96 I. Teil. <strong>Die</strong> Beobachtungstatsachenlegenheit, mit <strong>der</strong> sie <strong>der</strong> Erscheinung gegenübersteht. Mitunter harmlosverlaufend, oft aber von furchtbaren Zerstörungen begleitet, mitunheimlicher Gewalt ausgerüstet, immer rätselhaft und unerklärt,wurden die Kugelblitze von Arago als eine dritte Klasse von Blitzenbezeichnet. Ihre typischen Merkmale sind die längere, oft bis zuMinuten gehende Dauer, die verhältnismäßig langsame, mit dem Flug<strong>der</strong> Vögel, dem Laufen eines Tieres o<strong>der</strong> dem Rollen einer Kegelkugelvergleichbare Bewegung und die stets rund o<strong>der</strong> oval erscheinendeForm. Der Kugelblitz ist fast immer <strong>der</strong> Begleiter starker elektrischerEntladungen <strong>der</strong> Atmosphäre. Bald erscheint er nach einer Entladung,bald geht er einer solchen vorauf. Zuweilen verschwindet er spurlos,dann wie<strong>der</strong> endet er mit furchtbarem Knall. <strong>Die</strong> Größe <strong>der</strong> Kugelwird bald mit einem Hühnerei, bald mit einem Wagenrade verglichen.Oft folgt <strong>der</strong> Kugelblitz den Dachkanten <strong>der</strong> Häuser, manchmal demBlitzableiter. Ebenso oft verschmäht er <strong>der</strong>artige Wegweiser und irrtförmlich umher ohne erkennbares Gesetz und Ziel/' Er dringt sogarin das Innere <strong>der</strong> Häuser, nicht nur bei offener, son<strong>der</strong>n selbst beigeschlossener Tür. Leß 109 ) hat einmal einen rötlichen Kugelblitzbeobachtet, <strong>der</strong> 1 bis 2 Sekunden sich über einer Wolke fortbewegteund dessen Durchmesser er zu 20 m schätzte.Zu den Kugelblitzen sind auch die sogenannten Perlschnurblitzezu zählen. Der Name rührt von Plante her und gibt gut
Der Kugelblitz 97angefochten und so erfahrene Beurteiler <strong>der</strong> atmosphärischen <strong>Elektrizität</strong>wie Elster und Geitel 111 ) sagen darüber: „Man begreift in <strong>der</strong> Tatnicht, wie die Plant Aschen Versuche noch immer zu einer angeblichenErklärung dieser Erscheinung herangezogen werden können/' Dagegenhat <strong>der</strong> italienische Physiker Righi, <strong>der</strong> ähnlich wie schoneinige Jahre vor ihm v. Lepel Funkenentladungen durch feuchte Luftanstellte, bei <strong>der</strong> Entladung von Leydener Flaschen kugelförmigeleuchtende Massen erhalten.Genaue Studien, die Töpler 112 ), von Righis Versuchen ausgehend,an den Büschellichtbogen solcher Laboratoriumsentladungen anstellte,führten ihn zu folgenden Anschauungen über das Wesen <strong>der</strong> Kugelblitze.Der Büschellichtbogen stellt einen Entladungsvorgang dar,<strong>der</strong> vielfach dem Kugelblitz ähnelt. Beim Kugelblitz wird <strong>der</strong> gesamteEntladungs vor gang eingeleitet durch einen Linienblitz, den Anfangso<strong>der</strong>Initialblitz. Im Entladungskanal, <strong>der</strong> stark leitend bleibt, trittein Nachfließen ein, das sich, wenn es sehr regelmäßig erfolgt, alsKugelblitz äußert. <strong>Die</strong> Leuchtmasse besteht aus verdünnten Gasen,die von einer Lichthülle umgeben sind. <strong>Die</strong> Bewegung <strong>der</strong> Massekann außer durch die elektrischen Kräfte auch durch den Wind erfolgen.Das Ende des Entladungsvorgangs kann entwe<strong>der</strong> lautloso<strong>der</strong> durch einen Endblitz mit Knall erfolgen. <strong>Die</strong> Leuchtmasse kannsich bilden über je<strong>der</strong> Fläche, die intensiv <strong>Elektrizität</strong> abgibt. Sowirkt z. B. ein Dach als neuer Pol, und zwar sowohl nach außen wienach innen. Das Passieren <strong>der</strong> Leuchtmasse durch das Dach hindurchist also dann nur scheinbar.<strong>Die</strong> Stromstärke <strong>der</strong> Kugelblitze ist nach Töpler vielkleiner als die <strong>der</strong> Linienblitze. Bei seinen Büschellicht versuchen maßer Stromstärken von 0,001 Ampere pro Quadratmillimeter. Darausschätzt er je nach <strong>der</strong> Oberfläche und <strong>der</strong> Größe <strong>der</strong> Feuerkugel dieStromstärke in Kugelblitzen zu 4 bis 15 Ampfere. Nimmt man an,daß <strong>der</strong> Kugelblitz statt eines 60 bis 100 Coulomb führenden 0,01 Sekundedauernden Linienblitzes dieselbe Menge in <strong>der</strong> sehr viel größerenZeit von 5 bis 30 Sekunden entladet, so kommt man zu Stromstärken111 ) J. Elster und H. Geitel, Zusammenstellung <strong>der</strong> Ergebnisse neuererArbeiten über atmosphärische <strong>Elektrizität</strong>. Beilage zum Programm des GymnasiumsWolfenbüttel 1897.112 ) M. Töpler, Zur Kenntnis <strong>der</strong> Kugelblitze. Meteorol. Zeitschr. 17, 543(1900).