden starke Fel<strong>der</strong> auf, doch stellt sich nach dem Regen rechtbald wie<strong>der</strong> das normale Feld her. <strong>Die</strong> auftretende elektrische Energiebildet nach Ger dien nur eineji Bruchteil <strong>der</strong> Gravitationsenergie <strong>der</strong>Nie<strong>der</strong>schläge und nur einen ganz verschwindenden Teil <strong>der</strong> gesamtenkinetischen und thermischen Energie des Kondensationsvorgangs. <strong>Die</strong>geringen Ladungen bei Landregen erklären sich daraus, daß hier dieVerdichtung des Wasserdampfes fast nur an den Kernen erfolgt, diehohen bei Böen und <strong>Gewitter</strong>n durch die Kondensation an den negativenTrägern. <strong>Die</strong> negativen gelangen auf diese Weise zur Erde,während die positiven zu großen Höhen emporgetragen werden.34 ) Siehe Seite 42.
Elektrische Vorgänge beim Verdampfen und Verdichten des Wassers 115Der hier geschil<strong>der</strong>te Vorgang kann nun durch mancherlei Umständeabgeän<strong>der</strong>t werden, so durch die horizontalen Luftbewegungen,durch Än<strong>der</strong>ungen in <strong>der</strong> Vertikalbewegung wie Hineingeraten in eineabsteigende Strömung, durch Wirbelbildungen vor allem beim Durchbrechenvon stabilen Schichten, durch Zusammenfließen und Ladungsabgabevon Tropfen, sowie durch das Verdunsten <strong>der</strong> Tröpfchen und<strong>der</strong> festen Nie<strong>der</strong>schlagsteilchen. Neben <strong>der</strong> Wie<strong>der</strong>vereinigung <strong>der</strong>Ionen hält Ger dien auch die Bildung neuer durch Ionenstoß im starkenFeld für möglich. Dadurch wird im aufsteigenden Luftstrom immerneue Kondensation eintreten können, so daß auf diese Weise eineerhebliche Verstärkung des Feldes zustande kommt.<strong>Die</strong> Wilson-Ger dien sehe Theorie hatte vor 15 Jahren eine gewisseallgemeine Gültigkeit erlangt; selbst die Anhänger an<strong>der</strong>er Vorstellungenließen die Mitbeteiligung <strong>der</strong> Kondensationsvorgänge an denelektrischen Prozessen <strong>der</strong> Atmosphäre durchaus gelten. Wilson 152 )sah sie übrigens auch nur als mitwirkenden Faktor, nicht als alleinigeUrsache an. Bedenken gegen die unbeschränkte Anwendung <strong>der</strong>Wilsonschen Laboratoriumsversuche auf die Atmosphäre kamen allerdingsschon am Anfang <strong>der</strong> Entwicklung auf. So bezweifelte Aitken 153 )die vollkommene Trennung <strong>der</strong> kernhaltigen Luft von den Ionen.Einerseits müßten diese genau wie Kerne bei <strong>der</strong> ersten Kondensationim Cumulus zurückgehalten werden, an<strong>der</strong>seits enthält die Luft oberhalb<strong>der</strong> Wolken stets noch Kerne genug, sie können sogar durch dieSonne neu gebildet werden, so daß weiterhin die Verdichtung desWasserdampfes an ihnen und nicht an den negativen Trägern erfolgt.Wigand 154 ) erhielt neuerdings als Mittel von 14 Ballonfahrten folgendeVerteilung <strong>der</strong> mit dem Aitkenschen Zähler gemessenen Kerne:0— 200 m Höhe 44 000 im cm 3200— 400 „ „ 2 1 000 „ „400— 600 „ „ 13 000 „ ,,800—1000 „ „ 6 500 „ „1000—1500 „ „ 3 200 „ „152 ) C. T. R. Wilson, Über <strong>Gewitter</strong>elektrizität. Philosophical Magazine (6)17, 634 (1909).153 ) J. Aitken, Atmosphärische <strong>Elektrizität</strong>, Nature (London) 61, 514 (1899u. 1900) u. 62, 366 (1900).154 ) A. Wigand, <strong>Die</strong> vertikale Verteilung <strong>der</strong> Kondensationskerne in <strong>der</strong>freien Atmosphäre. Annalen <strong>der</strong> Physik (4. Folge) 59, 689 (1919).