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34 Ein differenziertes BildungssystemDiese Modernisierung des Berufsbildungssystems darf nicht darüberhinweg täuschen, dass eine längere schulische und akademischeAusbildung für Südtirols Jugendliche in den letzten Jahrenattraktiver geworden ist, während die berufspraktischen Ausbildungswegean Zuspruch verlieren (Abt. Dt. und lad. Berufsbildung2012; siehe dazu Abschnitt 7).6.2 Komplexität und Durchlässigkeit des BildungssystemsDas breit gefächerte Angebot an weiterführenden Schulen und beruflichenAusbildungen in Südtirol stellt eine Besonderheit dar, diemit dem Zusammentreffen von historisch verschiedenen Bildungssystemenim italienischen und deutschen Kulturraum zu tun hat,vor allem aber durch die legislativen und verwaltungsmäßigen Befugnisseder Autonomen Provinz Bozen ermöglicht wurde. In ersterLinie ist diese Situation sicher von Vorteil für Jugendliche undderen Eltern, die sich für einen Ausbildungsweg entscheiden sollen.Ein breiteres Angebot geht aber auch einher mit der Notwendigkeit,dieses Angebot darzustellen und so eine gezielte und reflektierteWahl zu ermöglichen: die Orientierung kann sich für jungeMenschen und ihren Familien schwierig gestalten.Als weiteres Thema aufgrund des mannigfaltigen Bildungsangebotesergibt sich jenes der Durchlässigkeit zwischen verschiedenenBildungsgängen. Die Entscheidung für eine weiterführende Schulestellt immer eine Weichenstellung dar, dennoch muss es auchmöglich sein, den Schultyp zu wechseln, ohne dass dies eine Entwertungbereits erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten bis hinzur Wiederholung von Schuljahren nach sich zieht, so wie dies dieentsprechenden rechtlichen Bestimmungen vorsehen. 9Die Frage der Durchlässigkeit betrifft sowohl Übergänge zwischenVollzeitlehrgängen der Berufsschulen und Oberschulen staatlicherArt als auch zwischen Fachschulen und dualer Ausbildung innerhalbdes Berufsschulsystems, und nicht zuletzt zwischen unterschiedlichenSchultypen staatlicher Art. Gute Durchlässigkeit giltallgemein als Möglichkeit, vor allem die berufsbildenden Lehrgängeattraktiver zu machen, da sie sonst unter Umständen als „Sackgasse“empfunden werden (Atz/Schnock, 2008, 22). Doch auch allgemeinbildendeSchulen leiden darunter, dass sie keine günstigenUmstiegsmöglichkeiten bieten, wenn die Betroffenen diese Schu-9Das Staatsgesetz Nr. 144 vom 17. Mai 1999, mit dem die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahreingeführt wurde (siehe unten), schreibt u.a. vor, dass der Wechsel zwischen den ver -schiedenen Typen von weiterführenden Schulen jederzeit möglich sein muss, und verlangt diesbezüglichdie Anrechnung von Kenntnissen und Kompetenzen, die innerhalb eines dieser Bildungswegeerworben wurden, für die anderen Bildungswege in Form von „Bildungsguthaben“.
apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 35len nicht abschließen wollen oder können oder aber nach erfolgreichemAbschluss eine berufspraktische Ausbildung anschließenmöchten. Das Problem der Durchlässigkeit stellt sich somit verschiedendar, je nachdem zwischen welchen Ausbildungstypenund auf welcher Stufe es betrachtet wird. Allgemein gilt: je weiterdie Bildungskarriere fortgeschritten ist und je spezifischer die Anforderungender angestrebten bzw. der bereits absolvierten Ausbildung,desto schwieriger ein Umsteigen. In den letzten Jahrenwurden in Südtirol zum einen die Übergänge zwischen vergleichbarenBildungsgängen (z.B. Biennien an staatlichen Oberschulenund an Landesberufsschulen) durch Abstimmung der Lehrpläneund prozedurale Regelungen erleichtert. Zum anderen wurde versucht,das Problem durch Doppelqualifizierungen zu entschärfen(z.B. Gesellenprüfung neben Facharbeiterbrief als Abschluss vonVollzeitlehrgängen an der Berufsschule). Dennoch bleiben Schwierigkeitenbei der Mehrzahl der Übertrittsituationen, insbesonderedann, wenn in der bisherigen Ausbildung kein ordentlicher Abschlusserreicht wurde.Welche Auswirkungen hatte die Verlängerung der Schulpflicht vor14 Jahren? Während die Reform der Schulstufen auf nationalerEbene noch immer nicht endgültig beschlossen wurde, ist die Anhebungder Schulpflicht von bisher acht auf neun Jahre im Schuljahr1999/2000 erstmals zum Tragen gekommen. Auch die im gleichenZuge verabschiedete Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahrwurde seither schrittweise umgesetzt und ist nun voll inKraft. 10 Diese Neuerungen haben zur Folge, dass alle Schüler/innenohne Schulverspätung für mindestens ein Jahr eine weiterführendeSchule besuchen müssen. In Südtirol besteht die Möglichkeit,dieses Jahr nicht nur an Oberschulen staatlicher Art, sondern auchan Vollzeitlehrgängen der Landesberufsschulen oder der land-, forst-und hauswirtschaftlichen Schulen zu absolvieren.Damit stellen sich die Probleme der Schulwahl und der Durchlässigkeitin verschärfter Form, denn die Schulpflicht kann Jugendlichedazu verleiten, einen bestimmten Schultyp sozusagen probeweisezu besuchen, wenn eine Entscheidung über den weiterenBildungsweg nach Abschluss der Mittelschule schwer fällt. Besondersin jenen Fällen, wo nach dem Besuch der ersten Klasse einer10Aufgrund von Artikel 68 des Staatsgesetzes Nr. 144 vom 17. Mai 1999 sind Jugendliche in ganzItalien nach der allgemeinen Schulpflicht, die im Alter von 15 Jahren mit dem ersten Jahr derhöheren Schule (bzw. in Südtirol eines Vollzeitlehrgangs an der Berufsschule) endet, verpflichtetbis zum Alter von 18 Jahren eine vorgeschriebene Mindestausbildung zu durchlaufen. Hierfürstehen ihnen drei Möglichkeiten zur Auswahl: Fortsetzung der höheren Schule bis zum Erwerbeines Schulabschlusses, Einschreibung in die regionale Berufsbildung zum Erwerb einer beruflichenQualifikation, Beginn einer Lehre mit mindestens 240 Unterrichtsstunden pro Jahr.
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