"Jugend und Arbeit: Relevante Aspekte vor dem ... - AFI-IPL

Jugend und Arbeit: ein Überblick über relevante Aspektevor dem Hintergrund des Südtiroler Arbeitsmarktes undAusbildungssystemsErgebnisberichtThomas BenedikterGiuliana CannataBozen, 2013AuftraggeberDurchführendes InstitutArbeitsförderungsinstitutIstituto Promozione LavoratoriNeubruchweg 5 B / Via del Ronco 5 B VIII-39100 Bozen/BolzanoDominikanerplatz 35I-39100 BOZENtel. +39-0471-970115fax. +39-0471-978245Info@apollis.it

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 3Zitat: Benedikter, Thomas, Giuliana Cannata (2013): Jugend undArbeit: ein Überblick über relevante Aspekte vor dem Hintergrunddes Südtiroler Arbeitsmarktes und Ausbildungssystems. IllustrierterErgebnisbericht zu einer empirischen Untersuchung im Auftragdes AFI/IPL (Arbeitsförderungsinstitutes). Bozen: apollis.Interne Projektnummer: 610Projektleitung: Helmuth PörnbacherBozen, April 2013.

4Inhaltsverzeichnis1 Ausgangslage ................................................................ 82 Ziele und Fragestellungen .......................................... 103 Methodische Vorgangsweise ..................................... 124 Erkenntnisse der Übergangsforschung ..................... 154.1 Der Übergang im Wandel....................................................154.2 Jugend zwischen eigenen Erwartungen undAnforderungen des Arbeitsmarktes...................................215 Eckdaten zu Arbeitsmarkt und Schule ...................... 235.1 Beschäftigungsquote und Arbeitslosigkeit.........................235.2 Atypische Arbeitsverhältnisse und jungeArbeitnehmer/innen.............................................................275.3 Maturanten auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt....................296 Rahmenbedingungen in Südtirol ............................... 316.1 Ein differenziertes Bildungssystem.....................................316.2 Komplexität und Durchlässigkeit des Bildungssystems...346.3 Was hat sich in Südtirol bewährt? .....................................367 Übergangsphase Ausbildung-Beruf: südtirolspezifischeVertiefungen ............................................................... 387.1 Berufswahl und Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innen . ................................................................................................387.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Übergang insErwerbsleben.......................................................................407.3 Braucht Südtirol mehr Akademiker?...................................427.4 Risikogruppen.......................................................................447.4.1 Jugendliche aus bildungsfernen Schichten.............457.4.2 Schul- und Ausbildungsabbrecher............................457.4.3 Ausländische Jugendliche als Risikogruppe?..........46

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 58 Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Jugendliche inden Nachbarregionen ................................................ 498.1 Bundesland Tirol...................................................................498.1.1 Eckdaten zum Arbeitsmarkt.......................................498.1.2 Die Maßnahmen zur Förderung derJugendbeschäftigung.................................................518.2 Autonome Provinz Trient (Trentino)...................................558.2.1 Eckdaten zum Arbeitsmarkt ......................................558.2.2 Die Maßnahmen zur Förderung derJugendbeschäftigung.................................................578.3 Region Venetien (Veneto)....................................................638.3.1 Eckdaten zum Arbeitsmarkt.......................................638.3.2 Die Maßnahmen zur Förderung derJugendbeschäftigung.................................................649 Gespräche mit Experten und Akteuren ..................... 699.1 Fragen an alle Akteure..........................................................699.1.1 Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol: eineEinschätzung...............................................................699.1.2 Die Wahl der Ausbildungswege................................729.1.3 Werte und Haltungen ................................................739.1.4 Stärken des Südtiroler Bildungssystems..................759.1.5 Schwächen des Südtiroler Bildungssystems...........789.1.6 Brücken zwischen Schule und Arbeitswelt..............819.1.7 Kompetenzen für den Arbeitsmarkt..........................839.1.8 Ein Blick auf den Arbeitsmarkt der Zukunft..............859.2 Gruppenspezifische Fragen.................................................889.2.1 Berufsausbildung und Oberschule............................889.2.2 Probleme der Jugendlichen im Bildungssystem.....939.2.3 Jugendliche vor der Berufswahl................................979.2.4 Die Berufsberatung...................................................1029.2.5 Arbeitssuche und Arbeitsvermittlung.....................1039.2.6 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes......................1079.2.7 Reformen des Arbeitsrechts....................................1159.2.8 Problemgruppen.......................................................11810 Fazit .......................................................................... 12211 Literatur ................................................................... 129

612 Anhänge ................................................................... 13412.1 Auswahl der Expertengruppen........................................13412.2 Themen, Fragestellungen, Leitfäden...............................13512.2.1 Generelle Fragestellungen.....................................13512.2.2 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppe......................................................................................13712.3 Jugendarbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlechtund Jahr..............................................................................149

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 7TabellenverzeichnisTabelle 1: Beschäftigung der Südtiroler Wohnbevölkerung 2011nach Alter und Geschlecht (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung)................................................................... 23Tabelle 2: Arbeitslosenquote in Südtirol nach Alter, Geschlechtund Jahr (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung) ....... 25Tabelle 3: Jugendarbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlechtund Jahr (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung);fehlende Jahre sowie fehlende Regionen sieheAnhang 12.3) .................................................................. 26Tabelle 4: Jugendarbeitslosigkeit in Europa 2011 nach Ländern(Quelle: Eurostat Arbeitskräfteerhebung) ................... 27Tabelle 5: Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Österreichund Tirol 2000-2009. Quelle: EQUI-OHS, Evaluierung arbeitsmarktpolitischerMaßnahmen und Förderungen inTirol, Wien 2011. ........................................................... 49Tabelle 6: Bestand Arbeitsloser im Bundesland Tirol bis 25 Jahre,nach Ausbildung (Jahresdurchschnitt 2012, ohne Dezember).Quelle: Arbeitsmarkt 2012, auf:www.ams.at/arbeitsmarktdaten (Zugriff:11.12.2012) . 50Tabelle 7: Arbeitsmarktpolitische Jugendbeschäftigungsmaßnahmenin Tirol 2010. Quelle: EQUI-IHS, Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Förderungen,Sept. 2010. ..................................................................... 52Tabelle 8: Indikatoren für den Arbeitsmarkt, nach Altersgruppenfür das Trentino und vergleichend – 2011 (Prov. autonomadi Trento - Agenzia del Lavoro, XXVII Rapportosull'occupazione in provincia di Trento - 2012, 58) .... 55Tabelle 9: Die Arbeitslosigkeit in der Region Veneto 2008- 2011(Regione Veneto - Veneto Lavoro 2012a) .................... 63Tabelle 10: Verfügbare eingetragene Arbeitslose bis 29 Jahre inder Region Veneto 2008- 2011 (absolute Zahlen) (RegioneVeneto - Veneto Lavoro 2012a, 157) ...................... 63

8 Ausgangslage1 AusgangslageDer zentrale Treiber für internationale Forschung zum Thema Jugendund Arbeitsmarkt ist eine hohe Jugendarbeitslosigkeit. Ausgehendvom Stellenwert von Erwerbsarbeit für die betroffenen Jugendlichenund Ihre Familien aus ökonomischer Sicht, aber auchwegen der Funktion für die Identitätsbildung und Sozialisation derJugendlichen, schließlich auch wegen der zentralen Funktion derErwerbsarbeit für die gesellschaftliche Integration befassen sicheine ganze Reihe von Untersuchungen mit der Frage, wer aus demArbeitsmarkt herausfällt oder den Zugang gar nicht schafft, welcheFolgen die Nichtteilhabe am Arbeitsmarkt hat, was wohl die Gründedafür sind und welche (vor allem arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen)angemessen sind, um das Problem abzumildern oder garzu lösen.Aus Südtiroler Sicht drängen sich Untersuchungen mit diesem Fokusnicht auf, weil die Jugendarbeitslosigkeit derzeit – zumindestim Vergleich mit anderen Regionen – niedrig ist. Derzeit wird eineArbeitslosenrate von fast 10% bei den 15-29jährigen verzeichnetsowie ein höherer Anteil an prekär Beschäftigten unter den jungenArbeitnehmern. In dem im Sommer 2012 erstellten Promemoriader Abteilung Arbeit an die Landesregierung bezüglich der Jugendarbeitslosigkeitwerden 290 Personen als „kritische Fälle“ bezeichnet,deren Benachteiligung der mangelnden Zweisprachigkeit,dem niedrigen Bildungsabschluss und der Orientierungslosigkeitentspringe. Andererseits wird am Südtiroler Arbeitsmarkt immerwieder ein Mangel an spezialisierten Fachkräften beklagt, undzwar in mehreren Berufsfeldern und für unterschiedliche Qualifikationsniveaus.Eine Sichtweise, die den Stellenwert des Themas ausschließlichan der Arbeitslosenrate festmacht, greift aber aus mehreren Gründenzu kurz. Dazu sollen vier Überlegungen angeführt werden, diesich um die Phase des Berufseintrittes drehen, also der Transitionsphasezwischen Ausbildung und Arbeitsmarkt, und die eineAnalyse der Thematik Jugend und Arbeit unter den besonderenSüdtiroler Vorzeichen geboten erscheinen lassen.(1) Zum ersten hat sich die Phase des Berufseintrittes in den letztenJahren und Jahrzehnten stark verändert und ist noch im Wandelbegriffen. Man könnte die Änderungen unter dem Begriff derDifferenzierung und Fragmentierung zusammenfassen. LängereAusbildungszeiten und eine Pluralisierung der Ausbildungsmöglichkeitenführen dazu, dass der Berufseintritt nicht als kollektivesEreignis einer Kohorte eintritt, vielmehr erfolgt er äußerst heterogenbezüglich Alter und Form. Außerdem kann sich die Phase in-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 9dividuell auch in die Länge ziehen, wenn z.B. ein erster Versuchdes Einstiegs aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert hat,dann in eine Zusatzausbildung mündet, vielleicht unterbrochenoder durch Praktika ergänzt wird. Durch die langen Ausbildungszeitenrücken auch Familienphase und Eintrittsphase in den Arbeitsmarktin zeitliche Nähe und können sich eventuell auch nochüberlagern.(2) Ein weiterer Grund für die Relevanz der Beobachtung der Berufsfindungsphaseund der Phase des Berufseinstiegs sind Veränderungenam Arbeitsmarkt selbst, die man gerne unter demSchlagwort der Flexibilisierung zusammenfasst. Die Aufnahme inein unbefristetes und vollzeitliches „Normalarbeitsverhältnis“ istzwar nach wie vor das am weitesten verbreitete Modell in Südtirol,ist aber nicht für alle Jugendlichen gleichermaßen erreichbar; diezunehmende Diskussion um sogenannte prekäre Beschäftigungsverhältnisseweist darauf hin.(3) Ein dritter Grund für eine lohnenswerte Betrachtung der Phasedes Berufseintrittes legt den Fokus auf die Frage, inwieweit die Erwartungender eintretenden Jugendlichen erfüllt werden. Die Wirksamkeitder Ausbildung und Berufsfindungsphase sowie die Artund Weise des Berufseinstiegs wird also nicht an der Frage gemessen,ob jemand eine Arbeit findet, sondern ob er/sie die Arbeitfindet, die er/sie sich vorstellt und die als befriedigend erachtetwird. Dieser Fokus stellt weniger den ökonomischen Aspekt vonArbeit in der Vordergrund, sondern vielmehr den zunehmendenStellenwert von Arbeit als Vehikel der sozialen Positionierung undgesellschaftlichen Integration. Es geht also nicht nur darum, eineArbeit zu finden, die Jugendlichen stellen immer höhere Ansprüchean ihre Beschäftigung: sie wollen die richtige Arbeit finden.(4) Ein weiterer Fokus betrachtet die Phase des Berufseintrittes ausder Sicht des Arbeitsmarktes. So wie aus Sicht der Jugendlichennicht ausschließlich das Auftreten von Jugendarbeitslosigkeit alsMaßstab für Berufsvorbereitung und Berufseinstieg gelten kann,so reicht es aus Sicht der Arbeitgeber nicht aus, offene Stellen zubesetzten; vielmehr wird das Humankapital der Mitarbeiter/innenimmer mehr zum zentralen Schlüssel für den Erfolg des Unternehmens.Aus der Sicht des Arbeitsmarktes wird also immer zentraler,inwieweit die Jugendlichen die Herausforderungen des sichändernden Arbeitsmarktes erfüllen.

10 Ziele und Fragestellungen2 Ziele und FragestellungenZiel des hier beschriebenen Projektes ist es, das Thema „Jugendund Arbeitsmarkt“ in seiner Vielschichtigkeit vor dem Hintergrundder spezifischen Situation des Südtiroler Arbeitsmarktes und desSüdtiroler Ausbildungssystems darzustellen. Dabei sollen relevanteThemen benannt, die gesellschaftlichen Akteure angesprochenwerden, die rund um diese Themen eine Rolle spielen, undschließlich sollen Wissen und Fakten zu diesen Themen gesichtetwerden. Ein Überblick über arbeitsmarktpolitische Maßnahmenund Instrumente in den Nachbarregionen sollen das Bild ergänzen.Damit hat der hier beschriebene Ansatz den Charakter einerVorstudie, die die Vielfalt der Themen und Problemlagen darstellt,bereits vorhandenes Wissen sichert und Empfehlungen für Vertiefungenausspricht.Der Fokus der Untersuchung liegt auf der breiten Beleuchtung derÜbergangsphase von der Schule in die Arbeitswelt. Damit sollenaktuelle Entwicklungen im Übergang vom AusbildungssystemSüdtirols zum Beruf bzw. in Arbeitsmarkt beschrieben werden.Welche Art von Wandel, vor allem als Modernisierung begriffen,ist in dieser Phase in unserem Land im Gang? Welche Problemlagenlassen sich heute beim Übergang von der Schule in den Beruferfassen? Was behindert oder erschwert die Berufsfindung der Jugendlichen?Welche Gruppen von Benachteiligten bilden sich heraus,was hingegen fördert den erfolgreichen Übergang von derSchule in den Beruf? Schließlich soll darauf eingegangen werden,welche Rahmenbedingungen erhalten oder geschaffen werdenmüssen, um den Jungen und Mädchen auch in der Zukunft aussichtsreicheOptionen für die Berufswahl und den Berufseinstiegzu bieten. Zudem sollen – auch anhand des Vergleichs mit denMaßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit in den NachbarregionenTrentino, Venetien und Bundesland Tirol – Anregungen fürdie bessere Gestaltung dieses Übergangs durch zielgerechte Maßnahmender Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Sozialpolitik gebotenwerden.Der Anspruch einer möglichst breiten Beleuchtung des Themassoll in erster Linie dadurch eingelöst werden, dass die Thematikaus der Sicht von verschiedenen Akteuren her aufgerollt wird.Zielgruppe des empirischen Hauptteils der Untersuchung sinddeshalb Vertreter aus 7 gesellschaftlichen Akteuren: (1) der Schule,Berufsschule und Bildungsplanung, dann (2) Arbeitsvermittler,Berufs- und Bildungsberater, (3) Jugendarbeiter und Selbstvertretungvon Jugendlichen, (4) Unternehmerverbandsvertreter, (5)Forschung und Arbeitsmarktbeobachtung, (6) Vertreter der Gewerkschaftenund Sozialverbände sowie (7) Vertreter/innen der

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 11Berufsberatung (siehe auch Kapitel Methode). Eine empirische Erhebungunter Jugendlichen selbst und unter Unternehmern warnicht vorgesehen. 1Der vorliegende Forschungsbericht ist wie folgt aufgebaut: zunächstwerden in Abschnitt 3 die methodische Vorgangsweis kurzerläutert, dann im Abschnitt 4 theoretische Grundlagen und Vorüberlegungenzur Bedeutung der Übergangsphase vom Bildungssystemins Erwerbsleben dargelegt. In diesem Rahmen werden –nach den allgemeinen Aspekten – wesentliche institutionelle undsoziale Rahmenbedingungen für die Beschäftigung Jugendlichersowie die zu erörternden Problembereiche der Jugendarbeitslosigkeitin Südtirol thematisiert. Darauf bauen einige Forschungshypothesenauf, die im empirischen Teil Thema der Expertengesprächesind.Daran anknüpfend bringt Abschnitt 5 die die wesentlichen Strukturindikatorenzur Jugendbeschäftigung und Jugendarbeitslosigkeitim Land. Im Abschnitt 6 werden arbeitsmarktpolitische Maßnahmenfür Jugendliche in den Nachbarregionen Trentino, Tirol undVenetien vorgestellt, um im Abschnitt 7 zum empirischen Teil derGespräche mit Südtiroler Experten und Akteuren in der Übergangsphasevon der Bildung in den Arbeitsmarkt zu kommen. ImFazit werden die wesentlichen Erkenntnisse in geraffter Form wiedergegeben.1Eine solche Untersuchung wurde übrigens von einigen der Gesprächspartner angeregt.

12 Methodische Vorgangsweise3 Methodische VorgangsweiseMethodisch fußt die Arbeit auf vier Modulen:der Darstellung zentraler Kennzahlen zum Südtiroler Arbeitsmarkt,einer kurzen Einführung in die Thematik, die ausgewählte internationaleLiteratur würdigt, den Südtiroler Rahmen beschreibtund wichtige Erkenntnisse aus der einschlägigen Forschungmit Südtirol-Bezug festhältder Beschreibung ausgewählter arbeitsmarktpolitischer Maßnahmenin den Nachbarregionen Tirol, Trentino und Venetosowieder Durchführung von 35 Leitfadengesprächen, die den zentralenTeil der Untersuchung bilden werden.Modul 1 und 2 sind das Ergebnis einer Sichtung von Sekundärliteratur,vervollständigt durch ausgewählte Analysen der Daten derArbeitskräfteerhebung und der periodischen Analysen von Einzelaspektendes Arbeitsmarktes durch die Arbeitsmarktbeobachtungsstelledes Landes.Die Darstellung der spezifischen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmenfür Jugendliche in den Nachbarregionen (Modul 3) beruht aufeinem Expertengespräch und der Analyse der einschlägigen Dokumenteund Literatur:Bundesland Tirol (Arbeitsmarktservice)Autonome Provinz Trient (Dr. Corrado Rattin, Agenzia del Lavorodel Trentino):Region Venetien (Veneto Lavoro).Die Darstellung konzentriert sich sich auf die Auflistung solcherMaßnahmen, ohne eine Bewertung ihrer Wirksamkeit vornehmenzu können.Die Leitfadengespräche mit Akteuren und Experten (Modul 4) beleuchten,ausgehend von den in Modul 1 aufgeworfenen Themen,die verschiedenen Aspekte des Übergangs der Jugendlichen vonder Schule in den Beruf und ihre Integration in den Südtiroler Arbeitsmarkt.Die Schwerpunkte dieser Befragung liegen dabei aufden arbeitsrechtlichen, wirtschaftlichen und institutionellen Rahmenbedingungen,den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt undim Bildungssystem, auf den Kompetenzen und Motivationen derjungen ArbeitnehmerInnen, auf den Erwartungen von Unternehmenund Betroffenen, und schließlich auf dem sozialen Umfeld derJugendlichen und ihrem Lebenswelt. Außerdem werdenForscher/innen, die diese Themen mit Bezug auf die Südtiroler

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 13Verhältnisse bereits bearbeitet haben, zu ihren Erkenntnissen befragt.Auf der Grundlage dieses Themenkataloges wurden 7 Bereichemit jeweils mehreren Akteuren benannt, aus deren Reihendann die Zielpersonen für die Interviews gewählt wurden. Die konkreteAuswahl der Zielperson erfolgte prinzipiell durch die Leitungder verschiedenen Organisationen, denen im Vorfeld der Leitfadenzugesandt wurde und die gebeten wurden, eine/n aus ihrer Sichtgeeigneten Gesprächspartner/in zu benennen.Folgende Gruppen wurden festgelegt:1. Schule, Berufsschule und Bildungsplanung:Oberschullehrer technologische OberschuleOberschullehrer mit Aufgabe der Koordination der BerufsberatungBerufsschuldirektorin (dt.)Berufsschullehrer (ital.)Direktor einer ladinischen OberschuleLeiter der Abt. Berufsschulwesens in ital. SpracheSchulinspektorin2. Arbeitsvermittler, Berufs- und Bildungsberater:Direktor des Arbeitsmarktservices des LandesArbeitsvermittlerin Stadtgebiet (Bozen)Arbeitsvermittlerin ländlicher Raum (Neumarkt)Private Arbeitsagentur (Leiharbeit, Bozen)Private Arbeitsagentur (qualifizierte Berufe, Bozen)3. Jugendarbeiter und Selbstvertretung von JugendlichenGeschäftsführer des Jugendrings SJRLeiter eines Bozner JugendzentrumsSüdtiroler HochschülerInnenschaft/ASUSAmtsdirektor des Amts für Jugendarbeit der Aut. Provinz4. Unternehmer und VerbandsvertreterUnternehmerverband UVSLegaCoop - Bund der GenossenschaftenLVH-APAHGVHdS-Unione5. Forschung und ArbeitsmarktbeobachtungForscher der Fakultät für Bildungswissenschaften, Doktorandmit Schwerpunkt Jugend

14 Methodische VorgangsweiseWIFO-IREBildungsplaner der Abt. Berufsbildung in deutscher und lad.SpracheASTAT (Direktorin)Mitarbeiter der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle6. Gruppe: Vertreter der Gewerkschaften und SozialverbändeASGBAGB/CGILSGB/CISLUIL/SGKKVW7. Gruppe: BerufsberatungBerufsberaterin (ital. Sprachgruppe)Berufsberaterin (Spezialfach Oberschüler)Direktorin des Amtes für Berufsberatung der Autonomen ProvinzPsychologin des Berufsberatungsdienstes (dt. Sprachgruppe)Mit diesen 35 Akteuren und Experten wurde die Gespräche amSitz der jeweiligen Institution geführt; die durchschnittliche Dauerlag bei 70 Minuten. Das Interview war jeweils zweigeteilt. Ein erster,allgemeiner Fragenteil berührte Aspekte, die von allen Befragtenkommentiert werden sollten: die Situation der Jugendarbeitslosigkeit,die Erwartungen der Jugendlichen, die Hauptstärken undkritischen Bereiche des Bildungssystems, die Möglichkeit einerbesseren Abstimmung von Ausbildung und Arbeitsmarkt, die vonden Arbeitgebern erwarteten Grundkompetenzen der Jugendlichen.Der zweite Fragenteil war breiter gefächert und differenziertnach dem jeweiligen Arbeits- und Fachgebiet der Experten undAkteuren. Die Entscheidung für diesen Ansatz, also einen allgemeingehaltenen Teil im Leitfaden allen Befragten vorzulegen undeinen spezifischen Leitfadenteil je nach Akteur zu konzipieren,schlägt sich auch in der Berichtlegung nieder, die sich in diesezwei Schritte gliedert.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 154 Erkenntnisse der ÜbergangsforschungIn diesem Abschnitt sollen ausgewählte Erkenntnisse der Übergangsforschung– also der wissenschaftlichen Beschäftigung mitder Transitionsphase zwischen Ausbildung und Beruf – vorgestelltwerden. Im darauf folgenden Abschnitt 5 sollen die SüdtirolerRahmenbedingungen kurz aufgezeigt werden, vor denen sich dieserÜbergang abspielt. In Abschnitt 6 sollen schließlich einige südtirolspezifischeErkenntnisse festgehalten werden, die rund umThemen des Übergangs von Interesse sind. Alle drei Bereiche –ausgewählte internationale Forschungsergebnisse, regionale Rahmenbedingungensowie spezifische Erkenntnisse – dienten in ersterLinie dazu, die zentralen Themen für die Expertengespräche zudefinieren.4.1 Der Übergang im WandelDie Berufsfindung der jungen Menschen hat sich in den westlichenGesellschaften durch die Modernisierung der Wirtschaft kompliziert.Die Berufswelt ist unübersichtlicher geworden. Dem entsprechendist auch das Bildungs- und Ausbildungsangebot heute breitergefächert. Die Phase der Berufsfindung ist – abgesehen vonakademischen Berufen, bei welchen sie immer schon länger währte– nicht mehr nur auf das Alter von 15 bis 20 Jahren begrenzt,sondern reicht weit darüber hinaus. Viele Berufe werden nichtmehr klar über Bildungs- und Qualifikationsstufen erreicht, sondernüber alternierende Phasen von Spezialisierung, Praktika undprekärer Beschäftigung. Bei den Jugendlichen selbst führt dies zuprovisorischen Bildungs- und Berufsentscheidungen, zu Warteschleifenauf dem Arbeitsmarkt, Grundausbildungsgängen undmehrfachem Wechsel von Ausbildungswegen, was die Phase desÜbergangs von der Berufsbildung ins Erwerbssystem verlängert(Zukunftszentrum Tirol, 2011).Diese Übergangszeit ist im Vergleich mit der Elterngeneration zeitlichgestreckter und durch höhere Risiken geprägt: „Heranwachsendemüssen erhebliche Eigenleistungen bei der Gestaltung ihresLebenslaufs erbringen. Wenngleich die Handlungsoptionen zugenommenhaben, so sind doch die gesellschaftlichen Vorgabenund institutionellen Rahmenbedingungen für eine subjektiv sinnvolleund eigenständige, materiell gesicherte Lebensführung rechtvage. Angebote für den Aufbau von psychosozialen Kompetenzen,wie Selbstvertrauen und Resilienz, sind mangelhaft und teilweisewidersprüchlich – wie sollen auch Jugendliche in Bildung undAusbildung sowie auf dem Arbeitsmarkt in der Lage sein, Verantwortungfür ihren Lebensweg zu übernehmen, wenn sie in Über-

16 Der Übergang im Wandelgangssituationen mit ungewissem Ausgang entscheiden und handelnmüssen.“ (Heinz 2011, 16)Somit ist die Berufsfindung und der Berufseinstieg als Phase desÜbergangs heute eine lebenszeitlich verlängerte Phase der persönlichenVerortung in Arbeitswelt und Gesellschaft geworden, einePhase, die zeitlich über die Pflichtschule weit hinaus reicht; einefür viele Jugendliche längere und bedeutend komplexere Phaseals noch in ihrer Elterngeneration (Thomas Rothe/Stefanie Tinter2007, 5), die langfristige Folgen für ihre Integration in die Arbeitsweltmit sich bringt. Der erste Arbeitsplatz ist der Einstieg in dieberufliche Laufbahn und beeinflusst den späteren Werdegang:„Forschungen in Schweden haben gezeigt, dass jene jungen Leutespäter eher arbeitslos werden, die gleich nach Schulabschluss keineArbeit gefunden haben“ (EUROFOUND 2012, 15).Jugendliche haben im Anschluss an die Pflichtschule oft eine Reihevon Übergängen zu bewältigen, bis sie schließlich eine Anstellungim erlernten Beruf finden. Diese Übergänge lassen sich auchals Statuswechsel interpretieren und verlaufen bei vielen Jugendlichennicht so problemlos, wie das vielleicht früher der Fall war.Sie sind wesentlich für die soziale Integration und Entwicklung einerIdentität, können aber nicht abgetrennt werden von anderenEntwicklungsschritten, die Jugendliche in diesem Alter durchlaufen(Preiß 1996, 11). Die Phase des Übergangs in die selbstständigeLebensführung als Erwachsener sind heute nicht nur länger,„sondern auch variabler, disparater und diskontinuierlicher als infrüheren Generationen. Übergänge verlängern sich, z. B. durch berufsvorbereitendeMaßnahmen und Arbeitslosigkeit. Risiken dersozialen Exklusion nehmen für diejenigen zu, denen es nicht gelingt,Ausbildungsoptionen zu ergreifen und schulische sowie betrieblicheSelektionsprozesse zu meistern.“ (Heinz, 2011, 16)Die Berufsfindung ist auch deshalb eine Schlüsselphase im Lebeneines jungen Erwachsenen, weil sie – neben dem sozialen Statusder Eltern – die Qualität der künftigen Arbeits- und Lebensbedingungenstark beeinflusst. Ein erfolgreicher Einstieg ins Beschäftigungssystemeröffnet in diesem Licht die besten Perspektiven aufbefriedigende Arbeit, soziale Anerkennung, materiellen Wohlstand,gesellschaftliche Teilhabe und persönliches Selbstwertgefühl.Der Übergangsprozess ist eine Phase des „Sich-zurecht-finden-müssens“,aber auch eine große Individualisierungschance:„Um den vielfältigen Übergangsanforderungen aktiv begegnen zukönnen, müssen Jugendliche und junge Erwachsene ihre herkunftsgeprägtenLebensvorstellungen, Qualifikationen und Kompetenzenan die jeweiligen Angebote in Bildung und Beschäftigunganpassen und soziale und personale Ressourcen als biografi-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 17sches Kapital bilden und nutzen. Je schwächer die Verbindungenzwischen Bildungsabschlüssen und Erwerbschancen werden, destomehr wächst die Verantwortung für den Einzelnen, dieseselbst herzustellen. Da die Lebensperspektive des „Immer-so weiter“,also der Kontinuität zwischen Schulabschluss, Ausbildungund Berufseintritt, immer brüchiger geworden ist, nicht zuletzt wegender Deregulierungsprozesse am Arbeitsmarkt, reichen die individuellenRessourcen oft nicht aus, und es müssen Familie undSozialpolitik aushelfen“. (Heinz, 2011, 17)Wenn die Eckpfähle für den Einstieg ins Erwerbsleben währenddieses Übergangs gesetzt werden, das „biografische Kapital“ anBildung, Kompetenzen und personalen Ressourcen aufgebautwird, ist nach wie vor deutlich, dass die Lebenschancen durch diesoziale Herkunft mitbedingt werden. Der Übergang ins Erwachsenenalterkann länger dauern und verschieden genutzt werden, jenach dem aus welcher sozialen Schicht man stammt, oder, wieW.R. Heinz es formuliert: „Jugend muss man sich materiell, emotionalund sozial leisten können; ihre Dauer und Lebensqualitäthängen von den ökonomischen, sozialen und personalen Ressourcenab, über die Heranwachsende verfügen können, wenn sie ihreLebensvorstellungen mit den Anforderungen von Bildungssystem,Arbeitsmarkt und staatlichen Agenturen koordinieren müssen. Allerdings:Ein Mangel an Geld und Kontakten schließt nicht aus,dass sich Jugendliche schulische und berufliche Ziele setzen(„Wunschberufe“); eine karge Ressourcenausstattung begrenzt diegreifbaren Wahlmöglichkeiten jedoch erheblich.“ (Heinz, 2011, 16).Kurz: die Ausbildungs- und Berufsverläufe und die daraus resultierendenZukunftsperspektiven hängen eng mit bestehenden sozialenUngleichheiten und gebotenen oder fehlenden Förderungsmaßnahmenzusammen.Welche Strategien wenden Jugendliche in der Bewältigung dieserPhase an? Welchen Problemen müssen sie sich stellen und welcheLösungen oder Verbesserungen im System bieten sich an?Dieser Prozess von der Berufsfindung über die Berufsbildung biszur ersten Berufstätigkeit ist Gegenstand der „Übergangsforschung“(Preiß 1996, 12), die auch zu erfassen versucht, wie sichdie Übergangsphase verändert.Auf der individuellen Verhaltensebene kann man dabei eine Vielfaltvon Mustern feststellen, die auch durch die geforderte Flexibilitätam Arbeitsmarkt hervorgerufen werden. Es lässt sich aberauch viel Orientierungslosigkeit am Ende der Pflichtschule beobachten,weil während der Pflichtschulzeit immer noch zu wenigAuseinandersetzung mit der Arbeitswelt stattfindet. Eine quasiverpflichtende Normalbiografie mit nahtlos an die Pflichtschule

18 Der Übergang im Wandelaufbauende Berufsausbildung mit anschließender Beschäftigungim erlernten Beruf scheint der Vergangenheit anzugehören. InDeutschland trifft dies nur mehr für die Hälfte der Jugendlichen zu(Rütz, 2003, 10; IAB 2012). Dies führt bei Jugendlichen und jungenErwachsenen zu immer mehr Unsicherheiten und Ängsten vor Arbeitslosigkeit,wiederum abhängig von der sozialen Herkunft: „DieBesorgnis ist erheblich höher und berechtigt, je geringer die Ausstattungmit Bildungs- und Netzwerkressourcen ist. (...) Die Shell-Jugendstudien lassen eine längerfristige Tendenz erkennbar werden:Angesichts wachsender sozialer Unterschiede in den Lebenschancenschätzen Jugendliche und junge Erwachsene derzeitihre Zukunft immer mehr als unsicher ein, sehen es aber als ihreeigene Aufgabe an, die Übergänge zu gestalten. Sie sind skeptischeRealisten, die für sich das Bestmögliche herausholen wollen.Vor allem die fehlenden oder ungewissen Anschlüsse zwischenBildung und Beschäftigung machen ihnen Sorgen, weil dadurcheine erfolgreiche Verwirklichung ihrer Lebensentwürfe gefährdetist.“ (Heinz, 2011, 18)Auf die unsicheren Perspektiven für ihren Einstieg in den Arbeitsmarktreagieren Jugendliche mit einer verstärkten Leistungsorientierung,wobei intensiver als früher „vieles auf Verwertbarkeit imLebenslauf abgeklopft, gedacht wird in Termini der eigenen Marktgängigkeit“(Hurrelmann/Albert 2006, 28–29). „Die Lebensverlaufsforschungzeigt aber auch den Strukturwandel von Bildungs- undErwerbspassagen auf“, ergänzt W.R. Heinz, „Mehrfachausbildungenhaben zugenommen, die der Höherqualifizierung, aber auchder Vermeidung von Arbeitslosigkeit dienen: In der 1971er-Kohortehatten bis zum Alter von 27 Jahren schon 30 % eine Zweitausbildungbegonnen, unter den 1964 Geborenen waren dies bis zumAlter von 33 Jahren 40 %. Der Einstieg in das Erwerbsleben istdurch stärkere Konkurrenz geprägt, befristete Verträge und ausbildungsfremdeJobs nehmen zu. Die 1971 geborenen Männer hattenbis zum Alter von 27 Jahren bereits fünf verschiedene Jobs. NachAbschluss der Erstausbildung arbeiteten Mitte der 1990er-Jahrenur noch gut zwei Fünftel der Westdeutschen und ein Drittel derOstdeutschen in ihrem Erstberuf.“ (Heinz, 2011, 19)Die Integration ins Erwerbssystem erfolgt heute zeitlich verzögertund gelingt nicht immer. Als Reaktion verzeichnet man häufigerenAusbildungsabbruch und Arbeitsplatzwechsel in der Anfangsphase.Gemäß Erkenntnissen der Übergangsforschung hängt der weitereVerlauf der Erwerbsbiografie aber eng mit Art und Weise desBerufseinstiegs zusammen. Man kann somit derzeit von Veränderungenauf beiden Ufern des Übergangssystems sprechen, nämlicham System der Berufsausbildung und an der Regelung des Arbeitsmarktesund Arbeitsmarkteintritts der Jugendlichen, die

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 19manchmal mit „zeitlicher Zerfaserung“ umschrieben wird. „AmEnde des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts müssen wir –trotz abnehmender Kohortengröße und steigendem Qualifikationsniveauder Schulabgänger – damit rechnen, dass die zeitliche Zerfaserungdes Übergangs ins Erwachsenenleben durch die mangelhaftePassung von Erstausbildung und Arbeitsangeboten sowiedurch die um sich greifende Flexibilisierung von Arbeit und Beschäftigungzunehmen wird.“ (Heinz, 2011, 20)Walter R. Heinz (Heinz 2011, 25-27) fasst seine Erkenntnisse zu denVeränderungen im Übergangssystem wie folgt zusammen:„Ungleiche Lebenslagen bestimmen die Ressourcenausstattungder Jugendlichen für die Gestaltung ihres Weges in dieErwerbsgesellschaft. Soziale Herkunft und die Ankunftsorte inder Sozialstruktur sind immer noch eng verknüpft, auch wenndies wegen des Trends zur Individualisierung weniger im Bewusstseinder Akteure präsent ist.Mit den gestiegenen Qualifikationsanforderungen, flexiblenBeschäftigungsverhältnissen und der Sozialpolitik des Fördernsund Forderns sind neue Hürden für die Verwirklichungvon Lebensentwürfen entstanden. Wenn im Verlauf des Übergangsvon der Schule in den Arbeitsmarkt keine neuen Ressourcenakkumuliert werden können, dann werden sich die sozialenUnterschiede beim Berufsstart im Verlauf der Biografieverfestigen. Zumal Jugendliche, die in hilfebedürftigen Haushaltenaufgewachsen sind, mehr leisten müssen, um Lebenschancenin Bildung und Ausbildung ergreifen zu könnenund um die Erfahrungen sozialer Exklusion zu überwinden.Die verlängerten Übergangsverläufe und die Flexibilisierungvon Arbeit haben Umbrüche in der Organisation der Lebenszeiterzeugt, die zur Ausbreitung eines subjektiven Unsicherheitsgefühlsführen – gerade deswegen, weil eine Vielfalt vonOptionen mit ungewissem Ausgang an die Stelle von Karrierefahrplänengetreten ist.Die Diskrepanz zwischen der allgemeinen Krisenwahrnehmungund dem Vertrauen darauf, dass einem persönlich der Übergangin ein Beschäftigungsverhältnis und subjektiv akzeptableLebensführung gelingen wird, gilt es zu erklären. Für die Entwicklungdieser Lebensperspektive spielt die Art der sozialenEinbindung eine bislang zu wenig erforschte Rolle. Wenn Hürdenüberwunden und neue Wege gefunden und individuell zurückgelegtwerden müssen, dann sind die personalen Ressourcen(Identitätskapital) als Fundament für eine aktive Gestaltungder Biografie entscheidend.

20 Der Übergang im WandelDie von der Lebensverlaufsforschung beobachtete „Stabilitätim Wandel“ der Übergangsmuster in Deutschland ist Folge derstrukturellen Rigidität von Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsinstitutionen.Aus dieser institutionalisierten Lebenslaufpolitikfolgen paradoxe Effekte: Die nach Bildungsniveaudifferenzierenden Qualifizierungspfade und die Sozialpolitikstabilisieren die Übergänge, tragen aber gleichzeitig zurKonservierung sozialer Strukturen bei, da sie soziale Ungleichheitenabbilden. Entscheidend scheint mir, dass Jugendlichedarauf vertrauen können, dass es sich für sie auszahlt, in Bildungund Ausbildung zu investieren. Da es aber an anschlussfähigenWegen zwischen Bildung und Beschäftigung mangelt,ist das Vertrauen in die Institutionen und Betriebe geschwunden.Es gibt trotz eines verbesserten Angebots auf dem Lehrstellenmarkteine chronische Diskrepanz zwischen den durchausrealistischen Berufspräferenzen der Jugendlichen und denSelektionskriterien der Betriebe.Auch wenn sich die Bildungsstandards erhöht haben und derArbeitsmarkt flexibel geworden ist, so haben sich die Entwicklungsaufgabender jungen Generation und ihre persönlichenErwartungen nicht prinzipiell gewandelt. Was sich geänderthat, sind die Zeitpunkte und die Dauer der „Abarbeitung“ vonEntwicklungsaufgaben. Es mag dahingestellt sein, ob es im Interesseder Identitätsstabilisierung oder Ausdruck realitätsnaherSicherheitsüberlegungen ist, wenn die Mehrheit der Jugendlichenund jungen Erwachsenen davon ausgeht, dass siesich als skeptische Realisten den Anforderungen im Ausbildungs-und Arbeitsmarkt mit verstärkten Bemühungen anpassenmüssen – nicht selten unter Zurückstellung oder gar Verabschiedungvon beruflichen Präferenzen. Dabei müssen siesich vielfach mit Umwegen und Wartezeiten auf Nebenstreckenarrangieren, wodurch sie in einen kurzfristigen Entscheidungshorizonteingebunden werden.Ob die Finanz- und Wirtschaftskrise und deren Folgen für denAusbildungs- und Arbeitsmarkt wieder zu schärferen sozioökonomischenGrenzziehungen und einem geschärften Bewusstseinvon strukturbedingten Ungerechtigkeiten führenwerden, ist offen. Sicher ist aber, dass die Chancen auf denEinstieg in eine dauerhafte Erwerbstätigkeit nach Berufsvorbereitung,Berufsausbildung und Studium noch weiter sinkenwerden.“

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 214.2 Jugend zwischen eigenen Erwartungen undAnforderungen des ArbeitsmarktesFür die Jugendlichen lautet die zentrale Handlungsanforderung inder Phase des Übergangs von der Ausbildung in die Arbeitswelt:einen Beruf erlernen, mit beruflich qualifizierter Erwerbsarbeitmateriell eigenständig werden und sich vom Elternhaus abzulösen.Bei der Berufseinmündung geht es aber, zumindest für einen –größerer werdenden – Teil der Jugendlichen nicht nur um fachlicheund berufliche Qualifizierung, vielmehr sind Neu-Orientierungund Umorientierung wiederholt nötig. Auch sind Jugendliche währenddes Verlaufs der Ausbildung immer wieder gefordert, ihre Berufswahlentscheidungoder die Wahl des Betriebs zu überprüfen(Raab,1996, 38).Den Übergang von der Pflichtschule zum Erwerbssystem bewältigenmit Ausnahme von Schul- und Ausbildungsabbrechern alleJugendlichen nach schulischen und beruflichen Qualifizierungsprozessen.Das Bildungssystem verleiht marktgängige, also anerkannteZertifikate (Abschlussdiplome), doch letztlich gibt es keineArbeitsgarantie, denn über die Verwertbarkeit der erworbenen formalenQualifikation entscheidet der Markt.Vor allem bei den Berufsschülern ist die Phase der Berufsfindungauf das Alter zwischen 15 und 18 Jahren vorgelagert. Schon in diesemAlter wird also von Jugendlichen erwartet, dass sie sich füreine bestimmte Ausbildung in einem konkret angestrebten Berufentscheiden. Für manche kommt diese Entscheidung in der Phaseder Pubertät zu früh. Sind Jugendliche überhaupt in der Lage, einerealistische Einschätzung der Chancen und Risiken des einzuschlagendenBerufswegs vorzunehmen? Oder sehen sie sich in späterenJahren gerade deshalb zu mehrfachem Ausbildungs- und Berufswechselgezwungen, weil die Entscheidung zu früh, unterDruck und zu wenig reflektiert erfolgt? Dies gilt umso mehr, als inindividualisierten und konsumorientierten Gesellschaften die Erfüllungvon Wünschen und die Umsetzung eigener Interessen identitätsstiftendeWerte darstellen (Stauber/Walther 1995, 8).Ein letzthin häufig diagnostizierter Befund ist die Individualisierungder Übergänge von der Schule zur Arbeit, die einen veränderteninstitutionellen Rahmen erfordern (Zukunftszentrum Tirol, 2011, 8).Die europäische Jugendforschung habe sich deshalb mehr aufsubjektorientierte Übergänge konzentriert und die zentrale Rollevon Motivation und Partizipation betont. Die Tiroler Studie zumÜbergang von der Pflichtschule in den Arbeitsmarkt formuliert folgendeEmpfehlungen an sogenannte „Übergangsprofessionelle“

22 Jugend zwischen eigenen Erwartungen und Anforderungen des Arbeitsmarktes(Lehrpersonen, Jugendarbeiter, Berufs- und Ausbildungsberater,Arbeitsvermittler, betriebliche Ausbildner usw.) (ZukunftszentrumTirol, 2011, 9):Der kurative Charakter von Übergangspolitik sollte angegangenwerden. Von zentraler Bedeutung ist hierbei eine Umgestaltungder Bildungslandschaft weg von der Selektion hin zumehr Chancengleichheit.Der Fokus von Übergangsarbeit sollte verbreitert werden. Arbeitsmarktintegrationist nicht mit sozialer Integration gleichzusetzen,sondern als ein zentraler Bestandteil derselben zu verstehen.Insofern sollte der Blick stärker auf die LebensphaseJugend gerichtet werden.Die Teilung von Aufgaben sollte weniger unter zeitlichen undhierarchischen Gesichtspunkten erfolgen, sondern integrativvorgenommen werden. Die stärkere Kooperation zwischen arbeitsmarktnahenInstitutionen und niederschwelligen Institutionender Jugendarbeit erscheint sinnvoll.Die Tendenz zur Individualisierung von Lebensläufen sollte berücksichtigtwerden. Dies erfordert, dass Jugendliche verstärktan der Maßnahmenauswahl partizipieren.Partizipation und Motivation bedingen Unterstützungsstrukturen,welche das auch ermöglichen. Dies wird dann betont,wenn beide Handlungsperspektiven als eigenständige Zielsetzungenin den Institutionen verankert werden.Der intrinsischen Motivation junger Frauen und Männer mussein zentraler Stellenwert zukommen. Die biografischen Erfolgskriteriender Jugendlichen bilden eine Handlungsorientierungfür die Übergangsprofessionellen.Der unter Experten/innen wahrgenommene Mangel an Zeit fürindividuelle Betreuung sollte angesprochen werden. Parallelzur gesteigerten Einzelbetreuungszeit sollte die Zahl der zu betreuendenJugendlichen verringert werden.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 235 Eckdaten zu Arbeitsmarkt und Schule5.1 Beschäftigungsquote und Arbeitslosigkeit 2Von den rund 55.600 in Südtirol Ansässigen im Alter zwischen 15und 24 Jahren sind im Jahr 2011 etwa 21.300 beschäftigt, daruntergut 4.000 als Lehrlinge (ISTAT Arbeitskräfteerhebung; AM-Bericht2012, 201). Rund 2.200 Jugendliche sind arbeitslos, suchen alsoeine Beschäftigung. In der Arbeitsmarktstatistik werden dieseGruppen zusammengenommen als Arbeitskräfte bezeichnet.Rund 32.100 werden in der amtlichen Berichterstattung hingegenals „Inaktive“ geführt. Die meisten davon sind jedoch keineswegsuntätig, sondern befinden sich noch in Ausbildung. Die rund20.000 Oberschüler/innen und 12.000 Studierenden an Hochschulendürften den wesentlichen Anteil in dieser Gruppe ausmachen(AM-Bericht 2012, 17).Dennoch schätzt die Südtiroler Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt,dass in der Altersgruppe von 18 bis 29 Jahren etwa5.000 Jugendliche zu den sogenannten „Neets“ (Not in Education,Employment or Training) gezählt werden können, d.h. sie sind ankeiner Bildungsstätte eingeschrieben, haben keine Erwerbsarbeitund suchen auch keine. Zu dieser Gruppe gehören z.B. junge Mütterund Hausfrauen (AM-News Nr.12/2011, 1).Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil der Inaktiven erheblichund die Zahl der Arbeitskräfte steigt. Erst kurz vor dem Rentenalterdrehen sich die Verhältnisse wieder um.Anzahl Personen15-24 25-34 35-44 45-54 55-64 65+ InsgesamtJahre Jahre Jahre Jahre Jahre Jahre 15+ JahreBeschäftigte 12.200 28.500 39.800 36.700 14.500 4.000 135.500MännerArbeitslose 1.500 500 1.000 600 400 0 4.200Arbeitskräfte 13.700 29.000 40.800 37.300 14.900 4.000 139.700Inaktive 14.600 2.700 900 1.400 11.500 34.200 65.400Beschäftigte 9.100 23.400 31.700 28.400 10.700 1.600 104.900FrauenArbeitslose 600 1.700 800 800 200 0 4.100Arbeitskräfte 9.700 25.100 32.500 29.200 10.900 1.600 109.000Inaktive 17.400 6.400 8.300 7.800 16.700 48.600 105.100Beschäftigte 21.300 51.900 71.500 65.000 25.100 5.600 240.400InsgesamtArbeitslose 2.200 2.100 1.800 1.400 700 0 8.300Arbeitskräfte 23.500 54.000 73.300 66.400 25.800 5.600 248.700Inaktive 32.100 9.000 9.200 9.200 28.200 82.800 170.500Bevölkerung 15+ Jahre 55.600 63.000 82.500 75.600 54.000 88.400 419.200Tabelle 1: Beschäftigung der Südtiroler Wohnbevölkerung 2011nach Alter und Geschlecht (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung)2Bearbeitet von Ulrich Becker

24 Beschäftigungsquote und Arbeitslosigkeit2Im Verlauf der Jahre zwischen 15 und 29 Jahren findet der Großteilder Jugendlichen aus dem Bildungssystem zur Berufstätigkeit(„verwandeln sich Schüler in Erwerbstätige“). Während bei den 15-19-Jährigen die Ausbildung überwiegt, ist es bei den 25-29-Jährigendie Berufstätigkeit: „Dieser quasi obligatorische Übergangläuft nicht immer ganz schmerzlos ab: mangelnde professionelleReife, die hohen Ansprüche ans Berufsleben, Erfahrung, die ersterworben werden muss, führen dazu, dass ein Teil der jungen Leutebeim Berufseinstieg mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat“ (AM-News Nr.12/2011, 2).Der Einstieg in den Arbeitsmarkt ist daher mit höherer Arbeitslosigkeitund unsicheren Arbeitsverhältnissen verbunden. Die Suchenach einem geeigneten Arbeitsplatz führt zu häufigerem Wechsel,Berufseinsteiger sind in höherem Ausmaß auf befristete Arbeitsverträgeangewiesen als ältere Arbeitnehmer. In den Jahren 2006-2010 betrug die Arbeitslosigkeit bei den unter-20-Jährigen 8%, beiden 20-24-Jährigen 6%, bei den 25-29-Jährigen 3-4%, während ab30 Jahren die Arbeitslosenrate nur mehr bei rund 2% lag (AM-News Nr.12/2011, 2).Mitte der 1980er Jahre lag die Jugendarbeitslosigkeit noch deutlichhöher, nämlich zwischen 6,5 und 19%, was die Arbeitsmarktbeobachtungsstelleauf den Umstand zurückführt, dass genau injenen Jahren die „Generation Babyboom“ auf den Arbeitsmarktdrängte. Gleich darauf wurde in Italien die Pflichtausbildungszeitverlängert, wodurch der Arbeitseintritt hunderttausender Jugendlicherverzögert und der Arbeitsmarkt etwas entlastet wurde (vgl.AM-News Nr.12/2011, 5). In den Jahren 1990 bis 2010 hat sich dasDurchschnittsalter beim Einstieg in den Arbeitsmarkt deutlich erhöht.Die Erwerbsquote der 15-19-Jährigen lag 1985-1990 noch bei45-50%, 2005-2010 kam sie nur mehr auf 20-25%.Seitdem ist die Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol ein relativ konstantesPhänomen. Die jüngsten Zahlen der wirtschaftlichen Krisenjahredeuten zwar einen Anstieg auf über 9% an, aber die zugrundeliegendeStichprobenerhebung (ISTAT Arbeitskräfteerhebung)weist für Südtirol zu wenig Fälle auf, um statistisch gesicherteAussagen zu treffen. Deswegen wertet die Beobachtungsstellefür den Arbeitsmarkt auch meist mehrere Jahre gemeinsamaus (AM-News Nr.12/2011, 2).

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 25Anteile in %15-24 25-34 35-44 45-54 55-64 InsgesamtJahre Jahre Jahre Jahre Jahre 15+ Jahre2004 4,7 2,5 1,7 0,9 1,6 2,02005 6,8 2,2 2,0 0,8 0,9 2,22006 5,6 2,3 1,4 0,8 1,2 1,9Männer2007 5,3 1,6 1,9 1,8 0,8 2,02008 4,2 2,8 1,2 0,9 2,6 1,92009 8,1 1,7 1,7 2,0 2,8 2,52010 5,4 2,2 2,1 1,3 3,7 2,32011 11,2 1,8 2,5 1,7 3,3 3,02004 6,3 5,3 2,5 2,1 1,9 3,52005 8,1 5,0 2,6 2,1 0,6 3,52006 9,7 3,6 2,5 3,4 0,9 3,6Frauen2007 5,4 3,2 3,7 3,3 0,7 3,32008 8,3 3,1 2,3 2,1 2,1 3,02009 10,1 5,0 2,6 1,3 1,0 3,42010 7,9 3,8 2,8 2,3 2,1 3,22011 6,9 6,5 2,6 2,7 2,0 3,82004 5,4 3,7 2,0 1,4 1,7 2,72005 7,3 3,5 2,3 1,3 0,8 2,82006 7,2 2,9 1,9 1,9 1,1 2,6Insgesamt2007 5,3 2,3 2,7 2,4 0,8 2,62008 6,0 3,0 1,7 1,5 2,4 2,42009 8,9 3,2 2,1 1,7 2,0 2,92010 6,4 2,9 2,4 1,7 3,0 2,72011 9,4 4,0 2,5 2,1 2,7 3,3Tabelle 2:Arbeitslosenquote in Südtirol nach Alter, Geschlechtund Jahr (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung)Signifikante Unterschiede ergeben sich hingegen im Vergleich mitanderen italienischen Regionen und europäischen Ländern. In Italienlag die Jugendarbeitslosigkeit im Jahre 2011 bei 29,1%, im Mai2012 sogar bei über einem Drittel (600.000 Personen = 36,2% derErwerbstätigen im Alter von 15-24 Jahre; vgl. www.istat.it/it/lavoround Rapporto annuale ISTAT 2012, cap. 2.3.3). Im Trentino wurdenim Schnitt 2006-2010 7%, in Venetien 13% und in der Lombardeisowie in der Region Friaul-Julisch Venetien 15% verzeichnet.In Süditalien sind hingegen Werte über 30% die Regel und Werteüber 40% keine Ausnahme. Südtirol hat also im italienischen Vergleichdie weitaus niedrigste Jugendarbeitslosigkeitsquote. Diesliegt übrigens nicht daran, dass im Süden mehr Jugendliche aufdie Arbeitsmärkte drängen (z.B. aus Mangel an Ausbildungsalternativen),denn auch die Quote der Inaktiven ist dort deutlich höher.

26 Beschäftigungsquote und Arbeitslosigkeit2Arbeitslosenquote, nach Alter, Geschlecht, Jahr und RegionAnteile in % 2005 2007 2009 201115-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+M 21,5 6,2 18,2 4,9 23,3 6,8 27,1 7,6Italien F 27,4 10,1 23,3 7,9 28,7 9,3 32,0 9,6Insg. 24,0 7,7 20,3 6,1 25,4 7,8 29,1 8,4NordwestenPiemontAostatalLigurienLombardeiNordostenSüdtirolProvinzTrientVenetienFriaul-J.VEmilia-R.MitteSüdenundInselnM 11,9 3,2 12,9 3,0 18,6 5,0 20,1 5,6F 17,9 6,0 15,2 4,9 22,1 6,9 25,3 7,2Insg. 14,6 4,4 13,9 3,8 20,1 5,8 22,2 6,3M 14,0 3,3 12,4 3,5 20,8 6,1 23,9 6,9F 20,7 6,4 16,8 5,2 29,2 7,8 26,6 8,6Insg. 16,9 4,7 14,3 4,2 24,1 6,8 25,1 7,6M 9,1 2,5 9,7 2,4 14,6 3,5 20,2 5,1F 10,9 4,3 15,1 4,3 21,3 5,6 25,7 5,4Insg. 9,9 3,2 11,8 3,2 17,5 4,4 22,4 5,3M 15,4 3,2 24,4 4,2 18,4 4,6 26,1 5,8F 26,0 9,1 16,1 5,7 19,2 7,1 20,4 7,0Insg. 20,0 5,8 20,7 4,8 18,8 5,7 23,8 6,3M 10,6 3,1 11,8 2,6 17,7 4,6 17,7 5,1F 16,0 5,4 14,4 4,6 19,7 6,4 25,3 6,7Insg. 13,0 4,1 12,9 3,4 18,5 5,4 20,7 5,8M 9,2 2,8 7,2 2,1 13,2 3,8 18,3 4,2F 14,0 5,6 13,0 4,5 19,1 5,8 21,5 6,1Insg. 11,3 4,0 9,6 3,1 15,7 4,7 19,7 5,0M 6,8 2,2 5,3 2,0 8,1 2,5 11,2 3,0F 8,1 3,5 5,4 3,3 10,1 3,4 6,9 3,8Insg. 7,3 2,8 5,3 2,6 8,9 2,9 9,4 3,3M 8,9 2,4 7,0 1,8 9,2 2,7 14,7 4,0F 12,3 5,2 11,5 4,4 15,1 4,6 14,3 5,1Insg. 10,3 3,6 8,9 2,9 11,5 3,5 14,5 4,5M 10,6 2,9 5,4 2,0 11,7 3,6 19,0 4,0F 15,0 6,2 12,5 5,2 17,9 6,4 21,1 6,4Insg. 12,6 4,2 8,4 3,3 14,4 4,8 19,9 5,0M 9,5 3,2 11,3 2,4 13,7 4,5 15,6 4,1F 11,9 5,3 20,0 4,7 27,4 6,4 27,9 6,5Insg. 10,5 4,1 14,5 3,4 18,9 5,3 20,9 5,2M 7,8 2,7 8,8 2,1 16,5 4,2 20,1 4,5F 14,2 5,3 13,7 3,9 20,8 5,5 23,9 6,2Insg. 10,7 3,8 10,8 2,9 18,3 4,8 21,9 5,3M 18,4 4,9 15,3 3,9 21,8 5,7 26,6 6,7F 24,8 8,3 21,4 7,2 28,9 9,2 32,2 8,9Insg. 21,1 6,4 17,9 5,3 24,8 7,2 28,9 7,6M 34,8 11,4 28,9 8,9 33,1 10,9 37,7 12,1F 44,6 19,6 38,3 14,9 40,9 15,3 44,6 16,2Insg. 38,6 14,3 32,3 11,0 36,0 12,5 40,4 13,6Tabelle 3:Jugendarbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlechtund Jahr (Quelle: ISTAT Arbeitskräfteerhebung);fehlende Jahre sowie fehlende Regionen sieheAnhang 12.3)Auf europäischer Ebene ist die Jugendarbeitslosigkeit (15-24 Jahre)durchschnittlich doppelt so hoch wie die Gesamtarbeitslosigkeit.2011 lag sie im Schnitt der EU-27-Länder bei 21,3%. Italienliegt diesbezüglich vor krisengeschüttelten Ländern, wie z.B. Spanien,Griechenland und Portugal auf einem schlechten 19. Platz.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 27Südtirol schneidet im europäischen Vergleich hingegen gut ab. Inder Gesamtrangliste der 271 statistischen Regionen der EU (NUTS2) befindet sich Südtirol beim Durchschnitt der Jugendarbeitslosigkeit2006-2010 einige Plätze hinter Nordtirol an 14. Stelle. (AM-News Nr.12/2011, 2).Männer Frauen InsgesamtAnteile in %15-24 Insg. 15-24 Insg. 15-24 Insg.Europäische Union (27 Länder) 21,8 9,5 20,7 9,7 21,3 9,6Spanien 48,2 21,2 44,4 22,2 46,4 21,7Griechenland 38,5 15,0 51,5 21,4 44,4 17,7Kroatien 35,6 13,8 36,8 13,2 36,1 13,5Slowakei 33,0 13,5 33,6 13,6 33,2 13,5Litauen 34,3 17,7 29,3 12,9 32,2 15,3Lettland 31,3 18,6 30,6 13,8 31,0 16,2Portugal 28,7 12,7 31,7 13,2 30,1 12,9Irland 35,0 17,8 22,7 10,8 29,1 14,7Italien 27,1 7,6 32,0 9,6 29,1 8,4Bulgarien 27,6 12,3 25,2 10,0 26,6 11,2Ungarn 27,2 11,0 24,6 10,9 26,1 10,9Polen 23,6 9,0 28,9 10,5 25,8 9,7Rumänien 23,7 7,9 23,8 6,8 23,7 7,4Schweden 23,8 7,6 22,0 7,5 22,9 7,5Zypern 23,3 8,1 21,5 7,7 22,4 7,9Estland 23,7 13,1 20,7 11,8 22,3 12,5Frankreich 21,1 8,8 23,1 9,7 22,0 9,2Vereinigtes Königreich 23,5 8,7 18,4 7,3 21,1 8,0Belgien 18,7 7,1 18,7 7,2 18,7 7,2Tschechische Republik 18,1 5,8 17,9 7,9 18,0 6,7Luxemburg 13,3 3,8 20,8 6,3 16,8 4,9Slowenien 15,0 8,2 16,8 8,2 15,7 8,2Dänemark 15,7 7,7 12,7 7,5 14,2 7,6Malta 13,7 6,1 13,8 7,1 13,7 6,5Deutschland 9,3 6,2 7,8 5,6 8,6 5,9Österreich 7,9 4,0 8,8 4,3 8,3 4,2Niederlande 7,5 4,5 7,8 4,4 7,6 4,4Mazedonien 55,5 31,8 54,8 30,8 55,3 31,4Finnland 21,8 8,4 18,4 7,1 20,1 7,8Türkei 15,5 8,3 19,0 10,1 16,7 8,8Island 18,2 7,8 10,7 6,2 14,4 7,0Norwegen 9,6 3,4 7,7 3,0 8,7 3,2Schweiz 7,6 3,7 7,8 4,5 7,7 4,1Tabelle 4:Jugendarbeitslosigkeit in Europa 2011 nach Ländern(Quelle: Eurostat Arbeitskräfteerhebung)5.2 Atypische Arbeitsverhältnisse und junge Arbeitnehmer/innenDer Einstieg ins Erwerbssystem erfolgt für Maturanten und Akademikernicht automatisch, denn nach erfolgter Berufsfindung undabsolviertem Ausbildungsabschluss stellt sich die Aufgabe, die erworbeneberufliche Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt zu verwer-

28 Atypische Arbeitsverhältnisse und junge Arbeitnehmer/innenten. Im Unterschied zu früher, als Südtirol einen starken Aufholbedarfan qualifizierten Arbeitnehmern aufwies, ist der sofortige, unbefristeteArbeitsvertrag heute nicht mehr die Norm. Der Einstiegin den Arbeitsmarkt verläuft für eine wachsende Zahl qualifizierterSüdtiroler/innen über befristete Arbeitsverhältnisse, Phasen derSucharbeitslosigkeit und Praktika. Die Arbeitsmarktbeobachtungsstellehat sich mit den damit oft verbundenen, sogenannten atypischenArbeitsvertragsformen auseinandergesetzt, wie Projektverträge,freie Mitarbeit, Arbeit auf Abruf und die Sommerpraktika(Arbeitsmarkt-News Nr. 2/2012). Prekäre Beschäftigung undScheinselbstständigkeit war außerdem Thema einer Untersuchungdes AFI-IPL im Auftrag der Abteilung Arbeit (AFI-IPL 2008). Geradein diesem Bereich ist aufgrund der kürzlich erfolgten Änderungenim italienischen Arbeitsrecht Vieles im Fluss, dessen Auswirkungensich auf Südtirol noch nicht absehen lassen.Ein gewisser Teil der 15-24-Jährigen arbeiten – abgesehen vonLehrverträgen – in atypischen Arbeitsverhältnissen. Von den 24-Jährigen, die seit mindestens 10 Jahren in Südtirol ansässig sind,standen zwischen 2008 und 2011 durchschnittlich 68% in einemunbefristeten und 32% in einem befristeten Arbeitsvertrag. DerAnteil derer, die mit Leiharbeit, Projektarbeit oder Arbeit auf Abrufbeschäftigt waren, lag bei 3%. 3In Südtirol sind die CoCoCo- und Projektarbeitsverträge in einerbreiten Untersuchung 2008 geschätzt worden (AFI-IPL 2008, imAuftrag der Abt. Arbeit), wonach sich die Zahl der in Südtirol ansässigenErwerbstätigen, die erklärterweise mit CoCoCo oder anderenProjektarbeitsverträgen beschäftigt sind, auf 2.000-5.000 beläuft(1-3% aller Erwerbstätigen). 4 Dabei wurde berechnet, dass beirund der Hälfte dieser formal Selbstständigen von „Scheinselbstständigkeit“gesprochen werden kann. Die Treffgenauigkeit solcherSchätzungen hängt sehr stark von der Definition von Scheinselbstständigkeitab, wobei eine gewisse Grauzone feststellbar ist(Arbeitsmarkt-News Nr. 9/2009). 2011 erreichte die Projektarbeit inSüdtirol einen durchschnittlichen Bestand von mehr als 5.000 Beschäftigten,wovon rund ein Drittel bei einem weiteren Arbeitgeberunter Vertrag steht (Arbeitsmarktbericht Südtirol 2012, 238). InBezug auf das Alter kann dabei eine Häufung von arbeitnehmer-34Beobachtungsstelle für den Arbeitsmarkt, Arbeitsmarkt-News, Nr.1/2012, S.1: Zwischen prekärerBeschäftigung und einem saisonalen Arbeitsvertrag im Gastgewerbe ist in der Südtiroler Realitätgut zu unterscheiden. Allerdings nimmt der Anteil befristeter Beschäftigungsverhältnisseauch in dieser Branche seit 2008 zu.Neuaufnahmen von Projektarbeitsverträgen in Südtirol: 5.357 (2008), 5.199 (2009), 5.223(2010), 5.348 (2011); vgl. Veneto Lavoro, Un lento dimagrimento, Rapporto 2012, Venezia 2012,S. 106

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 29ähnlicher Beschäftigung im mittleren Alter (30-49 Jahre) festgestelltwerden. 2011 waren nur 20% (rund 1.000 Personen) dieserPersonen unter 30 Jahre alt. Der Projektarbeiter ist mit durchschnittlich44 Jahren sogar um einiges älter als der durchschnittlicheArbeitnehmer (39 Jahre). Nicht alle Scheinselbstständigenempfinden ihre Situation als prekär, sondern erleben eine Unsicherheitam Arbeitsplatz, die mit den saisonal befristeten Arbeitsverhältnissenvergleichbar ist.Andererseits ist auch festzustellen: wenn 24-Jährige bereits seitmindestens 9 Jahren im Beruf stehen, also mit 15 eine Lehre begonnenhaben, sind sie zu 90% unbefristet unter Vertrag. 79% aller24-Jährigen, die mindestens 4 Jahre gearbeitet haben, sind fixangestellt. „Während unter erfahrenen jungen Arbeitnehmern (25-29 Jahre) die besonders kritisierten Vertragsformen (Leiharbeit,Projektarbeit, Arbeit auf Abruf) praktisch gar nicht vorkommen,sind unter den Arbeitnehmern mit weniger als zwei Jahren Berufserfahrung15% auf solche Weise beschäftigt“ (Arbeitsmarkt-NewsNr.1/2012, 2). Da die Frauen sowohl im öffentlichen Dienst alsauch im Gastgewerbe überrepräsentiert sind und zudem imDurchschnitt später in den Beruf einsteigen, sind sie auch bei denbefristeten Beschäftigungsverhältnissen stärker vertreten als dieMänner derselben Altersgruppe.Nicht nur die erworbene Berufserfahrung und der Tätigkeitssektorwirken sich auf die Wahrscheinlichkeit eines befristeten Arbeitsvertragsaus, sondern allgemein die Ausbildungs- und Berufswahlnach dem Mittelschulabschluss. Wer länger studiert, muss in Südtirolweniger lang auf einen unbefristeten Arbeitsplatz warten. Allerdingssind 24-Jährige Maturanten und Hochschulabsolventenhäufiger prekär beschäftigt, weil sie erst sehr wenige Jahre Berufserfahrunggesammelt haben (Arbeitsmarkt-News, Nr.1/2012, 3). InSüdtirol scheint sich im Unterschied zu Rest-Italien kein verfestigterSockel prekär Beschäftigter herausgebildet zu haben, denn„nach 3 Jahren auf dem Arbeitsmarkt sind nur 1-2% der jungenArbeitnehmer in den Arbeitslosenlisten eingetragen, weitere 1-2%sind als Leiharbeiter, Projektarbeiter oder auf Abruf beschäftigt“(Arbeitsmarkt-News, Nr.1/2012, 3). Die Arbeitsmarktbeobachtungsstellezieht daraus den Schluss, dass „die neuen extremen Formendes Prekariats die jüngste Generation von Arbeitnehmern der Altersklasse15-24 Jahre nur am Rande und meist vorübergehendbetreffen“ (Arbeitsmarkt-News, Nr.1/2012, 4).5.3 Maturanten auf dem Südtiroler ArbeitsmarktEin Oberschulabschluss ist heute zum Standard geworden, dendie große Mehrheit der Jahrgänge erreicht (vgl. AM-News Nr.

30 Maturanten auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt5/2011 „Maturanten“). Danach schreiben sich 60% der Maturantenan einer Hochschule ein. Manche von ihnen versuchen, währendihres Hochschulbesuchs Studium und Arbeit zu verbinden. Nuretwa ein Viertel der Maturanten wählt den sofortigen Berufseinstieg.„In den darauf folgenden Monaten nimmt dieser Prozentsatzlangsam zu und stabilisiert sich 4-5 Jahre nach der Matura beietwa 40%“ (AM-News, Nr.5/2011). Ein beträchtlicher Anteil derMaturanten ist in den Sommermonaten erwerbstätig, um sich einZubrot zu verdienen oder Berufserfahrung zu sammeln (3.400 imJahr 2011, vgl. Arbeitsmarkt-News Nr. 2/2012 „Sommerpraktika“).Die Beschäftigungsquote der Maturanten liegt im Sommer bis zu10% über dem Durchschnitt der restlichen Monate.Welche Unterschiede bestehen in der Übertrittsquote von derOberschule an die Hochschule nach Schultyp und Unterrichtssprache?Gut 90% der Absolventen einer allgemeinbildenden Oberschule(Gymnasium/Lyzeum) entscheiden sich zunächst für einHochschulstudium. Nur 60% der Absolventen der restlichen Oberschulenstudieren weiter, und zweieinhalb Jahre danach steht dieHälfte von ihnen in einem Arbeitsverhältnis (AM-News Nr.5/2011,3-4). In dieser Hinsicht wird auch ein Unterschied zwischen denSprachgruppen verzeichnet: „So stehen insbesondere in denLandgemeinden viereinhalb Jahre nach der Matura die Absolventendeutschsprachiger Schulen zu einem wesentlich höheren Prozentsatzin einem Beschäftigungsverhältnis als die Absolventenitalienischsprachiger Schulen desselben Typs. Sie tendieren alsodeutlich früher dazu,in den Arbeitsmarkt einzusteigen“ (AM-NewsNr.5/2011, 4). In den städtischen Gemeinden bedeutet der Besucheines Gymnasiums für Jugendliche, gleich welcher Sprachgruppe,bis zum Alter von 20-25 Jahren zu fast 80% ein Studium, die Absolventen/innender anderen Oberschulen wählen nur zu rund50% ein solches.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 316 Rahmenbedingungen in Südtirol6.1 Ein differenziertes BildungssystemDas öffentliche Bildungssystem der Oberstufe einschließlich derBerufsschule bildet das „Navigationssystem“ für den Übergangder Jugendlichen von der Pflichtschule in die Realität der Betriebeund des Arbeitsmarktes. Im Unterschied zum dreigliedrigen Schulsystemim deutschen Sprachraum durchlaufen die Schüler/innenin Italien in der mittleren Phase eine gemeinsame und einheitlicheMittelschule. Erst im Alter von 14 Jahren verzweigen sich dieWege. Südtirol bietet den Heranwachsenden dann mit einem differenzierten,maturaführenden Oberschulangebot und mit schulischwie berufspraktisch ausgelegten Varianten der Berufsbildung einebesondere Vielfalt an schulischen und beruflichen Bildungsgängenan, die eine fundierte schulische und berufliche Qualifizierung gewährleisten(Abt. Dt. und lad. Berufsbildung 2011).Für fast ein Drittel der Jahrgangskohorten ist das berufliche Bildungswesen– aufbauend auf der betrieblichen dualen Ausbildungund den Vollzeitkursen – der Weg in den Beruf. Für die anderenzwei Drittel der Jahrgänge bildet die Matura die Schwelle zum Einstiegin Spezialisierung oder direkt in den Beruf. Die Voraussetzungfür das Funktionieren des dualen Systems ist das soziale Verantwortungsbewusstseinder Unternehmen in Zusammenarbeitmit den Landesberufsschulen sowie die Leitidee eines Berufskonzepts.Das bedeutet, dass Ausbildungsleistungen nicht nur als betriebswirtschaftlicherKostenfaktor gesehen werden dürfen, sondernals Beitrag zum Gesamtsystem der Verwertung von Arbeitskraft.Das Berufsbildungswesen in Südtirol beruht auf zwei Schienen:zum einen auf dem dualen System mit dem Schwerpunkt auf derpraktisch-betrieblichen Ausbildung, zum andern auf der vollzeitschulischenAusbildung (Berufsfachschulen und Vollzeitkurse), dieder Theorie mehr Platz einräumt. Die Berufsschulen des Landesführen neben dem schulischen Teil der dualen Ausbildung eineVielzahl von Vollzeitlehrgängen mit einer Dauer zwischen ein unddrei Jahren, häufig als „Fachschulen“ bezeichnet. Diese schließenzumeist an die Mittelschule an, in selteneren Fällen (z.B. Hotelfachschule,LFS für Sozialberufe) setzen sie auch den Besuch der erstenzwei Jahre einer weiterführenden Schule („Biennium“) bzw.eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. 55Eine gute wenn auch nicht ganz aktuelle Übersicht findet sich in: „Berufsbildung in Südtirol –Aus- und Weiterbildung für Berufe mit Zukunft“ (1997), Abteilungen der Deutschen und LadinischenBerufsbildung und der Italienischen Berufsbildung der Autonomen Provinz Bozen-Südtirol

32 Ein differenziertes BildungssystemBei den Vollzeitlehrgängen der Berufsschulen ist zwischen einjährigenGrundlehrgängen, berufsbildenden Biennien und den zumeistdreijährigen Fachschulen zu unterscheiden. 6 Nur die Fachschulenführen zu einer vollwertigen beruflichen Qualifikation (Facharbeiterbriefbzw. Gesellenprüfung nach Betriebspraxis). Ein- oder zweijährigeKurse im Anschluss an die Mittelschule können aber füreine duale Ausbildung oder Fachschule anerkannt werden, wenndiese denselben Berufsbereich betrifft. Eine vergleichbare beruflicheQualifikation lässt sich daneben im dualen System der Lehre(mehrjährige Berufspraxis im Betrieb, ergänzt durch Ausbildung anden Berufsschulen im Umfang von einem Tag pro Woche oderneun Wochen als Blockunterricht über in der Regel drei Jahre) erwerben.Südtiroler Jugendlichen stehen zudem auch Lehrgängeder beruflichen Ausbildung und der Hochschulausbildung außerhalbdes Landes offen, für die eine finanzielle Unterstützung vorgesehenist.Das in Südtirol und im gesamten deutschen Sprachraum bewährteBerufsschulsystem mit der dualen Lehrlingsausbildung hat für diein Italien zur Zeit betriebene Reform der beruflichen Lehre Modellgestanden. Diese Reform sieht drei Arten der Lehre vor: 7Die klassische Lehre (Berufsgrundausbildung)Spezialisierungslehrgänge (berufsspezialisierende Lehre)Die „Höhere Lehre“.(Hg.), Bozen.67Diese Terminologie bezieht sich auf den Untersuchungszeitraum 2000-2002; mit dem Schuljahr2002/03 wurde eine einheitliche Berufsgrundstufe (9. Schuljahr) eingeführt, auf welche die Fachschulebzw. das zweite Jahr des Bienniums aufbauen (vgl. Autonome Provinz Bozen – Südtirol(Hg.): Mehrjahresplan für die Berufsbildung 2002-2006, Bozen, o.J., S. 28).Geregelt im Staatsgesetz Nr. 144/1999 zur Reform der Berufsausbildung; vgl. auch: Amt fürLehrlingswesen und Meisterausbildung (2004), Die Zukunft der Lehre, auf: http://www.provinz.bz.it/handwerk/3502/zukunft_d.htm.Die berufsspezialisierende Lehre ist für Südtirol mitdem L.G. Nr. 138 vom 28.6.2012 eingeführt worden.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 33Abbildung 1:Darstellung der Ausbildungswege der Berufsbildungin Südtirol. Quelle: Autonome Provinz Bozen,Abt. dt. und lad. Berufsbildung, Die Berufsbildungin Zahlen, Nr.7/2011Davon ausgehend wird in Südtirol zur Zeit nicht nur das bisherigeBerufsschulsystem einschließlich der Vollzeitkurse im Wesentlichenunter Anpassung an staatsgesetzliche Neuerungen beibehalten,sondern im Zusammenwirken mit Universität und Unternehmenum die höheren Qualifizierungsangebote erweitert. Im Sommer2012 hat der Landtag mit dem Lehrlingsgesetz Nr. 138 vom28.6.2012 die Voraussetzungen für die Neuregelung der Lehrzeitenin den verschiedenen praktischen Berufen und der Standards fürdie Ausbildungsbetriebe geschaffen. Die neue Lehrlingsordnungsieht somit drei Typen von Lehre vor:1. die Lehre zum Erwerb einer beruflichen Qualifikation und einesBerufsbildungsdiploms2. die berufsspezialisierende Lehre3. die Lehre zur Höheren Berufsbildung und ForschungKünftig wird, laut zuständiger Landesrätin 8 , die Lehre in einem Berufeine einheitliche Dauer von 3 oder 4 Jahren haben, egal ob derJugendliche einen Vertrag in einem Handwerks- oder einem Industrieunternehmenabgeschlossen hat. Zudem ist nun auch im viertenLehrjahr Berufsschulunterricht vorgesehen: so können dieLehrlinge gleich nach Ende der Schulzeit die Lehrabschlussprüfungablegen und müssen nicht ein oder zwei Jahre warten, wiedas bisher in vielen Berufen der Fall war.8Vgl. Mitteilung des Landespresseamtes vom 10.Juli 2012 „Neues Lehrlingsgesetz: Landesregierunglegt jetzt Lehrzeiten fest“

34 Ein differenziertes BildungssystemDiese Modernisierung des Berufsbildungssystems darf nicht darüberhinweg täuschen, dass eine längere schulische und akademischeAusbildung für Südtirols Jugendliche in den letzten Jahrenattraktiver geworden ist, während die berufspraktischen Ausbildungswegean Zuspruch verlieren (Abt. Dt. und lad. Berufsbildung2012; siehe dazu Abschnitt 7).6.2 Komplexität und Durchlässigkeit des BildungssystemsDas breit gefächerte Angebot an weiterführenden Schulen und beruflichenAusbildungen in Südtirol stellt eine Besonderheit dar, diemit dem Zusammentreffen von historisch verschiedenen Bildungssystemenim italienischen und deutschen Kulturraum zu tun hat,vor allem aber durch die legislativen und verwaltungsmäßigen Befugnisseder Autonomen Provinz Bozen ermöglicht wurde. In ersterLinie ist diese Situation sicher von Vorteil für Jugendliche undderen Eltern, die sich für einen Ausbildungsweg entscheiden sollen.Ein breiteres Angebot geht aber auch einher mit der Notwendigkeit,dieses Angebot darzustellen und so eine gezielte und reflektierteWahl zu ermöglichen: die Orientierung kann sich für jungeMenschen und ihren Familien schwierig gestalten.Als weiteres Thema aufgrund des mannigfaltigen Bildungsangebotesergibt sich jenes der Durchlässigkeit zwischen verschiedenenBildungsgängen. Die Entscheidung für eine weiterführende Schulestellt immer eine Weichenstellung dar, dennoch muss es auchmöglich sein, den Schultyp zu wechseln, ohne dass dies eine Entwertungbereits erworbener Kenntnisse und Fähigkeiten bis hinzur Wiederholung von Schuljahren nach sich zieht, so wie dies dieentsprechenden rechtlichen Bestimmungen vorsehen. 9Die Frage der Durchlässigkeit betrifft sowohl Übergänge zwischenVollzeitlehrgängen der Berufsschulen und Oberschulen staatlicherArt als auch zwischen Fachschulen und dualer Ausbildung innerhalbdes Berufsschulsystems, und nicht zuletzt zwischen unterschiedlichenSchultypen staatlicher Art. Gute Durchlässigkeit giltallgemein als Möglichkeit, vor allem die berufsbildenden Lehrgängeattraktiver zu machen, da sie sonst unter Umständen als „Sackgasse“empfunden werden (Atz/Schnock, 2008, 22). Doch auch allgemeinbildendeSchulen leiden darunter, dass sie keine günstigenUmstiegsmöglichkeiten bieten, wenn die Betroffenen diese Schu-9Das Staatsgesetz Nr. 144 vom 17. Mai 1999, mit dem die Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahreingeführt wurde (siehe unten), schreibt u.a. vor, dass der Wechsel zwischen den ver -schiedenen Typen von weiterführenden Schulen jederzeit möglich sein muss, und verlangt diesbezüglichdie Anrechnung von Kenntnissen und Kompetenzen, die innerhalb eines dieser Bildungswegeerworben wurden, für die anderen Bildungswege in Form von „Bildungsguthaben“.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 35len nicht abschließen wollen oder können oder aber nach erfolgreichemAbschluss eine berufspraktische Ausbildung anschließenmöchten. Das Problem der Durchlässigkeit stellt sich somit verschiedendar, je nachdem zwischen welchen Ausbildungstypenund auf welcher Stufe es betrachtet wird. Allgemein gilt: je weiterdie Bildungskarriere fortgeschritten ist und je spezifischer die Anforderungender angestrebten bzw. der bereits absolvierten Ausbildung,desto schwieriger ein Umsteigen. In den letzten Jahrenwurden in Südtirol zum einen die Übergänge zwischen vergleichbarenBildungsgängen (z.B. Biennien an staatlichen Oberschulenund an Landesberufsschulen) durch Abstimmung der Lehrpläneund prozedurale Regelungen erleichtert. Zum anderen wurde versucht,das Problem durch Doppelqualifizierungen zu entschärfen(z.B. Gesellenprüfung neben Facharbeiterbrief als Abschluss vonVollzeitlehrgängen an der Berufsschule). Dennoch bleiben Schwierigkeitenbei der Mehrzahl der Übertrittsituationen, insbesonderedann, wenn in der bisherigen Ausbildung kein ordentlicher Abschlusserreicht wurde.Welche Auswirkungen hatte die Verlängerung der Schulpflicht vor14 Jahren? Während die Reform der Schulstufen auf nationalerEbene noch immer nicht endgültig beschlossen wurde, ist die Anhebungder Schulpflicht von bisher acht auf neun Jahre im Schuljahr1999/2000 erstmals zum Tragen gekommen. Auch die im gleichenZuge verabschiedete Ausbildungspflicht bis zum 18. Lebensjahrwurde seither schrittweise umgesetzt und ist nun voll inKraft. 10 Diese Neuerungen haben zur Folge, dass alle Schüler/innenohne Schulverspätung für mindestens ein Jahr eine weiterführendeSchule besuchen müssen. In Südtirol besteht die Möglichkeit,dieses Jahr nicht nur an Oberschulen staatlicher Art, sondern auchan Vollzeitlehrgängen der Landesberufsschulen oder der land-, forst-und hauswirtschaftlichen Schulen zu absolvieren.Damit stellen sich die Probleme der Schulwahl und der Durchlässigkeitin verschärfter Form, denn die Schulpflicht kann Jugendlichedazu verleiten, einen bestimmten Schultyp sozusagen probeweisezu besuchen, wenn eine Entscheidung über den weiterenBildungsweg nach Abschluss der Mittelschule schwer fällt. Besondersin jenen Fällen, wo nach dem Besuch der ersten Klasse einer10Aufgrund von Artikel 68 des Staatsgesetzes Nr. 144 vom 17. Mai 1999 sind Jugendliche in ganzItalien nach der allgemeinen Schulpflicht, die im Alter von 15 Jahren mit dem ersten Jahr derhöheren Schule (bzw. in Südtirol eines Vollzeitlehrgangs an der Berufsschule) endet, verpflichtetbis zum Alter von 18 Jahren eine vorgeschriebene Mindestausbildung zu durchlaufen. Hierfürstehen ihnen drei Möglichkeiten zur Auswahl: Fortsetzung der höheren Schule bis zum Erwerbeines Schulabschlusses, Einschreibung in die regionale Berufsbildung zum Erwerb einer beruflichenQualifikation, Beginn einer Lehre mit mindestens 240 Unterrichtsstunden pro Jahr.

36 Komplexität und Durchlässigkeit des Bildungssystemsstaatlichen Oberschule in eine berufspraktische Ausbildung gewechseltwird, besteht die Gefahr, dass dieses Jahr „verloren“,weil nicht anrechenbar ist. Wer sich dagegen für Grundlehrgangoder berufsbildendes Biennium entschieden hat, kann zwar nachBeendigung der Schulpflicht grundsätzlich in eine staatliche Oberschulewechseln, doch dürfte der Übertritt in der Praxis wegen desunterschiedlichen Fächerkanons und der verschiedenen Anforderungenoft nicht leicht fallen. Der angestrebte Schulwechsel kannso leicht zum Abbruch der schulischen Karriere oder zumindestzur Wiederholung des Schuljahres führen.Vor dem Hintergrund des vielfältigen Bildungsangebotes stellendie Themen „berufliche Orientierung“ und „Durchlässigkeit“ alsowichtige Aspekte dar, die im empirischen Teil der Arbeit zu behandelnsind.6.3 Was hat sich in Südtirol bewährt?Wenn Südtirol europaweit bisher eine der geringsten Jugendarbeitslosenratenvorweisen konnte, ist dies sicher zum einen auf„Gunstlagen“ und strukturelle Faktoren in der wirtschaftlichen undsozialen Entwicklung zurückzuführen, zum anderen auf institutionelleRegelungen, die sich bewährt haben. Diese gilt es zu erkennen,um sie positiv weiter zu entwickeln und neuen Anforderungenanzupassen.Die relativ geringe Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen kann alsHauptindiz für ein gut funktionierendes Berufsbildungssystem gelten,das den wichtigsten Nachfragekomponenten auf dem SüdtirolerArbeitsmarkt entspricht. Eine Berufsausbildung im dualen oderim Vollzeitkurssystem wählen in Südtirol ein geringerer Teil derAltersjahrgänge als etwa im deutschsprachigen Ausland, doch istdies auch auf einen geringeren Berufsschüleranteil bei der italienischenSprachgruppe zurückzuführen. In der dualen Lehrlingsausbildunggibt es eine enge Abstimmung zwischen den betrieblichenAnforderungen und dem Lehrstellenangebot (=Nachfrage nachLehrlingen) und dem Angebot an jugendlichen Interessierten unddem Berufsschulsystem. Die Abteilungen für Berufsbildung desLandes versuchen über Bedarfserhebungen und längerfristige Planungdie Berufsschule marktgerecht zu steuern und arbeiten zudiesem Zweck mit Unternehmen und Unternehmerverbänden, vorallem im Handwerk zusammen. Bewährt hat sich in dieser Hinsichtauch die Rahmengesetzgebung des Landes, die Lehrgänge, Prüfungsordnungenund Abschlüsse, Dauer und Art der Lehrgängeregelt. Unter dem Aspekt der Ausbildungsqualität und der Arbeitsmarktperspektivenhat sich das Berufsschulwesen in Südtirol,kombiniert mit einer gut ausgebauten beruflichen Weiterbildung,

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 37insgesamt gut bewährt (Abt. deutsche und ladinische Berufsbildung2012).Der Rückgang der Zahl der Lehrlinge um ein Viertel im vergangenenJahrzehnt kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt werden:die demographische Entwicklung (geringere Jahrgangsstärkeder Alterskohorten), die wirtschaftlich unbefriedigende Behandlungder Lehrlinge, der Ausbau von höher qualifizierenden Bildungsangebotennach der Matura (z.B. die Claudiana für medizinischeund pflegerische Berufe) sowie die gestiegene Übertrittsquotevon der Ober- zur Hochschule.In Südtirol wird auch unter Oberschulabgängern eine im italienischenVergleich geringe Arbeitslosigkeit verzeichnet (Arbeitsmarkt-NewsNr. 5/2011). Bei der Übertrittsquote zur Hochschulegab es bisher einen deutlichen Unterschied zwischen den italienischsprachigenund den deutsch- und ladinischsprachigen Maturanten.Dies hat auch mit der räumlichen Verteilung der Oberschulenin Südtirol, aber auch mit Aspekten der „Lebenswelt der Jugendlichen“zu tun (Abt. Arbeit, Arbeitsmarktbeobachtung 2011,154). Obwohl in Südtirol die Schülerheime, der öffentliche Schülertransportund das Studienbeihilfesystem gut ausgebaut sind,stellt sich die Frage des Oberschulbesuchs für italienische Jugendlichein Bozen anders als für die Familien in einem Seitental. Diebisher verfolgte Strategie eines dezentralen Schulangebots mit einemGrundangebot an Oberschultypen in allen Schwerpunktortenscheint sich diesbezüglich bewährt zu haben. Dennoch ist es imZuge der Oberschulreform 2010-11 nach breiter Diskussion zu einerneuen Schwerpunktsetzung in räumlicher und fachlicher Hinsichtgekommen.Bei den Hochschulabsolventen gab es bisher in Südtirol einekaum nennenswerte Zahl von Arbeitslosen (ASTAT 2009b). Bis indie 1990er Jahre wiesen die Unternehmen und die öffentlicheHand in diesem Segment einen Nachholbedarf auf. Das relativenge Spektrum an Arbeitsplätzen für Hochqualifizierte im Landführte zudem dazu, dass ein beträchtlicher Anteil der jungen Akademikervom Studienort nicht mehr zwecks Arbeitsaufnahme nachSüdtirol zurückkehrte (ASTAT 2009b). Verstärkte Anstrengungenund Investitionen im Bereich Forschung und Entwicklung mit demAufbau einer Reihe öffentlich finanzierter Institutionen sowie dieSättigung des Bedarfs an Akademikern anderswo haben zumRückgang des „brain drains“ geführt. Im empirischen Teil dieserStudie ist im Gespräch mit Akteuren und Expertinnen auf Stärkenund Schwächen des Südtiroler Bildungssystems eingegangenworden.

38 Übergangsphase Ausbildung-Beruf: südtirolspezifische Vertiefungen7 Übergangsphase Ausbildung-Beruf:südtirolspezifische VertiefungenNachdem in den vorhergehenden Abschnitten einige allgemeineErkenntnisse der Übergangsforschung benannt und der SüdtirolerAusbildungsrahmen skizziert wurde, sollen einige Aspekte desÜbergangssystems herausgegriffen und vertieft werden.7.1 Berufswahl und Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innenMit dem Abschluss der Pflichtschule – in der Regel im Altern von15 Jahren – beginnt für fast ein Drittel eines Jahrgangs in Südtiroldie Vorentscheidung für einen Beruf oder zumindest einen Berufsbereich.Die Zahl der Lehrlinge und Lehrverträge hat im Zeitraum2000-2010 allerdings um ein Viertel abgenommen. 11 Etwas mehrals zwei Drittel eines Jahrgangs 12 setzen den Schulbesuch in derOberschule fort, wobei sie zwischen eher allgemeinbildendenSchultypen und praxisorientierten Schultypen entscheiden können.Die konkrete Berufswahl wird damit auf einen Zeitpunkt nachder Matura verschoben. Damit wird die spätere Berufswahl einerseitseingeengt, anderseits aber noch einmal nach hinten verschoben,vor allem im Fall eines Hochschulstudiums.Der Einstieg ins Berufsleben hängt wesentlich von der für den Einzelnenstimmigen Entscheidung für einen Ausbildungsweg ab. ImRahmen der dualen Berufsausbildung mit seinen meist klar definiertenBerufsbildern ist damit schon in der Pubertät eine relativfrühe Festlegung auf einen Beruf erforderlich.Die Entscheidung für den Besuch einer Berufsfachschule führtmeistens zu einem erfolgreichen Einstieg in die Berufswelt. Runddrei von vier jugendlichen Abgängern einer Berufsfachschule sindin einem Beruf tätig, welcher ihrer beruflichen Ausbildung entspricht(Arbeitsmarkt-News Nr.4/2012, 6). Dabei gibt es allerdingsdeutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Berufsfachschulen.Zudem muss unterschieden werden zwischen Berufen, die nurmit einer fachlichen Spezialisierung und einem entsprechenden1112Vgl. Arbeitsmarkt-News Nr. 8/2012. Ende 2009 wurden in Südtirol durchschnittlich 4 600 Beschäftigtemit einem Lehrvertrag gezählt. Im Vergleich zu 1999 hat die Zahl der Lehrlinge damitum 19% abgenommen, das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Abnahme von 2%. Aufdie quantitative Entwicklung bei Lehrlingen und jungen Erwerbstätigen wird im Abschnitt 2 nähereingegangen.2009/10 besuchten 8.900 Jugendliche eine Berufsschule (3.571 die duale Berufsschule und5.339 Vollzeitkurse) und 19.829 eine Oberschule. 11.800 Südtiroler waren in eine Hochschuleeingeschrieben. Vgl. ASTAT, Bildung in Zahlen 2009/10, Bozen 2011

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 39Abschluss bzw. Berufsbefähigungsdiplom ausgeübt werden könnenund jenen Berufen, die von Abgängern verschiedenster Berufsfachschulenausgeübt werden können.Welche sind die wichtigsten Faktoren für eine reflektierte Berufswahl?In mehr als 50% der Fälle erfolge die erste Berufswahl aufgrundeines zu geringen Informationsstands und unter starkemEinfluss der Eltern und peergroup (Beggiato, 2004, 167). Im Vordergrundsteht dabei oft das schnelle Erreichen eines Berufsabschlussesgekoppelt mit der Möglichkeit des Geldverdienens. Vorallem der Sektor Handel und Büro würde oft gewählt, wenn keineklaren Berufswünsche vorliegen. Relevant sind zudem auch Schulmüdigkeit,Schulunlust und negative Schulerfahrungen. So sammeltsich z.B. in den Lehrberufen des Handels eine Personengruppe,deren erste Berufswahlentscheidung als eher problematischanzusehen ist.Die Berufsberatung scheint in dieser Phase der Entscheidung füreinen Lehrberuf eine eher geringe Rolle zu spielen: nur ein Drittelder Lehrlinge und Lehrmädchen haben sie überhaupt in Anspruchgenommen, doch die meisten messen ihr keine Bedeutung zu:„Von jenen, die eine Berufsberatung in Anspruch genommen haben,sind insgesamt 62% der Meinung, diese sei "nicht nützlich"bzw. "eher nicht nützlich" gewesen. Diese Bewertung wird ohne signifikanteUnterschiede in allen Lehrberufssektoren gegeben“(Abt. Deutsche und ladinische Berufsbildung, BELIS, 40).Ein wichtiger Indikator für eine gut getroffene Berufswahl ist dieZufriedenheit am Arbeitsplatz, die sich in der Verweildauer imLehrbetrieb nach Abschluss der Lehre widerspiegelt. Diese beträgtin Südtirol durchschnittlich 2,5 Jahre (Beggiato, 2004, 176). 4-5Jahre nach Abschluss der Lehre sind 40% der Südtiroler Absolventen/inneneiner dualen Ausbildung nicht mehr im Ausbildungsberuftätig (Beggiato, 2004, 175). Der Berufswechsel ist als ein sehrmarkantes Ereignis in der Übergangsphase zu werten, doch istauch in Deutschland und Österreich die Zahl der Berufswechslerhoch – mit deutlichen Unterschieden zwischen den Lehrberufssektoren.Nach 5 Jahren – so Beggiato – stellt sich die Situation folgendermaßendar:ein Viertel ist im Ausbildungsberuf und Ausbildungsbetriebverbliebenein Viertel ist im Ausbildungsberuf, aber nicht mehr im Ausbildungsbetriebein Fünftel arbeitet nicht mehr im erlernten Beruf1/10 besucht eine neue Ausbildung.

40 Berufswahl und Berufsverlauf der Lehrabsolventen/innenIn Südtirol sind die Beweggründe des Berufswechsels von Lehrabsolventen2008 breit untersucht worden (Deutsche und ladinischeBerufsbildung, BELIS). Schon vor zehn Jahren hat zudem apollisdie problematischen Bildungsverläufe an allen Schultypen Südtirolsanalysiert (apollis 2002). Eine Problemgruppe bilden jedenfallsnoch heute Jugendliche, die das Berufsleben ohne abgeschlosseneAusbildung in gering qualifizierten Arbeitspositionen beginnen(rund 5% eines Jahrgangs). Dabei kann ausgeschlossen werden,dass Jugendliche als Lebensentwurf von vornherein auf eine Berufsausbildungverzichten. Die Ausbildungsabsicht besteht immer,gleich aus welchen sozialen Verhältnissen man stammt. Berufsverweildauerund Berufswechsel, aber auch Ausbildungsabbruch undSchulverweigerung sind damit Themen, die im empirischen Teilder vorliegenden Arbeit (Expertengespräche) aufgegriffen wurden,zumal sie den Humus für spätere Problemgruppen auf dem Arbeitsmarktdarstellen und Ansätze gefordert sind, frühzeitig Arbeitslosigkeitvorzubeugen.7.2 Geschlechtsspezifische Unterschiede beimÜbergang ins ErwerbslebenIn der Übergangsphase von der Kindheit ins Erwachsenenalterund damit ins Erwerbsleben tritt nach wie vor eine deutliche Ungleichheitzwischen den geschlechtern zu Tage: „Obwohl jungeFrauen höhere Bildungsniveaus und oft bessere Qualifikationenund damit berufliche Startchancen vor allem im Dienstleistungsbereichhaben, werden sie durch einen hohen Anteil an Teilzeiterwerbstätigkeit,niedriges Einkommen und geringere Partizipationan Höherqualifizierung strukturell benachteiligt. Auch wenn die Lebensperspektivender Geschlechter in Bezug auf Bildung und Berufsich angenähert haben, so müssen junge Frauen durch bessereQualifikation und besondere Leistungsbereitschaft ihre im Vergleichzu den männlichen Altersgenossen ungünstigeren Chancenauf dem Arbeitsmarkt ausgleichen“ (vgl. Münchmeier, Richard:Kindheit und Jugend im Wandel. In: Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe(Hrsg.): Übergänge – Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland.Berlin 2009, S. 57–72, 2009; zitiert von Heinz, 2011, 20).Zentrale Eckdaten rund um Ausbildung und Berufswahl unterscheidensich auch in Südtirol nach Geschlecht, wobei diesbezüglichin den letzten Jahren auch starke Veränderungen zu verzeichnensind. In schulischer Hinsicht haben die Mädchen die Buben inSüdtirol überholt und erreichen überdurchschnittlich oft einen Abschlussan einer Ober- und Hochschule. Mädchen wählen in geringeremAusmaß eine berufliche Fachausbildung und beschränken

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 41sich dabei auf einen relativ engeren Ausschnitt der Ausbildungswege.13Mädchen schließen die Oberschule und Hochschule in höhererZahl ab als Männer. Der Anteil der Oberschulabsolventinnen amjeweiligen Gesamtjahrgang beträgt bei den Mädchen 70,9%(2006), bei Buben 48,2% (ASTAT 2007, 128-129). Im Schuljahr2009/10 bestanden 1.962 Mädchen und 1.400 Buben die Maturaprüfung.Allerdings konzentrieren sich die Mädchen stark auf dieOberschulen mit sprachlichem, pädagogischem und sozialemSchwerpunkt (ASTAT 2012, 66).Ausgehend von dieser Verteilung auf Oberschulen bzw. Berufsschulenkann es nicht wundern, dass Frauen sowohl bei den eingeschriebenenStudierenden wie bei den Absolventen an denHochschulen überwiegen. Die Übertrittsquote an die Universitätlag 2009 bei den Frauen mit 66,8% deutlich höher als bei den Männern(58,1%). Ein Drittel der Frauenjahrgänge (34,3%) belegt einHochschulstudium, nur ein Viertel des gleichen Jahrgangs derMänner (25,5%). 37,3% der Frauen, die am 31.12.2009 25 Jahre altwaren, hatten ein Uni-Studium absolviert, während dies nur für23% der Männer gilt (ASTAT 2012, 66). Frauen bestehen zudemauch in höherem Ausmaß die Zweisprachigkeitsprüfungen(ASTAT 2008, 32). In den Berufsschulen hingegen stellen die Bubenseit vielen Jahren mehr als doppelt so viele Schüler als dieMädchen (ASTAT 2006, 133-135).Immer wieder wird von Verbänden und Handelskammer der Technikermangelmit der einseitigen Ausbildungs- und Berufswahl derMädchen in Zusammenhang gebracht. Im Zuge des wachsendenTechnologieeinsatzes wären grundlegende Technikkenntnisse sowieinformatische Kompetenz in allen Ausbildungsrichtungen einzubauen:„Dazu kommt, dass technische Ausbildungswege fastausschließlich von der männlichen Bevölkerung gewählt werden.Es wäre demnach wichtig, Mädchen dafür zu sensibilisieren, einekompetenzorientierte Berufswahl zu treffen und sich nicht von dengängigen Rollenbildern beeinflussen zu lassen“ (WIFO, 2010, 35).Der durchschnittlich höhere formale Bildungsgrad der Frauen führt– im Vergleich zu den Männern – nicht zu einer gleich starken Präsenzam Arbeitsmarkt. In den zentralen Indikatoren der Beteiligung13In allen Ländern mit dualer Berufsausbildung kann beobachtet werden, dass Lehrmädchen sichauf ein relativ enges Spektrum an meist traditionelle Lehrberufe konzentrieren. In Südtirol wählten90% der Lehrabsolventinnen die 10 beliebtesten "Frauenberufe"; zudem waren 70% der Absolventinneneiner dualen Lehrausbildung in Betrieben mit weniger als 10 Beschäftigten tätig(Vgl. Matthias Beggiato, Berufswahl und Berufsverlauf Südtiroler LehrabsolventInnen, Fakultätfür Psychologie, Universität Wien 2004).

42 Geschlechtsspezifische Unterschiede beim Übergang ins Erwerbslebenam Erwerbsleben – der Erwerbstätigkeit und der Arbeitslosigkeit –liegen Frauen in allen Altersklassen deutlich hinter den Männern.Nur in der Altersklasse 20-29 verringert sich der Abstand in der Erwerbstätigkeitzwischen Männern und Frauen auf 9 Prozentpunkte.Frauen sind im öffentlichen Sektor (Anteil an den Gesamtbeschäftigten:68%) und im Gastgewerbe (Anteil an den Gesamtbeschäftigten:58%) überdurchschnittlich beschäftigt, im Handel etwagleich auf (48%). Im öffentlichen Sektor, im Gastgewerbe und imHaushaltssektor sowie bei den „Anderen Dienstleistungen“ hat esvon 2000 bis 2011 den höchsten Zuwachs an beschäftigten Frauengegeben. 2011 hatten Frauen eine höhere Arbeitslosenquote alsMänner zu verzeichnen (3,8% gegenüber 3%), wobei die Arbeitslosenquotebei 15-24-Jährigen bei 7,8 und bei 25-39-jährigen Frauenbei 3,6% lag.Die verbesserten Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Elternkarenzrechteund der Ausbau der Teilzeitbeschäftigung hat es Frauen mitFamilie zwar erleichtert, die Babypausen zu verkürzen und relativrasch wieder ins Berufsleben zurückzukehren. Andererseits kündigenin Südtirol jährlich 600-700 junge Mütter innerhalb des erstenLebensjahrs ihres Kindes das Arbeitsverhältnis (Beobachtungsstellefür den Arbeitsmarkt, Arbeitsmarktbericht 2012, 160). 37,7% derin Südtirol beschäftigten Frauen sind teilzeitbeschäftigt, aber nur5% der Männer. Nicht zuletzt aus diesem Grund hat die SüdtirolerLandesregierung die Förderung der Beteiligung der Frauen am Arbeitsmarktdurch die Unterstützung der Vereinbarkeit und derRückkehr ins Berufsleben nach der Mutterschaft auf ihre arbeitsmarktpolitischeAgenda gesetzt (Autonome Provinz Bozen, AbteilungArbeit, Mehrjahresplan für Beschäftigung 2007-2013, 2008).Die geschlechtsspezifischen Aspekte des Übergangs in den Arbeitsmarkterscheinen vor dem Hintergrund dieser Zahlen ein lohnendesThema für weitere empirische Untersuchungen sowie fürdas Gespräch mit den verschiedenen Akteuren/innen im empirischenTeil dieser Untersuchung.7.3 Braucht Südtirol mehr Akademiker?Südtirols Hochschulabsolventenquote an den 30-34-Jährigen liegt2012 mit 18,1% immer noch deutlich hinter jener Österreichs(23,5%), Deutschlands (29,8%) und der EU insgesamt (33,6%) imJahr 2012. 14 Obwohl Südtirol in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehntenbeträchtlich aufgeholt hat (Akademikerquote insgesamt1991: 3,2%; 2001: 5,0%, 2011: rund 7%), wird die Zahl der akademischQualifizierten immer wieder als zu gering bezeichnet. Aus14vgl. ASTAT, Indikatoren Europa 2020, auf: www.provinz.bz.it/ASTAT, letzter Zugriff 20.1.2013

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 43dem wirtschaftlichen Strukturwandel ergeben sich wachsendeQualifikationsanforderungen an die Arbeitskräfte, welchen in Formvon Hochschulstudien sowie parauniversitäre, mehrjährige Studiengängeentsprochen werden kann. Nicht nur bei den Lehramtsberufenund Gesundheitsberufen hat ein Qualifikationsschub stattgefunden,auch verschiedene Unternehmensbranchen haben sichin Produktionsverfahren und Vermarktungsprozessen weiterentwickelt.Für Tätigkeiten in der Industrie und in qualifizierten privatenDienstleistungen ist tendenziell eine höhere Grundausbildung,tiefere Spezialisierung und permanente Weiterbildung erforderlich(WIFO 2010, 7-9).Ein Mangel an Fachkräften im Bereich der mittleren und höherentechnischen Berufe wird durch die EXCELSIOR-Erhebungen verzeichnet(Unioncamere 2010): es fehlen Ingenieure, Informatiker,Ärzte, andererseits aber auch Facharbeiter und Berufe im mittlerenManagement. Der Qualifikationsschub spielt sich auch innerhalbder Berufe ab: in einigen Berufsbereichen sind die Anforderungenderart gestiegen, dass ein Hochschulstudium unverzichtbar gewordenist, wie z.B. in der frühkindlichen Erziehung und in derKrankenpflege.Dieser Tendenz zur Höherqualifizierung kann man zum Teil durcheine verstärkte Förderung der Allgemeinbildung und verbesserteBerufsbildung (Vollzeitkurse mit höherem Theorieanteil) gerechtwerden, zum anderen Teil durch höhere Maturanten- und Akademikerquoten.Wenn die Südtiroler Unternehmen das hoch qualifizierte Personalnicht im Land finden, holen sie es aus dem restlichen Italien oderaus dem Ausland. Andererseits stehen den Südtiroler Hochschulabsolventennach Abschluss ihres Studiums Arbeits- und Karrierechancenim gesamten EU-Arbeitsmarkt offen. Heute wandernauswärtige Akademiker nach Südtirol zu, und je nach Studienfachund Präferenzen wandern Südtiroler Akademiker ab, vor allemnach Italien und ins deutschsprachige Ausland. Das ASTAT hat ineinem Kooperationsprojekt mit dem AFI-IPL 2008 die Zukunftsperspektivenvon Jungakademikern in Südtirol erforscht, um den wesentlichenKausalfaktoren für den beobachtbaren „brain drain“ ausSüdtirol auf den Grund zu gehen (ASTAT 2009b).Im Unterschied zu Italien gilt aber für die in Südtirol ansässigen Erwerbstätigen,dass Hochschulabsolventen eine geringere Arbeitslosigkeitaufweisen, und ein höherer Bildungsgrad die Suche nacheinem Arbeitsplatz verkürzt (Arbeitsmarktbericht 2012, 140). Wieverschiedene Studien nachweisen, sind allgemein Hochschulabsolventenhäufiger und länger erwerbstätig, erzielen ein durchschnittlichhöheres Einkommen als die Absolventen anderer Quali-

44 Braucht Südtirol mehr Akademiker?fikationen, auch wenn die Einkommensdifferenzen zu Nicht-Akademikernschrumpfen (AFI-IPL 2006). Zudem wird die jüngere Generationbefähigt, besser in einer komplexeren Welt zu bestehen, aneinem weltoffenen Kulturleben teilzuhaben und und besser ihrepolitischen Rechte wahrzunehmen (Atz/Schnock, 2008, 9). Allerdingskommt es ganz wesentlich darauf an, den Hochschulbesuchso zu steuern, dass der regionale Bedarf berücksichtigt wird. SteigendeArbeitslosigkeit unter Italiens Hochschulabsolventen/innenist auch auf einen erheblichen mismatch bei den von Maturantengewählten und absolvierten Fachrichtungen und den vom Arbeitsmarktnachgefragten Qualifikationen zurückzuführen. 15 Früher fandengut 70% der Südtiroler Akademiker im öffentlichen Diensteinen Arbeit. Im Kontext stagnierender öffentlicher Finanzen müssendiese Erwartungen wohl zurück geschraubt werden. Es stelltsich auch die Frage, wie viele Akademiker/innen die kleinstrukturierteSüdtiroler Unternehmenslandschaft aufnehmen kann. Ausden genannten Gründen schien es von Interesse, die Thematik mitden Akteuren im Zuge des empirischen teils der Untersuchung zuvertiefen.7.4 RisikogruppenDer Übergang von der Ausbildung in den Beruf bringt ganz allgemeineReibungsprobleme: „Mangelnde professionelle Reife, diehohen Ansprüche an das Berufsleben und fehlende Erfahrung führendazu, das ein Teil der jungen Leute beim Berufseinstieg mitSchwierigkeiten zu kämpfen hat“ (Arbeitsmarkt-News, Nr.12/2011,2). Die Arbeitslosenrate der 15-29-Jährigen liegt – auch deshalb –permanent höher als jene der über 29-Jährigen, wobei vor allemJugendliche unter 25 Jahren strukturell öfter arbeitslos sind, wasaber ein gesamteuropäisches Phänomen darstellt: auf europäischerEbene ist die Jugendarbeitslosigkeit (15-24 Jahre) durchschnittlichdoppelt so hoch wie die Gesamtarbeitslosigkeit, in Italiennoch höher (Arbeitsmarkt-News Nr. 12/2011, 2, siehe auch Abschnitt5.1).Innerhalb der Altersgruppe der 15-29-Jährigen lassen sich einzelneGruppen ausmachen, die als Risikogruppen bezeichnet werdenkönnen. Sie treffen Jugendliche, die die Schule und/oder Ausbildungabgebrochen haben, Jugendliche mit Migrationshintergrund,Jugendliche mit Lernschwierigkeiten, aber auch jene Jugendlichen,die eine Berufstätigkeit anstreben, in welchen ein relativ ho-15Vgl. AlmaLaurea, 12° rapporto sulla condizione dei laureati, zitiert von Giulio Benedetti, Più disoccupatitra i laureati e gli stipendi sono leggeri, Corriere della Sera, 18.3.2010

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 45hes Angebot und somit viele Wettbewerber um knappe Arbeitsplätzevorliegt. 167.4.1 Jugendliche aus bildungsfernen SchichtenAtz und Schnock analysieren in ihrer Studie „Soziale Herkunft undBildungsweg“ wesentliche Faktoren, die die Bildungswege undChancengleichheit der Jugendlichen in Südtirol mitbestimmen(Atz/Schnock, 2008). Zum einen erwies sich die schulische Leistungals stärkster Einzelfaktor für Bildungswegentscheidungen,zum anderen kommt der Schichtzugehörigkeit großes Gewicht zu(Atz/Schnock, 2008, 101). Der bekannte Zusammenhang vonSchulleistungen und sozialer Herkunft lässt sich dabei auch fürSüdtirol nachweisen. Kinder aus höheren Bildungsschichten erbringenbessere Schulleistungen und wählen anspruchsvollere Bildungswege,Kinder aus bildungsfernen Schichten mit entsprechendgeringerer Förderung wählen weniger qualifizierte Bildungswege.Bildungsressourcen und finanzielle Mittel haben trotz öffentlichem,praktisch kostenlosem Bildungssystem noch eine deutlichenEinfluss auf die Bildungswahl (Atz/Schnock, 2008, 102).Dies allein führt jedoch noch nicht zur „Benachteiligung“ bei derBerufswahl und auf dem Arbeitsmarkt. Auch die meisten über dieBerufsschule erreichbaren Berufe in Handel, Gastgewerbe, Handwerkund in den sonstigen Dienstleistungen genießen in Südtiroleine lange Tradition und Wertschätzung, zum Teil gute Einkommenschancenund ausreichende Arbeitsplatzsicherheit. „Dies giltauch für Jugendliche, die aus einer Oberschule wechseln und sichfür einen berufspraktischen Bildungsweg entscheiden und hinterhermit ihrem Wechsel zu einer Lehre sehr zufrieden sind“(Atz/Schnock, 2008, 103).7.4.2 Schul- und AusbildungsabbrecherDer Abbruch einer schulischen Ausbildung ebenso wie die Wiederholungdes Schuljahres im Gefolge eines Schulwechsels stellenin mehrfacher Hinsicht ein unerwünschtes Ereignis dar, das esnach Möglichkeit zu verhindern gilt (APOLLIS 2002, sowieAtz/Schnock, 2008). Zum einen bedeutet es eine gesellschaftlicheFehlinvestition, welche die Ausbildungszeiten unnötig verlängert16Die Dynamik des Schul- und Ausbildungsabbruchs wird für Italien allgemein beleuchtetet vomISFOL, Le dinamiche della dispersione formativa: dall’analisi dei percorsi di rischio alla riattivazionedelle reti di supporto, Collana Isfol Occasional Paper n.5 - nov. 2012, 16-19; sowie speziell fürSüdtirol von Atz, Hermann / Schnock, Brigitte (2002): ASSIST - Problematische Bildungsverläufean Südtirols Mittel- und Ober- und Berufsschulen. Illustrierter Endbericht an den Auftraggeber,apollis, Bozen.

46 Schul- und Ausbildungsabbrecherund die Kosten des Bildungssystems erhöht. Zum anderen bestehtdie Gefahr, dass es von den Betroffenen als Versagen erlebt wird,was nicht nur eine psychische Belastung darstellt, sondern sichauf die weitere berufliche Karriere negativ auswirken kann. Trotzdemhaben Abbrecher/innen von Oberschulen relativ gute Chancen,entweder eine Lehrstelle zu finden oder als Vollzeitschüler/ineine berufspraktische Ausbildung zu beginnen. Gravierender istdie Situation beim Abbruch einer Lehre oder beim vorzeitigenAustritt aus einer Berufsschule, denn nicht selten bedeutet diesdas Ende der beruflichen Ausbildung überhaupt. Die betreffendenJugendlichen fallen dann als ungelernte oder angelernte Arbeitskräftein eine Risikogruppe des modernen Arbeitsmarktes. Es bestehtdie Gefahr, dass sie nicht nur mangels beruflicher Qualifikation,sondern auch mangels Flexibilität und Lernerfahrung tendenziellzu schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden werden, denn reineHilfskräfte werden am Arbeitsmarkt kaum benötigt bzw. zu wenigattraktiven Arbeitsbedingungen beschäftigt (Atz/Schnock, 2008,12-15).In jedem Fall kann das Herausfallen aus dem beruflichen oderschulischen Ausbildungsweg sowohl für die Betroffenen als auchfür die Allgemeinheit schwerwiegende negative Auswirkungen zeitigenund sollte, so weit irgend möglich, vermieden werden. Es istdeshalb vordringlich zu verstehen, aus welchen Gründen Ausbildungsabbrücheoder ein schneidende Wechsel im Ausbildungswegstattfinden.In Südtirol erreichen ca. 300 Jugendliche pro Jahr keinen beruflichenoder schulischen Abschluss, was 5% eines Jahrgangs entspricht(Atz/Schnock, 2008, 69-73). Diese Entscheidung hängt starkmit den schulischen Leistungen zusammen, denn Jugendliche, diezwei oder mehr Klassen wiederholen mussten, bleiben zu 50% unqualifiziert,schließen also weder eine Ober- noch eine Berufsschuleab.7.4.3 Ausländische Jugendliche alsRisikogruppe?Mit der zunehmenden Zahl an ausländischen Jugendlichen, diedas Südtiroler Bildungssystem durchlaufen, könnte sich eineGruppe herausbilden, die – wie in anderen Ländern – besondereProbleme beim Übergang von der Schule in den Beruf zu bewältigenhat. 17 Im vergangenen Jahrzehnt hat die Zahl der ausländi-17Besonders Augenmerk widmet man diesem Aspekt in Österreich, das schon länger die Integrati -on der zweiten Generation von Ausländern (jugendlicher Migrant/innen) in den Arbeitsmarkt zubewältigen hat. Vgl. Arbeitsmarktservice Österreich (Heckl/Dorr/Dörflinger/Enichlmair), Arbeitsmarktintegrationjugendlicher Problemgruppen, AMS-Report 79, Wien 2011, S.17-30

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 47schen Schüler/innen im Südtiroler Schulsystem stark zugenommen,ein Trend, der sich bis 2015 unvermindert fortsetzen wird(ASTAT 2011, 52). Die Zahl der Ausländer im Alter zwischen 3 und18 Jahren wird sich von 2010 bis 2015 um über 50% erhöhen. DieserAnstieg wird alle Altersklassen gleichermaßen treffen und sichsomit auf sämtliche Schulstufen einschließlich der Berufsschuleauswirken. Ausländerkinder verteilen sich allerdings ungleich aufdas Südtiroler Schulsystem: im Schuljahr 2009/10 waren 18,3%der Schüler italienischer Schulen Ausländer, während der Ausländeranteilbei den Schülern der deutsch/ladinischen Schulen unter5% lag. Bereits heute wird die italienischsprachige Berufsschule zu37% von Ausländern besucht. 18In den Jahren 2006-2010 ist die Zahl der ausländischen Jugendlichenan den Südtiroler Berufsschulen in dualer Ausbildung von132 auf 184 angestiegen. Ausländer sind jedoch stärker in denVollzeitkursen der Berufsschulen zu finden. „Dieser Unterschied istwahrscheinlich auf eine Reihe von Motiven zurückzuführen, darunterauch die Notwendigkeit, einen Lehrvertrag mit einem Betriebabschließen zu müssen, was vermutlich für die Ausländer einegrößere Schwierigkeit darstellt. Ein weiterer Grund muss hingegenin dem Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung gesucht werden,der sie zum Erwerb eines Studientitels anspornt.“ 19In jüngster Zeit streben Südtiroler Jugendliche auch aufgrund derReform des Oberschulsystems weniger in Lehrberufe. Immermehr Lehrstellen bleiben unbesetzt. 20 Es sollte untersucht werden,wie das Lehrstellenangebot nach Qualifikation, geografischer Verteilung,sprachlichen Erfordernissen beschaffen ist, um zu prüfen,ob in zunehmenden Maße ausländische Jugendliche diese Lückenfüllen könnten. In Österreich ist festgestellt worden, dass Jugendlichemit Migrationshintergrund bei den Lehrlingen unterrepräsentiertsind. Sie besetzen dagegen den Großteil der überbetrieblichenAusbildungsplätze. Es steht zu vermuten, dass eine ähnliche181920Vgl. ASTAT, Bildung in Zahlen 2011/12, S. 74; nur 4,3% der Schüler der deutschsprachigen Berufsschulesind Ausländer.Vgl. STEP/Sinodè, Die Wirksamkeit der Bildungsmaßnahmen für junge Ausländer in der Autono -men Provinz Bozen, Vicenza 2011, S. 35; „Die hohe Zahl von Ausländern auf den höheren Bildungsstufenwird auch durch die Daten über die ESF-finanzierten Kurse bestätigt ( …). In derAut. Provinz Bozen gibt es nicht nur Einwanderer, die sich mit gering qualifizierten Arbeiten ohneAusbildungsprofil zufrieden geben. Vielmehr ist das Streben nach beruflicher Qualifizierung unddie Suche nach Möglichkeiten zur Eingliederung in die Arbeitswelt immer mehr verbreitet“(S.42)Vgl. ASTAT (2012), Arbeitsmarktbericht 2010, Tab. 1.9 „Abhängige Beschäftigungsverhältnissein der Altersgruppe 14-19 Jahre", S.31

48 Ausländische Jugendliche als Risikogruppe?Entwicklung auch in Südtirol eintreten wird. Diese Thematik wurdeaus den genannten Gründen auch in den Experteninterviews aufgegriffen.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 498 Arbeitsmarktpolitische Maßnahmen für Jugendlichein den NachbarregionenIn diesem Abschnitt geht es um die kurz gefasste Vorstellung vonJugendbeschäftigungsmaßnahmen in den drei Nachbarregionen(bzw. Provinz und Bundesland) Tirol, Trient und Venetien. In alldiesen Regionen sind beispielgebende Maßnahmen zur Förderungder Jugendbeschäftigung und zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeiterfasst worden, die mit beträchtlichem Mitteleinsatz undteilweise bemerkenswertem Erfolg seit Jahren umgesetzt werden.Obwohl sich die Maßnahmen auf Regionen mit teilweise verschiedenenrechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen beziehen,die nicht immer 1:1 auf Südtirol übertragbar sind, könnensie vor allem bei einer Zunahme der Jugendarbeitslosigkeit auchfür Südtirol in Betracht gezogen werden. Dabei muss die vorliegendenArbeit eine Bewertung der Wirksamkeit schuldig bleiben.8.1 Bundesland Tirol8.1.1 Eckdaten zum ArbeitsmarktDie Jugendarbeitslosigkeit liegt im Bundesland Tirol zwar unterdem gesamtösterreichischen Durchschnitt, hat aber im vergangenenJahrzehnt zugenommen. Betroffen sind vor allem gering qualifizierteJugendliche, Menschen mit besonderen Vermittlungshindernissenund Ausländer.2000 2001 2002 2003 2004Österreich 5,8 6,1 6,9 7 7,1Österreich15-245,2 5,9 7 7,4 7,2Tirol 4,9 5,1 5,3 5,4 5,6Tirol 15-24 4,4 4,9 5,4 5,5 5,72005 2006 2007 2008 2009Österreich 7,3 6,8 6,2 5,8 7,2Österreich15-247,7 7 6,4 6,2 7,9Tirol 5,8 5,5 5,3 5,2 6,3Tirol 15-24 6 5,5 5,2 5,1 6,5Tabelle 5: Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit in Österreichund Tirol 2000-2009. Quelle: EQUI-OHS, Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Förderungenin Tirol, Wien 2011.

50 Eckdaten zum ArbeitsmarktIm November 2012 waren 4.315 Jugendliche unter 25 Jahren arbeitslosgemeldet (darunter 756 Ausländer/innen). Ihr Anteil an allenArbeitslosen Tirols betrug 17,6%. Im Jahresdurchschnitt 2012betrug die Zahl der Eingetragenen (ohne Dezember) 3.329 Personen.Nach Geschlecht und Ausbildung verteilten sich die arbeitslosenJugendlichen wie folgt:Frauen Männer Gesamt2012VeränderungzumVorjahr2012VeränderungzumVorjahr2012VeränderungzumVorjahrAnzahlPflichtschule 514 2 715 11 1.229 12Lehre 637 14 853 -11 1.491 3mittlere Ausbildung 176 1 95 -3 272 -2höhere Ausbildung 173 2 127 10 299 12akademische Ausbildung20 2 6 1 26 2ungeklärt 7 1 5 -2 12 -1k.A. 0 0 0 0 0 0Insgesamt 1.527 21 1.802 5 3.329 26Tabelle 6:Bestand Arbeitsloser im Bundesland Tirol bis 25 Jahre,nach Ausbildung (Jahresdurchschnitt 2012, ohneDezember). Quelle: Arbeitsmarkt 2012, auf: www.ams.at/arbeitsmarktdaten(Zugriff:11.12.2012)Sowohl bei den Frauen wie bei den Männern wird ersichtlich, dassein geringerer Bildungsgrad die Risiken auf dem Arbeitsmarkt erhöht.Auch Jugendliche mit Lehrabschluss haben erhebliche Probleme,gleich einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz zu finden.Ausschlaggebend für bestehende Engpässe Jugendlicher auf demArbeitsmarkt in Österreich ist die Lage auf dem Lehrstellenmarkt.2011 gab es österreichweit im Jahresdurchschnitt 5.504 Lehrstellensuchendebei 3.650 offenen Lehrstellen. In Tirol überstieg dasgesamte Angebot an Lehrstellen die Nachfrage aber deutlich, allerdingspasst Angebot und Nachfrage nicht zusammen: es gibteinen regionalen und einen Branchen-mismatch, nicht zuletzt wegender großen Bedeutung des Tourismus in einigen Bezirken.Während im Tourismus relativ viele offene Lehrstellen gemeldetwerden, ist der Anteil der Lehrstellensuchenden für diese Branchedeutlich niedriger. Demgegenüber suchen mehr Jugendliche eineLehrstelle in Industrie und Gewerbe bzw. in Verwaltung und Büro,als offene Lehrstellen in diesen Bereichen vorhanden sind. Wie in

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 53Evaluierung arbeitsmarktpolitischer Maßnahmenund Förderungen, Sept. 2010.Bezüglich der ausgeschütteten Fördermittel hat man 2010 in Tiroleinschließlich der Maßnahmen der Wirtschaftskammer für die betrieblicheLehrstellenförderung für die Jugendbeschäftigung knapp45 Mio. Euro ausgegeben. Finanziell gesehen liegt der Schwerpunktder Beschäftigungsmaßnahmen für die Jugend Tirols beider betrieblichen Lehrstellenförderung, die für 2010 knapp 60% allerAusgaben ausmachten und über 20.000 geförderten Jugendlichenzugute kamen.Bezüglich des Finanzaufwands lässt sich erkennen, dass die Qualifizierungsmaßnahmenim weitesten Sinne am kostenintensivstensind, während für die Lehrstellenförderung wenig mehr als 1.000Euro pro Lehrstelle ausschüttet wurde. Individualförderungen fürBeratung und Coaching fallen finanziell nicht stark ins Gewicht. Inden Jahren 2004-2008 sind insgesamt fast 50 Millionen Euro alleinfür die Integration von Tiroler Jugendlichen in den Lehrstellenmarktoder in den Arbeitsmarkt aufgewendet worden, fast die Hälftedavon für die Schulungsmaßnahmen des AMS. Pro Teilnehmersind für diese Schulungen 5.500 Euro verausgabt worden, pro gefördertemLehrling wurden im Schnitt 4.500 Euro aufgewendet.Den größten Kostenanteil trägt im Bundesland Tirol das AMS, gefolgtvon der Wirtschaftskammer.Bezüglich der geförderten Jugendlichen liegt innerhalb der beschäftigungspolitischenMaßnahmen ein Schwerpunkt bei denüberbetrieblichen Lehren (32%) und bei allgemeinen Qualifizierungs-und Berufsvorbereitungsmaßnahmen (27%). Nur 17% derMaßnahmen beinhalten „Integrative Berufsausbildung“, also fürJugendliche mit größeren Vermittlungsproblemen. Transitarbeitsplätzeund Hauptschulkurse sind gemessen an der Zahl derFörderfälle recht kleine, aber kostenintensive Maßnahmen. Dazukommt noch Unterstützung und Coaching für zahlreiche Problemfälle.Wie verteilen sich die Maßnahmen zur Jugendbeschäftigung nachZielgruppen? Eine erhebliche Anzahl der Maßnahmen zielt auf besondersbenachteiligte Gruppen, eine recht heterogene Gruppe,die Jugendliche mit Behinderungen, mit Lernschwierigkeiten undverschiedenen sozialen Problemlagen umfasst. Diese Zielgruppewerden vor allem durch IBA-Lehrgänge 23 und Lehrstellenförderung23Die Integrative Berufsausbildung (IBA) zielt auf Jugendliche ab, die das AMS nicht in ein Lehrver -hältnis als Lehrling vermitteln konnte und die am Ende der Pflichtschule sonderpädagogischenFörderbedarf hatten, oder über keinen HS-Abschluss verfügen, oder Behinderte im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzesbzw. des jeweiligen Landesbehindertengesetzes sind, oder we-

54 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigunggefördert. Dabei kümmert sich das AMS vor allem um Jugendlichemit Vermittlungshindernissen, nicht um Jugendliche mit Behinderung.Die finanzielle Lehrstellenförderung kommt den Lehrbetriebenzugute. Einige wenige Maßnahmen richten sich an Frauen undJugendliche mit Migrationshintergrund.Der zweite Schwerpunkt liegt bei der Ausbildung der arbeitsuchendenJugendlichen. Die angepeilte Erhöhung der Schulungsquotender arbeitslos gemeldeten Jugendlichen ist tatsächlich inhohem Maß gelungen. Sie konnte im Bundesland Tirol von 2000bis 2009 auf 23% angehoben werden. In Tirol (wie im übrigen Österreich)regelt das AMS die zusätzliche Bereitstellung von Lehrausbildungsplätzenfür Lehrstellensuchende, die keine geeigneteLehrstelle gefunden haben. In seinem Evaluierungsbericht vomSeptember 2009 zieht das Institut für Höhere Studien eine differenzierteBilanz über die Förderungsmaßnahmen (EQUI-IHS, 2010,173-186). Im Zeitraum 2004-2008 haben in Tirol 10.705 Jugendlichean einer Maßnahme teilgenommen oder wurden gefördert,davon 4.231 an einer Schulungsmaßnahme des AMS, 6.474 Jugendlichedurch betriebliche Förderung oder eine Beihilfe zu denKurskosten. Die quantitativ bedeutendste Förderschiene warenund sind die verschiedenen Formen der Lehrstellenförderung.Das Ausmaß der erfolgten Arbeitsmarktintegration der Teilnehmerdieser Schulungen ist als relativ hoch einzustufen. Ein Jahr nachder Maßnahme waren in Tirol 65% der Teilnehmer/innen in Erwerbstätigkeit,47% in einer Lehre, 16% in einem Arbeitsverhältnis,2% sonstige, während sich die Arbeitslosigkeit auf 15% reduzierthatte (EQUI-IHS, 2010, 173).Welche Schlussfolgerungen lassen sich aus diesen Erfahrungenziehen? Tirol weist im innerösterreichischen Vergleich etwas günstigereArbeitsmarktbedingungen auf. Die Beschäftigung ist in Tiroletwas stärker angestiegen, die Arbeitslosenquote konnte etwasniedriger als im übrigen Österreich gehalten werden. Der konjunkturbedingteAnstieg der Arbeitslosigkeit 2002 und 2009 fiel in Tiroldeutlich niedriger aus. Für die Jugendlichen, die neu auf den Arbeitsmarkttreten, gab es insgesamt etwas bessere Rahmenbedingungenals in Gesamt-Österreich.gen persönlicher Vermittlungshindernisse eine Vermittlung in eine Lehrstelle in absehbarer Zeitunwahrscheinlich ist. Diese Jugendlichen sollen im Rahmen der IBA eine formale berufliche Qua -lifikation erlangen können, um ihre Chancen auf eine Integration in den Arbeitsmarkt zu erhöhen.Die Ausbildung, welche entweder in Lehrbetrieben oder in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungenabsolviert werden kann, ermöglicht eine Verlängerung der gesetzlichen Lehrzeitdauer umein Jahr (in Ausnahmefällen um zwei Jahre) oder eine Teilqualifizierung (Einschränkung auf bestimmteTeile des gesamten Berufsbildes eines Lehrberufes). Vgl. I H S, Projektbericht Evaluierungvon Jugendmaßnahmen und Förderungen, 31

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 55Diese günstige Entwicklung der Jugendarbeitslosigkeit, so die Autorender Studie des IHS, wird durch Besonderheiten der Jugendbeschäftigungund des Bildungssystems in Tirol beeinflusst: „TirolerJugendliche verlassen überdurchschnittlich früh das klassischeSchulsystem und treten im Vergleich zu Gesamt-Österreich früherins Erwerbsleben ein. 15-19jährige weisen in Tirol eine Schulbeteiligungvon 40% auf, während diese Quote im Burgenland, Wien,Kärnten und Salzburg bei rund 50% oder darüber liegt. Der Lehrausbildungkommt in Tirol weiterhin eine große Bedeutung zu“(EQUI-IHS, 2010, 176, 24).Insgesamt scheinen die Maßnahmen für jugendliche Zielgruppenin Tirol sehr arbeitsmarktintegrative Wirkungen entfaltet zu haben,insbesondere die überbetriebliche Lehrausbildung und die Lehrstellenförderung.Die überbetrieblichen Lehrgänge leisten zweifelloseinen wesentlichen Beitrag zur Ausbildung von Fachkräften,und viele Jugendliche haben dadurch eine Lehrstelle erhalten(EQUI-IHS, 2010, 23-24).8.2 Autonome Provinz Trient (Trentino)8.2.1 Eckdaten zum ArbeitsmarktDie Arbeitslosenrate der 15-24-Jährigen liegt im Trentino mit14,5% drei Mal so hoch wie jene der 25-44-Jährigen (Daten 2012).Diese Quote ist erst in den letzten Jahren erreicht worden, währendbis 2008 8-9% Jugendarbeitslosigkeit eher als friktionale Arbeitslosigkeitbetrachtet worden ist. 2011 waren 8.926 Personenzwischen 15 und 29 Jahren als arbeitsuchend vermerkt.ProvinzTrient%Nordostitalien%Nordwestitalien%Italien%Arbeitslosenrate15-24 14,5 19,7 22,2 29,115-29 10,1 12,7 14,2 20,525-34 6,1 6,6 7,5 11,7Beschäftigtenquote15-24 26,5 26,3 24,5 19,415-29 43,8 43,6 42,8 33,725-34 79,2 78,1 78,5 65,3Tabelle 8: Indikatoren für den Arbeitsmarkt, nach Altersgruppenfür das Trentino und vergleichend –2011 (Prov. autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro,XXVII Rapporto sull'occupazione in provinciadi Trento - 2012, 58)

56 Eckdaten zum ArbeitsmarktDie Unternehmen warten mit Neueinstellungen ab und konzentrierensich darauf, die Stammbelegschaft zu halten, während Jugendlicheallenfalls mit befristetem Arbeitsvertrag eingestellt werden. 24In dieser Situation reagierten viele Jugendliche mit einer Verlängerungder Ausbildung (Prov. Autonoma di Trento 2012a).Im Trentino ist – im nationalen Vergleich – ein geringerer Prozentsatzvon Jugendlichen weder in Ausbildung noch in Erwerbstätigkeit,nämlich 13,3% der 15-29-Jährigen (Italien 22,7%) (Prov. autonomadi Trento 2012a, 58-59). Nur 30% dieser Jugendlichen suchenoffiziell Arbeit. Der Grund für diese Einstiegsprobleme liegtim schwächeren generationsmäßigen Austausch der Arbeitnehmeraufgrund der Pensionsreform, in der abwartenden Haltungvieler Unternehmen aufgrund der andauernden Wirtschaftsflaute,in der sinkenden Attraktivität der Lehre für die Betriebe, die Lehrlingemit kurzfristig angestellten Arbeitsverträgen und atypischenArbeitsverhältnisse ersetzen. Die Umwandlung von Lehrverträgenin unbefristete Arbeitsverträge bleibt aber im Großen und Ganzenstabil (Prov. Autonoma di Trento 2012a, 59).Im Trentino schreiben sich – bei einer Jahrgangsstärke von rund6.500 Personen – gut 76% der Mittelschulabgänger/innen in eineOberschule, 24% in die Berufsschule ein (Daten für das Schuljahr2009/10). Seit 2000/01 kann die Berufsbildung im Unterschied zuSüdtirol einen leicht wachsenden Zuspruch verzeichnen. 63% derBerufsschüler sind Burschen, doch die Zunahme ist vor allem denMädchen zuzuschreiben. Auch im Trentino ist dabei ein hoherGrad an geschlechtsspezifischen Präferenzen in der Berufsschulausbildungzu beobachten. Industrie, Handwerk und Holz sind ausschließlichmännlich besetzt, Bekleidung und personenbezogeneDienstleistungen nahezu ausschließlich weiblich. Diese Häufungergibt sich schon im 1. Jahr bei der Wahl einer der acht Makrosektorender Berufsbildung. Sie hängt nicht mit der realen Verwertbarkeitder Ausbildung zusammen, sondern mit tief sitzenden kulturellenIdentitätskonstruktionen.Auch im Trentino tritt immer deutlicher ein gewisser mismatchzwischen den Bildungsabschlüssen und den von den Unternehmennachgefragten Qualifikationen auf. Die Unternehmen benötigenvor allem Facharbeiter, auch gering Qualifizierte, während Einheimischezu 80% die Matura anstreben.Ein weiterer Problembereich liegt in der oben bereits angesprochenengeschlechtsspezifischen Berufswahl, die sich sowohl beiden Mittelschulabgängern als bei den Oberschulabsolventen beobachtenlässt. Speziell die Präferenzen der Mädchen stimmen mit24Interview mit Dr. Corrado Rattin, Agenzia del Lavoro, Trient, am 18.12.2012

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 57der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt in geringerem Ausmaß überein.Dieses von tief sitzenden kulturellen Identitätskonstruktionenbedingte Phänomen wirkt sich auf die reale Verwertbarkeit derAusbildung deutlich aus und schlägt sich unvermeidlicherweiseauf den Arbeitsmarktverbleib und die Beschäftigungschancen imTrentino nieder. Die Burschen mit einer abgeschlossenen Lehre inIndustrie und Handwerk hätten kaum Probleme bei der Arbeitssuche,so der Experte des Osservatorio del Lavoro, in traditionellenFrauenberufen dagegen wird die Suche immer schwieriger.Auch in der Oberschule bestehen klare geschlechtsspezifischePrioritäten: die vorwiegend männlichen Abgänger der technischenOberschulen haben beste Arbeitsmarktaussichten, die weiblichdominierten Kunst-, Sprachen- und pädagogischen Gymnasienhingegen immer mehr Probleme. Allein diese Ausbildungswahlentscheidungenan der Schwelle zur Oberstufe/Berufsstufe bedingenschon die doppelt so hohe Arbeitslosenrate bei den weiblichen15-29-Jährigen. Zumindest der Arbeitsmarkt des Trentinokann – laut Corrado Rattin – in diesen Fachrichtungen nicht ausreichendArbeitsplätze bieten. Er könne auch bei Weitem nicht mehralle Hochschulabsolventen aufnehmen, da der öffentliche Dienstviel weniger Personal absorbiere.8.2.2 Die Maßnahmen zur Förderung derJugendbeschäftigungDie arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen der Autonomen ProvinzTrient werden hier etwas breiter dargestellt als jene des BundeslandsTirol und der Region Venetien, weil es über die selben arbeits-,sozial- und autonomierechtlichen Bedingungen wie Südtirolverfügt.Während im Zeitraum 2000-2010 im Privatsektor des Trentinonoch Engpässe bei der Personalaufnahme verzeichnet wordensind, steht die Arbeitsmarktpolitik seit der Krise 2008 vor neuenHerausforderungen. Aufgrund des besorgniserregenden Anstiegsder Jugendarbeitslosigkeit 2011 und im ersten Halbjahr 2012 beschlossdie Trentiner Landesregierung im Sommer 2012 ein neuesMaßnahmenpaket gegen die Jugendarbeitslosigkeit, wobei 60%der Mittel der Arbeitsmarktpolitik für Maßnahmen zugunsten dieserAltersgruppe eingesetzt werden sollen. In diesem Kontext teilensich die neuen Aktionsfelder auf folgende Bereiche auf:Aktive Arbeitsmarktpolitik zugunsten Arbeitsloser und ArbeitsuchenderMaßnahmen zur EinkommensstützungAktivitäten zur Erhaltung des Gesamtsystems des Arbeitsmarktes.

58 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigung2011 wurden laut Arbeitsmarktbericht 2012 (Prov. Autonoma diTrento 2012a) 47.781 Einzelinitiativen durchgeführt, wobei sich16.425 Personen an einer Schulungsmaßnahme beteiligten. Arbeitslose,die in den Genuss einer solchen Umschulung oder Weiterbildungkommen wollen, müssen im Trentino einen sog. „Paktzur Mitarbeit“ unterzeichnen, mit welchem sie sich zu aktivem Engagementbei der Arbeitssuche bereit erklären. Ausschließlich fürJugendliche entwickelte Arbeitsmarkt-Maßnahmen sind 2011 nochnicht durchgeführt worden. Zu nennen sind allerdings die verschiedenenDienste der Arbeitsämter, die auch wesentlich Jugendlichenzugute kommen und sich folgendermaßen aufgliedern:Vermittlung und Beratung: 17.972 persönliche Beratungen,wovon 36,8% für Jugendlichen unter 30 Jahren. Für 83,7%kam die Vermittlung auf einen Arbeitsplatz zustande.Ausbildungsinitiativen mit insgesamt 16.425 Teilnehmer/innenBerufliche Weiterbildung für Beschäftigte in den personenbezogenenDienstleistungenAusbildungsförderung für Lehrlinge: 4.847 Teilnehmer/innenUnterstützung der Beschäftigung von benachteiligten Personenfür drei Gruppen: sozial nützliche Tätigkeiten für Arbeitslose,Hilfe zur Unternehmensgründung und Aufnahme einerselbstständigen Tätigkeit, Maßnahmen für ältere Arbeitnehmer(über 50-Jährige).Einige Maßnahmen des Maßnahmenplans 2011-2013 (Prov. Autonomadi Trento 2011) für die Arbeitspolitik zielen auf alle Teilnehmeram Arbeitsmarkt ab, einige speziell auf die Lehrlinge. Dochauch bei den allgemeinen Maßnahmen für die Berufsorientierung,Einkommensersatzleistungen und Umschulung und Weiterbildungsind Jugendliche zugelassen. Im „Pacchetto Giovani“, beschlossenim Sommer 2012, sind hingegen eine Reihe von besonderen Maßnahmenspeziell für Jugendliche vorgesehen, von welchen einigeerst 2013 konkret anlaufen. Dabei wird unterschieden zwischenden Maßnahmen, die sich 2010/2011 bereits in der Umsetzung befandenund Maßnahmen, die ab Sommer 2012 neu in Angriff genommenwurden (Prov. Autonoma di Trento 2012b).a) Schon angewandte Maßnahmen (bis einschl. 2011)In diesem Abschnitt geht es um verschiedene Maßnahmen einerVielzahl von öffentlichen und privaten Institutionen, die einerseitsdas Bildungssystem betreffen, andererseits in den Arbeitsmarkteingreifen.Initiativen zur Information und Sensibilisierung werden vor allemim Rahmen geeigneter Projekte in den Oberschulen verwirklicht,um den Jugendlichen die Arbeitswelt näher zu bringen. Außerdem

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 59gibt es Lehrgänge für Jugendliche im Alter von 18 bis 35 Jahrenzum Kennenlernen der Betriebe, die in Zusammenarbeit mit denWirtschaftsverbänden und dem Landesassessorat für Industrieund Handwerk abgewickelt werden.Maßnahmen zur Berufsberatung umfassen begleitende Angebote,die von der Arbeitsagentur, den Arbeitsämtern, der Universität Trientund der Handelskammer getragen werden.Unter die Bildungsmaßnahmen für Maturanten und Akademikerfallen Sprachkurse im Ausland, die vom ESF-Amt vermittelt werden,sowie Vorbereitungskurse zur Unternehmensgründung. Inder Berufsschule wird nach und nach das 4. Kursjahr bei verschiedenenKursen eingeführt, das mit dem Berufsdiplom„Techniker/in“ abschließt. Außerdem bietet das Bildungsassessoratzweijährige Kurse für die höhere Lehre für Maturanten an.Der sog. „Jugendfonds“ (Fondo Giovani) vergibt Studienstipendienund Gründerdarlehen, finanziert Sprachkurse, Kurse höhererLehre und Forschungsprojekte. Für Jugendliche, die weder studierennoch arbeiten, werden vom Schulamt spezielle Programme inZusammenarbeit mit der Arbeitsagentur angeboten.Kostenlose Praktika zur Berufsspezialisierung werden sowohl vomFondo Giovani als auch vom ESF-Amt angeboten. Im technischenBereich organisiert das Assessorat Industrie und Handwerk Praktikamit Stipendien für Hochschulabsolventen. Verschiedene Instituteorganisieren Sommerpraktika für Oberschüler bei Trentiner Unternehmen.Für die aktive Arbeitsvermittlung gibt es die Dienste der Arbeitsagenturund der auf die gesamte Provinz verteilten Arbeitsämtermit spezifischen Beratungsangeboten für Jugendliche. Die Arbeitsagenturschüttet Beiträge zur Umwandlung von befristeten und unbefristetenArbeitsverhältnissen aus. Die bilaterale Körperschaftdes Handwerks unterstützt die Übernahme von Lehrlingen in einunbefristetes Arbeitsverhältnis. Zwecks Förderung der Unternehmensgründungdurch Jugendliche sind die Preise der „TrentinoSviluppo S.p.a.“ für innovative Ideen und des Landwirtschaftsassessoratsfür die Gründung neuer Agrarbetriebe und die Hofübernahmezu nennen.b) Neue Maßnahmen (ab 2012)Zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit hat die Trentiner Landesregierungeine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, die sichin die EU-Strategie 2020 für eine intelligente, nachhaltige und inklusiveEntwicklung einfügen und vor allem auf Ausbildung, Forschungund Investitionen in neuen Beschäftigungsfeldern etwa der

60 Die Maßnahmen zur Förderung der JugendbeschäftigungKultur, Umwelt und der sozialen Dienste abstellen. Diese Maßnahmengliedern sich in sechs Schienen.Schiene 1: Förderung des Einstiegs in den ArbeitsmarktIn diesem Rahmen soll vor allem die Berufslehre gefördert werden,und zwar auf den drei Ebenen Grundlehre, berufsspezialisierendeLehre und höhere Lehre.Das Programm „Lehre als Pflicht und Recht“ soll 400 jungenSchulabbrechern zu einer Ausbildung verhelfen und dadurch dieSchulabbrecherquote um 50% reduzieren. Zu diesem Zweck sollmit den Sozialpartnern ein Landesabkommen geschlossen werden.Bei der berufsspezialisierenden Lehre sollen die Verfahren vereinfacht,Zuschüsse an die Betriebe gezahlt und Kostenbeiträge fürdie außerbetriebliche Ausbildung bereit gestellt werden. 2013 sollenim Rahmen dieses Programms 500 Jugendliche in eine solcheForm des Lehrvertrags einsteigen können.Bei der Höheren Lehre sollen über die Arbeitsagentur Zuschüssean die Betriebe zur Deckung der Ausbildungskosten auch im Rahmenvon Masterlehrgängen ausgeschüttet werden. 2013 sollen 40Jugendliche in der Höheren Lehre und 30 in Spezialisierungslehrgängenund für Masterkurse zum Zug kommen.Schiene 2: Unterstützung der Stabilisierung der ArbeitsverhältnisseIn diesem Bereich sollen Zuschüsse zur Umwandlung von befristetenbzw. atypischen Arbeitsverhältnissen in unbefristete Arbeitsverträgeoder in Arbeitsverträge langer Dauer (24 Monate) ausgeschüttetwerden, wobei junge Eltern bevorzugt werden.Schiene 3: Qualifizierung des Übergangs von der Schule indie ArbeitMithilfe des Fondo Giovani sollen die Praktika auf staatlicher Ebeneund jene im Ausland erweitert werden (auch mit Gründerdarlehen),mit besonderem Augenmerk auf künstlerische Berufe undsportliche Karrieren. Zu diesem Zweck wird ein eigenes Internet-Portal für alle Maßnahmen der Jugendpolitik im Trentino eingerichtet.Die Schaffung einer Datenbank der Unternehmen ist vorgesehen,die Jugendlichen Praktika und Stages für die Ausbildung und denEinstieg in die Arbeit bieten sollen. Vor allem Praktika für Maturantenund Hochschulabsolventen sollen mit spezifischen Projektenqualifiziert werden, ausgehend von Leitlinien, die mit allen Beteiligten(Sozialpartner, öffentliche Hand) vereinbart werden. Ziel derMaßnahme ist die Umsetzung der in der Ausbildung erworbenen

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 61Fähigkeiten und die Sammlung von Arbeitserfahrungen, um denÜbergang in die Arbeit zu erleichtern. 2013 sollen rund 200 Jugendlichein den Genuss einer Förderung aus diesem Fonds kommen.Schiene 4: Reduzierung des mismatch zwischen Angebotund NachfrageMittelfristig soll die Bildungspolitik auf allen Ebenen und die Analysedes Qualifikationsbedarfs den mismatch auf dem Arbeitsmarktverringern. Kurzfristig muss die Information und Beratungmithilfe der kapillar auf dem Territorium präsenten öffentlichenDienste verstärkt werden. Konkretes Ziel dieser Maßnahme ist dieVerbesserung der Information der Jugendlichen über die Ausbildungs-und Spezialisierungsmöglichkeiten, die Stärkung der Berufsberatungdurch die Schaffung der „Città dei Mestieri“ in Trientund der „Börse der Berufe“. Beide Initiativen sind physische undvirtuelle Dienste zur Information, Orientierung zur Karriereplanung,Weiterbildung und Ausbildung der Jugendlichen.Schiene 5: Förderung junger Frauen2010 lag die Arbeitslosenquote bei den weiblichen Jugendlichen(15-24 Jahre) bei 20,3%, während nur 11,8% der männlichen Jugendlichenarbeitslos waren. Auch die Erwerbsbeteiligung liegtbei den jungen Frauen weit unter jener der Männer. Deutlich mehrFrauen als Männer lassen sich in Krisenzeiten bei der Arbeitssucheentmutigen. Diese Maßnahme soll den Rückstand der jungen Frauenmit Ausbildung, Beratung und finanziellen Förderung wettmachen,indem die Einstellung arbeitsloser Frauen bis 35 Jahre durchdie Arbeitsagentur gefördert wird. Die Beiträge sollen Unternehmerngewährt werden, um Arbeitszeitreduzierungen von weiblichenAngestellten zum Zweck der Pflege von Angehörigen oderKinderbetreuung auszugleichen.Schiene 6: Aufwertung der SelbstständigkeitDiese Schiene umfasst Unternehmertätigkeiten im weitesten Sinn,einschließlich der freiberuflichen Tätigkeit. Jugendliche sollen ermutigtwerden, sich abseits von einer abhängigen Beschäftigungeine Existenz aufzubauen, wobei sich folgende Möglichkeiten anbieten:Die Arbeitsagentur plant zwei Initiativen für Arbeitslose: zumeinen die Einkommensunterstützung für eine selbstständigeTätigkeit und zum anderen das Gründerdarlehen zur Finanzierungeiner Unternehmensgründung.Die Agentur zur Förderung der Wirtschaftstätigkeit (APIAE)schüttet Kapitalbeihilfen und Studienstipendien zur Förderung

62 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigungvon Unternehmensideen und zur Deckung der Kosten für dietechnische Unterstützung aus.„Trentino Sviluppo“ hat zwei Maßnahmen für die Jungunternehmerim Programm: die „Unternehmeranimation“ mit einerReihe von Informationsveranstaltungen und Formen der Begleitungvon neu gegründeten Firmen, sowie der „Inkubator“(preincubazione, Unternehmensbrutstätte), wo ein JungunternehmerRäumlichkeiten und Ausstattung zur Umsetzung seinerIdeen erhalten kann.Die Trentiner Studien zum ArbeitsmarktverbleibDie Arbeitsmarktbeobachtungsstelle des Trentino führt jährlich einMonitoring zum Verbleib der Berufsschulabsolventen (18 Monatenach Abschluss) und alle drei Jahre zum Verbleib der Maturantenauf dem Arbeitsmarkt (3,5 Jahre nach der Matura) durch. 25 Zweckder Studie ist die Analyse und Bewertung der Fähigkeit des TrentinerBildungssystems, die Jugendlichen gemäß der Nachfragenach Qualifikationen des Arbeitsmarktes der Provinz auszubilden.Dabei wird der Verbleib auf dem Arbeitsmarkt sowie die Art undQualität ihrer aktuellen Beschäftigung ermittelt.In der Methodik stützt man sich dabei auf einen Fragebogen, derallen Berufsschulabsolventen und Maturanten per CATI vorgelegtwird. 2008/09 sind 945 Personen befragt worden, nur wenigekonnten aus technischen Gründen nicht erreicht werden. DieRücklaufquote von 83,2% ist außerordentlich hoch. Die Datenanalyseerfolgt primär nach Qualifikationsbereich (Berufsschulkurse)mit den jeweiligen Untergruppierung. Bei den Burschen wird dieWahl des Lehrgangs stärker durch die Arbeitsmarktchancen mitbestimmt.Die Mädchen bevorzugen längere Ausbildungswege.Der Verbleib der Berufsschulabsolventen (mit „Qualifica professionale“,was einem Facharbeiterdiplom entspricht) gibt wesentlichenAufschluss über die Passgenauigkeit des Berufsbildungssystemszum Bedarf der Unternehmen auf dem Hintergrund wachsenderSchwierigkeiten der Jugendlichen beim Eintritt ins Erwerbsleben.Das Berufsschulsystem hat, aufbauend auf diesen Ergebnissen, erfolgreicheAnpassungen vorgenommen und neue Lehrgänge undFachrichtungen ins Angebot genommen. Somit bietet diese Studienreiheein wertvolles Instrument zur Analyse der permanentenRückkopplung zwischen Angebot und Nachfrage in diesem Bereichdes Trentiner Arbeitsmarktes.25Provincia Autonoma di Trento (Agenzia del Lavoro), Osservatorio del mercato del lavoro - Esitioccupazionali dei qualificati in provincia di Trento, Anno formativo 2005/06, 2006/07, 2007/08,2008/09, Trient, jew. Jahre

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 63Nicht nur der Ist-Zustand hinsichtlich der Beschäftigung und desVerlaufs der Arbeitssuche wird festgestellt, sondern auch eine kritischeEinschätzung des Jugendlichen ermittelt, inwiefern die erworbeneAusbildung tatsächlich angewandt werden kann und welcheMängel die Ausbildung im Vergleich mit den am Arbeitsplatzgeforderten Kompetenzen aufweist. Fünf vertiefende Aspekte sindvorgesehen: aktuelle Beschäftigung, Art des Arbeitsverhältnisses,Einstufung, Merkmale des Arbeitsplatzes, Einstellung zum Arbeitsplatzwechsel.8.3 Region Venetien (Veneto)8.3.1 Eckdaten zum ArbeitsmarktDie Wirtschaftskrise 2008/09 hat sich in Venetien deutlich auf dieBeschäftigten- und Erwerbstätigenquote niedergeschlagen undden Eintritt der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt um durchschnittlichein Jahr verzögert. Im Vergleich zu 2008 ist die Zahl derArbeitslosen 2011 stark angestiegen (+33%), beim Beschäftigungssaldoist seit Jahren ein Negativsaldo zwischen Einstellungenund Entlassungen zu verzeichnen. Diese Krise hat alle Altersgruppenbetroffen. Wer bereits eine Beschäftigung hat, ist in derRegel bevorteilt, was den Einstieg der Jugendlichen in den venetischenArbeitsmarkt stark erschwert hat (Regione Veneto - VenetoLavoro 2012, 63). Dieser Trend hat sich auch 2012 fortgesetzt (VenetoLavoro, 2012b).2008 2009 2010 2011Arbeitslosenrate insgesamt 3,5 4,8 5,8 5,0davon Männer 2,3 3,6 4,5 4,0davon Frauen 5,2 6,4 7,5 6,315-24-Jährige 10,7 14,4 19,1 19,925-34-Jährige 4,0 5,7 7,2 6,8Zahl der nicht Erwerbstätigen 15-24Jahre (in 1000)282 294 297 305Arbeitsuchende 15-24 Jahre (in 1000) 18 23 30 30Arbeitsuchende 25-34 (in 1000) 94 98 98 99Tabelle 9: Die Arbeitslosigkeit in der Region Veneto 2008- 2011(Regione Veneto - Veneto Lavoro 2012a)2008 2009 2010 2011Inländerinnen 11.971 15.791 15.352 15.981Ausländerinnen 3.811 4.864 4.620 4.917Inländer 9.253 14.764 14.222 14.354.Ausländer 4.270 6.884 5.709 5.727Insgesamt Arbeitslose bis 29 Jahre 29.305 42.303 39.903 40.979Insgesamt alle Arbeitslosen 90.193 130.470 118.353 125.379Tabelle 10: Verfügbare eingetragene Arbeitslose bis 29 Jahre inder Region Veneto 2008- 2011 (absolute Zahlen) (RegioneVeneto - Veneto Lavoro 2012a, 157)

64 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigung8.3.2 Die Maßnahmen zur Förderung derJugendbeschäftigungSeit 2010 hat sich der Schwerpunkt der Arbeitsmarktpolitik der RegionVenetien von den passiven (einkommensstützenden) Maßnahmenhin zu den aktiven Maßnahmen auf dem Arbeitsmarkt verlagert.26 Unter den wichtigsten, 2012 auf der Grundlage des neuesArbeitsmarktgesetzes 27 angewandten Maßnahmen finden sichauch einige neuartige und experimentelle Formen zur Förderungder Eingliederung von Jugendlichen in den Arbeitsmarkt. Die Leitliniender regionalen Arbeitsmarktpolitik sind folgende:Aktive Maßnahmen zur Umschulung und Wiederbeschäftigungvon Arbeitnehmern, die Lohnausgleich beziehen;Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitsuchenden;Integrierte Pläne zugunsten der Unternehmen Venetiens;Maßnahmen für die Jugendbeschäftigung;„System-Aktionen“ (Titelanerkennung, neue Lehrlingsordnung,technologische Plattform, Monitoring zum Krisenmanagement).Im folgenden wird nur auf die Maßnahmen für die Jugendbeschäftigungeingegangen. Prioritäres Ziel ist die Ankurbelung der Lehrverträgeals stabile Form der Eingliederung von Jugendlichen inden Arbeitsmarkt, wodurch die Bedingungen zur Anwendung derReform des Lehrlingswesen auf staatlicher Ebene geschaffen werdensollen (Legislativdekret Nr. 167/2011, Einheitstext zum Lehrlingswesen).Der Lehrvertrag als „diritto-dovere di istruzione e formazione“ sollaufgrund eines Sonderabkommens zwischen dem Arbeits- undUnterrichtsministerium mit der Region Venetien experimentell angewandtwerden. Ähnlich wird auch die berufsspezialisierendeund höhere Lehre für Maturanten und Hochschulabsolventen (laureabreve) eingeführt. In dieser Hinsicht hat die Region 2011 Abkommenmit den Sozialpartner abgeschlossen, wobei der Regiondie Abhaltung des theoretisch-schulischen Teils zufällt. 2012 istdarüber hinaus mit Regionalgesetz die Anwendung der Ausbildungs-und Orientierungspraktika erfolgt (Dgr. n. 337 vom6.3.2012). Mit diesem Gesetz werden zum Schutz der Jugendli-2627Vier Maßnahmenachsen sind schon ab 2009 in Kraft gesetzt worden mit der Deliberazione dellaGiunta Regionale n. 1566 vom 26-5-2009 "Politiche attive per il contrasto alla crisioccupazionale". Zu erwähnen dabei vor allem Punkt 2.4 über "Interventi volti alla riqualificazionee all'inserimento/reinserimento lavorativo di lavoratori parasubordinati."Regione Veneto, Dgr n. 1675 vom 18.10.2011 "Valorizzazione del capitale umano. Politiche perl'occupazione e l'occupabilità".

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 65chen strenge Grenzen und Kontrollen der Träger der Praktika eingeführt,womit die Qualität und Ernsthaftigkeit der Ausbildung gesichertwerden sollen.Um mehr Jugendlichen einen Arbeitsplatz zu verschaffen, sollenkünftig die Ausbildungspraktika und die Lehrverträge integriertwerden. Zu diesem Zweck schließt eine Schule oder ein Berufsschulzentrum,ein Arbeitgeber und ein Lehrling ein „Arbeitseingliederungsprojekt“ab, das auf die schulische Ausbildung genau abgestimmtsein muss. Das Eingliederungsprojekt wird in folgendenPhasen abgewickelt:ein zweiwöchiges Orientierungspraktikum, das vor Ende desSchuljahrs durchgeführt werden muss;ein sechswöchiges Ausbildungs-Stage, das spätestens dreiMonate nach Ende des Schuljahrs begonnen werden muss.der Abschluss eines berufsspezialisierenden Lehrvertrags miteiner Dauer von 1 bis zu 3 Jahren, am Abschluss des Ausbildungs-Stages.Mit diesem „Pakt für die Erstbeschäftigung“ soll ein konkreter Wegzur Erhöhung der Qualität des Einstiegs Jugendlicher in den Arbeitsmarktgeschaffen werden. Schulen, Berufsschulen und Unternehmenformulieren gemeinsam konkrete Projekte, während dieRegion dies technisch-finanziell unterstützt.Andere Maßnahmen der Region Venetien im Bereich Bildung,Ausbildung und Beschäftigung zielen ebenfalls auf die Förderungdes Einstiegs der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt und den Abbauder Jugendarbeitslosigkeit ab:a) Höhere BildungDiese Maßnahme umfasst einen finanziellen Beitrag der Region fürarbeitslose Hochschulabsolventen zum Besuch der Kurse höhererAusbildung der interregionalen Plattform www.altaformazioneinrete.itDiese interregionale Plattform wird von drei Akteuren getragen:den jungen Kursteilnehmern, den Trägern der Kurse (Hochschulen)und den Regionen. Ausgehend von diesen Kursen wirdes den Teilnehmern ermöglicht, ein individuelles Bildungsprojektzu formulieren und abzuwickeln, das interregional abläuft und einhohes Maß an Mobilität erfordert. Die Wettbewerbe und die Kursmodalitätenwurden von den Regionen gemeinschaftlich angeboten.Derzeit (2012) sind 12 Regionen mit einem Finanzvolumen von35,7 Mio. Euro beteiligt. Von 2.584 vorgeschlagenen Kursen sind95% in die Plattform aufgenommen worden. Im Dezember 2011waren von 24.187 genehmigten Vouchers allerdings erst 2.143 aktiviertworden. Diese Plattform enthält Spezialisierungskurse,Hochschulmaster, nicht-universitäre Master, die vom ASFOR ak-

66 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigungkreditiert sind und nicht-universitäre Master, die bestimmte Mindestbedingungenerfüllen. Die Voucher können Einzelpersonenoder Unternehmen zuerkannt werden. Die individuellen Voucherkönnen von beschäftigten oder arbeitslosen Hochschulabsolventenoder beschäftigten Maturanten bezogen werden. Die „Betriebsvoucher“können von abhängig Beschäftigten privater Betriebe mitSitz in Venetien bezogen werden, die mindestens über einen Maturaabschlussverfügen. In Venetien sind für diesen Zweck bisher1,5 Mio Euro bereitgestellt worden, die vom ESF mitfinanziert werden.b) Integration von Schule und BerufDiese Maßnahmen sollen – im Anschluss an die Neuordnungdurch die Oberschulreform 2010 – die Zusammenarbeit zwischenSchulen, Berufsschulen und Unternehmen fördern. Die Berufsausbildungwird als strategischer Faktor für die „Humankapitalbildung“betrachtet. Grundziel dieser regionalen Maßnahme ist dieUnterstützung von originellen Unternehmerideen von Jugendlichen,die in Zusammenarbeit mit bestehenden Unternehmendurchgeführt werden sollen. Die interessierten Jugendlichen solltennicht unbedingt auf eine selbstständige Tätigkeit oder Unternehmensgründungabstellen, sondern vor allem strategische Partnerschaftenmit bestehenden Unternehmen eingehen, also ihreIdeen im Rahmen eines bestehenden Unternehmens entwickeln.Dabei wird kein abhängiges Arbeitsverhältnis eingegangen.Die ersten Kurse sind im März 2011 aufgenommen und Ende 2012abgeschlossen worden, und sollten vorrangig Schule und Unternehmernäher zusammenbringen. Zwei Arten von Kursen sind hierangeboten worden:didaktische Kurse für Forschung und Entwicklung von „ortstypischen“Produkten (z.B. landwirtschaftlicher oder kunsthandwerklicherArt) und Dienstleistungen mit jungen Studenten (43Projekte)Beiträge an Studenten und arbeitslose Jugendliche für Spezialisierungskurse,die in enger Zusammenarbeit mit Betriebenabgewickelt werden, zur Förderung der Unternehmensgründungim jeweils angestrebten Produktionsbereich (27Projekte).Diese Kurse mit einer Dauer von 32 bis 300 Stunden wurden inden Bereichen Tourismus und Gastgewerbe, Grafik und Kommunikationstechnologie,Energie und Umwelt, Mechanik und Mechatronik,Handel, Mode und Dienstleistungen unterteilt. 1.022 von 1.422durchgeführten Kursen konnten in Partnerschaft mit einem Betriebabgewickelt werden. Diese Zusammenarbeit erlaubte den Kursteilnehmernein durchgehendes Praktikum im Partnerbetrieb und bei

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 67jungen Arbeitslosen die anschließende Übernahme in den Betrieb.Insgesamt haben sich 3.119 Jugendliche beteiligt, fast die doppelteZahl als ursprünglich vorgesehen.c) Chancen für Jugendliche und ArbeitsloseZwei weitere, mit 10 Mio. Euro dotierte Initiativen hat die RegionVenetien für die Eingliederung arbeitsloser Jugendlicher gestartet:eine für Jugendliche ohne Berufserfahrung, mit Matura oderHochschulabschluss, die einer berufspraktischen Spezialisierungbedürfen;eine für Erwachsene, die infolge von Betriebskrisen entlassenworden sind und aufgrund mangelnder Schul- und Berufsausbildunggroße Schwierigkeiten zur Wiederbeschäftigung haben.Von den 98 finanzierten Projekten betrafen 30 den Sektor Energie,30 den Sektor Tourismus und Gastgewerbe, 10 die höhere Informatik.1.249 Personen sind mit diesen Initiativen gefördert worden.d) Das Placement-ProjektDieses von der Region Venetien getragene und vom „OsservatorioRicerca Veneto Lavoro“ entwickelte Projekt zielt auf die Überprüfungder Wirksamkeit der Berufsausbildung innerhalb der Regionab. Wer einen Berufsbildungslehrgang einschlägt, strebt aucheinen raschen Einstieg in den Arbeitsmarkt an. Als wirksam kannsomit eine Berufsausbildung betrachtet werden, die diesen raschenÜbergang ins Arbeitsleben ermöglicht. Das Projekt Placementwill die Besuchsfrequenz, die Ausbildungsdauer und denVerbleib auf dem Arbeitsmarkt dieser Jugendlichen erfassen. Dieangewandte Methode basiert auf der Verkreuzung der Daten derKursteilnehmer und des SILV (Sistema informativo lavoro Veneto),in welchen alle Bewegungen auf dem Arbeitsmarkt Venetiens erfasstwerden. Die nicht vom SILV erfassten Personen werden perdirektem Interview in die Untersuchung einbezogen.Im Zeitraum 2007-2010 hat das Projekt Placement 14.000 qualifiziertePersonen erreicht, wovon 11.000 das Berufsschuldiplom (3Jahre nach der Mittelschule) erworben hatten. Diese Jugendlichenhatten 152 verschiedene Qualifikationen in 134 Berufsschulzentrenerworben. Sie wurden 12 Monate und dann wieder 24 Monatenach Abschluss der jeweiligen Lehrgänge kontaktiert. 12 Monatenach Abschluss waren 67% beschäftigt, während 14% ihre Ausbildungfortsetzten oder im Studium begonnen hatten. Der Gesamteffektdieser „Platzierung“ auf dem Arbeitsmarkt betrug somit 81-82%, während sich rund 20% der Jugendlichen als arbeitslos bezeichneten.Dieses Ergebnis ist für Venetien insofern respektabel,

68 Die Maßnahmen zur Förderung der Jugendbeschäftigungals genau in diesem Zeitraum auch die schwere Rezession 2008/09fällt: auch qualifizierte Fachkräfte mussten in diesen Jahren rund10% weniger Einstellungen in Kauf nehmen. Im Allgemeinen sindwährend dieser bis heute andauernden Krisenjahre die Warte- undSuchzeiten bis zur ersten Anstellung, die Zahl der kurzfristigen Arbeitsverhältnissein die Phasen kurzfristiger Arbeitslosigkeit gestiegen.Insgesamt erlaubt die Placement-Studie der Region Venetien einziemlich aussagekräftiges Bild des Verbleibs der Jugendlichennach der Berufsausbildung auf dem Arbeitsmarkt. Ein ernüchterndesErgebnis bringt dabei die Frage nach der Übereinstimmungzwischen erlernten Beruf und ausgeübter Tätigkeit. Nur 53% derBefragten geben an, einen mit dem Ausbildungsberuf zusammenpassendenArbeitsplatz gefunden zu haben.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 699 Gespräche mit Experten und AkteurenWie im Methodenteil ausgeführt wurde allen Akteuren eine Reihegenereller Fragen vorgelegt: zur Beurteilung der Jugendarbeitslosigkeit,zu den Erwartungen der Jugendlichen an den Beruf, zu denStärken und kritischen Bereiche des Bildungssystems, zu denMöglichkeit einer besseren Abstimmung von Ausbildung und Arbeitsmarktsowie zu den geforderten Grundkompetenzen am Arbeitsmarkt.Der folgende, erste Unterabschnitt fasst die Argumentationslinienauf dieser generellen Teil zusammen, der zweite Abschnitt (Abschnitt9.2) bringt dagegen die Vertiefungen, die jeweils nach Zielgruppeder Gesprächspartner verschieden gewichtet waren.9.1 Fragen an alle Akteure9.1.1 Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol: eineEinschätzungDer in den letzten Jahren verzeichnete Anstieg der Jugendarbeitslosigkeitin Südtirol gibt bei näherer Betrachtung nicht Anlass fürübermäßige Besorgnis. Obwohl die Jugendarbeitslosenquote doppeltso stark gewachsen ist als die Arbeitslosenrate insgesamt,nämlich auf derzeit rund 10%, scheint die tatsächliche Zahl arbeitsuchenderJugendlicher nicht überproportional höher zu sein alsjene anderer Altersgruppen:Io credo che sicuramente la disoccupazione giovanile andràaumentando, però andrà aumentando, presumo, come tutte lealtre fasce. Mi spiego: non credo che in Alto Adige i giovanisiano particolarmente penalizzati dalla situazione di crisi.Mitarbeiterin der ArbeitsvermittlungIn den Analysen und Kommentaren der befragten Akteuren/innenist diese Entwicklung den negativen Auswirkungen des internationalenKonjunktureinbruchs zuzuschreiben, die auch auf dem SüdtirolerArbeitsmarkt spürbar geworden sind.(...) la situazione generale dell´economia del paese che si fa risentireanche qui, anche se in maniera minore perché siamocomunque sempre una realtà meno a rischio e dove le cosesono migliori proprio grazie all´autonomia regionale e dunquedi gestione economica del territorio.Fachmann der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleDiese Entwicklung muss aufmerksam beobachtet werden, obwohlberücksichtigt werden kann, dass sich die Jugendarbeitslosenquotein Südtirol weiterhin auf relativ geringem Niveau bewegt, nicht

70 Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol: eine Einschätzungnur im Vergleich mit anderen Regionen Italiens, sondern auch mitden benachbarten Regionen im Ausland:Wir wissen, dass wir in Südtirol noch eine sehr gute Situationhaben. Wir haben noch eine relativ geringe Jugendarbeitslosigkeitim europäischen Vergleich und auch verglichen mit Italien.Vertreter eines UnternehmerverbandsDiese Einschätzung wird auch von Vertretern der Schule geteilt,die sich dafür aussprechen, nicht so sehr über den leichten Anstiegder Jugendarbeitslosenrate nachzudenken, sondern vor allemüber jene Faktoren, die die Jugendbeschäftigung in Südtirolbisher auf hohem Niveau gehalten haben:(...) Anzi c´è da chiedersi non tanto perché la disoccupazionesia salita, quanto piuttosto perché è rimasta così bassa nel confrontodelle altre realtà territorialiBerufsschuldirektorDer Südtiroler Arbeitsmarkt erfährt jedenfalls zur Zeit bedeutendeÄnderungen. Auch wenn es keine dramatischen Betriebsschließungengibt und die Lage insgesamt nicht besorgniserregend ist,machen sich Unsicherheit und Vorsicht breit. Die Arbeitnehmer/innenwerden zu höherer Überstundenleistung herangezogen; dieUnternehmen haben Neuaufnahmen teils aufgeschoben, teils aufzeitweiligen bloßen Personalersatz begrenzt. Allgemein sei eineabwartende Haltung unter den Unternehmen zu beobachten:(...) vediamo che la percentuale delle imprese che pianificaun‘assunzione di personale nell‘anno avvenire sta per calare,questo è sicuramente dovuto alla situazione economica: neicasi in cui le imprese assumono una persona si tratta più chealtro di casi di sostituzione di una persona .Vertreterin des WIFODie verlangsamte Wachstumsdynamik der Beschäftigung schlagesich in leicht gestiegener Arbeitslosigkeit nieder. Da Jugendlicheund ältere Arbeitnehmer mit unterschiedlichen Arbeitsverträgenangestellt werden, die gerade beim Kündigungsschutz und beimLohn erhebliche Unterschiede aufweisen, trifft die Zunahme derArbeitslosigkeit vor allem die Jugendlichen, die auch beim Lohnersatzoft noch keine ausreichenden Rechte angereift haben.Die Unternehmen, die sich international behaupten müssen,versuchen die Kosten zu reduzieren, und dies ist beim Personaleben noch möglich. Die Begünstigungen für die Einstellung vonLehrlingen zieht noch nicht so.Mitarbeiterin der ArbeitsvermittlungDie Jugendlichen haben mehr als andere Altersgruppen unter derLiberalisierung des Arbeitsmarktes zu leiden, weil die Unterneh-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 71men die Jugendlichen immer mehr zu Mindestlöhnen und mit befristetenVerträgen aufnehmen, wenn überhaupt:Jugendliche sind überproportional hoch mit nur prekären Arbeitsverhältnissenund/oder noch schlechter mit Praktika beschäftigt.Vertreter einer GewerkschaftIn einer Rezessionsphase tendieren die Unternehmen dazu, dieStammbelegschaft zu halten und entbehrliches Personal abzubauen.Somit werden befristete Verträge nicht erneuert, frei werdendeArbeitsplätze werden nicht nachbesetzt und prekäre Arbeitsvertragsformenso gut es geht ausgeschöpft.Diese Faktoren bewirken insgesamt den langsamen Anstieg derArbeitslosigkeit, die in Südtirol aus der Sicht der Akteure und Expertenbei den über-50-Jährigen noch gravierender ist als bei denJugendlichen:Mehr Sorgen machen mir derzeit die Älteren. Sie sind in dreifacherHinsicht benachteiligt: bekommen keine Mobilitätsgeldermehr; es gibt Vorbehalte der Arbeitgeber gegenüber den Älteren;das Pensionsalter wird laufend angehoben.Leitender Beamter des ArbeitsmarktserviceFür die Jugendlichen bedeutet dies – laut befragten Akteuren/innen– eine längere Arbeitssuche als früher üblich, die jedoch immernoch in der Regel weniger als ein Jahr anhält:I giovani cercano lavoro. Più mesi cercano, più sale il tasso didisoccupazione (...). Si cerca lavoro più a lungo, ma si parla dimesi e non di anni.Fachmann der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleAuch bezüglich der Phase des Einstiegs in den Arbeitsmarkt, deranderswo im Wege von prekären Arbeitsverhältnissen erfolgt, bestehenUnterschiede zwischen Südtirol und anderen Regionen: inSüdtirol artet diese Form der Anstellung für Jugendliche anscheinendnicht zu einer Falle aus, in der man längerfristig steckenbleibt. Vertiefende Studien zu dieser Frage hätten ergeben, dassjüngere Jahrgangskohorten weit stärker von prekären Arbeitsverhältnissenbetroffen sind. Je öfter man derartige befristete Verhältnisseeingeht, desto eher bleibe man in dieser diskontinuierlichenForm von Berufstätigkeit gefangen.In Südtirol hingegen stellt diese Phase auch für Jugendliche einenzeitlich sehr begrenzten Abschnitt dar, der sich kaum wiederholeund kaum verfestige:Die Arbeitsmarktbeobachtung hat das Phänomen untersucht:90% der prekär Beschäftigten haben ihr Arbeitsverhältnis in

72 Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol: eine Einschätzungeine Daueranstellung umwandeln können. Die Befristung ist akzeptabel,solange sie nicht zu lange dauert.Leitender Beamter des Arbeitsmarktservices9.1.2 Die Wahl der AusbildungswegeEin Wissenschaftliches Lyzeum, das mit einem Universitätsabschlussweitergeführt worden ist, das vermittelt zwar eine guteAllgemeinbildung, aber eigentlich nicht einen Beruf, und weildie öffentliche Verwaltung immer weniger Stellen anbietet, bietetder Südtiroler Arbeitsmarkt solchen Leuten einfach wenigMöglichkeiten.Vertreterin des ASTATStellt man auf die Gründe ab, die den Marktausgleich auf dem Arbeitsmarkterschweren, wird – abgesehen von der Wirtschaftskrise– gleich klar, dass die Berufswahl und die Ausbildungswege derJugendlichen wesentlichen Einfluss auf einen mehr oder wenigergelingenden Einstieg ins Erwerbsleben haben, denn erworbeneQualifikation und Arbeitsnachfrage stimmen nicht immer überein.Die besuchte Schule und der erworbene Schulabschluss gehörenzu den wichtigsten Einflussfaktoren für den Einstieg der Jugendlichenmit Matura in den Arbeitsmarkt. Der Unterschied zwischender Erwerbstätigenquote bei den Berufsschulabsolventen und denAbsolventen einer technischen Oberschule einerseits und den Maturanteneiner allgemeinbildenden Oberschule ist nämlich erheblich.(...) questi giovani con un titolo di studio liceale generico, penso,che saranno nei prossimi anni il gruppo più a rischio. Perchéhanno un titolo che alle aziende non serve a niente e quindiquesti giovani sono a rischio di diventare un gruppo di ragazzi eragazze a passeggio perché non sono specializzati in niente.Koordinatorin der BerufsberatungAuch bei den Akademiker/innen ist zu beobachten, dass Absolvententechnischer Fachrichtungen wie z.B. des Ingenieurwesen,der Chemie, Pharmazie, aber auch der Wirtschaft und Statistik, wesentlichgrößere Chancen auf eine sofortige dauerhafte Erwerbstätigkeithaben als die Absolventen/innen geistes- und sozialwissenschaftlicherFachrichtungen. Für Letztere gestaltet sich die Suchenach einem ausbildungsgerechten Arbeitsplatz schwieriger, und invielen Fällen sehen sich diese Akademiker gezwungen, Arbeiten zuübernehmen, die eigentlich ihrer Qualifikation nicht entsprechen.Bei den Akademikern hängen die Berufsaussichten stark vomFach ab. Absolventen von geisteswissenschaftlichen Richtungentun sich schwer im Unterschied zu den Absolventen technischerFächer.Vertreter einer Gewerkschaft

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 73Bei der Analyse der Abstimmung zwischen den individuell erreichtenQualifikationen und formalen Bildungsabschlüssen und demArbeitskräftebedarf der Unternehmen ist der Vergleich von Angebotund Nachfrage bei den Maturanten technischer Oberschulenbesonders wichtig. Die vom Verband der Handelskammern(Unioncamere) periodisch vorgenommenen Erhebungen EXCELSI-OR lassen eine starke Nachfrage nach technisch-naturwissenschaftlichenBerufsbildern erkennen, sodass im Bereich der Absolventen/innendieser Schultypen ein gewisser Mangel aufgetretenist.Auch die Berufsberatung spiele hier eine wichtige Rolle und sollte– nach Aussagen verschiedener Akteuren/innen – aktuelle Datenund Fakten zu den Perspektiven der jeweiligen Bildungsabschlüsseund Berufe auf dem Arbeitsmarkt liefern. Die Berufsberatung sollteden Jugendlichen diesbezüglich auch Orientierungshilfen bieten,um die Beschäftigungsaussichten in Südtirol besser einschätzenzu können. Die Wahl des Ausbildungswegs kann jedoch nicht ausschließlichvon den Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt ausgehen,sondern ganz wesentlich von der Analyse der Neigungen, Interessenund Fähigkeiten der Jugendlichen, wie die Mitarbeiter/innender Berufsberatung betonen:Deshalb kommt auch immer wieder die andere Seite dazu, zuschauen was zu den eigenen Interessen und Fähigkeiten passt.Das dürfen wir trotz allem nicht außer Acht lassen. Wenn jemanddas macht, wo er gut ist, was ihm liegt, was er kann, woer Fähigkeiten hat, dann können das auch oft ganz eigenartigeSachen sein, wo man sich keine Perspektive vorstellen kann,der findet etwas.Leitende Mitarbeiterin der Berufsberatung9.1.3 Werte und HaltungenLaut Experten/innen und Akteuren/innen dieses Bereichs habenbei der Wahl des Ausbildungswegs Werte und Haltungen ein starkesGewicht, nämlich die inzwischen überholte Auffassung, dassein Studientitel auf jeden Fall wichtig ist. Zum einen, weil er Zugangzu „einem höherwertigen Beruf“ erlaubt, wobei höherwertigals saubere Arbeit im Unterschied zur manuellen untergeordnetenArbeit begriffen wird; andererseits einen fixen Arbeitsplatz mit hohemsozialen Status, der ein sicheres Einkommen bis zur Pensionierungbietet:Abbiamo poi questa barriera con lavoro manuale che almenonella cultura italiana viene erroneamente posta appunto nello

74 Werte und Haltungenstudio, per cui lo studio è la premessa per un lavoro che nonsia manuale altrimenti "Che cosa ho studiato a fare?".Vertreter des Bundes der GenossenschaftenDiese Mentalität vermittelt die Botschaft der „Überlegenheit“ vonBüroberufen und des Hochschulabschlusses als Eintrittskarte füreinen erfolgreichen Einstieg auf einem gut bezahlten Arbeitsplatz.Die Realität entspricht diesem Bild nicht mehr:Es gibt heute eine stärkere Erwartung, dass man mit höhererAusbildung einen besseren Job bekommt. Dies wird voll propagiert,und so ist ein Trend aufgebaut worden. Jetzt gibt es allerdingsimmer mehr hoch Qualifizierte, aber nicht mehr so viele[entsprechende] Jobs.Vertreter eines SozialverbandsDiese Mentalität sei in der italienischen Sprachgruppe Südtirolsstärker verbreitet, fasse aber angesichts der rückläufigen Zahl derBesucher der dualen Berufsausbildung auch in der deutschsprachigenBevölkerung immer mehr Fuß. Dabei seien es vor allem dieEltern, die die Wahl der Schule und des Ausbildungswegs ihrerKinder beeinflussten.(…) i genitori sono ancore le figure che influenzano maggiormentela scelta formativa dei figli e che pensano ancora al prestigioinvece che all´occupabilità.Vertreter einer GewerkschaftAuch die Berufsausbildung leide in dieser Hinsicht unter dem altenParadigma, sich vor allem für die leistungsschwächeren und geringmotivierten Jugendlichen zu eignen. Die Mittelschulabgänger/innenmit den besseren Noten schrieben sich traditionell in dieOberschulen ein, während die weniger Leistungsstarken auf dieBerufsschule verwiesen würden. Es sehe danach aus, dass dieWahl des Bildungswegs auch heute noch diesen Kriterien folgt,also von den Noten ausgehe anstatt von den tatsächlichen Interessenund Neigungen der Jugendlichen.Bei der Berufswahl sollen Jugendliche nicht nach ihren schulischenNoten einem Bildungssystem zugewiesen werden, sondernentsprechend ihren Fähigkeiten.Vertreter eines UnternehmerverbandsWenn die manuell-handwerkliche Arbeit und dementsprechenddie Berufsausbildung an Attraktivität verliere und den Jugendlichender Anreiz fehle, in ihrer Disziplin den Meistergrad zu erreichen,könnte die Einführung der Berufsmatura ein Ausweg sein.Die Möglichkeit, auch eine Berufsausbildung bei Bedarf mit derMatura abschließen zu können, würde diesem Ausbildungswegneuen Auftrieb verleihen und Berufsschülern sogar den Zugang zueinem späteren Hochschulbesuch eröffnen.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 75Die Berufsmatura kann der Lehre tatsächlich einen andern Stellenwertgeben. Heute sagen die Eltern hingegen: mach zuerstdie Matura, dann kannst du immer noch einen Beruf erlernen.[...]Die Lehrberufe müssen wieder aufgewertet werden. Durchdie Berufsmatura wird genau dies ermöglicht.Vertreter einer GewerkschaftAls Hindernis bei der Arbeitssuche erweise sich, laut verschiedenenAkteuren/innen, auch die geringe geografische Mobilität derSüdtiroler Jugendlichen, wobei es nicht leicht falle, die Gründe zuermitteln.Man darf die Arbeitsplatzsuche nicht bloß auf den Wohnort begrenzenoder den Bezirk, sondern sollte zumindest das ganzeLand ins Blickfeld nehmen. (...) Wir dürfen unseren Horizontnicht noch stärker begrenzen. Das wird sich verändern müssen,auch weil der wirtschaftliche Zwang vom Arbeitsmarkt her stärkerwird.Beamten der Abteilung Berufsbildung(…) qui il benessere ed una certa mentalità ci ha portati naturalmentemolto in direzione di una certa rigidità, di una stabilità, laproprietà di una casa e relazioni familiari ancora molto forti:tutto ciò riduce le potenzialità della mobilità e indebolisce moltole possibilità per i giovani. La mobilità è vista come una minacciaanche all´interno della provincia.Vertreter des Bundes der GenossenschaftenGanz unzweifelhaft führe die Begrenzung der Arbeitssuche auf dasengere Umfeld des eigenen Wohnorts auch zu einer Begrenzungder Möglichkeiten und Chancen, eine Stelle zu finden, die der jeweiligenQualifikation besser entspricht.Quindi molto spesso il bel lavoro che andrebbe bene a me, essendoperò 28 km più in là in un´aria in cui non ho nessuna relazionee avendo appena cominciato a pagare il mutuo qui, perchédevo andare lì?Vertreter des Bundes der Genossenschaften9.1.4 Stärken des Südtiroler BildungssystemsEine gute Schulbildung ist die Grundlage für einen erfolgreichenEinstieg in den Arbeitsmarkt. Dem Südtiroler Bildungssystem wirdseitens der befragten Akteuren/innen im Allgemeinen eine hoheQualität bescheinigt. Den Jugendlichen würde in der Oberstufeeine breite Wahl an Schultypen geboten, die allen Ansprüchen, Erwartungenund Interessen grundsätzlich entsprechen könne.Wir haben in einem territorial kleinen Land wie Südtirol sehrviel Ausbildungsmöglichkeiten, eine breite Palette von Bil-

76 Stärken des Südtiroler Bildungssystemsdungsangeboten. [...]Wir haben auch die Möglichkeit, einedeutsche oder eine italienische Schule zu besuchen, also habeich sprachlich auch eine gewisse WahlmöglichkeitVertreterin des ASTATDabei werde in allen drei Bildungssäulen, den allgemeinbildendenOberschulen, den technischen Oberschulen und der Berufsschule,eine solide und hochwertige Ausbildung gewährt.Die Pflicht und das Recht auf Bildung werde darüber hinaus auchvon den Studienbeihilfen des Landes unterstützt, die grundsätzlichallen Jugendlichen unabhängig von der sozialen Lage ihrer Familieneinen weiterführenden Bildungsweg erlauben.Es ist fast jedem möglich eine Ausbildung bis zum universitärenAbschluss zu machen mit der jeweiligen Unterstützung.Vertreter einer JugendorganisationDabei dürfe man nicht nur von finanzieller Förderung sprechen.Die Vertreter/innen der Jugendorganisationen betonen vielmehr,dass die Jugendlichen im Südtiroler Bildungssystem auch einepersönliche und psychologische Betreuung erfahren können, diesie in dieser Phase des Erwachsenwerdens oft brauchen.Die Tendenz, die ich besonders positiv finde [...] dass jeder sozusagenalle Möglichkeiten in Beratung/Begleitung währendder ganzen Ausbildungszeit hat.Vertreter einer JugendorganisationEine der großen Stärken unseres Bildungssystems ist auch dieIntegration von Menschen mit Behinderung [...] In Südtirol bestehtkein Sonderschulsystem noch erfolgt eine Stigmatisierungder Behinderten.Wissenschaftliche Mitarbeiterin der BildungsplanungDie befragten Lehrpersonen erwähnen als Stärke des Bildungssystemsauch die Autonomie der Schulen, die die Möglichkeiten derMitgestaltung von Lehrprogrammen und Curricula und damit ihrelaufende Anpassung an neue Erfordernisse erlaube.Nicht zuletzt wird die duale Berufsausbildung als eine wesentlicheStärke betrachtet. Diese allgemein im deutschsprachigen Raumverbreitete Form der Berufsausbildung sieht die Kombination dertheoretischen und praktischen Ausbildung im Betrieb und in derSchule vor. Dieser erfolgreiche Bestandteil des Südtiroler Bildungssystemsmüsse – darin stimmen alle Akteure/innen überein– nicht nur erhalten, sondern weiter gestärkt werden.Il sistema della formazione professionale è un punto di forzaper il fatto che esiste, che è organizzato, che è normato, che èprotetto attraverso un finanziamento di base. C´è un atteggiamentoculturale che prevede che questo sistema funzioni, che

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 77esista e che venga finanziato pubblicamente e non c´è nulla diprivato.Koordinatorin der BerufsberatungDie in der Berufsschule gepflegte Nähe zur Arbeitswelt, nämlichdie praktische Arbeitserfahrung im Betrieb, die Beziehungen zuden Vorgesetzten und auch zu Wirtschaftsverbänden, fehle hingegenbei den weiterführenden Oberschulen. Dieser enge Bezug zurArbeitswelt erleichtere ganz wesentlich den Einstieg bzw. dieÜbernahme in ein dauerhaftes Arbeitsverhältnis.Ich glaube, dass wir in Südtirol einen großen Vorteil haben unddas ist der Einstieg über die Lehre. Das ist etwas, was Südtirolauszeichnet.Vertreter eines UnternehmerverbandsIl sistema duale aiuta i giovani ad integrarsi [...]produce professionalità.Fachmann der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleTheorie und Praxis zu verbinden, neue Berufsbilder und entsprechendeAusbildungswege zu entwickeln, beruflich in einem selbstgewählten und gesteuerten Bildungsweg zu wachsen – dies seiendie Schlüsselfaktoren für den späteren Erfolg beim Einstieg ineinen Handwerks- oder Industriebetrieb:Die duale Ausbildung bietet eine gute Möglichkeit sich Fähigkeitenund Fachwissen anzueignen.Vertreter eines UnternehmerverbandsDie Berufsausbildung versuche den Anforderungen des Arbeitsmarktesso gut es geht zu entsprechen, weshalb es auch gelungensei, die Jugendarbeitslosigkeit niedrig zu halten:Formazione professionale credo che il sistema sia estremamentevalido ed effettivamente qualificante, proprio perché tutto ciòche viene offerto, i laboratori, le attrezzature e ciò che si trasmetteè effettivamente in linea con quello che succede contemporaneamentenell´attuale mondo del lavoro.Psychologin der BerufsberatungAußerdem scheint das duale System ein wirksames Mittel gegenJugendarbeitslosigkeit zu sein:Ländern mit dualem Ausbildungssystem weisen nachgewieseneine niedrige Jugendarbeitslosigkeit auf. Die duale Ausbildungbietet jungen Menschen bessere Chancen auf einen reibungslosenÜbergang von der Schule in das Berufsleben.Vertreter eines UnternehmerverbandsDie befragten Experten und Akteure stimmen darin überein, dassder Berufsbildung eine zentrale Rolle nicht nur im Bildungssystem,sondern auch für die Unternehmen allgemein zukomme. Sie hätte

78 Stärken des Südtiroler Bildungssystemsnämlich eine wichtige pädagogische Funktion für die Eingliederungder Jugendlichen ins Arbeitsleben. Allerdings seien auchVerbesserungen im System angesagt:Deswegen bin ich eigentlich eine Verfechterin des Berufsschulwesen.Man müsste es nur noch breiter aufstellen, integrierenmit einem besseren, breit gefächerten Allgemeinwissen.Leitende Mitarbeiterin des ASTAT9.1.5 Schwächen des SüdtirolerBildungssystemsDie Antworten auf die Frage zu den kritischen Bereichen undSchwachpunkten des Südtiroler Bildungssystems beziehen sich inerster Linie auf die nicht zufrieden stellenden Ergebnisse desZweitsprachunterrichts. Am Ende der Oberschul- bzw. der Berufsschulausbildungerreichen die Jugendlichen eine durchschnittlicheKenntnis der Zweitsprache Deutsch und Italienisch, die für die Anforderungenauf dem Südtiroler Arbeitsmarkt nicht in allen Fällenausreicht. Darüber hinaus wird von den Arbeitgebern auch immermehr die Kenntnis einer dritten Sprache verlangt:(...) allerdings beherrschen viele Schüler die Zweitsprache unzureichend.Das ist eine Schwäche.Schulinspektorin OberschuleDove c´è lavoro si richiede la competenza nelle due lingue espesso non si esce dai percorsi scolastici e formativi con questacompetenza.Psychologin der BerufsberatungDefizite in der Beherrschung der zweiten Landessprache weisendabei die italienischsprachigen Jugendlichen in höherem Ausmaßauf als ihre deutschsprachigen Altersgenossen. Unabhängig vonder Sprachgruppe scheinen – laut Akteuren/innen – die Zweitsprachkenntnisseallgemein abzunehmen:Italienische Maturanten haben Probleme, sich auf Deutsch vorzustellen.Zu wenig Konversation, also strukturelles Problemdes Sprachenunterrichts.Vertreter einer privaten ArbeitsvermittlungsagenturDie Sprachkompetenzen nehmen ab. Italienische Lehrpersonenwechseln häufig. Keine Lehramtsausbildung, viele Auftragslehrerim Schulsystem beschäftigt, worunterdie Qualität leidet.Vertreter einer Jugendorganisation

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 79Zur Zeit gibt es noch keinen politischen Willen, eine zweisprachigeSchule zu schaffen, doch laufen zahlreiche Schulversuche aufGrundschulebene, die den Zweitsprachunterricht verbessern sollen.Dabei soll der Zweitsprachunterricht nicht zu abgetrennt vonder Lebenswelt erfolgen und eine tatsächliche Zweisprachigkeitder Jugendlichen ermöglicht werden. Somit geht es bei diesemAspekt nicht um eine bloße Schwäche der Oberstufe, sondern umHandlungsbedarf auch in den unteren Schulstufen.Ich sehe auf alle Fälle noch ganz stark einen Mangel an Sprachkompetenzen,aber das ist nicht Schuld der Oberschule, sonderndas ist ein Problem, das schon in der Volksschule beginnt.Hier müsste man schon viel früher ansetzen, also in der Oberschuleist das ein bisschen spät damit anzusetzen.Vertreter eines Unternehmerverbands, HDSDie ladinische Schule steht in diesem Zusammenhang als interessantesModell da:Wir haben in Ladinien ein spezielles System, das paritätischeSystem ist unsere Stärke. Hier wird in drei Sprachen unterrichtetund zwei Fachrichtungen (Verwaltung und Finanzen, Tourismusund Sprachen). Im nächsten Schuljahr wird als 5. SpracheRussisch unterrichtet, wofür sich die Eltern einstimmig ausgesprochenhaben. Jedenfalls beherrschen die ladinischen Oberschulabgängerdie deutsche und italienische Sprache sehr gut.OberschuldirektorAls weiteres wichtiges Thema sprechen die befragten Akteure dieNotwendigkeit der höheren Durchlässigkeit zwischen den verschiedenenBildungswegen oder Bildungssäulen an.Man sollte sich nicht mit 15 definitiv gegen jedes Weiterstudierenentscheiden müssen und dann nur über den beschwerlichenzweiten Bildungsweg studieren können. Die Durchlässigkeitmüsste in diesem Sinn erhöht werden.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenSie ist aber sicher ein wichtiges Thema. Durchlässigkeit bedeutetauch Übertrittmöglichkeiten.Leitende Beamtin der BerufsberatungAuf der praktischen Ebene ist eine derartige Durchlässigkeit nichteinfach zu bewerkstelligen, weil jeder Ausbildungsweg seine Inhalteim jeweiligen Curriculum fest verankert hat.Ja, die Umorientierung ist sicher schwierig, aber man kann es jaerleichtern, indem man zum Beispiel die Anerkennung der Studienleistungenverbessert, oder indem man eine Berufsmaturamacht (…).Leitende Mitarbeiterin der Berufsberatung

80 Schwächen des Südtiroler BildungssystemsCapisco che non è facile passare da un indirizzo formativo adun altro, dalle scuole professionali alle scuole superiori e viceversa,però necessarie sarebbero delle misure che accompagninoil giovane in questo passaggio […] nel sostegno per recuperarecerte carenze.Vertreterin des WIFODie Frage der Durchlässigkeit knüpft an der Notwendigkeit der Einführungder Berufsmatura an, und zwar in Form einer neuen Artder Zugangsberechtigung zur Hochschule. Dies scheint allerdingsnoch in weiter Ferne zu liegen:Im aktuellen System ist eine Berufsmatura noch nicht vorstellbar,weil die Matura eine staatliche Prüfung ist. Eine Berufsmaturakann ich mir nur als eine spezielle, gesonderte Prüfung vorstellen.aber eine Berufsmatura, die die allgemeine Hochschulreife vermittelt,ist in Italien schwierig.Schulinspektorin OberschuleUmdenken ist fällig auch in Sachen Berufsmatura. Wer inDeutschland einen Meisterbrief hat, kann jede Hochschule besuchen.Dies muss auch in Italien eingeführt werden, das Bildungssystemmuss durchlässiger werden.Leitende Beamtin der BerufsberatungDies erlaubt darüber hinaus neue, umfassendere Berufsbilder zuschaffen:Il falegname che diventa architetto è il più bravo architetto delmondo secondo me, oppure l´infermiere che dirige un centroanziani, avendo fatto per vent´anni i turni in una casa di riposo,io mi fiderei più di uno così che di un super dottore.Vertreter des Bundes der GenossenschaftenMehr Raum müsse im Rahmen der Schulausbildung auf jeden Falldie Berufspraxis erhalten, was für die allgemeinbildenden wieauch für die technischen Oberschulen gelte.Die duale Ausbildung ist in der Berufsausbildung ein Erfolgsmodell,grundsätzlich sollte dieses Modell auch Vorbild für andereBereiche sein, d.h. gerade der Praxisunterricht sollte in allenOberschulen mehr gefördert werden.Vertreter eines UnternehmerverbandsDas Fehlen praktischer Ausbildungsinhalte schlägt sich unvermeidlicherweisein den beruflichen Kompetenzen der Maturant/innenwie auch der Hochschulabsolvent/innen nieder.(…) Es ist ein Unterschied, ob ich chemische Formeln auf demPapier pauke, oder ob ich das wirklich mal in einem Labor ausprobierenkann. Es ist ein Unterschied, ob ich in Medizin unter-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 81richtet werde, oder dann wirklich mit Patienten arbeiten kann.(…) Wenn ich etwas über das Bankwesen lerne, sollte ich dasauch in der Bank probieren können.Vertreterin des ASTATAusschließliches Bücherstudium entferne die Jugendlichen vonden Anforderungen der Arbeitswelt und verursache für viele eineArt Praxisschock beim Antritt der ersten Arbeitsstelle, an derplötzlich ganz andere Fertigkeiten verlangt werden, als sie in derSchule gepflegt worden sind.(...) jetzt haben wir den theoretischen Teil abgehandelt, jetztmachen wir es in der Praxis. (…) dann wird plötzlich das theoretischeWissen sehr konkret und ein junger Mensch kann sichleichter orientieren, ob das etwas für ihn ist, ob es ihm gefällt,ob er ein Leben lang in dieser Sparte arbeiten will, oder ob ersich das gar nicht vorstellen kann.Vertreterin des ASTATDie Frage der Berufsmatura wird von den befragten Akteuren immerwieder als effizientes Mittel zur Aufwertung der Lehrberufeund der Berufsschule betrachtet, und ihr Fehlen als einenSchwachpunkt des heutigen Südtiroler Bildungssystems.9.1.6 Brücken zwischen Schule und Arbeitswelt„Sollte das System Schule und Berufsschule und das Erwerbssystemnoch enger aufeinander abgestimmt werden? Und wie kanndas erreicht werden?“ Auf diese Frage haben die Experten/innenund Akteure/innen in eher unterschiedlicher und kontroverser Artgeantwortet.Ein zweischneidiges Schwert.Lehrperson Technologischen Fachoberschule(...) das ist sehr zweischneidig. Zum einen besteht die Forderungnach mehr Praktika innerhalb der Uni und mehr Kontaktzur Arbeitswelt. Aber die Universität soll auch eine Stätte derBildung sein und nicht nur der fachspezifischen Ausbildung. Esist schwierig, diesen Spagat herzustellen.Vertreter einer JugendorganisationWie zu erwarten gibt es einerseits Stimmen, die eine engere Ausrichtungder Schule auf den Arbeitsmarkt fordern. Das Schulsystemsoll die von den Unternehmen geforderten Qualifikationen liefern,die sich laufend ändern und ausdifferenzieren:Grundsätzlich sollten sich auch die Ausbildungsprogrammestärker auf die Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und die Anforderungender Wirtschaft ausrichten.Vertreter eines Unternehmerverbands

82 Brücken zwischen Schule und ArbeitsweltAuf der Gegenseite finden sich jene Positionen, die den Schulenprimär die Aufgabe der Erziehung der Jugendlichen anvertraut sehenwollen, und zwar im Sinne der Persönlichkeitsbildung, nichtso sehr der arbeitsmarktgerechten Formung. Diese Sicht habennicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Unternehmerverbände;Das heißt die Schule hat nicht die Aufgabe die Bedürfnisse derUnternehmen abzudecken, die Schule hat die Aufgabe, demMenschen eine solide Bildungsbasis zu gewähren.Vertreter eines UnternehmerverbandsIo sono un fautore che la scuola faccia il suo mestiere, questaidea che l´economia deve ordinare quasi alla scuola che tipo dipersone deve preparare per le sue esigenze, mi sembra un'ideariduttiva e chiusa. La scuola, secondo me, deve dare una bellacultura di tipo generale ed anche il senso critico necessario peraffrontar la vita.Vertreter des Bundes der GenossenschaftenNichtsdestotrotz überwiegt jene Position, die beide Ansprüche andas Bildungssystem bestmöglich zu verbinden sucht: zum einensoll der Unterrichtsstoff weniger abstrakt werden und stärker aufdie Arbeitswirklichkeit eingehen, die die Jugendlichen nach Abschlussihrer Ausbildung erwartet. In diesem Sinn solle mehr Austauschund Zusammenarbeit zwischen der Schul- und Arbeitsweltstattfinden, ohne deshalb die Schule ihre primäre Aufgabe derPersönlichkeitsbildung streitig zu machen:(…) einer Grundbildung, auch beruflicher Natur, die über denBedürfnissen eines einzelnen Betriebes oder so hinausgeht,darin sehe ich auch einen Wert.Leitende Beamtin der BerufsberatungIntegrieren in das Schulsystem sicher nicht, aber es muss einAustausch stattfinden.Vertreter einer JugendorganisationConoscendosi perché non si conoscono: nessun insegnante entramai in un´azienda e nessun dirigente aziendale entra mai inuna scuola.Koordinatorin der BerufsberatungZur Zeit sei ein Praktikum das einzige Instrument, das während derOberschulzeit diese beiden Welten verbinde. Die Beobachtungsstellefür den Arbeitsmarkt hat die in Südtirol von Jugendlichenabsolvierten Praktika und Sommerjobs mehrfach tiefer gehendanalysiert.Mittlerweile wird auch viel von Seiten der Schulen gemacht wiePraktika, Bewerbungstrainings, Treffen in der Handelskammer

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 83über die Wirtschaftssituation in Südtirol, um die Jugendlichenan die Wirtschaft anzunähern (…).Vertreter eines UnternehmerverbandWir haben die Praktika von 2011 ausgewertet mit einer Rücklaufquotevon über 50%. Auch jene, die sagten, sie hätten einenschlechten Arbeitsplatz gehabt, empfanden ihr Praktikum trotzdemals sinnvolle, wichtige Erfahrung. Es war wichtig, die Arbeitsweltkennen zu lernen.Leitender Beamter der ArbeitsvermittlungDie Bedeutung dieser Praktika für die Jugendlichen ergebe sichvor allem aus der konkreten Arbeitserfahrung, weniger aus derPerspektive, in diesem Bereich später eine Beschäftigung zu erhalten:(…) che i ragazzi inizino a entrare in contatto con il mondo dellavoro, inizino a capire cos´è il lavoro, che cosa vuol dire lavorarein un´azienda, com´è organizzata un´azienda. Questo perchéaiuta sia nelle scelte dei percorsi scolastici e universitari,sia perché poi li agevola quando è il momento di entrare nelmercato del lavoro.Berufsschuldirektor9.1.7 Kompetenzen für den ArbeitsmarktWenn sich Jugendliche für einen Arbeitsplatz bei einem Unternehmenbewerben, sollten sie vor allem auf transversale KompetenzenWert legen, die sie zusätzlich zur fachlichen Qualifikation vorzuweisenhaben. Aus den Interviews ging vorwiegend die Meinunghervor, dass Jugendliche vor allem ihre Motivation, Leistungsfähigkeitund sozialen Kompetenzen unter Beweis stellenmüssen, um gute Chancen für eine Aufnahme zu haben. Dabeigeht es um persönliche Ressourcen, die für die Einsetzbarkeit imBetrieb durchaus gleich wichtig seien wie die spezifisch berufsfachlichenKompetenzen.(…) Per quasi tutte le aziende non è importante che un giovanesappia fare un lavoro; la cosa importante è che abbia determinatecaratteristiche, come ad esempio la flessibilità, l´umiltà, lalealtà. Sono aspettative rispetto alle caratteristiche personali[...] Quindi si va a cercare delle persone che possano inserirsiall´interno di un gruppo e possano portare come valore aggiuntoquello che sono più che quello che sanno, perché quello chedevono sapere per svolgere il proprio lavoro glielo insegneràl'azienda stessa.Mitarbeiterin der Arbeitsvermittlung

84 Kompetenzen für den ArbeitsmarktMit anderen Worten: Zuverlässigkeit, Belastbarkeit, Bereitschaft,Motivation, Organisation der eigenen Arbeit (Selbstständigkeit amArbeitsplatz), Flexibilität scheinen mehr denn je weniger individuelleZuschreibungen zu sein, als „Sekundärtugenden“, die die Unternehmenvon jedem Beschäftigten erwarten.Doch wenn die Jugendlichen zu wenig motiviert sind, keine Einsatzbereitschaft,kein Fleiß, keine Weiterbildungsbreitschaft undBegeisterung vorhanden sind, wird es schwierig.Vertreter einer privaten ArbeitsvermittlungsagenturAuf derselben Ebene finden sich die Sozialkompetenzen, die konstruktiveKommunikationsfähigkeit in allen möglichen Umfeldern,die Toleranz, die Teamfähigkeit, die Kompromisssuche und dergleichenmehr.Oggi il lavoro è anche una questione di relazioni, quasi semprenel lavoro devi essere anche capace di relazionarti con chi haiaccanto. Le persone più negative sono quelle che si dice “nonvanno d´accordo con nessuno, nessuno le vuole. Bravissimama ha un carattere pessimo”. Quindi vuol dire che la competenzarelazionale fa parte della professionalitàVertreter des Bundes der GenossenschaftenHier muss allerdings eine Unterscheidung getroffen werden. Auchwenn es zutrifft, dass transversale Kompetenzen und soziale Kompetenzentagtäglich für die Aufnahme von neuen Bewerbern wichtigerwerden, kann man nicht behaupten, dass die Unternehmendeshalb bereit wären, bei der beruflichen Qualifikation Abstrichezu machen und zusätzlich in die Ausbildung am Arbeitsplatz zu investieren.Diese Bereitschaft hängt auch stark von der Betriebsgrößeab. Ein größeres Unternehmen kann sich die Ausbildung vonneuen Mitarbeiter/innen am Arbeitsplatz eher leisten. Das kleinereUnternehmen wird sich, nach Auffassung der Akteure/innen, eherjene Bewerber aussuchen, die sich am schnellsten den betrieblichenAnforderungen entsprechen kann und für einen sofortigenEinsatz zur Verfügung steht.Die Betriebe sind nicht mehr so motiviert, die Jugendlichen vollanzulernen. Die Kosten der Ausbildung werden berechnet.Mitarbeiterin Arbeitsvermittlung(…) ist die Erwartung da, dass junge Arbeitnehmer qualifiziertund zu 100% einsatzfähig sein müssen. […] Vielleicht könnensich Unternehmen immer weniger eine lange Einarbeitungsphaseleisten, also jemand ständig betreuen zu müssen.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenHinsichtlich der berufsspezifischen Anforderungen an neue Bewerbertritt immer klarer zu Tage, dass die Unternehmen bei den Ma-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 85turanten technischer Oberschulen jene bevorzugen, die bereitseine gewisse Arbeitserfahrung vorweisen können. Diese Erfahrungmacht jedoch eine zusätzliche Phase der betriebsinternen Einschulungnicht verzichtbar.Man hätte gern junge leistungsfähige Mitarbeiter, die schonganze Erfahrung mitbringen.Doktorand der Fakultät für BildungswissenschaftenHäufig geschieht es jedoch, dass sich die vom Arbeitgeber verlangtenEigenschaften und Qualifikation widersprechen: so etwawenn junge Mitarbeiter unter 30 Jahren mit jahrelanger Berufserfahrunggesucht werden:In più vediamo anche che negli ultimi anni le imprese richiedonosempre di più, si tratta quasi del 70% delle imprese, l´esperienzaprofessionale specifica o quantomeno nel settore. Percui anche per i giovani questo diventa più difficile visto che nonpossono avere esperienza appena usciti dalla formazione.Vertreterin des WIFOAuf der anderen Seite sehe ich oft, dass vornehmlich jungeLeute gewünscht werden in den Betrieben, die aber schon Berufserfahrunghaben sollen und oft mehrjährige Berufserfahrung.Das geht einfach nicht zusammen. Ein Maturant und auchein Uniabsolvent mit 25 kann unter Umständen noch nicht diemehrjährige Berufserfahrung haben.Vertreterin des ASTAT9.1.8 Ein Blick auf den Arbeitsmarkt der ZukunftMit der Globalisierung der Wirtschaft sind am Arbeitsmarkt maßgeblicheVeränderungen im Gange. Die ständigen Neuerungen inder Kommunikationstechnik lassen verschiedene Wirtschaftssektorenobsolet werden, wodurch die Entwicklung des Arbeitsmarktesinstabil und unvorhersehbar wird. In kurzer Zeit sind viele Tätigkeiten,die bisher vielen Menschen Beschäftigung verschaffthatten, vom Marktgeschehen und der Technik überholt und dieentsprechenden Arbeitsplätze abgebaut worden. Angesichts derGeschwindigkeit der Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt undder sinkenden „Halbwertszeit“ der Berufe wird sogar das bisherigeKonzept der Beruflichkeit in Frage gestellt. Somit seien auch Prognosenimmer schwieriger und weniger plausibel:Sono ostile a queste proiezioni. Sono una presa in giro perchéle previsioni sono superate [...] Certe cose non sono prevedibili,delle professioni sono scomparse ed alcune proiezioni fatte 10-20 anni fa si sono rilevate completamente fuori dalla realtà.Fachmann der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle

86 Ein Blick auf den Arbeitsmarkt der Zukunft(…) le previsioni, soprattutto quelle a lungo termine sul mercatodel lavoro non sono da considerarsi veritiere, sono comel´oroscopo che quotidianamente si legge sui giornali, non hannosenso, poiché i fattori che influenzano l´avverarsi o meno diqueste previsioni possono solo mutare (...) quando avevo iniziatoa lavorare qui avevo letto molti libri che parlavano di quantepersone sarebbero servite dopo il 2000 per ogni settore economico.Non è successo nulla di tutto questo, ma non perché lepersone che avevano scritto questi libri erano soltanto dei visionari,ma perché sono cambiati alcuni fattori che hanno resovane le previsioni.Psychologin der BerufsberatungWas dennoch erfolgen könne, ohne den Jugendlichen falscheHoffnungen zu machen, sei die Angabe jener Sektoren, Branchenund Bereiche, die in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit wachsenund zusätzliche Arbeitsplätze bieten werden. Ausgehend vonden oben genannten Erhebungen EXCELSIOR der Unioncamerewürden weiterhin die technisch-naturwissenschaftlichen Berufestärker nachgefragt. Abgesehen von den Ingenieuren, die schonlänger zu den Mangelberufen gehörten, wird eine hohe Nachfragenach spezialisierten Technikern der mittleren Ebene verzeichnet,die in verschiedenen Produktionssparten und Branchen eingesetztwerden können:In der Arbeitswelt ist anderes gefragt: die Zusammenführungder Gewerbe. Da können die Kurse für Vollzeit-Ausbildung eineVorreiterrolle haben, und die können wir selbst bestimmen. Gebäudetechnik,Infrastrukturtechnik, was bisher getrennt wird,wird eher zusammengeführtBildungsplaner, Abteilung BerufsbildungEinen hohen Bedarf scheint es auch an mittleren Qualifikationen inder Industrie zu geben, sowohl bei den technischen wie bei denkaufmännisch spezialisierten Facharbeiter/innen.Zu ermöglichen wären auch Teilqualifikationen mit Kompetenzenauflistung,die Einführung von Attestberufen und anderenBerufsbildern. Dadurch können auch geringere Qualifikationenaufgewertet werden. Es gibt ja nicht die Pflicht für jeden, zu einemhohem Abschluss zu kommen.Bildungsplaner, Abteilung BerufsbildungAls einen der Wachstumsbereiche bezeichnen die befragten Akteurejenen der erneuerbaren Energien und des technischen Umweltschutzes,der Heiz- und Kühltechnik, der thermischen Gebäudesanierung,sowie generell der intelligente Energieeinsatz.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 87In Europa geht der Trend momentan in erneuerbare Energien,folglich werden gerade in diesem Bereich Fachkräfte gefragtsein (Ingenieure, Techniker, Experten usw.).Vertreter eines UnternehmerverbandsAuch die Informatik muss hier erwähnt werden, die eine zunehmendeZahl von Arbeitsplätzen bieten wird, gleich ob Programmierer,Grafiker, Kommunikationstechniker oder Systemanalytiker.Angesichts des demografischen Wandels in unserer Gesellschaft,die zunehmend altert, wird es auch einen Zusatzbedarf an Pflegepersonalgeben:Tutto quel campo sarebbe da favorire, rinforzare anche perchélì dentro c´è tutta una sperimentazione, un´innovazione perchénon è assolutamente la pura e semplice assistenza di tipo passivoma c´è tutto un mondo: la comunicazione, l´interrelazione,la formazione attiva degli adulti, insomma assistenza alla personanon solo in termini socio-sanitari, che servono anche quelli,ma anche nell´inclusione, nella relazione sociale, cioè quei bisogninon materiali che ormai le ultime statistiche dicono cheormai occupano più della metà del nostro portafoglio.Vertreter des Bundes der GenossenschaftenNeben den fachlichen und sprachlichen Kompetenzen wird am Arbeitsmarktbereits heute Einsatz verlangt – und dies könnte in Zukunftnoch verstärkt erwartet werden. Vom Bildungs- und Ausbildungssystemin seiner Gesamtheit auf allen Ebenen werden somitzusätzliche Anstrengungen erwartet, nämlich nicht nur der Aufbauberufsspezifischer Qualifikationen, sondern auch der Aufbau einerPersönlichkeit.Penso che la scuola potrebbe insegnare di più sia a livello dirapporti interpersonali che per ciò che concerne il rispetto, il lavorodi gruppo, la solidarietà tra le persone. […] Dovrebbe perciòessere insegnato anche il sostegno del più debole nell´otticadel risultato di gruppo, perché in ambito lavorativo servonotantissimo questi insegnamenti (…). Questi sono valori aggiuntinella vita, così come nel mondo del lavoro.BerufsschuldirektorIo trovo per esempio assurdo che in Italia si raggiunga una laureae nessuno dedichi un´ora alla retorica, alla comunicazione,alla risoluzione dei conflitti, tutte cose che succedono al lavoroil giorno dopo.Vertreter des Bundes der GenossenschaftenDen Jugendlichen wird somit empfohlen, sich nicht nur derSammlung von beruflichen Erfahrungen zu widmen, sondern sichdarauf einzustellen, dass man das ganze Leben lang lernen müsse.Es gebe unzählige Möglichkeiten des Lernens, auch in der Freizeit,

88 Ein Blick auf den Arbeitsmarkt der Zukunftdie wiederum dem Berufsleben jedes Einzelnen zugute kommenkönnten:Ich glaube es wird zunehmend wichtig, eben nicht nur 4,5,6Jahre sich auf das Studium zu konzentrieren, sondern offen zusein für die verschiedenen Erfahrungen und Möglichkeiten, diees prinzipiell ja auch gibt. Das können Auslandsaufenthaltesein, das können Sprachkurse sein irgendwo. Das kann ein Jobim Ausland sein. Also die ganzen Erfahrungen rundherum sindsehr wesentlich für das, was die Wirtschaft heute verlangt.Schlüsselkompetenzen.Leitende Beamtin der BerufsberatungAuch wichtig sind ehrenamtliche Tätigkeiten. Die Arbeitgeberlegen auch aufs soziale Engagement Wert, z.B. in einem Verein,beim Weißen Kreuz, oder Feuerwehr. Wenn jemand ehrenamtlichzur Verfügung steht, zeigt er in der Regel auch im Berufmehr Einsatzbereitschaft.Vertreter einer Gewerkschaft9.2 Gruppenspezifische FragenDer zweite Teil der Expertengespräche baut auf den allgemeinenAspekten der Entwicklung der Beschäftigung von Jugendlichenauf, um anhand gruppenspezifischer, auf den jeweiligen Kompetenzbereichder Gesprächspartner bezogener Fragen besondereAspekte der Jugendbeschäftigung zu vertiefen, etwa die Auswirkungender Reformen im Bildungssystem, die aktuellen Problemeder Schüler/innen in der Schule und später bei der Berufswahl undArbeitssuche. Aufgrund der relativ homogenen Gruppenbildungzeichnet sich bei den Auskünften der Akteuren/innen ein mehrheitlichübereinstimmendes Meinungsbild ab, während nur bei einzelnenFragen gegensätzliche Positionen erkennbar werden. DiesePositionen und Meinungen werden im Folgenden nach Themengegliedert wiedergegeben.9.2.1 Berufsausbildung und Oberschule9.2.1.1 Zum Stand des BerufsausbildungssystemsIm Jahrzehnt 2000-2010 ist in Südtirol ein deutlicher Rückgang derabgeschlossenen Lehrverträge zu beobachten. Worauf führen diebefragten Akteure diese Entwicklung zurück? Der Rückgang derLehrlingszahlen sei zum Teil auf die rückläufige Stärke der Jahrgängezurückzuführen, zum Teil auch auf die nachlassende Anziehungskraftder Lehre. Dieser Trend werde sich laut Experten bis2020 fortsetzen, wobei 2020 mit nur mehr 2.000 Lehrlingen gerech-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 89net wird. Andererseits übertrifft die Zahl der Besucher der Vollzeitkurseder Berufsschulen schon länger jene der Lehrlinge im dualenSystem.In verschiedenen Wirtschaftszweigen schrecke die überlange Dauerder Lehrzeit die Interessenten ab. Von über 100 Ausbildungsberufendauern 60 drei Jahre, 40 aber vier Jahre. Hier hätten sich –so die Befragten – die Handwerkerverbände gegenüber der Landesverwaltungdurchgesetzt, um Lehrlinge bzw. Gesellen bis zu 4Jahre in einem für sie günstigen Arbeitsverhältnis zu halten, obwohldie fachliche Ausbildung in 2-3 Jahren zu bewältigen wäre.Bei der Dauer der Lehre haben sich die Handwerkerverbändegegenüber dem Land durchgesetzt. Für viele Lehrberufe isteine Lehrdauer von vier Jahren beibehalten worden, was sehrschwerwiegend ist. Im Interesse der Handwerksbetriebe werdenalso unterbezahlte Lehrlinge und Gesellen vier Jahre langim Betrieb gehalten, obwohl die reine Ausbildung auch in 2-3Jahren leicht zu bewältigen wäre. Von über 100 Ausbildungsberufensind 60 dreijährig, aber über 40 haben eine Dauer von 4Jahren .GewerkschafterDie Stärkung des schulisch-theoretischen Teils der Ausbildung imRahmen des neuen Lehrlingsgesetzes wird von verschiedenen Akteurenbegrüßt, doch müssten die Lehrberufe insgesamt in der Bildungslandschaftaufgewertet werden. Die Zunahme der Schülerzahlder Vollzeitkurse drückt auch den Wunsch der Eltern nach längererSchulausbildung aus.Ein weiterer Grund für die Abnahme der Zahl der Lehrlinge liegeim nach wie vor zu geringen Ansehen der handwerklichen Berufe,während immer mehr Eltern ganz auf eine Oberschulausbildungund Maturaabschluss ihrer Kinder setzten.Schließlich stellten manche Betriebe keine Lehrlinge mehr ein,weil sich die Unternehmen aufgrund der Jugendschutzbestimmungenin der Einsetzbarkeit der Lehrlinge unter 18 eingeschränkt fühlenund eher auf Leiharbeiter ausweichen.9.2.1.2 Neue Formen der Lehre undBerufsausbildungUnterschiedliche Meinungen waren unter den befragten Akteurenzu den neuen Formen höherer Lehre zu verzeichnen (apprendistatoprofessionalizzante). Im deutschsprachigen Ausland habe dieseForm der Lehre („Höhere technische Lehre“) dem Fachkräftemangelwesentlich entgegenwirken können.

90 Berufsausbildung und OberschuleWie soll man diese höheren Lehrlinge ausbilden? Es geht umhöhere technische Bildung für Maturanten oder Meister, diesich weiter qualifizieren möchten. Da fehlt in Südtirol noch dasAngebot wie die zweijährigen Kurse höherer Lehre mit europäischemAbschluss z.B. wie das Tourismusmanagement.BerufsschuldirektorBezüglich der berufsspezialisierenden Lehre nach der Maturamüssten Informationsveranstaltungen in den Oberschulen undBetriebsbesichtigungen organisiert werden. Die Berufsberaterspielen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine sehr wichtigeRolle (...). Die berufsspezialisierende Lehre bietet auch Fachkräftendie Möglichkeit, sich erneut umzuschulen.Vertreterin der GewerkschaftsjugendZum einen wird betont, dass diese Lehre ein wichtiges Instrumentzur Erleichterung des Einstiegs von Maturanten in den Arbeitsmarktwerden könnte. Allerdings sei die „spezialisierende Lehre“in Südtirol noch zu wenig bekannt. Man müsse deshalb an denOberschulen und bei den Wirtschaftsverbänden mehr Informationsveranstaltungenzu dieser Vertrags- und Ausbildungsform abhalten.Bei diesem Lehrvertrag bietet die Berufsschule begleitendeKurse im Umfang von 300 Stunden. Die geringere Entlohnung seiwegen den Fehlzeiten für die theoretische Ausbildung gerechtfertigt.28 Die berufsspezialisierende Lehre biete sich auch an für Fachkräfte,die einen Berufswechsel anstreben. Ein beträchtlicher Teilder Berufsschulabgänger steigt bekanntlich auf einen anderen Berufum.Eine höhere Lehre soll auch auf Hochschulebene eingerichtet werdenund damit den Bedarf an Fachhochschulausbildung in Italienabdecken. An der Universität Bozen laufe derzeit ein Studiengangfür Logistikingenieure in Zusammenarbeit mit der Universität Turinmit einem hohen Praxisanteil in Partnerbetrieben. Andererseitsgibt es auch starke Bedenken gegenüber der berufsspezialisierendenLehre.Im Alter von 19-20 ist eine Person eigentlich schon für den Einstiegin einem Betrieb bereit und muss eben angelernt werden.Eine weitere Lehrzeit mit Niedriglöhnen und schlechteren Arbeitsbedingungendraufzusatteln ist nicht akzeptabel. Es könnteein neuer Vorwand sein, die Berufskenntnisse der Jugendlichennicht anzuerkennen und sie in einer Phase der Probezeit undPrekarietät zu halten. Es wäre ein weitere, ungerechtfertigteLohnkürzung durch die Unternehmen.28Ein Landesabkommen zur Anwendung dieser Formen höherer Lehre ist im November 2012 zwischenden Sozialpartnern und dem Land Südtirol abgeschlossen worden.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 91GewerkschafterEs gelte genau abzuschätzen, wie lange eine berufsspezialisierendeLehre dauern müsse, um eine Spezialisierung für einen bestimmtenBeruf zu gewährleisten. Wenn diese höhere Lehre ungerechtfertigtlange dauert, wirke sie eher als Kürzung von Löhnenund Sozialbeiträgen zugunsten der Unternehmen. Wenn Mitarbeitertatsächlich benötigt werden, würden sie unabhängig von derVertragsform eingestellt und die Kosten seien dann sekundär.9.2.1.3 Kritische Aspekte im Berufs- undOberschulsystemMit dem neuen Lehrlingsgesetz ist der Wechsel von der BerufszurOberschule erleichtert worden. Man müsse vor allem im Bienniumdiesen Wechsel weiter erleichtern, weil sich die Jugendlichennoch in einer Orientierungsphase befänden. Zu diesemZweck sollen erbrachte Studienleistungen besser anerkannt werden.Allgemeinbildende Bildungsinhalte müssten harmonisiertwerden, fachschulspezifische Inhalte nachgelernt werden können.Einzelleistungen in gleichartigen Fächern der verschiedenen Bildungswegesollen anerkannt werden, um mehr Durchlässigkeit zuschaffen.(...) die Lehrprogramme sind so zu gestalten, dass sie irgendwovergleichbar sind, dass man also mindestens den allgemeinbildendenTeil harmonisiert. Verschieden bleiben die fachspezifischenTeile, die in allen Schulen anders sind. Eine Geometerschulelehrt etwas anderes wie das Gymnasium, das muss berücksichtigtwerden. Aber der Umstieg von einem Oberschultypzum anderen sollte schon sehr durchlässig sein.OberschullehrerDie Einführung der Berufsmatura wird mehrheitlich begrüßt, dochdie Leistungsanforderungen müssten dieselben bleiben, um nichteine Matura zweiter Klasse zu schaffen: es könne nicht eine staatlicheMatura und daneben eine Berufsmatura zweiter Klasse geben.Es müssten verschiedene Bildungswege zu einer einheitlichen,staatlichen Maturaprüfung geschaffen werden – im Interesse aller.Es brauche Zeit für die Allgemeinbildung und gleichermaßen auchausreichend Zeit für die berufspraktische Ausbildung.Der Berufsmatura stehen einigen Experten auch skeptisch gegenüber.Es gebe klar getrennte Ausbildungswege: Matura, Lehre unddie Fachschule. Die Berufsmatura als möglicher Abschluss für dieFachschule sei die falsche Botschaft an die Jugendlichen und Eltern,denn Fachschüler sollten sich in erster Linie für den Berufseinstiegin ihrem Fach vorbereiten. Auch zur Durchlässigkeit derdrei Bildungssäulen sind nicht alle Befragten einer Meinung. Es

92 Berufsausbildung und Oberschulegebe heute drei verschiedene Schultypen mit unterschiedlicherAusrichtung und Zielsetzung. Die Ergänzung von Vollzeitkursenmit einem 5. Jahr zwecks Berufsmatura sei zwar sinnvoll, nichtaber ein ständiges Hin- und Herwechseln zwischen berufs- und allgemeinbildenderSchule.Allgemein wird von Expertenseite betont, dass die Lehrberufe aufgewertetwerden müssen. Obwohl die Berufsschulzentren gut ausgestattetsind und das Südtiroler Berufsschulwesen gut funktioniert,bedürfe das duale System einer stärkeren Wertschätzung inder Gesellschaft, bei Eltern und Jugendlichen. Für die Befragtensteht außer Zweifel, dass Facharbeiter in Südtirol sehr gute Chancenauf dem Arbeitsmarkt haben. Dieses System habe sich in derAusbildung von Fachkräften und unter dem Aspekt der nachfragegerechtenAusbildung bewährt. Man könne dem zu geringen Stellenwertder Lehrberufe zwar durch mehr Durchlässigkeit zwischenBerufsschule und den anderen „Bildungssäulen“ entgegenwirken.Nachlassendes Prestige hätte auch andere Gründe:Das Prestige der Lehrberufe ist nicht so gesunken, zumindestunter deutschsprachigen Südtirolern. Handwerker sind angesehen,Facharbeiter werden gesucht. Aber heute sind weniger Elterngezwungen, aus Einkommensgründen die Kinder schonfrüh in die Lehre zu schicken.Vertreter eines UnternehmerverbandsVor allem bei italienischsprachigen Familien müsse die Lehrausbildungmehr Anerkennung erfahren. Die Bedeutung der Matura werdeaus Statusgründen überschätzt, die beruflichen Chancen einesqualifizierten Facharbeiters unterschätzt. In dieser Sprachgruppewerde die Berufsschule oft als Notlösung oder eine Art letzteChance betrachtet – zu Unrecht, befinden die Experten, weil dieduale Ausbildung den Jugendlichen eine praxisnahe und für denlokalen Arbeitsmarkt brauchbare Qualifikation mit guten Chancenbei lokalen Unternehmen verschaffe. Die Berufsschule dürfe nichtmehr als ein Auffangbecken für „weniger Intelligente“ gesehenwerden, die die Oberschule nicht schaffen, sondern als gleichwertigerBildungsweg, bei welchem die Möglichkeit des Wechsels zuden Oberschulen offen bleibe.Die Lehre ist ein System, das Südtirol auszeichnet, eine dergroßen Stärken. Das hat natürlich auch wesentlich dazu beigetragen,dass wir die Jugendlichen viel besser als anderswo indie Arbeitswelt integriert haben. Also ist das ein wesentlicherBestandteil unseres Ausbildungssystems und deshalb auchweiterhin etwas, das wir sehr stark forcieren müssen.Bildungsplaner der Abt. Berufsschulwesen

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 93Die weiblichen Lehrberufe seien nach wie vor zu wenig gestreut,denn die Mehrheit der Lehrmädchen konzentrieren ihre Wahl auf4-5 traditionelle Ausbildungsberufe. Nach wie vor hätten Mädchenin Handwerksberufen zu geringe Akzeptanz und wenige Mädchenbrächten den Mut auf, einen traditionellen Männerberuf zu ergreifen.Für ein fundiertes Urteil zur Oberschulreform sei es zu früh, so dieMehrzahl der Befragten. Das bestehende Angebot in der Oberstufesei jetzt geordneter und übersichtlicher. Die Möglichkeit, zwischenden Oberschulen zu wechseln, sei mit der Oberschulreform erleichtertworden. Da die sozialwissenschaftlichen Gymnasien undSprachgymnasien derzeit mehr Zuwachs erfahren, würde auch dieÜbertrittsquote an die Hochschulen steigen. Zur Zeit erfolge einedurchschnittliche Höherqualifizierung der Jugendlichen in Südtirol,wobei die Matura immer mehr zum Standard-Schulabschlusswerde. Der deutliche Trend zum Oberschulbesuch schiebe die Berufswahlentscheidunghinaus. Eine größere Anzahl an Maturantenund Hochschulabsolventen träfe jedoch nicht auf eine im Gleichschrittwachsende Nachfrage nach solchen Absolventen auf demSüdtiroler Arbeitsmarkt. Die Folge würde mehr Wettbewerb aufdem Stellenmarkt für Oberschulabgänger und Akademiker sein.Einige Schulführungskräfte mahnen nach erfolgter Oberschulreformzu mehr Ruhe in der Gestaltung der Schule und Bildungspolitik.In den letzten Jahren sei zu viel Reformhektik entstanden.Der Wettbewerb werde auch durch die in der EU offenen Arbeitsmärkteverstärkt, denn größere Südtiroler Betriebe holten sichHochqualifizierte auch aus andern Ländern. Für die Südtiroler Bildungsrealitätsei die Messung des Bildungsstandards an der Akademiker-und Maturantenquote fragwürdig, denn das SüdtirolerBerufsbildungssystem sei ebenso qualifiziert und für den Arbeitsmarktinsgesamt wichtig, doch bisher in der Bildungsstatistik nichtangemessen berücksichtigt worden. Die Versuche der Schulbehördenund Bildungspolitiker, Mädchen stärker für technische Berufezu interessieren, hätten recht wenig gefruchtet, so die Befragten.9.2.2 Probleme der Jugendlichen imBildungssystem9.2.2.1 Aktuelle Probleme der Schüler/innenFragen der psychologischen Befindlichkeit der Schüler/innen inder Schule und von Jugendlichen im Übergangssystem insgesamtstanden nicht im Zentrum der Expertengespräche, spielen jedochbei einer erweiterten Analyse des Übergangs junger Menschen

94 Probleme der Jugendlichen im Bildungssystemvon der Ausbildung in den Beruf eine ganz gewichtige Rolle. Vorallem die Vertreter/innen der Welt der Schule (Lehrpersonen, Direktoren/innenund Schulinspektorin) sind zu diesen Aspekten kurzbefragt worden.Schüler/innen sind einem erhöhten Leistungsdruck ausgesetzt, dieZahl der Schulabbrecher sei angestiegen. Vor allem in den erstenOberschulklassen treten immer häufiger Probleme mit der Disziplinauf. Die Fähigkeit zu längerer Konzentration habe abgenommen.Im ersten Oberschuljahr gehe es oft darum, Grundkompetenzender Jugendlichen wieder aufzubauen. Seit den 1990er Jahrenseien immer mehr Verhaltensweisen zu beobachten, die Schulleutemit zu starken „Permissivismus“ im Elternhaus erklären.Dann lassen sich etwa seit den 1990er Jahren immer mehr Verhaltensweisenbeobachten, die man „Sich gehen lassen“ nennenkönnte, man lässt in der Erziehung viel zu viel durchgehen,viel Permissivismus zu beobachten. Hier spiegelt das Verhaltender Schüler in der Schule oft auch die Zustände daheim in derFamilie.SchuldirektorDer Grundlehrgang und die 1. Oberschulkasse sind sehr hartfür die Lehrpersonen. Viele Schüler sitzen nur drin, weil siemüssen. Entsprechend hoch sind die Disziplinprobleme.BerufsschuldirektorinBerufsberater beobachten in Beratungsgesprächen mehr „komplexeProblemlagen“, bei welchen sich familiäre Konflikte, Lernschwierigkeitenund psychische Probleme überlagerten.Trotz veränderter Familienverhältnisse (kleinere Familien, häufigerePatchwork-Familien und Alleinerzieher/innen) habe die Familieals Grundwert bei Jugendlichen nichts an Bedeutung eingebüßt,wie auch aus den Jugendstudien des ASTAT ersichtlich werde. Daheute im Vergleich zur vorherigen Elterngeneration viel mehr Elterngleichzeitig berufstätig sind, hat die mit den Kindern verbrachteZeit abgenommen. Nicht nur der Zeitmangel sei ein Problemgeworden, sondern viele Eltern versagten in pädagogischer Hinsicht.Eine Rolle spielt auch die neue Informationsgesellschaft, derenAuswirkungen auf die Schüler Lehrpersonen und Berufsberaterinnenfolgendermaßen formulieren:Früher hatte man nicht so viele Optionen und mediale Ablenkungen.Jetzt sind beide Elternteile oft berufstätig und habeneinfach weniger Zeit für die Kinder. Die Familienzusammensetzunghat sich geändert, viele Krisen und Alleinerzieherinnen.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 95Die Schüler schreiben sehr viel SMS, aber in welchemDeutsch? Die Unternehmen verlangen fehlerfreies Deutsch.Oberschullehrer Humanistisches GymnasiumDie Werte könnten durchaus dieselben der Vorgänger gebliebensein. Doch haben Jugendliche heute einen Überschuss anInformationen, die sie nicht mehr ganz verstehen und integrierenund deshalb sinnlos und unüberlegt daher reden. Sie interpretierenVieles falsch. Sie sind nicht mehr in der Lage, diesenInformationsfülle positiv zu bewältigen.BerufsberaterinIn einer größeren Berufsschule wird eine zunehmende familiäreund geistige Verwahrlosung der Schüler/innen festgestellt, vor allembedingt durch Trennungen und Arbeitsüberlastung der Eltern.Die Eltern selbst benötigten deshalb mehr Begleitung und Unterstützungin der Erziehung sowie speziell für eine bewusste Entscheidungzu Ausbildungs- und Berufswahl ihrer Kinder.9.2.2.2 Stellenwert von Schule und BerufHaben sich die Einstellungen und Haltungen der heutigen Jugendlichengegenüber zentralen Werten wie Arbeit, Leistung und Berufgeändert? Die Befragten betonen mehrheitlich eine grundlegendeKontinuität im Stellenwert dieser Werte, verweisen aber auch darauf,dass Jugendliche heute über eine Fülle, ja über einen Überschussan Informationen verfügten.Unter Jugendlichen sei beides zu beobachten: eine hohe Erwartungshaltungmit verstärktem Anspruchsdenken auf der einen Seite,andererseits aber auch das Wissen, dass der garantierte ArbeitsplatzWunschdenken sei.Schon in der Mittelschule strebt man einen garantierten Arbeitsplatzan, vorzugsweise im öffentlichen Dienst, der nicht zuviel Arbeit erfordert und nicht zu viel Verantwortung. Um 17Uhr den Bleistift fallen lassen und dann Freizeit. Viele wolleneinfach ein ruhiges Leben und haben keine ehrgeizigen Ziele.OberschullehrerEs werden heute keine größeren Erwartungen aufgebaut füreine lebenslange Beschäftigung im selben Beruf, im selben Bereich.Wir sind schon dabei, dass sich das klassische Berufskonzept– eine Ausbildung und den Beruf womöglich fürs Leben– dass das zerfällt und Tätigkeiten immer wichtiger werden.Also ein Bündel von Tätigkeiten, die man für wechselndeArbeitgeber ausführt.Vertreter einer Studentenorganisation

96 Probleme der Jugendlichen im BildungssystemWährend seitens der Personalchefs der Unternehmen Einsatzbereitschaftund Motivation einen hohen Stellenwert einräumt wird,würde andererseits den Jugendlichen Selbstverantwortung undEigenständigkeit zu lange abgenommen.In Sachen Arbeit und Beruf würden viele Vorurteile und Stereotypevon Jugendlichen, von Eltern, Medien und dem sozialem Umfeldunhinterfragt übernommen. Die Schule hätte weder die Aufgabenoch die Möglichkeit, dies richtig zu stellen. Andererseits sprächenSchüler häufiger den Wunsch nach einer Orientierungsphasenach der Matura und mehr Möglichkeiten für Praktika in Unternehmenaus.Der Wert eines Maturadiploms wird vor allem seitens italienischsprachigerEltern als (zu) hoch eingestuft, und viele Jugendlichewürden zum Weiterstudieren gedrängt.Die Jugendlichen werden zum Weiterstudieren gedrängt, auchum die Berufswahl aufzuschieben. Es liegt auch in einem ungebrochenenGlauben an den Wert des Maturadiploms, doch hatdieser keinen absoluten Wert, vor allem wenn Studenten sichfurchtbar schwer tun und wenig brauchbare Inhalte studieren.Im Vergleich zum handwerklichen Bereich gibt es dann nichtetwa so viel mehr Angebote auf dem Arbeitsmarkt mit bloßerMatura.Fachmann der ArbeitsmarktbeobachtungIm Vergleich zum handwerklichen Bereich böte eine Matura fürsich genommen keine erweiterten Chancen beim direkten Einstiegins Arbeitsleben. Die Matura sei auf dem Weg zum Standardabschluss,was implizit zur Abwertung der Berufsschulausbildungführte, wird vor allem von italienischen Experten betont.In ihrer Einstellung zum Beruf – so die Befragten – hätten Jugendlichenicht mehr das Arbeitsethos ihrer Elterngeneration.Hier habe ich bei meiner Umfrage ganz ehrliche Antworten erhalten.Nicht wenige haben gesagt, für mich ist wichtig zu wissen,wie viel ich verdiene. Die Mehrheit hat gesagt, dass esauch wichtig ist, dass man sich wohl fühlt und sich am Arbeitsplatzentfalten kann, dass man umsetzen kann, was man gelernthat.Oberschuldirektor... Sembra non essere frutto di una riflessione propria ma èpiuttosto il trasferimento di un modello errato, ben presentenella nostra società, ovvero dell'equazione tanti soldi uguale a

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 97tanto potere da un lato e i soldi possono essere guadagnati inmodo facile dall'altro.Psychologin der BerufsberatungSicherlich sind heute Aspekte der Selbstverwirklichung, aber auchder sozialen Interaktion für viele junge Leute wichtiger als noch fürihre Elterngeneration. Damit wachsen die Ansprüche an die Arbeit:sie muss dem zunehmend individualistischen Zuschnitt entsprechen.Die Elemente, die eine Arbeit als befriedigend erscheinenlässt, verändern sich: zweitrangige Elemente wie z.B. die Möglichkeitzu reisen kann gegenüber den Aspekten, die stärker mitder Tätigkeit zu tun haben, in den Vordergrund treten. Es gibt aberauch eine Gruppe Jugendlicher, die den Stellenwert von Berufstätigkeitdiametral anders sehen: als reines Mittel, um den Lebensunterhaltzu bestreiten. Dies scheint jedoch, aus der Sicht einerbefragten Psychologin, weniger das Produkt eigener Reflexion alsvielmehr Ausdruck einer gesellschaftlichen Konstante zu sein.... Sembra non essere frutto di una riflessione propria ma èpiuttosto il trasferimento di un modello errato, ben presentenella nostra società, ovvero dell'equazione tanti soldi uguale atanto potere da un lato e i soldi possono essere guadagnati inmodo facile dall'altro.Psychologin der BerufsberatungEs gibt also junge Leute, die sehr wenig Motivation haben, und esgibt auch die Hochmotivierten mit entsprechenden Erwartungenan ihren Beruf und ihre Tätigkeit. Eine Konstante glauben die Befragtenaber zu sehen: Arbeit als der zentrale Lebensinhalt scheinteine Haltung zu sein, die tendenziell abnimmt, und entweder nebensächlichwird oder aber wichtig bleibt, aber eben nur unter bestimmtenVoraussetzungen und nicht um jeden Preis – wenn sieMöglichkeiten zur Selbstverwirklichung bietet, wenn sie sinnvollist, wenn sie Befriedigung gibt. Neben der Arbeit gibt es auch anderes:Freizeit, Freunde, Beziehungen usw.9.2.3 Jugendliche vor der Berufswahl9.2.3.1 Interessen und Präferenzen bei derBerufswahlDie Jugendlichen sollten sich durch die derzeitige Krisenstimmungnicht zu stark beeinflussen lassen. In Südtirol bestünden für gutausgebildete und motivierte Jugendliche immer noch sehr guteEinstiegschancen. Sie sollten sich in der Wirtschafts- und Arbeitsweltbreit umschauen und auch im Ausland Erfahrungen sammeln.Man sollte generell mit der Angstmache aufhören, man redetdamit nur die Krise herbei, verursacht überflüssige Ängste. Ju-

98 Jugendliche vor der Berufswahlgendliche können ihre Jobsuche meistens selbst gut bewältigen.Vertreter eines UnternehmerverbandsJugendliche, die schon in der Oberschule ein Schuljahr im Auslandverbracht haben oder während des Studiums ein Erasmus-Jahrgemacht haben, hätten eine ganz andere Offenheit aufzuweisen,sodass nicht nur der lokale Arbeitsmarkt in Betracht gezogenwird. Andererseits sind Südtiroler auch stark mit dem Landverbunden: wenn hier gute Arbeitsplätze geboten werden, kämendie jungen Fachkräfte auch gerne wieder zurück. Somit seien Jugendlichegut beraten, wenn sie sich während der schulfreien Bildungszeitneugierig, weltoffen und vielfältig in der WirtschaftsundArbeitswelt umschauen und dort möglichst viele Erfahrungensammeln. Dann wird die Orientierung für die immer längere Lebensarbeitszeitleichter und unbekümmerter.Schrauben die Jugendlichen ihre Erwartungen zunehmend zurück,weil die Arbeitsmarktlage in Südtirol wie anderswo schwierigergeworden ist? Nein, so groß sei die Krise nicht. Nur in einzelnenSektoren seien Engpässe spürbar. Viele Jugendliche werden vonzuhause unterstützt und spüren nicht den Druck, dass sie sofort indie Erwerbstätigkeit einsteigen müssten.In den Gesprächen wurde zudem die Frage thematisiert, inwieweitsich die Präferenzen bei der Berufswahl unter Jugendlichen in denletzten 20 Jahren geändert hätten. Nach wie vor seien die Interessender Eltern bei der Berufswahl stark präsent, die ihre Kinder indie gewünschte Richtung drängen wollen, vor allem mit Blick aufdie Übernahme des elterlichen Betriebs. Jugendliche hätten in dieserKonstellation zu wenig Spielraum, ihre Begabungen zu testenund zu erfahren. Vor allem bei der Landbevölkerung sei noch einstarres Muster von Berufskarriere zu beobachten:In den Tälern herrscht oft ein zu starres Muster vor: mit 19-20steigt man in den elterlichen Betrieb ein, baut sich mit langfristigenKrediten ein Haus oder kauft eine Wohnung. Damit verschließtman sich dann die Möglichkeit einer langfristigen Auslandserfahrung.Vertreterin einer JugendorganisationGuten Einkommenschancen als Motivation für die Berufswahl seinach wie vor stark verbreitet. Aber auch die Entfaltung in der Arbeit,die Stabilität des Arbeitsplatzes und das Prestige des Unternehmensseien wichtige Kriterien für die Berufswahlentscheidung.Die Familien interessiert aber bei der Berufswahl primär das sozialeUmfeld und Prestige eines Berufs, nicht so sehr der Arbeitsmarkt.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 99Eine kleinere Gruppe von Jugendlichen entwickle schon in derOberschule bzw. in der Berufsschule detaillierte Vorstellungen vonder späteren Berufstätigkeit mit besonderen Ausbildungswegen,um nicht zu sagen ein Lebensprojekt.Höchstens 1/3 will weiter studieren, 1/3 strebt sicher einen Berufseinstiegschon mit 19 oder 20 an. 1/3 wissen nicht, was sienach der Matura tun werden. Ich würde vorschlagen, mit 18 dieMatura zu machen als europäischer Standard, nach der Maturakönnte dann ein Jahr Berufsorientierung erfolgen in verschiedenerForm.OberschuldirektorAusländische Eltern hätten dagegen schon aufgrund ihrer Einkommenssituationher ein großes Interesse, ihre Kinder möglichstrasch in die Arbeitswelt einzugliedern.9.2.3.2 Unterstützung bei der BerufswahlDurch wen erfahren Jugendliche heute Unterstützung bei der Berufswahl?Oberschüler haben angesichts der breiten Palette anMöglichkeiten zur weiterführenden Ausbildung einen gewachsenenBedarf an Unterstützung und Orientierung. Viele Maturantenwüssten auch nach bestandener Prüfung noch nicht, wie sie ihreAusbildung fortsetzen sollen. Umso wichtiger sei die fachkundigeUnterstützung und Begleitung bei der Berufswahl vor und nach derMatura.Die Wahl der Oberschule nach Abschluss der Mittelschule nähmen– laut Experten – meistens die Eltern vor, die ihre Kinder unterstützen,aber auch Druck ausübten. Weit schwieriger sei dieWahl des Bildungswegs nach der Matura, weil sich die Ausbildungs-und Berufswelt beträchtlich verändert habe und Elterneinen ganz unterschiedlichen Bildungs- und Informationsgrad aufweisen.Somit benötigen auch Eltern vermehrt Unterstützungdurch professionelle Berater.Die zweitwichtigste Rolle bei der Berufswahlentscheidung, so dieBefragten, spiele die Peer-group, die Freunde und Kollegen, wasmit gewissen Risiken verbunden sei.Doch viele hängen sich zu stark an die peers und schätzen ihrPotenzial zu eng ein. Viele sitzen bloß Tendenzen und Modeerscheinungenauf. Dann kommt es auch verstärkt zu Konfliktenmit den Eltern bezüglich der Berufswahl.BerufsberaterinIm Alter von 14 oder 15 seien die peers jedoch nicht in der Lage,eine gut informierte und hinterfragte Berufswahl zu unterstützen,vielmehr würden dadurch Modetendenzen verstärkt und nach

100 Jugendliche vor der BerufswahlGruppendynamik entschieden. Eltern und Familie prägten stark,doch am meisten Gewicht habe derzeit die peer-group.Die Berufsberatung habe eine entscheidende Rolle in der rationalenEntscheidung zur Berufswahl zu spielen. Je besser die Kenntnisseder realen Berufswelt, desto überlegter die Entscheidungvon Eltern und betroffenen Jugendlichen. Die Berufswahl werdeumso bewusster getroffen, je mehr die Jugendlichen die Arbeitsweltkennen, Arbeitserfahrungen gemacht und die Berufspraxis erlebthätten. Gerade deshalb seien die Praktikumsmöglichkeitenwährend der Schulzeit auszubauen. Zusätzliche Anstrengungenseien erforderlich, Jugendliche während ihrer Schulzeit mehr undintensiver mit der Arbeitswelt in Kontakt zubringen.Betriebspraktika sind eine gute Möglichkeit für junge Menschen,Arbeitserfahrung zu sammeln. Insgesamt sollte die praktischeErfahrung in sämtlichen Oberschulen mehr gefördertwerden. Sinnvoll wären bereits, Aktionstage in den Mittelschulenanzubieten. Jugendliche der Mittelschulen dürfen einen Tagin einem Betrieb ihrer Wahl verbringen, wobei ihnen jeweils einTutor zur Seite gestellt wird. Die Jugendlichen sollten dabei dieMöglichkeit haben, mindestens 3 Betriebe im Laufe einesSchuljahres kennen zu lernen. Dies kann den Jugendlichenauch bei ihrer Berufswahl behilflich sein.Bildungsplaner der des BerufsschulwesensEine bewusste Berufswahl sei ein längerer Prozess – so die Befragten– und könne nicht punktuell erfolgen, sondern müsse längerfristigangelegt und durch die zuständigen Stellen und Expertenbegleitet werden. So wichtig die Informationsveranstaltungen zumStudien- und Berufsangebot am Ende der Oberschule auch seien,so nötig sei die längerfristige oder mehrfache Beratung währendder Ausbildung. Jugendliche begreifen heute zu wenig, wie wichtigdie Spezialisierung in der Berufsausbildung ist. Diesen Bedarfkönne die Berufsberatung aus strukturellen Gründen nicht abdecken,da die Ressourcen dafür nicht ausreichen.In der Berufsberatung gäbe es andererseits auch viele neue, interessanteAnsätze und Instrumente, wie z.B. den Orientierungskoffer,die Berufsmesse, die Angebote der mit der Berufsberatung beauftragtenLehrpersonen.Mehrfach wurde betont, dass es beides brauche: reflektierte Einschätzungen,was einem Jugendlichen liegt zum einen und einewirklichkeitsnahe Einschätzung, welche Berufe eine gute Zukunfthaben zum anderen. Arbeitsmarktperspektiven könnten aber beider Wahl der Oberschule keine große Rolle spielen, da längerfristigeEntwicklungen nicht genau vorhersehbar seien. Im Allgemeinenwerde der Arbeitsmarkt bei der Berufswahl kaum berücksich-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 101tigt, weil weder Eltern noch Lehrpersonen noch Gleichaltrige überdie Verhältnisse am Arbeitsmarkt im Detail informiert seien.Viele Jugendliche können die Lage auf dem Arbeitsmarkt nichteinschätzen, aber auch die Eltern nicht. Es stellt sich die Frage,ob die Lage auf dem Arbeitsmarkt für den Augenblick des Berufseintritts4-5 Jahre später überhaupt absehbar ist.BerufsberaterinAnhaltspunkte für die Arbeitsmarktentwicklung böten Untersuchungenzu Mangelberufen und freien Stellen. In diesem Sinnewerden technisch-naturwissenschaftliche Ausbildungswege seitJahren stärker beworben, doch bis dato mit geringen Wirkungen.Bei der Einschätzung des Arbeitsmarktes spiele auch der in Betrachtgezogene geografische Radius eine gewichtige Rolle. VieleJugendliche wählen Studiengänge, für die kaum Arbeitsplätze inSüdtirol bestehen; andere begrenzen ihren beruflichen Horizontsogar auf den eigenen Bezirk oder gar die Gemeinde.Insgesamt würde bei der Berufsberatung primär auf Interessenund Neigungen der Jugendlichen abgestellt, aber nur sekundär aufdie Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt, die sich zu rasch ändere,um verlässliche Aussagen treffen zu können. Jugendliche stündenheute vor einer Vielfalt von Möglichkeiten, müssten sich mühsamorientieren und auch rechtzeitig entscheiden. Bei der Ausbildungswahlgäbe es Unterstützung von verschiedener Seite, weit wenigerjedoch beim Berufseinstieg. Es fehlten spezifische Beratungsangebotefür Berufseinsteiger, so die Vertreter von Jugendorganisationen.Die Kenntnis der Arbeitswelt könnte am besten über konkrete Arbeitserfahrungenim jeweiligen Betrieb vermittelt werden. Leiderkönnen viele Jugendliche bis zur Matura keinerlei derartige Erfahrungensammeln. Dies trage dann dazu bei, dass man kaum klareIdeen bezüglich des künftigen Berufs habe. Mehr Praktika zurKenntnis der Berufswelt seien unbedingt nötig. Die Lehrer könntenauch Eltern jeweils für 1-2 Stunden in die Schule einladen, umüber ihren Beruf zu sprechen. Mehr Praktika vor der Matura werdenwiederholt von den Experten angesprochen.Verbesserungen zur Förderung einer bewussten Berufswahlsollten vor allem bei einem engeren Kontakt und Austauschzwischen den Unternehmen, der Berufswelt und den Schulenansetzen. Zusätzliche Möglichkeiten zur Arbeitserfahrung, Praktikawährend der Schulzeit müssen ausgebaut werden, z.B. Unternehmensbesuchean Nachmittagen, Besuche bei besonderenBerufen, Besuche von Experten an der Schule. Die Jugend-

102 Jugendliche vor der Berufswahllichen sollen 2-3 Wochen hineinschnuppern können, auch dieJugendzentren können sich hier einbringen.Mitarbeiterin eines JugendzentrumsDie Schüler sollten jedenfalls weitere Möglichkeiten in RichtungArbeitswelt erhalten, auch während des Schuljahrs in Form vonPraktika, nicht nur Sommerjobs. Dies wird erst im Schuljahr2013/14 greifen. Wir haben auch einen Berufsorientierungskoffer,wo Universitäten dabei sind, Berufsberatung, AFI, WIFO,Materialien für Schüler hinsichtlich der Berufsorientierung.Praktika müssen auch vor- und nachbereitet werden. Viel Materialist vorhanden und die Lehrpersonen können sich frei bedienen.Direktorin Amt für Berufsberatung9.2.4 Die BerufsberatungDie Mehrheit der befragten Akteure äußerte sich sehr positiv zumbestehenden Angebot der Berufsberatung in Südtirol. Es gebeeine Fülle von Materialien, Schulbesuchen, Einzelberatungen, Datenbanken,Präsentationen, eine Bildungsmesse und die Zusammenarbeitmit den Wirtschaftsverbänden, Unternehmen, mitSchulamt und den Schulen. Die Berufsberater/innen organisierenauch Betriebsbesichtigungen, um die Arbeitswelt zu studieren,doch stehe die psychopädagogische Aufgabe der Ermittlung vonNeigungen, Fähigkeiten und Interessen der Jugendlichen im Zentrumihrer Tätigkeit.Mit dem Ansteigen der Jugendarbeitslosigkeit gewännen aberauch die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und der Arbeitsweltallgemein an Gewicht:(...) In der Beratung ist der Teil der Interessen, der Werte, derNeigung, der Fähigkeiten immer noch ein wesentlicher Bestandteiljeder Berufsberatung, aber der Druck, uns wirklichmehr mit der aktuellen Beschäftigungssituation, den Perspektivenvon Berufen auseinanderzusetzen, ist eindeutig gestiegen,seit die Arbeitslosigkeit steigt.BerufsberaterinDie Berufsberatung habe diesbezüglich aber strukturelle Grenzen.Man komme mit 15 in die Berufsberatung, so eine Mitarbeiterindes Dienstes, steige aber erst mit 25 in die Arbeitswelt ein. 10 Jahredanach schaue es in der Arbeitswelt vielleicht ganz anders aus.Man dürfe von der Berufsberatung nicht verlangen, Arbeitsvermittlungzu betreiben, was sie nicht leisten könne.Der Anspruch und die Erwartungen an die Berufsberatung sindinsgesamt hoch. Der Beruf ist nicht nur eine Tätigkeit, sondern

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 103auch ein Anspruch ist da, mit dem eigenen Beruf „glücklich“ zuwerden. Es geht also in erster Linie darum, Neigungen zu erkennen,und das sei schon schwer genug. Ein Fragebogen allein genügenicht, man dürfe nicht in ein Studienfach „hineingeschobenwerden“. Insgesamt besteht aus der Sicht der Beratungsinstanzenheute ein ausreichendes Angebot an Beratung und Unterstützung.Die Jugendlichen könnten heute aber nur punktuell erreicht werden.Sie hat bei weitem nicht dieselben Möglichkeiten, auf Jugendlicheeinzuwirken wie beispielsweise die Schule. ProfessionelleBerufsberatung mit einem gut verzweigten Netz von Beratern/innenund den heutigen medialen Mitteln reicht aber nicht,meinen die Befragten, denn in den (Ober)-Schulen müsste einekontinuierliche Auseinandersetzung mit der Berufswelt und Berufswahlerfolgen. Während mittlerweile fast alle Mittelschulensehr aktiv sind, um den Prozess der Schul- und Berufswahl zu begleiten,könnte in der Oberstufe noch viel mehr getan werden, umdie Schüler auf die zukünftige Berufs- oder Studienwahl einzustimmen.Immer wieder wird von den Experten und Akteurinnen mehrPraxisnähe in den Oberschulen gefordert, z.B. in Form vonSchnupperpraktika. In diesem Sinne sollten Schüler in bestimmtenFirmen, großen Betrieben, oder auch im Gesundheitsbereich dieMöglichkeit haben, eine Woche oder 14 Tage hineinzuschnuppern,um zu sehen, wie das im Berufsleben konkret abläuft. Hier wirdmehr Offenheit von Seiten der Betriebe gefordert. Begrüßt werdendie zweiwöchigen Praktika der Schüler der Gymnasien.Die Berufsberatung bietet nicht nur Gespräche mit der Berufsberaterin,sondern auch Workshops zur Selbstreflexion und Selbstexploration.Die Schulreform fördert das, um alle Fähigkeiten derSchüler zu beobachten. Jede Lehrperson muss jetzt sechs Kompetenzenerfassen. Auch in der Selbsteinschätzung müssen dieSchüler dazulernen, was in der Oberstufe erfolge. Der Kompetenzenpass,ein ESF-Projekt, sei ursprünglich für Erwachsene entwickeltworden, und helfe den Jugendlichen, sich selbst einzuschätzen.Der Kompetenzenpass war ein guter Ansatz: besser Bescheidwissen über die eigenen Neigungen, Interessen und Fähigkeiten.Doch das muss durch eigene Erfahrungen erprobt und geprüftwerden, denn Vorstellungen und Wirklichkeit weichenauch voneinander ab.Schulinspektorin

104 Arbeitssuche und Arbeitsvermittlung9.2.5 Arbeitssuche und Arbeitsvermittlung9.2.5.1 Ressourcen und Instrumente bei derArbeitssucheUnabhängig von den institutionellen Möglichkeiten der Arbeitsvermittlungmerken mehrere befragte Akteure an, dass es in Südtirolunter den jungen Arbeitsuchenden noch keine professionelle Bewerbungskulturwie in Deutschland und Österreich gäbe.Die deutschsprachigen Schüler wissen, im Unterschied zu denItalienern, sehr genau, wie ein CV abzufassen und ein Bewerbungsgesprächzu führen ist. Hier gibt´s Nachholbedarf vor allemunter den Italienern. Im Vergleich zu Italien sind die Arbeitsämterin Deutschland organisatorisch viel besser aufgestellt.Die Deutschsprachigen haben eine eigene Bewerbungskultur,die Arbeitsagenturen arbeiten gut. Man verwendet meist deneuropäischen Lebenslauf, ein sehr minutiöser Rahmen. Dieserwird auch unter den Südtirolern nicht häufig verwendet.ArbeitsvermittlerDie Jugendlichen setzen bei der Arbeitssuche – so die Befragten –auf verschiedene Kanäle. Die wichtigsten sind das soziale Umfeld(Familie, Verwandte, Freunde, Kollegen), das Internet und andereMedien und direkte Kontakte mit Unternehmen.Die Verbandsexperten betonen die Notwendigkeit, dass Jugendlichedie betriebliche Realität besser kennen lernen. Viele Jugendlichewüssten über den Betrieb, bei dem sie sich bewerben, nichtausreichend Bescheid. Andererseits haben viele Kleinbetriebeeinen Aufholbedarf bei ihren Netzauftritten. Man arbeite z.B. beiStellenausschreibungen mit Schlagworten wie Teamfähigkeit, Flexibilität,Mehrsprachigkeit, während die Realität im Betrieb ganzanders beschaffen sei.Die Arbeitsbörse des Landes werde, so die Experten aus dem BereichArbeitsvermittlung, von Jugendlichen stark genutzt, undetwa 90% der Unternehmen nutzten sie auch für die Personalsuche.Bis zu 50 Bewerbungen pro online angebotener Stelle seienzu verzeichnen. Jugendliche, die neu in den Arbeitsmarkt einsteigen,wenden sich kaum an das Arbeitsamt, während junge Arbeitslosevon den Arbeitsämtern weit öfter betreut werden.Zu wenig bekannt sei, dass das Arbeitsamt auch Berufspraktika (tirocini)und Sommerpraktika vermittle, womit die Jugendlichen dieArbeitswelt besser lernen könnten.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 105Als Arbeitsamt vermitteln wir auch viele Berufspraktika, womitdie Jugendlichen die Arbeitswelt besser kennen lernen können.Die Arbeitsämter haben aber keinen eigenen Jugendservice.Wer sich in die Arbeitslosenliste einträgt, tut dies meist, um dieArbeitslosenhilfe in Anspruch zu nehmen. Dieses Recht habendie Jugendlichen noch gar nicht angereift.ArbeitsvermittlerinJunge Arbeitsuchende sollen zur aktiven Suche motiviert werden.Die Arbeitsämter verfügten über Kontakte zu Firmen sowie auchüber Personaldatenbanken von Unternehmen, doch der allgemeineZeitdruck der beschäftigten Vermittler/innen erlaube keine flächendeckendeStellensuche. Jedenfalls könnten Jugendlichen Arbeitsplätzeangeboten werden, von deren Existenz sie sonst nichterfahren hätten.Bei den privaten Personal- und Arbeitsvermittlungsagenturen bestehteine Spezialisierung: zum einen die Agenturen, die qualifizierteStellen im mittleren und oberen Segment vermitteln, zumanderen die Leiharbeitsagenturen, die sich auf diese Vertragsformkonzentrieren und vorwiegend Stellen in der Industrie und in denDienstleistungen vermittelt. Leiharbeit diene für die Unternehmenoft auch als Probezeit für Personen, die später mit unbefristetemVertrag übernommen werden sollen.Die Unternehmen wenden sich an private Agenturen, wenn sienicht selbst die Bewerbung und Personalauswahl vornehmenwollen. Hier geht es um qualifizierte Stellen im mittleren undoberen Segment. Im Gastgewerbe gibt es eigene Vermittlungskanäle,vor allem über die Tageszeitungen und den direktenKontakt zwischen Betrieb und Interessierten (...).Vertreter einer privaten ArbeitsvermittlungsagenturGrundsätzlich wenden sich die privaten Agenturen nicht an Minderjährige,da keine Lehrstellen vermittelt werden, sondern meistArbeitsverträge mit befristeter Dauer für relativ gering qualifizierteArbeitsplätze.Die privaten Vermittlungsagenturen befassen sich vornehmlichmit Leiharbeit. Qualifizierte Personen suchen kaum Leiharbeit.Wir vermitteln primär an Industriebetriebe, Dienstleistungensind kaum vertreten, mit Ausnahme von Pflegehelfern undKrankenpflegern und Reinigungsdienste.Vertreter einer privaten Arbeitsvermittlungsagentur.9.2.5.2 Rollenverteilung bei der ArbeitsvermittlungDie Rollenverteilung zwischen öffentlichen und privaten Arbeitsvermittlernwurde in den Gesprächen mehrfach thematisiert:

106 Arbeitssuche und ArbeitsvermittlungIn Südtirol gibt es heute eine relativ hohe Dichte an Leiharbeitsagenturen,die noch zu wenig genutzt werden, die auch untersich nicht koordiniert sind. Es wäre eine Zusammenarbeit vonprivaten und öffentlichen Stellen erforderlich, die aber nicht erfolgt,weil die öffentliche Arbeitsvermittlung die Privaten nichtauf Augenhöhe betrachtet. Die Arbeitsämter funktionieren zubürokratisch, ohne aktive Vermittlungsbemühung.Vertreter einer privaten ArbeitsvermittlungsagenturIn den Expertengesprächen sind konträre Meinungen zur Rollenverteilungzwischen privaten oder öffentlichen Arbeitsvermittlungsdienstenartikuliert worden, je nach Zugehörigkeit der befragtenzu einem der zwei Bereiche. Die öffentlichen Arbeitsämter befasstensich aus der Sicht der privaten Vermittler und Verbandsvertreternur mit der bürokratischen Abwicklung der Vermittlung.Öffentliche Ämter seien nicht in der Lage, einen aktiven Vermittlungsdienstzu betreiben. Man müsse die Rolle der öffentlichen Arbeitsämterinsgesamt überdenken, wird von verschiedenen Akteurenangemahnt. Die konkrete Arbeitssuche vor allem der Jugendlichenverlaufe heute über andere Kanäle, einschließlich der in Südtirolheute zugelassenen privaten Arbeitsagenturen (derzeitsieben). Die Verantwortlichen der öffentlichen Arbeitsvermittlungbeklagen, dass es einfach zu wenig Vermittlungsbeamte gebe. InBozen arbeiten neun Beamte für 4.000 Eingetragene. Somit darfein Beratungsgespräch im Durchschnitt höchstens 15 Minuten betragen.Dies sei derzeit der größte Mangel. Der geringe Personalstandführe zu geringen zeitlichen Spielräumen. Kleinere Ämter inder Peripherie hätten mehr Personal und ausreichend Zeit für dieeinzelnen Arbeitsuchenden.Die Vermittler haben im Durchschnitt zu wenig Zeit, weil unserPersonalstand zu gering ist. Ideal als Personalstand wäre einSchlüssel von 1:150, doch haben wir Spitzen von 1 Beamten für600 Klienten. So kann das Beratungsgespräch maximal 15 Minutendauern, dies reicht nicht aus. In Bozen haben wir bei einerVollzeiteinheit 580 Klienten, mit einem Gespräch alle dreiMonate.Direktor der ArbeitsvermittlungDie Arbeitsämter kennen deshalb die einzelnen Unternehmen zuwenig und könnten aus Zeitgründen nicht gezielt beraten und vermitteln.Auch die Firmen selbst wenden sich selten an die Arbeitsämter,weil sie sich nur geringen Erfolg versprechen. Andererseitssenden die öffentlichen Ämter viele ihrer Kunden zu den Leiharbeitsagenturen.Bezüglich der Vermittlung von Jugendlichen gebe es eine gute Zusammenarbeitmit der Berufsberatung. Es gebe jedenfalls ein gu-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 107tes Netzwerk an öffentlichen Stellen und auch die Zusammenarbeitmit den Eltern funktioniere gut.Einige Befragten aus den privaten Agenturen gehen noch weiterund fordern die Privatisierung der gesamten Arbeitsvermittlung.Private Agenturen vermitteln dann aufgrund der tatsächlichenKompetenzen der Kunden, wobei das Gewinninteresse die Haupttriebfederfür ein nachhaltiges Engagement sei, die Leute auf demArbeitsmarkt unterzubringen. Die Arbeitsbörse des Landes sei einrecht brauchbares Instrument, doch das Instrument der Arbeitsämtermüsse noch wesentlich ausgeweitet werden.9.2.5.3 QualifikationenFür Unternehmen zählten bei der Personalauswahl nicht nur diefachliche Qualifikation, sondern auch Sozialkompetenz, einschlägigeBerufserfahrungen, soziales Engagement im Freiwilligenbereich,Entscheidungskompetenz, Auslandserfahrungen. Aus solchenQualitäten lesen Personalchefs die Flexibilität und Mobilität,Belastbarkeit und Motivation heraus. Hilfreich bei der Arbeitssucheist auch die gekonnte Selbstpräsentation, die z.B. in den Wirtschaftsfachoberschulenim Rahmen der Übungsfirma trainiert werde.Firmen, die junge Mitarbeiter aussuchen, schauen zunehmendmehr auf den Aspekt der außerschulischen Erfahrungen. Weileben Fachkenntnisse gelernt werden können, (...), kann der Betriebdann auch selber einbringen, aber Qualifikationen wie Entscheidungskompetenzen,Sozialkompetenzen, Führungsaufgabenkönnen/müssen erfahren werden und können nicht gelerntwerden. Ganz gleich ob beim Weißen Kreuz, bei der Feuerwehroder bei einer Jugendorganisation: junge Leute, die ehrenamtlicheMitarbeiter/Innen sind, lernen Dinge, die eigentlich niemandanderes in dieser Form anbieten kann.Vertreterin eines UnternehmerverbandsItalienischsprachige Befragte merken an, dass vielen italienischenJugendlichen immer noch gute Deutschkenntnisse fehlten.Wenn ein junger Italiener ohne großartige Deutschkenntnisseund nach 5-6 Jahren Studium in einer italienischen Stadt nachSüdtirol zurückkehrt, findet er schwerlich Anschluss zu professionellenDeutschkenntnissen. Jemand könnte dann beruflichauf hohem Niveau einsteigen, bringt aber einfach die oft geforderteZweisprachigkeit nicht mit. Man setzt sich dann wiederab oder sucht eine Nische, wo das Deutsch nicht gefordertwird. Systematisch mit 27 oder 28 Jahren Deutsch zu lernen,das tun sich nicht viele an.Vertreter einer privaten Arbeitsvermittlungsagentur

108 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes9.2.6 Die Entwicklung des Arbeitsmarktes9.2.6.1 Probleme beim Einstieg in denArbeitsmarkt in SüdtirolDie aktuelle Situation der Jugendlichen auf dem Südtiroler Arbeitsmarktwird von den befragten Akteurinnen im Allgemeinenals noch nicht so kritisch eingestuft. Einerseits seien befristete Arbeitsverhältnissewie Projektarbeit in den ersten Arbeitsjahren zumutbar,doch würden Jugendliche durchschnittlich zu lange zu befristetenArbeitsverträgen gezwungen. Immer wieder werden dieNachteile dieser Anstellungsformen angesprochen:Projektarbeit reiht sich an Projektarbeit, jetzt ist zumindest einhöheres Zeitintervall eingefügt worden. Die Arbeitsmöglichkeitist zwar positiv, aber soziale Folgen sind schlimm. Die Jugendlichensehen diese Folgen nicht auf dem Gehaltszettel. Sie wissennicht, dass sie kaum Sozialbeiträge einzahlen, und dadurchkaum Rentenbeiträge ansammeln. Sie riskieren eine Generationder Altersarmut zu werden. Sind komplett unterversichert,die Pensionskassen sind leer und die Zusatzversicherung reichtauch nicht.Vertreterin eines SozialverbandsDie jungen Arbeitnehmer könnten auf diese Weise keine kontinuierlicheErfahrung und Spezialisierung aufbauen, keine Lebensplanungangehen (z.B. Wohnungskauf und Familiengründung). Diegeringe Einzahlung von Sozialbeiträgen führe zu einer permanentenUnterversicherung. Auch die neuen Formen höherer Lehre seienbefristete Arbeitsverträge ohne den für Normalarbeitsverträgegeltenden Kollektivvertragslohn. Die Projektverträge sind zwardurch die Regierung Monti erschwert worden (ab 2018 bei Sozialbeiträgenden normalen Verträgen gleichgestellt), doch nach wievor gebe es Dutzende von Formen. Beim INPS Bozen sind derzeitin Südtirol 13.000 „Positionen“ atypischer Arbeitsverhältnisse registriert,die nicht gleich vielen Personen entsprächen.Die Anpassungsleistungen, die Jugendliche beim Einstieg in dasArbeitsleben erbringen müssen, hängten eng von der erworbenenAusbildung ab. Nach der allgemeinbildenden Ober- und Hochschulemit Grundlagenausbildung müssten sich viele erst Fachwissenund berufspraktische Kenntnisse aneignen. Auch bei handwerklichenBerufen werde es zukünftig immer mehr Berufsbildergeben, die sich überschneiden, oder die verschiedene Tätigkeitenunterschiedlich bündeln. In Zeiten der Krise könne man nicht reinerSchlosser bleiben, sondern müsse eine hohe Flexibilität aufbringen.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 109Flexibilität im heutigen Kontext bedeute oft, so einige Befragten,ein prekäres Arbeitsverhältnis zu akzeptieren. Sinn dieser befristetenArbeitsverhältnisse sei es auch, den Unternehmen eine Probephaseund den Jugendlichen ein Hineinschnuppern in verschiedeneBerufe zu erlauben. Der Einstiegsvertrag könne nicht dieselbenBedingungen vorgeben wie jener eines qualifizierten langjährigenMitarbeiters. Für einige Jahre sei dies kein Problem, wenn zumindestdanach eine fixe Anstellung winke. Doch manche Jugendlicheverblieben auf Dauer in dieser Phase und könnten kaum Lebensprojekteverwirklichen wie etwa Familiengründung und Wohnungskauf.In der Einstiegsphase müssen Jugendliche immer längere Zeitmit befristeten Arbeitsverhältnissen arbeiten. Der Einstiegsvertragkann nicht dieselben Bedingungen vorgeben wie jener einesqualifizierten langjährigen Mitarbeiters. Unternehmen wolleneine möglichst lange Probezeit als Beobachtungsphase,also Befristung spielt eine wesentliche Rolle. Flexibilität bereichert.Ich würde mich schwer tun, jemanden aufzunehmen, der28 Jahre für den selben Arbeitgeber gearbeitet hat.Mitarbeiter der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleDie Jugendlichen müssten auf dem lokalen Arbeitsmarkt für einestabile Anstellung im Vergleich zur Elterngeneration eine höhereQualifikation erwerben. Auch mit einer Matura könne man zukünftignicht mehr so direkt in einen Beruf einsteigen. Studientitel hättennur dann einen Wert, wenn sie von Unternehmen anerkanntwerden. Wenn Qualifikationen mangelhaft und Abschlussdiplomezweifelhaft sind, werden die Unternehmen skeptisch und jugendlicheBewerber gezwungen, lange Sucharbeitslosigkeit in Kauf zunehmen.Derzeit bestehe unter jungen Menschen in Südtirol noch zu wenigBereitschaft, bei neuen Arbeitsangeboten auch an den Arbeitsortzu ziehen. Genauso wenig sei man bereit, außerhalb des LandesArbeit zu suchen. Sprachenkenntnis, Lernbereitschaft, Demut, Flexibilitätund Mobilität seien gefragte „Tugenden“ des jungen Arbeitnehmers.Es sei auf jeden Fall wichtig, früh sinnvolle Arbeitserfahrungenzu sammeln, etwa im Rahmen von Praktika. Hier müsstenauch die Betriebe mehr Möglichkeiten anbieten. Südtirol nutzedarüber hinaus seinen Vorteil der Brückenfunktion zwischen demdeutsch- und italienischsprachigen Raum noch zu wenig, umhochwertige Arbeitsplätze zu schaffen.Auch in der Arbeitsmarktpolitik könnten Verbesserungen eingebautwerden, etwa nach dem Modell der Provinz Trient:Die Arbeitsagentur nach dem Trentiner Muster wäre optimal,ein Zentrum für alle Maßnahmen der beruflichen Weiterbil-

110 Die Entwicklung des Arbeitsmarktesdung, Umschulung und aktiven Arbeitsmarktpolitik. Derzeitdringen zu den Familien nicht genügend Informationen zum Arbeitsmarktdurch und jene, die verbreitet werden, erläuternnicht ausreichend die Charakteristiken und Besonderheiten jederRichtung.GewerkschafterMehrere Vertreter der Unternehmerverbände forderten auch einedezidierte Förderung der Unternehmerinitiative unter den jugendlichenBerufseinsteigern:Unternehmertum ist gefragt: Freiberufler und Bürogemeinschaften,neue Selbstständigkeit, Risiken übernehmen.Schlimm ist, zu glauben, sich aufgrund von Beziehungen in eingemachtes Nest setzen zu können und den Weg des geringstenWiderstands gehen zu können oder nur auf den nächsten öffentlichenWettbewerb zu warten.Vertreter eines Unternehmerverbands9.2.6.2 Entspannung durch geburtenärmereJahrgänge?Die heutigen Jahrgänge von 1990 aufwärts sind zahlenmäßig nurmehr halb so stark wie die heute 50jährigen (ASTAT 2012b, 73).Die neuen Renteneintrittsregelungen werden zwar erst zum Teilangewandt, veranlassen aber anscheinend viele ältere Arbeitnehmer,im Arbeitsprozess zu bleiben. Weniger Jugendliche treten aufden Arbeitsmarkt, aber der lokale Arbeitsmarkt ist Teil der EU unddamit offen, die Einheimischen hätten damit im Wettbewerb mitden übrigen EU-Bürgern/innen zu bestehen. Also drei Faktoren:abnehmende Jahrgangsstärke bei den jungen Jahrgängen, späterePensionierung bei den älteren, und dazu der freie Personenverkehrin der EU.Die demografische Entwicklung habe laut Experten einen positivenund einen negativen Effekt: 29 positiv, weil sie durch geburtenschwächereJahrgänge etwas Entspannung auf dem Arbeitsmarktschaffe. Auf der anderen Seite müsse berücksichtigt werden, dassArbeitnehmer immer später aus dem Arbeitsmarkt aussteigen,weil im Zuge der Pensionsreformen das Renteneintrittsalter erhöhtwird. Die Rentenreform hat ein höheres Renteneintrittsalter, geringereRentenbeiträge und die Abschaffung der Dienstaltersrentemit sich gebracht. Damit wird der generationsmäßige Austauschvon Arbeitskräften verzögert und aufgeschoben, was die Jugend-29Bis 2020 sinkt der Anteil der Bevölkerung zwischen 15-64 Jahren an der Gesamtbevölkerung inSüdtirol allerdings kaum,sondern verharrt auf rund 65%. Erst für 2040/41 wird ein Absinken aufrund 56% prognostiziert. Vgl. AFI-IPL (Alena Wotka), newsletter 36, Südtirol 2050: DemografischerWandel und Auswirkungen auf die Arbeitswelt, 29.6.2012

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 111arbeitslosigkeit erhöht. Wenn mittelfristig die geburtenstarkenJahrgänge in Rente gehen, sei das für die heutigen Studienanfängernicht sehr relevant. In 5-10 Jahren könnte tatsächlich eine Entspannungauf dem Arbeitsmarkt eintreten, aber man wisse janicht, so Experten, ob das Pensionsalter noch höher hinauf geschraubtwerde.Auf der anderen Seite entstünden durch das Heranwachsen dergeburtenstarken Jahrgänge in die Klasse der pensionierbarenJahrgänge andere Gefahren für das heutige Sozialsicherungssystem.Wenn die geburtenstarken Jahrgänge mit einer Stärke vonetwa 9.000 Personen in Rente gehen und in der Erwerbstätigkeitnur 5.000 Personen als Jahrgangsstärke nachkommen, dann fehleGeld in den Rentenkassen. Der Markt werde aber durch Zuwanderungzu einem neuen Ausgleich finden. Wenn die Arbeitnehmer imGebiet nicht mehr zu finden sind, wird das fehlende Angebotdurch Zuwanderung kompensiert. Diese Zuwanderer zahlen wiederin die Rentenkasse ein und das System könne sich stabilisieren,was bereits im Gange ist.Weniger Jugendliche treten auf den Arbeitsmarkt, aber unserArbeitsmarkt ist offen. Die Unternehmen nehmen dann jene Arbeiter,die sie kriegen können. Die Einheimischen haben einfachmehr Wettbewerb von außen auszuhalten.GewerkschafterAls Ausweg bezeichnen einige Befragte die Förderung der Zuwanderungvon qualifizierten Leuten, allerdings vom Staat unterstütztmit zwei Jahren garantierter Unterkunft und Sprachkursen, Staatsbürgerkundeund beruflicher Bildung. Nach und nach rücken späterMigranten der 2. Generation nach und ergänzen die geburtenschwachenJahrgänge der Inländer. Da sich der Babyboom derJahre 1960-75 aus sozialen und kulturellen Gründen nicht mehrwiederholen wird, sei auch für Südtirol die Zuwanderung qualifizierterKräfte aus dem Ausland unumgänglich, sowohl um dieRenten zu sichern als auch um den Bedarf an Arbeitskräften in verschiedenenSegmenten des Arbeitsmarktes zu decken.9.2.6.3 Die Aufnahmefähigkeit für HochqualifizierteDer Akademikeranteil Südtirols hinkt bezüglich der von der EU angepeiltenQuote von 40% zurück, auch die Lissabon-Ziele der EUbei der Quote der Ausgaben für Forschung & Entwicklung erfülltSüdtirol bei Weitem nicht. Südtirol hatte bisher eine relativ geringeAkademikerrate und holt zur Zeit auf. Grundsätzlich sei die weitereErhöhung des Hochschulbesuchs nötig, vor allem in bestimmtenBereichen und geschlechtsbezogen, z.B. Frauen in denMINT-Fächern. Doch die Aufnahmefähigkeit habe Grenzen.

112 Die Entwicklung des ArbeitsmarktesEinerseits möchte man die Akademikerquote erhöhen, weil gesagtwird, dass Italien grundsätzlich eine niedrige hat und alsogut wäre zu erhöhen. Andererseits ist es so, dass in vielen Bereichengar nicht mal so viele Akademiker gesucht werden. Gesuchtwerden spezialisierte Facharbeiter, Personen mit Berufsausbildung,aber nicht unbedingt so wahnsinnig viele Akademiker.Dann kommt auch noch dazu, dass die öffentliche Verwaltungziemlich zu macht, der doch ein riesiger Arbeitgeber warin Südtirol mit Land und Sanitätseinheit. Somit könnte esschon schwierig werden für Akademiker.Vertreterin des ASTATZum anderen sei es auf dem Hintergrund der Südtiroler Wirtschaftsstrukturwenig sinnvoll, derartige quantitative Vorgaben anzupeilen.Gebraucht werden vor allem spezialisierte Facharbeiterund höhere technische und kaufmännische Berufe. Eine weit höhereAkademikerrate für Südtirol sei nicht erstrebenswert, weil derlokale Arbeitsmarkt sie nicht aufnehmen könne und diese Fachkräftezur Abwanderung gezwungen wären. Die Klein- und Mittelbetriebekönnen nur beschränkt Forschung und Entwicklung betreiben,der öffentliche Dienst nimmt weit weniger Hochschulabsolventenauf als früher. Auch der geplante Technologiepark inBozen könne nicht sehr viele neue Stellen schaffen. Für die unternehmensbezogeneForschung kämen auch nur bestimmte Qualifikationenin Frage.Viele Hochschulabsolventen bleiben zunächst weg, kommendann aber wegen der Familie oder einem Arbeitsplatz wiedernach Südtirol zurück. Somit kein allgemeines Problem der Aufnahmefähigkeit,sondern eher eines der für den Südtiroler Arbeitsmarktpassende Verteilung der Studientitel.Vertreterin des ASTATDer Bedarf an spezialisierten Facharbeitern und Technikern sei inSüdtirol dagegen hoch, z.B. bei der Gebäudesanierung und den erneuerbarenEnergien. Höhere Qualifikationen müssten somit Arbeitsmarkt-gerechtproduziert werden. In Südtirol sind Abgängervon technischen Oberschulen und die Facharbeiter die tragendenSäulen der KMU. Viele Posten in solchen Betrieben seien vonFachleuten besetzt, die bis zum Alter von 70 Jahren aktiv bleiben.Für den Nachwuchs gebe es in diesen Betrieben wenig Chancen.Die Fluktuation sei gering und werde durch die Verlängerung derLebensarbeitszeit noch verringert.Unsere KMU können nur sehr begrenzt Hochqualifizierte aufnehmen.Es hängt sehr stark von der Studienrichtung ab. Geisteswissenschaftlerwerden in den Betrieben kaum gebraucht.Deshalb haben wir eine Überschuss davon, sofern der öffentlichenDienst kaum mehr Leute aufnimmt.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 113ArbeitsvermittlerinSüdtirols Arbeitsmarkt sei weiterhin aufnahmefähig, aber künftigwerde jungen Leuten mehr Flexibilität und Frustrationstoleranz abverlangt.Es wird zu einem stärkeren Verdrängungswettbewerbkommen. Allerdings hätten Versuche, Jugendliche bei der Ausbildungund Studienwahl mehr in Richtung Technik und Naturwissenschaftzu lenken, nicht recht viel gefruchtet.Es gibt verschiedene Initiativen, die Jugendlichen bei Ausbildungund Schulwahl zu lenken. Das Land hat eine Bildungsoffensive inGang gesetzt, um mehr junge Leute für technische und naturwissenschaftlicheFächer zu gewinnen. Die steht auch in den Rahmenrichtlinienzur Oberschulreform. Die Frage ist jedoch, ob der SüdtirolerArbeitsmarkt so viele zusätzliche Fachkräfte aufnehmen undwas er er den Absolventen bieten kann. Bei bestimmten hochqualifiziertenBerufen fehlen im Land einfach die Stellen und Unternehmenmit entsprechenden Kapazitäten.Zudem sei nicht nur die Art, sondern auch die Qualität der Qualifikationauf dem Arbeitsmarkt entscheidend.Durchschnittlich wird eine höhere Qualifikation nötig. Auch miteiner Matura kann man zukünftig nicht mehr so direkt in einenBeruf einsteigen. Studientitel haben nur dann einen Wert, wennsie von Unternehmen anerkannt werden. Wenn Qualifikationenmangelhaft sind, werden jugendliche Bewerber gezwungen,längere Sucharbeitslosigkeit in Kauf zu nehmen.Mitarbeiter der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleEin abgeschlossenes Studium sei jedenfalls nicht mehr eine Eintrittskartein den Südtiroler Arbeitsmarkt:Ein Hochschulstudium wird auch bei uns nicht mehr die Eintrittskartefür den Arbeitsmarkt sein. Der Bachelor wird zu demwerden, was vor 10 Jahren die Matura war. Noch nicht alle habenverstanden, dass es mit dem Studium alleine noch nichtgetan ist. In Italien machen 80% der Bachelors auch den Master,in Südtirol weniger. Man muss ein Spezialgebiet suchen,denn mit dem Bachelor allein hat man künftig zu wenig Chancen.Mitarbeiter der StudentenorganisationLaut einer ASTAT-Untersuchung blieben viele Hochschulabsolventenzunächst weg, kämen dann aber wegen der Familie oder einemArbeitsplatz wieder nach Südtirol zurück.Prinzipiell finde ich das „Gejammere“, dass die Jungen in das Auslandgehen und nicht mehr zurückkommen, überzogen. Denn ichfinde das sogar positiv, wenn junge Leute mal ins Ausland gehen,Auslandserfahrungen sammeln, blicken sie mal über den Teller-

114 Die Entwicklung des Arbeitsmarktesrand hinaus, erweitern ihren Horizont. Die meisten kommen jawieder zurück. Schon der Typus Südtiroler ist sehr Heimat bezogenund früher oder später zieht es ihn zurück.Leitende Mitarbeiterin des ASTATDie Abwanderung von Hochqualifizierten in große Ballungsgebietemit Großunternehmen sei ein normaler Vorgang, doch sei aucheine gewisse Rückwanderung von Akademikern zu beobachten.Der Südtiroler Arbeitsmarkt kann nicht Tausende von Philologenoder Fachleuten für moderne Sprachen aufnehmen. Bei Juristen,Geisteswissenschaftlern und Sozialwisssenschaftlern seit der SüdtirolerArbeitsmarkt nicht mehr so aufnahmefähig wie früher.9.2.6.4 Ein mismatch auf dem SüdtirolerArbeitsmarkt?Besteht auf Südtirols Arbeitsmarkt eine „strukturelle Arbeitslosigkeit“im Sinne des Nebeneinanders von freien Stellen in bestimmtenBereichen und arbeitslosen qualifizierten Jugendlichen in anderenBereichen? Die Experten der Arbeitsmarktbeobachtung sindnicht dieser Ansicht.500 Jugendliche werden für bestimmte Jobs gesucht, aber nur300 sind auf dem Arbeitsmarkt dafür verfügbar? So stellt sichdas Problem nicht dar. Doch die Schulen verlassen eine Mengehalbwegs allgemein gebildeter Jugendlicher, die es zu einer Bürotätigkeithinzieht. Kaum jemand ist für eine Tätigkeit in einemBetrieb spezifisch ausgebildet, weil in den Oberschulen eineEinheitsausbildung geboten wird. Keine Schule liefert z.B. diefür einen speziellen Betrieb spezialisierte Sekretärin.Mitarbeiter der ArbeitsmarktvermittlungDie Oberschule produziere vor allem Maturanten mit Allgemeinbildung,die ihre Berufsspezialisierung noch zu absolvieren hätten.Arbeitsmarkt und Bildungssystem würden immer etwas auseinanderklaffen,so der Arbeitsmarktexperte, weshalb geeignete Formender Spezialisierung nach der Matura am Arbeitsplatz geschaffenwerden müssten. Berufspraxis, praktisches Können wird aber oftunterschätzt.Zum Teil wird bei der Berufswahl zu wenig die Realität am Arbeitsmarktberücksichtigt. Allerdings fehlt vielfach auch die Aufklärungin diesem Bereich. Viele Jugendliche gehen davon aus,dass der Abschluss einer Oberschule bzw. eines Studiums ausreicht,um einen Arbeitsplatz zu erhalten (...). Die jungen ItalienerSüdtirols besuchen zu über 50% Lyzeen, zum geringerenTeil technische Oberschulen, und nur sehr wenige die Berufsschulen.Damit ist der mismatch vorgegeben.Vertreter des Bundes der Genossenschaften

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 115Unter den Maturanten sei es weit verbreitet, sich nach einigen Modeberufenauszurichten. Eigentlich müsste man schauen, so einBefragter, was wenige Gleichaltrige studieren und was in 5-10 Jahrenstärker gefragt sein wird. Das tun die wenigsten Jugendlichen,die sich viel lieber eigenen Interessen widmen. Im Anschluss wirdden Hochschulabsolventen viel Anpassungsbereitschaft und Ausdauerbei der Arbeitssuche abverlangt.Der in Südtirol wie anderswo beobachtbare mismatch auf dem Arbeitsmarktsei aber kein Problem des Alters, betonen Akteurinnen.Es gibt ältere Arbeitnehmer, die wegen Betriebsschließungen entlassenwerden, aber auch Lehrstellenmangel. Mismatch sei zu beobachtenzwischen gering qualifizierten Arbeitsplätzen, für die sichkeine Einheimischen finden, die dann von Zuwanderern besetztwerden, wie z.B. im Gastgewerbe. Gering qualifizierte, ältere Arbeitnehmerhingegen seien betroffen von Entlassung, tun sichschwer mit einer Umschulung, erfahren längere Arbeitslosigkeit.Diese sei problematischer als die Sucharbeitslosigkeit junger Arbeitsuchenderbeim Einstieg in den Arbeitsmarkt.9.2.7 Reformen des ArbeitsrechtsDie Frage der Entlohnungshöhe wird von mehreren Befragten relativiert:Für ein Unternehmen machten die Lohnunterschiede zwischenälteren und jüngeren Arbeitnehmern nicht die Entscheidungfür und wider die Einstellung eines Jugendlichen aus.Wenn heute Mitarbeiter wirklich gebraucht werden, werden sieunabhängig von der Vertragsform eingestellt. Ausschlaggebendist nicht so sehr der Arbeitsvertrag, sondern wie dieserArbeitnehmer ist. Die Kosten sind sekundär. Aber der Bewerbermuss eben die richtigen Voraussetzungen haben.Fachmann der Beobachtungsstelle für den ArbeitsmarktJugendliche bzw. Neueinsteiger werden zumindest mit kollektivvertraglichemMindestlohn eingestuft. Dabei werden Frauen beivergleichbarer Arbeit oft niedriger eingestuft, aufgrund der Vereinbarkeitder Arbeit und Familienpflichten müssen sie oft schlechterevertragliche Bedingungen akzeptieren. Bei den Betriebsabkommenwerde nicht nach Alter diskriminiert, doch einige Kollektivverträgehätten Verschlechterungen mit sich gebracht. Dadurch erhieltenNeueinsteiger beim normativen Teil schlechtere Bedingungenals die Kollegen, die schon länger im Dienst sind. Beimwirtschaftlichen Teil würden vor allem bei den Lehrverträgen wenigerSozialbeiträge gezahlt. Junge Arbeitnehmer hätten einen gravierendenNachteil, denn je weniger eingezahlt wird, desto wenigerRentenanspruch werde angereift. Bei Werkverträgen bezieheein Jugendlicher zwar ein auf den ersten Blick hohe Vergütung,

116 Reformen des Arbeitsrechtsverbuche aber sehr geringe Rentenbeiträge. Da liege der großeNachteil, nicht so sehr bei der Lohnhöhe.Die Lohnkosten sollten dagegen zwischen den Generationen besserverteilt werden. In den Kollektivverträgen sollten Arbeitnehmerüber 50 einen kleinen Lohnverzicht üben, während die Löhne fürJugendliche unter 30 angehoben werden könnten, damit sich dieseetwas aufbauen können. Eine Art Solidarität der älteren Arbeitnehmerwird vorgeschlagen: ab 50 Verzicht auf die Dienstalterszulage:Die Lohnkosten sollen also zwischen den Generationen besserverteilt werden. Ab einem Alter von rund 50 Jahren soll mandie Lohnkosten reduzieren, jene für die Gruppe zwischen 20-30Jahre sollen dagegen steigen, damit Jugendliche etwas aufbauenkönnen.GewerkschafterAußerdem sei es legitim, die Dienstalterszulagen in Frage zu stellen.In Kollektivverträgen bräuchte es ab einem bestimmten Gehaltkeine Dienstalterszulage. Das soll den Jungen gegeben werden,weil mit einem bestimmtem Alter 50+ ist die Wohnung da, dieKinder sind im Erwerbsleben. Hier braucht es mehr Solidarität.In Verträgen müsste ein Ausgleich geschaffen werden. Hiermuss ein Umdenken geschehen.Vertreterin der GewerkschaftsjugendLaut Experten und Akteurinnen dieses Bereichs sei der Aspekt derFlexibilität für die Unternehmen wichtiger als jener der Lohnhöhe.Die Unternehmen stellen nicht unfähige Leute ein, weil sie 400Euro weniger kosten. Lohnzuschüsse, die einen schwachen 29jährigenzum Nachteil des 30jährigen leistungswilligen Mitbewerbersbefördern, seien keine Lösung:Lohnzuschüsse, die einen schwachen 29jährigen zum Nachteildes 30-jähigen Fähigen befördern, sind nicht die Lösung. Werklug ist, nimmt den teureren, aber fähigeren und leistungsbereitenJugendlichen.Mitarbeiter der ArbeitsmarktbeobachtungsstelleNur in Zusammenhang mit dem Alter wären solche Zuschüssenicht zu befürworten. Wenn eine Nachqualifizierung oder Spezialisierungerfolgt, die der Betrieb übernehmen kann, also inZusammenhang mit einer Ausbildungsleistung kann man Zuschüsseüberlegen.Leitender Beamter der ArbeitsvermittlungEine Senkung der Sozialabgaben für Jugendliche bis 29 kann inBetracht gezogen werden, ist allerdings durch die Einführung neu-

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 117er Lehrverträge und prekärer Arbeitsverhältnisse (Projektarbeit,Leiharbeit, befristete Arbeit, Arbeit auf Abruf) schon im Gang.Lohnzuschüsse für die Einstellung von Jugendlichen unter 30 Jahrensollte es erst geben, wenn sich die Situation wesentlich verschlechtere.Auch führende Vertreter von Unternehmerverbänden sprechensich dafür aus, den Jugendlichen einen höheren Grad an sozialerAbsicherung zu verschaffen:Ich glaube, dass wir [...] verzichten müssen, um der Jugend neuePerspektiven zu geben. Wir haben die unsrige Generation, die abgesichertist und die Jugend ... und da müssen wir vielleicht aufein bisschen was verzichten, um unten (der Jugend) ein bisschenmehr Sicherheit zu geben. Damit müssen wir uns auseinandersetzen,ich weiß, dass da viel Ideologisches dabei ist, aber es gehtum dieses Ungleichgewicht. Das ist nicht ein Problem der Unternehmen,denn Unternehmen können keine Garantie mehr auf demArbeitsmarkt geben. Sie können nur eines garantieren: dass sieJugendliche aufnehmen, um sie effizient auszubilden, um mit ihneneinen gemeinsamen Weg zu gehen und keiner tut das, umdann einen zu entlassen.UnternehmerverbandHier gehe es laut Experten grundsätzlich darum, die Vielfalt deratypischen Arbeitsverhältnisse zu begrenzen und besser zu reglementieren.Hingegen müsse die soziale Absicherung der Teilzeitausgebaut und altersgerechte Arbeitsverhältnisse geschaffen werden.An beiden Enden der Zeit der Erwerbstätigkeit müsse angesetztwerden: einerseits Erleichterungen bei und Förderung derAufnahme von Jugendlichen, andererseits altersgerechte Beschäftigungsformen.Auch Unternehmerverbandsvertreter betonten,dass Jugendliche nicht zu lange in prekären Arbeitsverhältnissengehalten werden sollten, damit sie sich eine Berufsperspektive aufbauenkönnen.Während auch Unternehmervertreter mit dem Ausmaß an Flexibilitätzufrieden sind und das neue Lehrlingsgesetz ausreichend langeLehrzeiten bietet, wird eher für eine einfachere Form der Entlassungvon Arbeitnehmern plädiert, von welchen sich ein Unternehmentrennen will. Das Einstellungsverhalten der Betriebe könntedurch eine Lockerung des Kündigungsschutzes verbessert werden.In Zukunft müssten immer mehr Jugendliche von der Vorstellungeines unbefristeten Arbeitsvertrags für die gesamte Zeit derErwerbstätigkeit abgehen. Zwar sei die Forderung verständlich,doch im Kontext der italienischen Wirtschaft nicht durchsetzbar.

118 Reformen des ArbeitsrechtsAuch die Praktika der Oberschüler in den Unternehmen müsstenarbeitsrechtlich besser abgesichert werden. Sommerpraktika sindin Südtirol sehr beliebt, doch müssten mehr curriculare, alsoschultypbezogene Praktika in die Oberschulausbildung aufgenommenwerden, mit dem Ziel, dass Jugendliche betriebliche Realitätkennen lernen; außerdem kommen Unternehmen dadurch mitNachwuchs in Kontakt. Folgende Maßnahmen werden vorgeschlagen:Einstieg in die Grundlehre ab dem 14. LebensjahrDie Berufsberatung soll die Jugendlichen auch über die Realitätam Arbeitsmarkt aufklären; die Oberschüler sollen auchüber die Lehre informiert werden;Einstellungszuschüsse für Lehrlinge und Jugendliche bis 25Jahren.9.2.8 Problemgruppen9.2.8.1 Schul- und AusbildungsabbrecherFür Schulerfolg, Berufswahl und Ausbildungsverlauf sei die sozialeHerkunft immer noch wesentlich, meinten Experten. Trotz des imWesentlichen für die Eltern kostengünstigen öffentlichen Bildungssystemskönnten sich Kinder aus einkommensschwachen SchichtenVieles nicht erlauben und hätten schlechtere Startbedingungen.Bei den Jugendliche zeichne sich immer wieder ab: wer bestimmteRessourcen hat, kommt weiter. Als spezifische Problemgruppenseien die Ausbildungsabbrecher und Jugendliche mit Migrationshintergrundauszumachen. Diese würden auch für dieJugendsozialarbeit zukünftig zusätzlichen Bedarf aufwerfen. In Bozengebe es auch einige sozial problematische Viertel, wo sichProblemgruppen unter Jugendlichen überhaupt erst formierenkönnen.Probleme werden Jugendliche ohne Ausbildung haben, mit zuwenig Sprachkenntnissen, solche die keine Lust, keinen Einsatzzeigen, Entscheidung des Einzelnen, wer auf Deutsch verzichtet.Bei den Jugendlichen mit Migrationshintergrund ist dieSprache das Haupthindernis. Die Unternehmer haben oft Vorurteile,manche haben schlechte Erfahrungen gemacht, dann istdieses Thema für lange Zeit vom Tisch. Die Migranten werdendann abgestempelt, sie haben kein Vertrauen mehr, und dieAusländer ein schlechtes Image.Mitarbeiter der ArbeitsmarktbeobachtungSchwer vermittelbar seien Jugendliche, die nur eine allgemeineAusbildung haben und keine berufsspezifische Ausbildung, so einigeBefragte. Diese Jugendlichen stoßen auf zunehmende

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 119Schwierigkeiten bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt, weildie Berufswelt immer spezialisierter wird. Darüber hinaus seien Jugendliche,die weniger Leistungsbereitschaft zeigen, im Nachteil.Diese würden schnell aussortiert werden. Wer häufiger aussortiertworden ist und keine Referenzen vorweisen könne, habe es immerschwerer, Fuß zu fassen.Jugendliche ohne Schulabschluss und sonstige Ausbildung bildeneine Problemgruppe, der Mangel an Zweitsprachkenntnissen undEinsatzbereitschaft seien weitere Handicaps in der Südtiroler Realität.Die im Schulsystem angebotenen Integrationsdienste fürSchüler mit Problemen bieten spezielle Förderungsprogramme,die noch zu wenig genutzt würden. Es werde immer Jugendlichemit Problemen geben, die auf dem Arbeitsmarkt eine relativschwache Position innehaben werden.Jugendliche, die die Landessprachen unzureichend beherrschen,werden neben jenen mit unzureichender Qualifikation zunehmendeSchwierigkeiten haben, in Südtirol qualifizierte Arbeitsplätze zufinden.Die italienischsprachigen Jugendlichen würden gut daran tun,auch außerhalb Bozens Arbeit und Praktika zu absolvieren, umSüdtiroler Deutsch besser zu lernen. Das nützt ihnen für ihrenBeruf mehr als Englisch.Vertreter des Verbandes der GenossenschaftenItalienische Jugendliche, die zu wenig Deutsch sprechen undkaum Dialekt verstehen, seien kaum als Lehrlinge in Betriebe außerhalbdes Raums Bozen zu vermitteln. Wenn sie aber in solcheBetriebe einsteigen wollen, müssten sie sich sprachlich anpassen.Problematisch seien auch Jugendliche ohne Sozialkompetenz sowiepsychisch labile Jugendliche, die mehr Begleitung brauchen.Mehrfach nennen die Befragten die Schulverweigerer undSchulabbrecher als Hauptproblemgruppe. Für den Schulabbruchwerden verschiedene Einflussfaktoren genannt, etwa auch diefalsche von den Eltern aufgedrängte Schulwahl. Der fehlendeSchulabschluss kann zu Arbeitslosigkeit führen.9.2.8.2 Ausländische JugendlicheDie Kinder der neuen Zuwanderer, also die zweite Generation derMigranten, stellen eine zweite „Risikogruppe“ dar, die in Zukunftmehr Unterstützung brauchen wird. Für diese Zielgruppe würdenin Zukunft zusätzliche spezifische Angebote, Einstiegshilfen undWeiterbildungsmaßnahmen erforderlich sein. Dies sei auch einneues Feld der Sozialarbeit.

120 ProblemgruppenDer Ausländeranteil an den Schülern steigt ständig. Wir habenverschiedene Erfahrungen gemacht. Die Integration hängt ganzvom sozialen Umfeld ab. Wenn diese Jugendlichen von den Elternzu wenig Unterstützung und Rückhalt bekommen, dannkönnen sie sozial auffällig werden. In der Oberschule klappt esoft, doch in der Mittelschule gibt es auch große Probleme. Esbesteht die Gefahr, dass viele Ausländerkinder den Anschlussverlieren, trotz aller Bemühungen. Die Migranten könne bis zurMatura ein differenziertes Programm machen und differenziertbewertet werden. Sie haben 5 Jahre Zeit, das gleiche Niveauwie die Inländer zu erreichen. Heute stellt es oft eine enormeBelastung für die Lehrpersonen dar, wenn einzelne Schüler aussprachlichen Gründen überhaupt nicht mitkommen. Sollte manzuerst den Nachweis von ausreichenden Sprachkenntnissenverlangen? Diese Gruppe wirft erheblichen Handlungsbedarfauch für die Zukunft auf.SchulinspektorinAusländerkinder haben die Sprachhürde zu bewältigen, vor allemim schriftlichen Ausdruck, denn dies sei der primärer Grund fürden relativ häufigeren Schulabbruch. Andererseits seien Ausländerkinderweniger anspruchsvoll und anpassungsfähiger. Dochauch mit Berufsschuldiplom bleibt der berufliche Erfolg fraglich,weil der soziale und kulturelle Hintergrund für den reibungslosenEinstieg in die Berufswelt fehle. Bei den Mädchen aus bestimmtenLändern gehe es oft nur um eine vorübergehende Beschäftigung,weil sie oft eine frühe Heirat anstreben und dann die Berufstätigkeitrasch aufgeben. Familie und Beruf zu vereinbaren liege nichtin der Tradition vieler Herkunftsländer. Dies gelte auch für langfristigeAusbildungswege. Dann gebe es auch religiös-kulturell bedingteProbleme in bestimmten Arbeitsbereichen, z.B. der Gastronomieund dem Gastgewerbe. Wenn Ausländerkindern der Abschlussgeschenkt wird, sei es langfristig nicht zum Vorteil der Zuwanderer,denn dann nehmen die Arbeitgeber die Bildungsabschlüsseauf Dauer nicht mehr ernst.Ausländer seien diskriminiert in dem Sinne, dass sie meist nichtüber die materiellen, sozialen und kulturellen Möglichkeiten verfügenwie die Einheimischen. Aufgrund der Sprachprobleme ratenExperten zur Wahl von Schulen geringeren Schwierigkeitsgradssowie der Berufsschule, aber die Mehrheit der Ausländer will fürihre Kinder eine bessere Zukunft, die mit einem höheren Bildungsabschlussidentifiziert wird. Die Matura zu erreichen ist allerdingsfür viele Ausländer ein sehr hoch gestecktes Ziel. Heute schickenAusländer, die im Raum Bozen ansässig sind, ihre Kinder verstärktin die italienischsprachige Berufsschule. Das führe dazu, dass BoznerFamilien ihre Kinder nicht mehr so gern dorthin schicken. Im

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 121Allgemeinen ist das Schulsystem in Italien und Südtirol nicht soselektiv wie etwa in Deutschland und Österreich. Die Bedingungenseien besser, etwa dank des Stipendienwesens, der verfügbarenRessourcen, der Einheitsmittelschule, aber der Migrationshintergrundhabe doch einen großen Einfluss.Die in den Gesprächen mit den 35 Akteuren/innen undExperten/innen gewonnenen Aussagen weisen auf einen starken„mainstream“ in den in Südtirol verbreiteten Einschätzungen undSichtweisen hin, wenn auch mit unterschiedlichen Akzenten undGewichtungen. Dies wird zum Einen bedingt durch den gesamtenöffentlichen Diskurs in Medien und anderen Arenen, während Südtirol-bezogeneAuseinandersetzungen zu diesem Thema auf wissenschaftlicherEbene bisher noch Rarität waren, auch weil die Jugendarbeitslosigkeitbisher noch kein zentrales Thema der Politikund Wissenschaft war. Zum Anderen müssen auch die Akteure/innen,neben der alltäglichen Wahrnehmung der Probleme im eigenenArbeitsfeld, allesamt auf die wenigen verfügbaren Datenquellenund Studien zu diesen Fragen Bezug nehmen.Die Einschätzungen der Gesprächspartner gehen naturgemäß – jenach Verbandszugehörigkeit und Fachbereich – primär bei den arbeitsrechtlichenAspekten und Lohnregelungen auseinander. Dader größere Teil der Fragen gruppenspezifisch gemäß dem jeweiligenKompetenzbereich der Gesprächspartner formuliert war, ergabensich meist übereinstimmende Meinungsbilder. Andererseitskonnten auch deutlich kontrastierende Einschätzungen beobachtetwerden, wie z.B. bei Aufgabenverständnis und Effizienz von Berufsberatungund Arbeitsvermittlung.

122 Fazit10 FazitEine „verlorene Generation“ titelte der WiKu der Tageszeitung DO-LOMITEN am 23.1.2013 und zitierte die Arbeitslosenrate von 9,4%bei Jugendlichen bis 24 Jahre. Auch wenn es zumindest für Südtirolkeinen realen Anlass für derart dramatische Töne gibt, ist nichtzu verkennen, dass Jugendliche in den letzten Jahren beim Übergangvom Bildungssystem ins Berufs- und Erwerbsleben auf neueSchwierigkeiten stoßen. Dies findet vor dem Hintergrund globalerEntwicklungen statt, die nicht südtirolspezifisch sind: die Schlagwortesind Spezialisierung, Flexibilisierung und Individualisierung.In den leitfadengestützten Gespräche mit 35 Experten/innen undAkteuren/innen aus sechs verschiedenen Bereichen, die beruflichmit dem Übergang der Jugendlichen von der Ausbildung in dieBerufstätigkeit befasst sind, wurden eine Fülle von Themen benannt,die zum Teil eine Analyse des status quo darstellen, zumTeil aber – auch auf der Grundlage der Stärken und Schwächendes Südtiroler Übergangssystems – in die Zukunft schauen. ImFolgenden werden diese vorwärts gewandten Aussagen noch einmalherausgegriffen, also die aufgezeigten Handlungsoptionenund Empfehlungen:Technische und handwerklich-praktische Berufe sind aufzuwertenDer Stellenwert eines Maturadiploms wird von jungen Leuten undihren Familien für die Verwertbarkeit am Arbeitsmarkt überschätzt,etwa im Vergleich zu einem Facharbeiterdiplom. Der Ausbildungshorizontverlagert sich immer mehr in Richtung Matura als Standardabschluss,und vor allem in der italienischen Sprachgruppegenießt die berufspraktische Ausbildung, vor allem die Lehre, immergeringeres Ansehen.Dem Rückgang der Lehrlingszahlen ist zu begegnenDem deutlichen Rückgang der Auszubildenden im dualen Systemssteht zwar eine höhere Besucherzahl bei den Vollzeitkurse gegenüber,Betriebe stellen aber auch weniger Lehrlinge ein, in bestimmtenBranchen ist auch ein Lehrstellenmangel zu verzeichnen.Mädchen konzentrieren sich zudem immer noch auf einige wenigeLehrberufe. Die Ausbildungsdauer in vielen Berufen ist (zu) lang.Die neue berufsspezialisierende Lehre für Maturanten muss inSüdtirol erst richtig zur Anwendung kommen, darf aber nicht alsbloßer „Einstiegsvertrag mit geringeren Löhnen und Sozialbeiträgen“aufgefasst werden.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 123Die Durchlässigkeit des Bildungssystems ist (weiter) zu erhöhenInsgesamt überwiegt die Überzeugung, dass die Berufsausbildungund das duale System aufgewertet werden sollen. Die Erhöhungder Durchlässigkeit zwischen Ober- und Berufsschule mit Einführungder Berufsmatura sind dafür zentral. Skeptische Stimmenwarnen aber auch davor, den Wechsel zu stark zu erleichtern, umnicht einem unreflektierten Hin- und Herwechseln Tür und Tor zuöffnen. Die Berufsmatura als wichtiger Schritt in Richtung Durchlässigkeitdarf zudem keinesfalls eine Matura zweiter Kategoriewerden.Der Oberschulbesuch ist stärker auf den Südtiroler Arbeitsmarkthin zu orientierenDas Angebot der Oberstufenausbildung ist durch die Reform 2010übersichtlicher geworden, für eine eingehendere Bewertung ist esaber noch zu früh. Der Anteil der Oberschüler an den Jahrgängenund die Übertrittsquote an die Hochschulen steigt an. Diese Entwicklungwird mittelfristig zu erhöhtem Wettbewerb um knappeStellen vor allem im öffentlichen Bereich führen, wo bisher auchAbschlüsse allgemeinbildender Schulen verwertbar waren. Eswird deshalb immer wichtiger, die Berufswahl der Oberschüler aufjene Bereiche zu lenken, die auf dem Südtiroler Arbeitsmarkt diebesten Chancen haben. Vor allem Mädchen müssen ihr Ausbildungs-und Studienfach-Portfolio unbedingt stärker auffächernund sich stärken auch MINT-Fächer zuwenden.In die Oberschulcurricula sind mehr praktische ArbeitserfahrungeneinzubauenNur eine Minderheit der Jugendlichen hat vor der Matura klareVorstellungen zum späteren Beruf. Die Vielfalt der Ausbildungswegeund der Qualifikationen überfordert oft Eltern und Schüler/innen.Für die Wahl der Ausbildung werde viel Information geboten,sehr wenig jedoch für den Berufseinstieg (Arbeitsplatzwahl). Jemehr praktische Arbeitserfahrungen Jugendliche aber währendder Schulzeit sammeln können, desto leichter fällt die Berufswahl.Die Berufsberatung kann Praxisnähe der Ausbildung nicht ersetzenAus der Sicht der Berater/innen und der Schulen besteht ein gutfunktionierender Dienst und ein ausreichendes Netz an Beratung.Dieses kann allerdings nicht die Aufgabe haben, über die Detailsdes Arbeitsmarktes und schon gar nicht über dessen langfristigeEntwicklungen zu informieren, sondern muss die bewusste Berufswahlbegleiten und unterstützen. Derzeit geschieht das oft nurpunktuell, sollte aber zu einem längerer Prozess ausgebaut wer-

124 Fazitden, bei dem Jugendliche und Eltern begleitet werden müssen.Berufskunde und Berufsberatung – vor allem in den Schulen – istalso ausbaufähig.Das Zusammenwirken der Arbeitsvermittlung im privaten undim öffentlichen Bereich ist zu verbessernDie Arbeitsbörse der Landesverwaltung wird von Jugendlichen intensivgenutzt, nicht aber andere Dienste der Arbeitsämter. Diesewerden vor allem als „Verwaltungseinheiten“ wahrgenommen, beidenen ein aktiver Vermittlungsdienst zu kurz kommt. Dafür fehlenvor allem in den Städten die Ressourcen. Die privaten Agenturenkönnen diesen Mangel nicht ausgleichen, auch wenn sich einenicht-koordinierte de-facto-Arbeitsteilung zwischen öffentlichenund privaten Stellen der Arbeitsvermittlung etabliert hat. Die Reformvorschlägereichen von der besseren personellen Ausstattungder öffentlichen Arbeitsvermittlung über den Ausbau der online-Dienste bis zur Privatisierung der gesamten Arbeitsvermittlung.Die Bewerbungskultur der Jugendlichen ist ausbaufähigDie Kultur der Bewerbung muss unter Südtirols Jugendlichen besserwerden. Eine hochwertige Bewerbung kann nicht nur die Aufzählungder absolvierten Abschlüsse enthalten, sie muss ergänztwerden um Informationen zur Motivation sowie zur Einschätzungder eigenen Fähigkeiten, vor allem der sogenannten Schlüsselkompetenzenwie Anpassungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft, sozialesEngagement, Teamfähigkeit usw.Die Stabilisierung befristeter Arbeitsverhältnisse ist zu fördernDerzeit wird die Jugendarbeitslosigkeit in Südtirol, abgesehen voneinigen hundert „kritischen Fällen“, als nicht besorgniserregendbezeichnet. Es zeichnet sich aber eine Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisseund verschiedener Formen prekärer Beschäftigungab. Wenn auch die Phase des Berufseinstiegs bis zu einembestimmten Punkt – auch wegen der vermehrt geforderten Flexibilitätbezüglich Qualifikationen, der räumlichen Mobilität und derLeistungsbereitschaft – mit solchen Formen der Beschäftigungverbunden bleiben wird, so ist die Perspektive entscheidend. Fehltdiese, dann wirkt sich dies negativ auf Lebensplanung, beruflicheKarriere, Einkommen und Rentenversicherung aus. Die weitere Zunahmeatypischer Arbeitsverhältnisse muss deshalb verhindert,die Stabilisierung von befristeten Arbeitsverhältnissen soll gefördertwerden.Die neue berufsspezialisierende Lehre sowie die Höhere Lehre fürStudenten sollten auch in Südtirol verstärkt angewandt werden.Die in Südtirol in geringem Maß genutzte Leiharbeit ist zwar alsFlexibilitätspuffer und Erprobungsinstrument für Unternehmen

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 125nützlich, trotzdem muss überlegt werden, ob sich nicht eine Lockerungdes Kündigungsschutzes insgesamt positiv auswirkenwürde; die Sichtweisen gehen diesbezüglich zwischen den Sozialpartnernauseinander.Die Aufnahmefähigkeit des Südtiroler Arbeitsmarktes fürHochqualifizierte darf nicht überschätzen werdenDer Arbeitsmarkt in Südtirol benötigt tendenziell mehr Hochqualifizierteund ist auch mittelfristig für einen höheren Anteil an Akademikernaufnahmefähig. Aufgrund der stark steigenden Absolventenzahlenund der geringeren Zahl an öffentlichen Stellen wirdes aber bei den Akademikern zu einem intensiveren Wettbewerbkommen. Eine Akademikerquote, wie sie die EU vorgibt, scheintauf jeden Fall für den Südtiroler Arbeitsmarkt überzogen. Der mittlereQualifikationsbereich bei technischen und Verwaltungsberufenwird sich dagegen stärker entwickeln.Geburtenschwache Jahrgänge werden sich erst mittelfristigauswirkenAuch wenn die Jahrgangsstärken und damit die Anzahl an jungenLeuten, die auf den Arbeitsmarkt drängen, zurückgehen, wird sichdies erst mittelfristig auswirken. Derzeit wird der generationsmäßigeAustausch der Erwerbstätigen durch Arbeitsrecht und Rentenreformverzögert. Andererseits wird der Rückgang des Arbeitskräfteangebotsvor Ort durch die Zuwanderung aus der EU (vor allembei höher Qualifizierten) und aus Nicht-EU-Ländern (für gering qualifizierteStellen) teilweise kompensiert werden.Bildungsabbrecher und ausländische Jugendliche sind ProblemgruppenDie soziale Herkunft ist für den Bildungsverlauf und Schulerfolgder Jugendlichen in Südtirol – trotz des leichten Zugangs zumSüdtiroler Bildungssystem – immer noch von erheblicher Bedeutung.Jugendliche ohne Schulabschluss mit zu geringen Zweitsprachkenntnisseund zu wenig Leistungsbreitschaft sind generellgefährdet. Schulabbrecher müssen deshalb als Risikogruppe erkanntund besser betreut werden.Eine zweite Problemgruppe wächst mit den ausländischen Jugendlichenaufgrund deren struktureller Benachteiligung heran(Sprachkenntnisse, geringe familiäre Ressourcen, mangelnde Integrationüber soziale Netze usw.). Eine berufspraktische Ausbildungz.B. im dualen System bietet die besten Chancen für eine erfolgreicheIntegration in den lokalen Arbeitsmarkt.

126 FazitEine Entlastung der Lohnnebenkosten für Jugendlich ist derzeitnicht notwendigEs besteht derzeit keine Notwendigkeit, die Einstellung von Jugendlichenbis 29 Jahren zusätzlich finanziell bzw. durch Reduzierungder Lohnnebenkosten zu fördern. Die Lohnkosten junger Mitarbeiter/innenseien bereits heute niedrig: zum einen werden sie inder Regel mit dem Mindestlohn eingestuft, zum anderen arbeitetein wachsender Teil befristet (Projektverträge, Leiharbeit, Lehrverhältnisseusw.).Lohnzuschüsse sollen nicht ans Alter geknüpft werdenDie Verteilung der Löhne zwischen den Generationen ist zu überdenken.Sowohl die nach Alter unterschiedlichen Einstufungen imGrundlohn als auch Dienstalterszulagen sind zu überdenken. AlsErgebnis sollte auf jeden Fall eine Umverteilung von Lohnelementenvon älteren auf jüngere Arbeitnehmer/innen erfolgen.Wenn die Arbeitsmarktpolitik in Südtirol auch bisher – angesichtsgeringer Jugendarbeitslosenraten – gar nicht speziell auf Jugendlicheeingehen musste, so lohnt doch ein Blick in die Nachbarregionen,die hier in den letzten Jahren verstärkt tätig geworden sind.Die Maßnahmen setzen dabei an unterschiedlicher Stelle an. ImFolgenden sollen nur 10 der in drei Nachbarregionen umgesetztenMaßnahmen noch einmal genannt werden, die es Wert scheinen,einer näheren Betrachtung unterzogen zu werden, weil sie Überschneidungenmit den von den Akteuren genannten Themenfeldernund Maßnahmenempfehlungen enthalten.Die LehrstellenförderungDie bisher relativ geringe Jugendarbeitslosigkeit im BundeslandTirol ist wesentlich durch einen funktionierenden Lehrstellenmarktbedingt. Zu diesem Zweck werden jene Betriebe, die Lehrlinge einstellen,von der Wirtschaftskammer bezuschusst. Allerdings wirdstark darauf hingearbeitet, mit diesen Zuschüssen besonders zukunftsträchtigeLehrstellen zu fördern und von einer undifferenziertenBezuschussung abzugehen.Der Ausbildungsverbund und die „Produktionsschulen“ als eineneue Form überbetrieblicher LehreIn Tirol und anderen Bundesländern sind sogenannte „Produktionsschulen“als überbetriebliche Lehrstätten für Jugendliche inbesonderen Problemlagen (Schulabbrecher, sozial deviante Jugendlicheusw.) sowie für Jugendliche, die keine Lehrstelle aufdem freien Markt finden, eingerichtet worden. Die entsprechendenLehrabschlüsse werden als reguläre Berufsqualifikation anerkannt.Auch hier wird eine Steuerung angepeilt: anstatt undifferenziert

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 127Lehrstellen zu fördern, werden verstärkt Lehrberufe gefördert, dieals zukunftsträchtig erachtet werden und für die in Zukunft einFachkräftemangel erwartet wird.Mehr langfristige Schulungen, weniger gemeinnützige ProjekteMit längerfristigen Schulungen und Lehrgängen konnte in Tirol dieSchulungsquote der Arbeitssuchenden wesentlich erhöht werden.Die Teilnahme an solchen Kursen ist ein Recht aller Arbeitssuchenden,unabhängig von Berufs- und Arbeitserfahrungen. Fastdie Hälfte der für die Integration von Jugendlichen 2004-08 in Tirolaufgewandten Mittel sind in solche Schulungsmaßnahmen geflossen.Es wird eine hohe Erfolgsrate bei der Integration in den Arbeitsmarktverzeichnet.Innovative Formen der Berufsorientierung („Città dei mestieri“,Börse der Berufe)2013 soll in Trient virtuell und physisch die „Città dei mestieri“ entstehen,eine Art permanente Stätte der Bildungs- und Berufsberatung.Sie soll Jugendlichen die gesamte Bandbreite der Berufe,Ausbildungsformen, der Spezialisierungs- und Weiterbildungsangeboteaufzeigen. Ergänzt wird dies durch die „Berufsbörse“, vermutlicheines online-Lehrstellenmarktes.Verstärkung der Berufspraktika während der OberschulzeitIm Trentino werden mehr Berufspraktika während der Oberschuleangestrebt, auch in den allgemeinbildenden Oberschulen in Formvon „tirocini di qualità“: also keine beliebigen Sommerjobs, sondernausbildungsbezogene Berufserfahrungen, auch als Hilfe zurBerufswahl nach der Matura. Eine Datenbank für alle von den Unternehmendes Trentino gebotenen Praktika, die Formulierung vonQualitätsstandards für diese Praktika und die Ausschüttung vonStipendien und Darlehen zum Besuch dieser Praktika auch außerhalbder Provinz sollen erfolgen.Aufwertung der Selbstständigkeit, Startkapital für die UnternehmensgründungIn der Region Veneto soll der Schritt zur Selbstständigkeit durchInformations- und Beratungsdienste, Ausbildung und Begleitung,Verlustbeiträge und Gründerdarlehen gefördert werden. SpeziellStudenten/innen und junge Forscher sollen Beiträge für die Entwicklungneuer Unternehmensideen erhalten.Förderung der berufsspezialisierenden Lehre und der höherenLehreSowohl im Trentino als im Veneto kann die berufsspezialisierendeLehre von Berufsschulabsolventen und von Maturanten in Anspruchgenommen werden. Vorgesehen ist die Verfahrensvereinfachungsowie Anreize an Betriebe zur Aufnahme solcher Lehrlin-

128 Fazitge in überbetriebliche, ergänzende Bildungsmaßnahmen. Vor allemMaturanten kann dadurch der Eintritt in den Arbeitsmarkt erleichtertwerden.Unterstützung der Unternehmen zwecks Stabilisierung der ArbeitsverhältnisseIm Trentino sollen für jeweils zwei Jahre an Unternehmen Beiträgeausgezahlt werden, wenn diese befristete bzw. atypische Arbeitsverhältnissein unbefristete oder langfristige Arbeitsverträge umwandeln.In den Genuss der Förderung soll das „Geschlecht mitgrößeren Problem auf dem Arbeitsmarkt“ (also meist Frauen) sowiejunge Eltern kommen.Förderung junger Frauen einschließlich besserer Streuung beiAusbildungs- und BerufswahlJunge Frauen sollen im Trentino sowohl arbeitsplatzspezifischausgebildet werden als auch auf individuellen Bedarf zugeschnitteneArbeitszeitreduzierung erhalten können. Dafür werden Beiträgean die Arbeitgeber ausgeschüttet, wenn Frauen in solchen Projektenmit unbefristeten Verträgen oder Verträgen mit langer Dauereingestellt werden.Systematische und periodische Studien zum Arbeitsmarktverbleibder AusbildungsabsolventenDie von der Provinz Trient entwickelten und von der Region Venetienübernommenen periodischen Untersuchungen der jeweiligenJahrgänge der Berufsschulabsolventen, Maturanten und Hochschulabsolventen(gesamter Jahrgang als Grundgesamtheit, hoheRücklaufquote) erlaubt wesentliche und detaillierte Rückschlüsseauf die Entsprechung des Bildungssystems und der Bildungspräferenzender Jugendlichen und der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt,einschließlich einer Bewertung der Qualität der Ausbildung durchdie befragten Jugendlichen.

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 12911 LiteraturAutonome Provinz Bozen, Abt. Arbeit, ArbeitsmarktbeobachtungsstelleArbeitsmarkt-News Nr. 8/2010 "Lehrlinge"Arbeitsmarkt-News Nr.9/2009 "Scheinselbstständigkeit: eineSchätzung"Arbeitsmarkt-News Nr. 5/2011 "Maturanten"Arbeitsmarkt-News Nr. 12/2011 "Schwierigkeiten der Jugendlichenauf dem Arbeitsmarkt"Arbeitsmarkt-News Nr. 1/2012 "Berufserfahrung und Beschäftigungsbedingungenjunger Arbeitnehmer"Arbeitsmarkt-News Nr. 2/2012 "Sommerpraktika"Arbeitsmarkt-News Nr. 4/2012 "Die Berufswahl der Berufsfachschüler"Arbeitsmarkt-News Nr. 5/2012 "Vollzeitkurse"Autonome Provinz Bozen, Abt. Arbeit, Arbeitsmarktbeobachtungsstelle(2012). Arbeitsmarktbericht für die Jahre 2008, 2010, 2012;sowie Schaubilder Arbeitsmarkt 2012, auf: http://www.provinz.bz.it/arbeit(20.9.2012)Autonome Provinz Bozen, Abt. Arbeit (Oktober 2008). Mehrjahresprogrammfür die Beschäftigungspolitik 2007-2013, BozenAutonome Provinz Bozen, Deutsche und lad. Berufsbildung, Koordinationsstellefür berufliche Weiterbildung (ohne Datum), Lernenin Kleinstbetrieben, BozenAutonome Provinz Bozen, Präsidium der Landesregierung - Amtfür EG-Förderungsmaßnahmen (2003). Die kurzfristige Qualifikationsnachfragein Südtirol, BozenISTAT (2012). Lavoro e disoccupazione giovanile 2012, auf: www.istat.it/it/lavoro(25.9.2012); sowie: ISTAT (2012), Rapporto Annuale2012 - La situazione del Paese, Rom: www.istat.it/it/lavoro(25.9.2012)STEP/Sinodè (2011). Die Wirksamkeit der Bildungsmaßnahmenfür junge Ausländer in der Autonomen Provinz Bozen, VicenzaUnioncamere (2010). Sistema Informativo Excelsior, Prov. di Bolzano,Sintesi dei principali risultati.Barbara Stauber/Andreas Walther (1995). Nur Flausen im Kopf?Berufs- und Lebensentscheidungen von Mädchen und Jungen alsFrage regionaler Optionen, Bielefeld: Kritische Texte Materialien

130 LiteraturErich Raab (1996). Jugend sucht Arbeit - Eine Längsschnittuntersuchungzum Berufseinstieg Jugendlicher, München: Verlag DeutschesJugendinstitutHermann Atz/Brigitte Schnock (2008). Soziale Herkunft und Bildungsweg- Wieviel Chancengleichheit besteht im BildungssystemSüdtirols?, Innsbruck: StudienverlagMatthias Beggiato (2004). Berufswahl und Berufsverlauf SüdtirolerLehrabsolventInnen, Fakultät für Psychologie, Universität WienASTAT (2010a). Jugendstudie 2009 - Werthaltungen, Lebensformenund Lebensentwürfe der Südtiroler Jugend, Schriftenreihe161, BozenASTAT (2010b). Ausländische Schulbevölkerung in Südtirol1995/96-2009/2010, Schriftenreihe 165, BozenASTAT (2012). Bildung in Zahlen 2011/2012, BozenASTAT (2012b), Demographisches Handbuch für Südtirol 2011,BozenASTAT (2006). Gender-Bericht - Frauen und Männer in Südtirol -Lebenswelten im Vergleich, 2006, BozenASTAT (2008). Gender in Zahlen 2007, BozenASTAT (2009a). Bildungsindikatoren in Südtirol 1991/92-2006/07,BozenASTAT (2009b). Zukunftsperspektiven der Jungakademiker in Südtirol- 2008, Schriftenreihe 151, BozenASTAT (2011), Ausländische Schulbevölkerung in Südtirol 1995-2010, BozenASTAT (2013), Indikatoren Europa 2020, auf:www.provinz.bz.it/ASTAT, letzter Zugriff 20.1.2013)AFI-IPL (Juni 2002). Nr. 19, Die berufliche Weiterbildung in Südtirol,BozenAFI-IPL (2008). LAPSUS - Prekäre Arbeitsverhältnisse in Südtirol,BozenAFI-IPL (2003). MONITOR (Luigi Frey/Giuseppe Croce/Santini), Arbeitsmärkteund Ausbildungsstrategien in Südtirol, BozenAFI-IPL (2006), Andrea Zeppa/Silvia Vogliotti, I fattori della distribuzionedei redditi in Alto Adige, BozenAFI-IPL (2012) (Alena Wotka), newsletter 36, Südtirol 2050: DemografischerWandel und Auswirkungen auf die Arbeitswelt, Bozen(29.6.2012)

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 131Rütz, H. (2003), Berufsbildung, Berufsausbildung, Weiterbildung -Ein Überblick, BIBB, Bonn; auf: www.bibb.de/dokumente/pdf/folienband_puetz-deutsch.pdf(4.9.2012)WIFO (2010). Unternehmen und Schule - Anregungen zur SüdtirolerBildungslandschaft, BozenWIFO (2009). Wirtschaft und Jugendliche - Was erwarten sich Jugendlichein Südtirol?, BozenAbt. Deutsche und ladinische Berufsbildung (ohne Datum) (Klicera/Klipcera/Beggiato).BELIS - Berufswechsel von LehrabsolventInnenin Südtirol, auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung/publ/publikationen_d.asp(15.9.2012)Abt. Deutsche und ladinische Berufsbildung (Walter Paris) (2002).Mehrjahresprogramm der Berufsbildung 2002-2006; auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung(10.9.2012)Abt. Deutsche und lad. Berufsbildung (2011). Die Berufsbildung inZahlen, Nr.7/2011, auf: www.provinz.bz.it/berufsbildung(23.9.2012)Amt für Lehrlingswesen und Meisterausbildung (2004), Die Zukunftder Lehre, auf: http://www.provinz.bz.it/handwerk/3502/zukunft_d.htm(29.9.2012)Abt. Italienische Berufsbildung (2007). SYSTEMINTEGRATION -Ausbildung in der Schule verbessern, durchlässiger gestalten undan das Gewerbe vor Ort anbinden, BozenAPOLLIS (Hermann Atz/Brigitte Schnock) (2002). ASSIST - ProblematischeBildungsverläufe an Südtirols Mittel-, Ober- und Berufsschulen,BozenAPOLLIS (2008a). Ansehen und Wert des Handwerks, Studie imAuftrag des LVH, BozenAPOLLIS (2008b). Schwierigkeiten in der dualen Lehrausbildung,Vorstudie, BozenAPOLLIS (2005). Maturantenbefragung (im Auftrag der FUB), BozenSchulz/Damelang/Stumpf (2012, IAB), Die berufliche Strukturierungder frühen Erwerbsphase, IAB-Forschungsbericht Nr.12/2012,NürnbergThomas Rothe/Stefanie Tinter (2007). Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt,IAB-Forschungsbericht Nr.4/2007, Bundesagentur fürArbeit, NürnbergIPRASE (a cura di Arianna Bazzanella) (2012). Giovani in Trentino2011, Quarto rapporto biennale, Trento

132 LiteraturProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2008a), Osservatoriodel mercato del lavoro - Esiti occupazionali dei qualificatiin prov. di Trento, 2008/2009 e 2007/2008, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2007b). Osservatoriodel mercato del lavoro, Diplomati delle superiori, Scelte distudio e di lavoro della leva 2005/2006, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2008b). Osservatoriodel mercato del lavoro, Le collaborazioni in provincia diTrento, Nr.2/2008, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del Lavoro (2012a). XXVIIRapporto sull'occupazione in provincia di Trento - 2012, Milano:Franco AngeliProvincia autonoma di Trento - Agenzia del lavoro (2009), Interventidi politica del lavoro per il triennio 2008-2010, TrentoProv. autonoma di Trento (2011). Documento degli interventi dipolitica del lavoro 2011-2013, II parte, Interventi, TrentoProvincia autonoma di Trento - Agenzia del lavoro (Cabina di regiaper i giovani) (2012b). Programma degli interventi per affrontare lacrisi occupazionale dei giovani, TrentoVeneto Lavoro/Regione del Veneto (2012). Un lento dimagrimento- Le ricadute della crisi sul sistema occupazionale, Rapporto 2012,Milano: Franco AngeliVeneto Lavoro, La Bussola (2012b), Il mercato del lavoro nel 3° trimestre2012, dicembre 2012Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung/Tiroler Arbeitsmarktförderungsgesellschaft(Oktober 2006). ArbeitsmarktpolitikTirol 2010, InnsbruckInstitut für Höhere Studien Wien IHS-EQUI (September 2010). Evaluierungarbeitsmarktpolitischer Maßnahmen und Förderungenfür Jugendliche in Tirol, WienArbeitsmarktservice Österreich (Heckl/Dorr/Dörflinger/-Enichlmair) (2011). Arbeitsmarktintegration jugendlicher Problemgruppen,AMS-Report 79, WienArbeitsmarktservice Österreich (AMS), Arbeitsmarktlage 2011 Tirol,auf: www.ams-forschungsnetzwerk.at/ (13.12.2012)Zukunftszentrum Tirol (Mai 2011). Professionelle Übergangsarbeitim Anforderungsdilemma? Perspektiven Tiroler Expert/innen aufden Übergang von der Pflichtschule in den Arbeitsmarkt, Innsbruck

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 133Christine Preiß (1996). Theoretische Vorüberlegung zum Übergangvon der Schule in den Beruf, in: Erich Raab (Hg.), Jugend sucht Arbeit,München: Verlag Dt. Jugendinstitut, MünchenHeinz, Walter R. (2011), Jugend im gesellschaftlichen Wandel: sozialeUngleichheiten von Lebenslagen und Lebensperspektiven, in:Krekel, Elisabeth M. [Hrsg.]; Lex, Tilly [Hrsg.]: Neue Jugend, neueAusbildung? Beiträge aus der Jugend und Bildungsforschung. Bielefeld: Bertelsmann 2011, S. 15-30. - (Berichte zur beruflichen Bildung)Hurrelmann, Klaus; Albert, Mathias: Jugend 2006; 15. Shell Jugendstudie.Frankfurt a. M. 2006ISFOL (nov. 2012). Le dinamiche della dispersione formativa:dall’analisi dei percorsi di rischio alla riattivazione delle reti di supporto,Collana Isfol Occasional Paper n.5EUROFOUND, Jo Hawley/Anne-Mari Hall/Tina Weber (2012). Effectivenessof policy measures to increase the employment participationof young people, Dublin.

134 Anhänge12 Anhänge12.1 Auswahl der ExpertengruppenIn einem internen Workshop hat man sich, nach einer ersten Sichtungrelevanter Literatur, der Aufgabe genähert, die Akteure in diesemBereich zu benennen, unter denen die in der Folge die Interviewpartner/innenrekrutiert werden sollen. Als Hilfsmittel dazuwurde versucht, sowohl auf der Angebots- als auf der Nachfrageseitedes Arbeitsmarktes Untergruppen auszumachen, von denenman annehmen kann, dass sie unterschiedliche Problemlagen, Bedürfnissenetc. aufweisen.Aus der Benennung unterschiedlicher Gruppen auf der NachfrageundAngebotsseite sowie aus der Benennung interessant erscheinenderThemen ergeben sich folgenden sechs Gruppen, denendie im Rahmen dieser Studie zu befragenden Experten/innen vorzugsweiseangehören sollen.A. Schule und BerufsschuleLehrperson Berufsschule in dt. SpracheLehrperson Berufsschule in it. SpracheLehrperson Oberschule in dt. Sprache BozenLehrperson Oberschule in dt. Sprache (Beauftrage für Berufsorientierung)Lehrperson Oberschule in lad. Sprache (Beauftrage für Berufsorientierung)Direktor der ital. BerufsausbildungSchulispektorin dt. OberschuleB. ArbeitsvermittlerArbeitsvermittler ital (Bozen)Arbeitsvermittler deutsch (Meran oder Neumarkt)Direktor Arbeitsmarktservice des LandesDirektor der Abteilung ArbeitLeiter/in der Agentur für Leiharbeit/private Arbeitsvermittlungsagentur(Bozen)Leiter Personalvermittlungsbüro oberes Qualifikationssegment(z.B. look4you, staff&line, personal)C. BerufsberaterBerufsberater/in ital.Berufsberater/in deutschC. Jugendarbeiter und Selbstvertretung von Jugendlichen

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 135Leiter des Amts für JugendarbeitLeiter eines JugendzentrumsSH/ASUSVorsitzender des JugendringsD. Unternehmer und VerbandsvertreterUnternehmerverband (Assoindustriali)LVH-APA oder SHV-CNAHGVHdS-Unione und/oder CONFESERCENTILega Coop/Bund der GenossenschaftenE. ForschungFakultät für BildungswissenschaftenBildungsplaner der Abt. Berufsbildung in dt. SpracheWIFO/IREASTATArbeitsmarktbeobachtungsstelleF. Vertreter der Gewerkschaften und SozialverbändeASGBAGB/CGILSGB/CISLUIL/SGKKVWDie Auswahl der Gesprächspartner erfolgt durch einen Kontakt mitder Leitung der Einrichtung, die dann den Gesprächspartner/diePartnerin benennen wird. Durch eine Kurzbeschreibung der Themender Befragung sollte es dadurch gelingen, innerhalb der Institutioneninteressante Partner/innen zu finden.12.2 Themen, Fragestellungen, Leitfäden12.2.1 Generelle FragestellungenDie erste Sichtung spezifischer Literatur sowie der interne Workshophat eine Reihe forschungsleitender Fragen bzw. Themen ergeben,die folgendermaßen zusammengefasst werden können:Die Entwicklung des Südtiroler Arbeitsmarktes und die speziellenProbleme Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt (z.B. prekäreArbeitsverträge, Jugendarbeitslosigkeit, zu wenig Unterstützungdurch die Arbeitsmarktpolitik)

136 Generelle FragestellungenDie Phase der Berufswahlentscheidung als Zeit der Orientierungfür die berufliche Zukunft und der weitreichenden Entscheidungfür weitere Ausbildung und Berufstätigkeit (die Rolle der Berufsberatung,die Kenntnis der Arbeitswelt und der eigenen Neigungenusw.)Die wesentlichen Stärken des Übergangssystems in Südtirol:was hat sich in Südtirol besonders bewährt?Welche Schwächen weist das Übergangssystem auf und wo giltes prioritär für Verbesserungen anzusetzen?Welche Rolle spielt das Berufsschulwesen und die berufliche Bildung?Die Passung des Bildungssystems an die Entwicklung des Arbeitsmarktes.Bildungsplanung und Bildungspolitik: wo sindDiskrepanzen zur Nachfrage nach Arbeit nach Qualifikationenfeststellbar oder absehbar?Die Erwartungen und Einstellungen der Jugendlichen selbst,psychologische Probleme von Jugendlichen in der Übergangsphase(z.B. die Rolle der Eltern, der Lehrpersonen, der peergroupbei der Berufsfindung)Die Erwartungen der Unternehmer an die Jugendlichen und dieBerufsschule bzw. Schule, Entwicklung des Lehrstellenangebots,Mangelberufe und nachgefragte QualitätenSpezielle Fragen zum Segment der Hochqualifizierten (Abwanderungder Akademiker, brain drain usw.)Welche Gruppen von Jugendlichen sind aufgrund welcher Faktorenin der Übergangsphase heute benachteiligt?Die Interviews selbst sollen zweigeteilt sein. Im ersten Teil des Interviewswerden Querschnittsfragen vorgelegt, die allen Gruppengestellt werden und allg. Phänomene eruieren sollen, wie etwa:Jugendliche und Arbeit: befürchten Sie eine Zunahme der Jugendarbeitslosigkeitauch in Südtirol und welche Folgen kanndas haben?Welche Erwartungen und Haltungen sind auf Seiten der Arbeitgebergegenüber den neu einsteigenden Jugendlichen zu beobachten?Welche sind die Hauptstärken des heutigen Bildungssystems inSüdtirol, woran gilt es festzuhalten?Wo gibt es kritische Bereiche, die den Berufseinstieg der Jugendlichenbeeinflussen und die Handlungsbedarf aufwerfen?Sollten das System Schule und Berufsschule und das Erwerbssystemnoch enger aufeinander abgestimmt werden? Wie kanndas erreicht werden?

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 137Welche sind die Berufsfelder bzw. berufliche Kompetenzen derZukunft, die sich heute bereits abzeichnen?12.2.2 Spezifische Fragestellungen nachExpertengruppeIm zweiten Teil des Interviews werden spezifisch auf die jeweiligeGruppe bezogene Fragen (in Einzelfällen auch mit Fragen an Untergruppen)vorgelegt, die die spezifische Kompetenz der Interviewpartner/innennutzen sollen.12.2.2.1 Schule und BerufsschuleHier stehen die neuesten Entwicklungen in der Oberstufe und Berufsschuleim Zentrum sowie die Abstimmung zwischen Bildungssystemund Erwerbssystem. Man sollte zu einer allgemeinen Einschätzungder Schüler/innen und Lehrlinge durch Lehrpersonengelangen: welche Haltungen und Eigenschaften bezüglich der Berufswahlund allgemein haben sich in den letzten 10-20 Jahren wesentlichverändert? Welche Orientierungsprobleme und Schwierigkeitenhaben Jugendliche heute bezüglich der zukünftigen Arbeit?Es soll auch auf die zentralen Stärken des Übergangssystems inSüdtirol eingegangen werden, die es zu pflegen und weiter auszubauengilt. Ist die Unterstützung für die Jugendliche in der Phaseder Berufswahl ausreichend? Was hingegen ist verbesserbar? DieSchulpsychologin kann eine Reihe spezieller Fragen hinsichtlichder psychischen Befindlichkeit der Schüler/innen in der Phase z.B.vor und nach der Matura oder bei der Wahl des Lehrberufs beleuchten.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Hat sich durch die Oberschulreform das Übergangssystem vonder Schule in den Beruf bzw. das Erwerbsleben (nach derPflichtschule) in Südtirol verändert? Hat sich das Bildungsangebotverbessert und in welcher Hinsicht?Wo liegen die Stärken des Südtiroler Berufsbildungssystemsinsgesamt? Was hat sich im Bereich des dualen Systems bewährt?Was hat sich bei den Vollzeitkursen der Berufsbildung bewährtund worauf führen Sie die relativ starke Zunahme der VZ-Kurs-Teilnehmer/innen in den letzten 10 Jahren zurück ?Was ist am Südtiroler Berufsbildungssystem dagegen reformbedürftig?Bei der Berufswahl ist seit einiger Zeit ein Trend zu geringeremInteresse an einer dualen Lehrberufsausbildung zu beobachten,

138 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppewährend der Oberschulbesuch im Kurs steigt. Wie könnte mandiese Entwicklung erklären?Der Anteil der Maturant/innen an den jeweiligen Jahrgängensteigt an ebenso wie die Übertrittsquote an die Hochschulen.Sehen Sie darin ein Problem für die Beschäftigungsaussichtenoder ist dies eine durchaus wünschenswerte Entwicklung? Undwarum?Welche sind die wichtigsten Schwierigkeiten der Jugendliche inder Schule heute: mehr Disziplinprobleme, mangelnde Konzentration,wenig Motivation?Wie hat sich die Werteskala der Jugendlichen verändert? WelcheBedeutung wird der Berufstätigkeit generell zugemessen?Welche Schwierigkeiten hingegen haben Jugendliche heute beiBerufswahl und Berufsorientierung?Wie bedeutsam ist das Thema Arbeit für die Altersgruppe 15-20wirklich, bzw. wie stark befassen sich Jugendliche während derAusbildung mit der späteren Berufstätigkeit?Jugendliche haben heute immer mehr Freiraum bei der Lebensplanungund eine größere Auswahl bei Beruf und Ausbildung.Nutzen sie diesen Freiraum und diese breite Wahlmöglichkeitoder macht sich Orientierungslosigkeit breit?Von wem erfahren die Jugendlichen bei der Berufswahl Unterstützungund in welcherHinsicht? (Eltern, ältere Geschwister,peer-group, Berufsberatung, Lehrpersonen usw.)Reicht die Unterstützung der Jugendlichen durch die öffentlicheInstitutionen bei derBerufswahl und Ausbildungswahl aus? Welchezusätzliche Unterstützung würden die Jugendlichen in dieserPhase benötigen?Inwiefern berücksichtigen die Jugendlichen bei der Wahl ihrerweiteren Ausbildung und Berufswahl die Perspektiven auf demArbeitsmarkt? Sollten sie dies überhaupt berücksichtigen?12.2.2.2 ArbeitsvermittlerWie gestaltet sich der Eintritt der Jugendlichen in den Arbeitsmarkt?Haben Jugendliche mehr Probleme, einen stabilen, passendenArbeitsplatz zu finden? Eingegangen werden sollte auf dieprekären Arbeitsverhältnisse. Bei den Mitarbeiter/innen der Arbeitsvermittlungliegt der Schwerpunkt auf den Änderungen inden Rahmenbedingungen des Arbeitsmarktes sowie auf den Erwartungen,Ansprüchen und Verhaltensweisen der Jugendlichenan diesen öffentlichen Dienst.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 139Welche Stärken kann die die öffentliche Arbeitsvermittlung inSüdtirol vorweisen? Was hat sich diesbezüglich in Südtirol bewährt,insbesondere hinsichtlich der Vermittlung von Jugendlichen?Welche Schwächen sind im Arbeitsvermittlungssystem Südtirolszu beobachten?Haben Berufsberater/innen genug Zeit für einzelne Fälle, insbesonderefür problematische Fälle?Aus Ihrer Erfahrung heraus gesprochen: herrscht unter den Jugendlichenbezüglich der späteren Berufstätigkeit eher Optimismusoder Pessimismus vor?Welche Erwartungen hinsichtlich der zukünftigen Arbeit sind unterJugendlichen am stärksten verbreitet? Welche Einschätzungenhaben die Jugendlichen selbst vom Arbeitsmarkt (insgesamtund im Besonderen für ihre jeweiligen eigenenInteressen)?Welche Strategien setzen die Jugendlichen in der aktiven Arbeitssucheein (Instrumente, Ressourcen, Informationskanäleund Kontaktaufnahme mit den Unternehmen)?Welche Ressourcen werden von den Jugendlichen selbst als diewichtigsten wahrgenommen?Welche Interessen und Präferenzen drücken die Jugendlichenbei der Arbeitssuche aus? Werden auch Arbeitsplätze, die wenigbeliebt sind, zur Überbrückung angenommen?Kennen die Jugendlichen die Selbstdarstellung der Unternehmenund wie bewerten sie diese?Jugendliche wünschen sich von Berufsberatern handfeste, praktischeHinweise für Eintrittswege, Berufsberater wollen dieSelbstexploration der Jugendlichen fördern. Besteht diese Divergenzin den Erwartungen immer noch?Welche sind die Problemgruppen beim Übergang von der Schulein den Beruf und wo gibt es den größten Handlungsbedarf?Welche besonderen Probleme haben Jugendliche mit Migrationshintergrundauf dem Arbeitsmarkt?Fragen für die Untergruppe der Experten des Arbeitsmarktservice:Welche Schwächen sind im öffentlichen Arbeitsvermittlungssystembzw. in der Arbeitsmarktverwaltung Südtirols zu beobachten,die auch Jugendliche bei der Arbeitssuche beeinträchtigen?Haben die Arbeitsvermittler/innen genug Zeit für einzelne Fälle,

140 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppeinsbesondere für problematische Fälle? Können sie Jugendlicheaktiv beraten?Kann oder muss die Berufswahl und der Berufseinstieg auch inder Schule besser vorbereitet werden und wie wäre das zu bewerkstelligen?Die duale Berufsausbildung hat sich in Südtirol bewährt, dochdie Zahl der Lehrlinge nimmt stetig ab. Kann der Ausgleichdurch Vollzeitkurse erfolgen oder muss man den Stellenwertund Attraktivität der Lehrberufe allgemein wieder gezielt verbessern?Welche Maßnahmen könnten/sollen für die Erhöhung derDurchlässigkeit zwischen dem Berufsschulsystem u. der Oberschulebzw. allgemein bildenden Schulen erfolgen?Mismatching auf dem Arbeitsmarkt, strukturelle Diskrepanz zwischenAngebot und Nachfrage: ein allgemeines Problem odervor allem für die 15-29-Jährigen? Bei welchen Qualifikationenund auf welcher Bildungsebene klafft Angebot und Nachfragedeutlich auseinander (Stichwort Mangelberufe)?Welche Probleme wirft die durchschnittliche Höherqualifizierungder Jugendlichen auf (Verschiebung im Arbeitsmarkt hin zuBerufen, die Matura und nachfolgende Qualifizierung erfordern)?Ist sie für Südtirols Arbeitsmarkt unverzichtbar oder riskiert maneine höhere Abwanderung von Hochschulabsolventen, weilnicht alle einen Arbeitsplatz in Südtirol finden können? (zu wenigGroßbetriebe, weniger Stellen öff. Dienst, zu geringe F&E)Welche rechtliche Regelungen bei den Arbeitsverhältnissen,aber auch ökonomischen Bedingungen etwa bei Löhnen undSozialversicherung, sind neu zu überdenken, um Jugendlichenden Einstieg ins Erwerbsleben zu erleichtern?Das Jahr des Eintritts ins Berufsleben rutscht allgemein in eindurchschnittlich höheres Alter. Geburtenstarke Jahre gehennach und nach in Rente, jetzt kommen geburtenärmere Jahrgänge.Welche Auswirkungen wird dies auf den Südtiroler Arbeitsmarkthaben?Nehmen Jugendliche heute aufgrund des knapper werdenderStellenangebots zunehmend auch Arbeitsplätze unter ihrer formalenQualifikation sowie als prekäres Arbeitsverhältnis (Projektarbeit,Leiharbeit, Arbeit auf Abruf, andere Formen befristeterArbeitsverhältnisse?Welchen Handlungsbedarf gibt es derzeit bei der Jugendarbeitslosigkeit?Welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen wärengefragt?

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 141Welche Gruppen von Jugendlichen sind auf dem Südtiroler Arbeitsmarktheute schwer vermittelbar? Steht zu befürchten, dassJugendliche mit Migrationshintergrund einen besonderen Handlungsbedarfin Südtirol aufwerfen, wie das auch in Nachbarregionenim Norden der Fall war und noch ist?Arbeitsmarktpolitik: das Mehrjahresprogramm für die AM-Politik2007-2013 bringt keine besonderen Maßnahmen für Jugendliche.Wird sich dies mit der nächsten Programmperiode ändernund an welche Maßnahmen wird dabei gedacht?Sind Ihnen wiss. Studien bekannt, die auf Interessen, Neigungenund Befindlichkeit der Jugendlichen in dieser Phase in Südtiroleingehen? Welcher zusätzliche Forschungsbedarf ist hier gegeben?12.2.2.3 BerufsberaterWelche Entwicklungen gibt es bei der Arbeitssuche? Tun sich dieJugendlichen heute schwerer als früher und warum? Mit den Berufsberater/innenkann über die Erwartungen an die Berufsberatungund über Wirkung und Stellenwert der Beratung gesprochenwerden. Welche Diskrepanzen im Rollenverständnis bestehen hierzwischen Anbietern und Nutzern?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Bei der Berufswahl ist seit einiger Zeit ein geringeres Interessean einer dualen Lehrberufsausbildung zu beobachten, währendder Oberschulbesuch im Kurs steigt. Wie könnte man diese Entwicklungerklären?Was hat sich bei den Vollzeitkursen der Berufsbildung bewährtund worauf führen Sie die relativ starke Zunahme der VZ-Kurs-Teilnehmer/innen in den letzten 10 Jahren zurück ?Der Anteil der Maturant/innen an den jeweiligen Jahrgängensteigt an ebenso wie die Übertrittsquote an die Hochschulen.Sehen Sie darin ein Problem für die Beschäftigungsaussichtender Jugendlichen (Aufnahmefähigkeit des lokalen Arbeitsmarktes)oder ist dies eine durchaus wünschenswerte Entwicklung?Welche sind die wichtigsten Schwierigkeiten der Jugendliche inder Schule heute: mehr Disziplinprobleme, mangelnde Konzentration,weniger Motivation, anderes?Welche Hauptschwierigkeiten hingegen haben Jugendliche heutebei der Berufswahl und Berufsorientierung?Welche Anliegen und Motive sind bei der Berufswahl ausschlaggebend?Soll der Beruf möglichst stark den eigenen Neigungen

142 Spezifische Fragestellungen nach Expertengruppeentsprechen oder wird auch immer mehr auf Beschäftigungsperspektivenund Einkommenschancen geachtet?Inwiefern hat sich die Werteskala der Jugendlichen geändertund welchen Stellenwert nimmt die Arbeit in der Phase der Berufsorientierungein? Ist die Berufstätigkeit für die Selbstverwirklichungund Identitätsausbildung immer noch eine entscheidendwichtige Dimension?Wie stark befassen sich Jugendliche während der Ausbildungmit der späteren Berufstätigkeit? Wird die Entscheidung vor allembei Oberschülern eher auf einen Zeitpunkt nach der Maturahinausgeschoben?Jugendliche haben heute immer mehr Freiraum bei der Lebensplanungund eine größere Auswahl bei Beruf und Ausbildung.Nutzen sie diesen Freiraum und diese breite Wahlmöglichkeitoder macht sich Orientierungslosigkeit breit?Von wem erfahren die Jugendlichen bei der Berufswahl amstärksten Unterstützung und in welcher Hinsicht? (Eltern, ältereGeschwister, peer-group, Berufsberatung, Lehrpersonen usw.)Reicht die Unterstützung der Jugendlichen durch die öffentlicheInstitutionen bei der Berufswahl und Ausbildungswahl aus? Welchezusätzliche Unterstützung würden die Jugendlichen in dieserPhase benötigen?Welche Stimmung herrscht heute unter Jugendlichen bezüglichdes Eintritts in die Arbeitswelt vor? Optimismus oder Pessimismus?Angst vor Arbeitslosigkeit?12.2.2.4 Jugendarbeiter und Selbstvertretung vonJugendlichenIm Rahmen dieser Studie können die Jugendlichen selbst nichtbefragt werden, weshalb aus dem Gespräch mit Fachleuten ausder Jugendarbeit Erkenntnisse über die heutige Lebenswelt derJugendlichen gewonnen werden soll. Es gibt in Südtirol verschiedensteEinrichtungen der Jugendarbeit, vor allem Jugendzentrenund Jugenddienste, die täglich mit Jugendlichen, vor allem in derAltersgruppe 15-20 Jahre arbeiten und somit auch über die unterJugendlichen verbreiteten Haltungen und Meinungen zur Arbeitund Berufswahl Bescheid wissen.Die Vertreter/innen der Jugendverbände und der DachorganisationSJR können Auskunft geben über die Organisation und Selbstvertretungder Jugendlichen, über Befindlichkeit und Interessen derJugendlichen in verschiedenen Lebenslagen (z. B. Studierende).Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 143In der Jugendstudie des ASTAT 2009 ist der Bereich Arbeit undBeruf gar nicht berücksichtigt worden. Wie bedeutsam ist dasThema Arbeit für die Altersgruppe 15-20 wirklich, wie stark befassensich Jugendliche mit der späteren Berufstätigkeit?Wie fühlen sich Jugendliche im Alter von 15-20 hinsichtlich derBerufswahl und der künftigen Arbeit? Herrscht Zuversicht odertun sie sich zunehmend schwer mit dieser Entscheidung?Welche Rolle und welche Aufgaben haben Jugendarbeiter/innenin den öffentlichen Einrichtungen und Vertreter/innen von Jugendverbändenin diesem Prozess des Übergangs?Welche Rolle spielt die Gruppe der Gleichaltrigen bei der Berufs- und Ausbildungswahl?Gibt es genug Unterstützung durch die Eltern, die Berufsberatung,die Verbände und Selbstvertretung, um den Jugendlichenin dieser Phase zu helfen? Wenn nicht genug, was würden sichJugendliche hinsichtlich der Unterstützung bei der Berufswahlvon Schule, Berufsberatung, Unternehmen und anderen wünschen?Was kann die organisierte Jugendbetreuung außerhalb vonSchule und Elternhaus zum besseren Gelingen der Übergangsphasebeitragen?Die Individualisierung der Lebensläufe: jeder ist sein eigenesPlanungsbüro für den beruflichen Einstieg und die beruflicheWeiterentwicklung (Ulrich Beck)? Zutreffend?Die sogenannten NEETs nehmen zahlenmäßig zu. Welche Maßnahmensind geeignet, um diesem Phänomen zu begegnen, dasin Österreich 10,2% und in Italien 21,1% der Jugendlichen betrifft?Welchen Einfluss können die Vertreter der Jugendorganisationenin der Politik für Verbesserungen in Ausbildungssystem geltendmachen?12.2.2.5 UnternehmerverbandsvertreterAuch hier ist anzumerken, dass ein Gespräch mit einer repräsentativenAuswahl von Chefs der Personalbüros von Unternehmenverschiedener Größe und verschiedener Sektoren ein aufschlussreicheresBild über den Einstieg der Jugendlichen in die Arbeitsweltgeben könnte. Dies würde jedoch den Rahmen der anstehendenUntersuchung sprengen.Im Gespräch mit Vertretern der Verbände liegt der Schwerpunktauf der Einschätzung der jugendlichen Arbeitsplatzbewerber undArbeitnehmer. Was hat sich gegenüber 1980 oder 1990 in der Einstellungzur Arbeit, in den Qualifikationen und Werthaltungen der

144 Spezifische Fragestellungen nach ExpertengruppeJugendlichen verändert? Wird manuelle Arbeit geringer geschätzt,strebt man immer mehr hochqualifizierte Ausbildungswege an?Auch quantitative Fragen können eruiert werden, z.B. die Entwicklungbei Lehrstellenangebot, Jugendarbeitslosigkeit, befristet angestellteArbeitnehmer usw. Welche Tätigkeiten seitens der Unternehmerverbändewären nötig, um den Jugendlichen mehr Informationund Orientierung in der Phase des Berufseinstiegs und derBerufswahl zu bieten?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:In welchen Bereichen gibt es zu viele Bewerber? Bei welchenQualifikationen hingegen finden die Unternehmen zu wenig geeigneteJunge Leute? Z.B. laut EXCELSIOR waren 2010 die folgenden10 Berufe in Südtirol am schwersten zu finden:IngenieureBetriebswirte und BankfachleuteTechniker und IngenieurwissenschaftlerVertriebsfachleuteFachkräfte im Bereich Lagerverwaltung, Logistik, TransportmanagementFachkräfte für die FinanzverwaltungVerkäufer im FacheinzelhandelGesundheitsberufeFacharbeiter im Innenausbau von GebäudenFacharbeiter in der LebensmittelverarbeitungFacharbeiter für Bedienung und Wartung von MaschinenFacharbeiter für die Verarbeitung von Holz, Leder und Textil... stimmt dieses Ergebnis mit Ihrer Erfahrung für Ihren Wirtschaftssektorüberein?Wie entwickelt sich das Angebot an Lehrstellen in Südtirol imAllgemeinen und bei welchen Bereichen gibt es die größtenProbleme, diese zu besetzen?Wie kann man die Durchlässigkeit zwischen Oberschule und Berufsschuleverbessern?Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibtes in Südtirol für die berufsspezialisierende Lehre nach der Maturaauf zweiter Ebene?Hochschulabsolventen und Hochqualifizierte: welche Änderungenkönnen Sie in den letzten 10-15 Jahren (also seit Existenzder FUB) bei der Besetzung von hochqualifizierten Stellen beobachten?

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 145Gibt es ein "Idealprofil" des jungen Mitarbeiters/in? Welche sinddie zentralen Eigenschaften neben der fachlichen Qualifikation,die die Jugendlichen aufweisen sollten? Welche Kompetenzensind heute bei den Unternehmen Trumpf?Die Arbeitsmarktbeobachtung stellt derzeit ein Diskrepanz zwischenvon den Unternehmen nachgefragten und den Jugendlichengebotenen Qualifikationen fest. Worin liegen die Ursachendafür? (Berücksichtigen sie bei der Berufswahl zu wenig die Arbeitsmarkt-Realitätoder hat sich das Schulsystem vom Bedarfauf dem Arbeitsmarkt zu stark entfernt)?Was muss in den institutionellen Rahmenbedingungen verändertwerden (Funktionsweise der Schulen, AM-Verwaltung und-vermittlung, Arbeitsvertragsformen usw.),um den Jugendlichenden Einstieg in die Arbeitswelt zu erleichtern?Die Betriebspraktika: hat sich diese Form der Anstellung für diespätere Berufswahl von Jugendlichen bewährt? Oder was müsstein dieser Hinsicht verbessert werden?Bietet das Arbeitsmarktservice der Autonome Provinz den Jugendlichenbeim Einstieg in den Arbeitsmarkt ausreichend Unterstützung.Wie sieht es dagegen mit den privaten Arbeitsvermittlungsdienstenaus, die immer mehr von den Jugendlichenbeansprucht werden. Trifft das auch für Ihren Sektor zu?Wie können die Unternehmen die qualifizierten jungen Mitarbeiter/innenin ihrem Betrieb halten? Gibt es Probleme mit der retention,nämlich der Fähigkeit der Unternehmen, die fähigstenNachwuchsmitarbeiter im Betrieb zu halten und unerwünschteFluktuation zu vermeiden?12.2.2.6 ForschungZunächst soll im Gespräch mit den Forschern eruiert werden, zuwelchen Themen derzeit in Sachen Jugendliche und Arbeitsmarktgeforscht wird. Gibt es darüber hinaus Studien, die auf die Interessen,Neigungen, Befindlichkeit der Jugendlichen in der dieser Phasedes Übergangs eingehen? Wie passt das heutige BildungssystemSüdtirols zu neueren Entwicklungen des Arbeitsmarktes? Ausgehendvon EXCELSIOR-Daten zu Mangelberufen soll über Entwicklungenbei der Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt gesprochenwerden.Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Warum ist das Kapitel Arbeit und Beruf in der Jugendstudie desASTAT ausgeklammert geblieben? Wird es in der nächsten Jugendstudieberücksichtigt werden?

146 Spezifische Fragestellungen nach ExpertengruppeAls Stärken unseres Bildungssystems haben Sie vorhingenannt:........Wie können diese Stärken bei einem Arbeitsmarkt,der sich ändert, beibehalten werden?Die duale Berufsausbildung hat sich in Südtirol bewährt, dochdie Zahl der Lehrlinge nimmt stetig ab. Kann der Ausgleichdurch Vollzeitkurse erfolgen oder ist eine Verschiebung im ganzenÜbergangssystem hin zu Berufen im Gang, die das Maturadiplomvoraussetzen?Welche Maßnahmen sollen für die Erhöhung der Durchlässigkeitzwischen dem Berufsschulsystem und der Oberschule bzw. allgemeinbildenden Schulen erfolgen?Welche Probleme wirft die durchschnittliche Höherqualifizierungder Jugendlichen auf? Ist sie für Südtirols Arbeitsmarkt unverzichtbaroder riskiert man eine höhere Abwanderung von Hochschulabsolventen,weil nicht alle einen Arbeitsplatz in Südtirolfinden können?Gibt es Studien, die auf Interessen, Neigungen und Befindlichkeitder Jugendlichen in dieser Phase eingehen? Welcher zusätzlicheForschungsbedarf ist hier gegeben?Mismatching auf dem Arbeitsmarkt: ein allgemeines Problemoder vor allem für die 15-29-Jährigen? Bei welchen Qualifikationenlässt sich dieses Phänomen derzeit am stärksten beobachten?Welche rechtliche Regelungen insbesondere bei den Arbeitsverhältnissen,aber auch bei Löhnen und Sozialversicherung, sindneu zu überdenken, um Jugendlichen den Einstieg ins Erwerbslebenzu erleichtern?Die mittelfristige Planung der Berufsausbildung: welche Perspektivenbieten sich in Südtirol, welcher neuer Ausbildungsbedarflässt sich derzeit erkennen?Was unternimmt das WIFO bzw. die Handelskammer, um denJugendlichen die Arbeitswelt näher zu bringen (WIFO)?Zusätzliche Fragen für die Untergruppe der Arbeitsmarktbeobachtungsstelle/Abteilung Arbeit:Der Eintritt ins Berufsleben rutscht allgemein in ein durchschnittlichhöheres Alter. Jetzt kommen geburtenärmere Jahrgänge.Welche Auswirkungen wird dies auf den Südtiroler Arbeitsmarkthaben?Kann die Berufswahl und der Berufseinstieg auch in der Schulebesser vorbereitet werden und wie?

apollis Jugend und Arbeit in Südtirol: ein Überblick 147Welchen Handlungsbedarf gibt es derzeit bei der Jugendarbeitslosigkeit?Welche zusätzlichen Unterstützungsmaßnahmen wärengefragt?Welche sind die Gruppen von schwer vermittelbaren Jugendlichenauf dem Arbeitsmarkt?Der brain drain war bei der Abwanderung von Akademikern inden letzten 10 Jahren eine Zunahme oder Abnahme zu verzeichnen?12.2.2.7 Vertreter der Gewerkschaften undSozialverbändeInwiefern besteht heute Sorge bezüglich Jugendarbeitslosigkeit inSüdtirol? In welchem Ausmaß sind Jugendliche von prekären Arbeitsverhältnissenbetroffen? Welche sozialstaatlichen bzw. arbeitsrechtlichenEingriffe sind erforderlich, um den Einstieg derJugendlichen in den Arbeitsmarkt zu verbessern? Wie steht es mitder Entlohnung der Lehrlinge und junger Arbeitnehmer/innen imAllgemeinen? Wie steht es mit der Organisierbarkeit der Jugendlichenin dieser Phase? Welche Vorstellungen habe die Gewerkschaftenfür die Verbesserung des Übergangssystems Schule-Beruf?Fragen für den zweiten Teil des Expertengesprächs:Wie stark sind Jugendliche gewerkschaftlich organisiert? Wiekommt es zu diesem geringen Organisationsgrad der Jugendlichen?Wie können Jugendliche ihre Interessen hinsichtlich Bildungund Arbeit selbst besser vertreten?Prekäre Arbeitsverhältnisse: wie stark sind Jugendliche zwischen15 und 29 Jahren davon betroffen? Zeitarbeit, Leiharbeit,andere Formen befristeter Arbeit: werden immer mehr Jugendlicheauf diese Formen des Einstiegs in den Arbeitsmarkt zurückgreifenmüssen?Welche Erkenntnisse gibt es zur Entlohnung der JugendlichenArbeitnehmer? Gibt es Daten über die durchschnittlichen Lohnhöhennach Altersgruppen?Was bedeutet der deutliche Rückgang der Zahl der Lehrlingeund Interessierten an der dualen Ausbildung?Wie kann man die Durchlässigkeit zwischen Oberschule und Berufsschuleverbessern? Welche Entwicklungsmöglichkeiten gibtes in Südtirol für die berufsspezialisierende Lehre nach der Maturaauf zweiter Ebene?

148 Spezifische Fragestellungen nach ExpertengruppeKann in Südtirol ein struktureller mismatch auf dem Arbeitsmarktentstehen, also immer mehr Hochqualifizierte ohne Job,dagegen gering qualifizierte Arbeitsplätze ohne aus Südtirolstammende Bewerber?Welche Verbesserungen sind in der Arbeitsmarktverwaltung,vor allem in der Arbeitsvermittlung und Berufsberatung nötig?Welche zusätzlichen sozialstaatlichen Maßnahmen sind zur Unterstützungder Jugendlichen beim Übergang in die Arbeitsweltnötig?Demografische Entwicklung: jetzt kommen geburtenärmereJahrgänge. Welche Auswirkungen wird dies auf den Arbeitsmarkthaben?

149 Jugendarbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht und Jahr12.3 Jugendarbeitslosigkeit in Italien nach Region, Geschlecht und JahrAnteile in %2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 201115-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+ 15-24 15+M 20,6 6,4 21,5 6,2 19,1 5,4 18,2 4,9 18,9 5,5 23,3 6,8 26,8 7,6 27,1 7,6Italien F 27,2 10,5 27,4 10,1 25,3 8,8 23,3 7,9 24,7 8,5 28,7 9,3 29,4 9,7 32,0 9,6Insg. 23,5 8,0 24,0 7,7 21,6 6,8 20,3 6,1 21,3 6,7 25,4 7,8 27,8 8,4 29,1 8,4M 13,0 3,4 11,9 3,2 12,0 3,0 12,9 3,0 12,0 3,3 18,6 5,0 21,1 5,5 20,1 5,6Nordwesten F 15,3 6,1 17,9 6,0 15,4 5,1 15,2 4,9 16,6 5,4 22,1 6,9 22,6 7,1 25,3 7,2Insg. 14,1 4,5 14,6 4,4 13,4 3,9 13,9 3,8 13,9 4,2 20,1 5,8 21,7 6,2 22,2 6,3M 15,3 4,3 14,0 3,3 13,8 3,2 12,4 3,5 11,9 4,0 20,8 6,1 26,4 7,0 23,9 6,9Piemont F 16,7 6,5 20,7 6,4 17,8 5,1 16,8 5,2 19,2 6,3 29,2 7,8 26,8 8,4 26,6 8,6Insg. 15,8 5,3 16,9 4,7 15,5 4,0 14,3 4,2 14,9 5,0 24,1 6,8 26,6 7,6 25,1 7,6M 6,4 2,2 9,1 2,5 7,9 2,4 9,7 2,4 12,2 2,5 14,6 3,5 12,6 3,9 20,2 5,1Aostatal F 12,3 4,1 10,9 4,3 11,7 3,8 15,1 4,3 11,8 4,2 21,3 5,6 21,7 5,1 25,7 5,4Insg. 8,8 3,0 9,9 3,2 9,4 3,0 11,8 3,2 12,1 3,3 17,5 4,4 16,7 4,4 22,4 5,3M 16,1 4,0 15,4 3,2 16,7 3,4 24,4 4,2 18,7 4,0 18,4 4,6 20,3 5,9 26,1 5,8Ligurien F 26,1 8,1 26,0 9,1 16,7 6,6 16,1 5,7 25,8 7,1 19,2 7,1 20,3 7,4 20,4 7,0Insg. 20,5 5,8 20,0 5,8 16,7 4,8 20,7 4,8 22,0 5,4 18,8 5,7 20,3 6,5 23,8 6,3M 11,8 2,9 10,6 3,1 10,8 2,9 11,8 2,6 11,2 3,0 17,7 4,6 19,0 4,9 17,7 5,1Lombardei F 13,9 5,6 16,0 5,4 14,4 4,8 14,4 4,6 14,3 4,8 19,7 6,4 20,9 6,5 25,3 6,7Insg. 12,7 4,0 13,0 4,1 12,3 3,7 12,9 3,4 12,5 3,7 18,5 5,4 19,8 5,6 20,7 5,8M 7,9 2,5 9,2 2,8 8,0 2,4 7,2 2,1 8,7 2,4 13,2 3,8 16,2 4,5 18,3 4,2Nordosten F 13,9 5,7 14,0 5,6 15,2 5,3 13,0 4,5 13,4 4,8 19,1 5,8 23,0 6,9 21,5 6,1Insg. 10,6 3,9 11,3 4,0 11,0 3,6 9,6 3,1 10,7 3,4 15,7 4,7 19,1 5,5 19,7 5,0M 4,7 2,0 6,8 2,2 5,6 1,9 5,3 2,0 4,2 1,9 8,1 2,5 5,4 2,3 11,2 3,0Südtirol F 6,3 3,5 8,1 3,5 9,7 3,6 5,4 3,3 8,3 3,0 10,1 3,4 7,9 3,2 6,9 3,8Insg. 5,4 2,7 7,3 2,8 7,2 2,6 5,3 2,6 6,0 2,4 8,9 2,9 6,4 2,7 9,4 3,3M 8,8 1,8 8,9 2,4 6,6 1,8 7,0 1,8 7,0 2,4 9,2 2,7 11,9 3,6 14,7 4,0Provinz Trient F 12,0 5,0 12,3 5,2 13,6 4,8 11,5 4,4 10,8 4,5 15,1 4,6 20,3 5,2 14,3 5,1Insg. 10,3 3,2 10,3 3,6 9,4 3,1 8,9 2,9 8,5 3,3 11,5 3,5 15,1 4,3 14,5 4,5M 8,3 2,5 10,6 2,9 8,1 2,4 5,4 2,0 7,8 2,3 11,7 3,6 15,9 4,5 19,0 4,0Venetien F 13,2 6,7 15,0 6,2 17,0 6,5 12,5 5,2 14,5 5,2 17,9 6,4 23,6 7,5 21,1 6,4Insg. 10,6 4,2 12,6 4,2 11,8 4,0 8,4 3,3 10,7 3,5 14,4 4,8 19,1 5,8 19,9 5,0M 9,4 2,6 9,5 3,2 8,3 2,5 11,3 2,4 11,5 2,7 13,7 4,5 14,8 5,1 15,6 4,1Friaul-JulischF 14,9 5,8 11,9 5,3 15,9 4,9 20,0 4,7 17,7 6,4 27,4 6,4 22,1 6,5 27,9 6,5VenetienInsg. 11,9 3,9 10,5 4,1 11,5 3,5 14,5 3,4 13,9 4,3 18,9 5,3 18,0 5,7 20,9 5,2Emilia-RomagnaMitteToskanaUmbrienMarkenLatiumSüdenund InselnAbruzzenMoliseKampanienApulienBasilikataKalabrienSizilienSardinienM 7,5 2,7 7,8 2,7 8,5 2,6 8,8 2,1 10,2 2,4 16,5 4,2 19,8 4,6 20,1 4,5F 16,0 5,0 14,2 5,3 13,7 4,3 13,7 3,9 12,2 4,3 20,8 5,5 25,4 7,0 23,9 6,2Insg. 11,4 3,7 10,7 3,8 10,7 3,4 10,8 2,9 11,1 3,2 18,3 4,8 22,4 5,7 21,9 5,3M 17,5 4,9 18,4 4,9 17,5 4,5 15,3 3,9 16,9 4,6 21,8 5,7 24,9 6,6 26,6 6,7F 25,9 8,7 24,8 8,3 22,3 8,2 21,4 7,2 23,2 8,2 28,9 9,2 27,4 9,0 32,2 8,9Insg. 21,4 6,5 21,1 6,4 19,5 6,1 17,9 5,3 19,6 6,1 24,8 7,2 25,9 7,6 28,9 7,6M 11,5 3,6 14,0 3,7 13,7 3,1 10,8 2,8 12,6 3,3 16,4 4,2 23,5 5,0 21,0 5,4F 21,7 7,3 20,5 7,3 17,8 7,0 17,6 6,3 16,8 7,3 19,7 7,8 22,6 7,5 30,3 7,9Insg. 16,0 5,2 16,7 5,3 15,4 4,8 13,7 4,3 14,4 5,0 17,8 5,8 23,1 6,1 24,9 6,5M 14,1 3,8 16,2 4,1 7,5 2,6 8,8 2,7 12,1 3,2 14,2 4,7 18,9 5,1 18,6 5,2F 16,8 8,3 21,6 8,8 24,8 8,3 18,0 6,9 17,5 6,8 28,8 9,3 24,2 8,6 28,4 8,3Insg. 15,3 5,7 18,5 6,1 14,6 5,1 12,7 4,6 14,4 4,8 19,6 6,7 21,0 6,6 22,8 6,5M 10,2 3,8 9,7 3,4 8,2 3,2 7,2 2,7 10,5 3,9 22,6 6,2 16,0 4,9 20,7 5,4F 23,5 7,3 23,0 6,5 17,2 6,4 12,1 6,1 15,5 5,7 22,6 7,2 15,3 6,9 27,2 8,5Insg. 16,5 5,3 15,1 4,7 11,6 4,5 9,3 4,2 12,6 4,7 22,6 6,6 15,7 5,7 23,5 6,7M 24,7 6,3 24,8 6,4 25,3 6,1 22,7 5,1 22,8 5,9 26,3 6,8 29,2 8,4 32,6 8,1F 30,7 10,3 28,6 9,5 26,4 9,6 27,9 8,2 30,7 9,7 36,4 10,8 33,9 10,6 35,6 9,8Insg. 27,6 7,9 26,5 7,7 25,7 7,5 24,9 6,4 26,2 7,5 30,6 8,5 31,1 9,3 33,7 8,9M 32,8 11,9 34,8 11,4 30,4 9,9 28,9 8,9 30,2 10,0 33,1 10,9 37,7 12,0 37,7 12,1F 44,6 20,5 44,6 19,6 40,5 16,5 38,3 14,9 39,3 15,7 40,9 15,3 40,6 15,8 44,6 16,2Insg. 37,6 15,0 38,6 14,3 34,3 12,2 32,3 11,0 33,6 12,0 36,0 12,5 38,8 13,4 40,4 13,6M 19,2 5,5 13,1 4,5 19,4 4,6 12,2 3,9 14,4 5,1 19,2 6,5 24,8 7,0 20,3 7,1F 27,7 11,5 36,4 12,7 23,5 9,5 26,2 9,8 28,0 8,7 32,6 10,5 38,0 11,4 33,8 10,7Insg. 22,8 7,9 23,0 7,9 21,0 6,5 17,2 6,2 19,7 6,6 24,0 8,1 29,5 8,8 25,6 8,5M 26,8 8,9 29,3 8,2 23,6 7,2 22,0 6,4 23,0 6,9 25,7 7,8 28,9 7,7 24,0 8,9F 39,4 15,3 36,2 13,2 36,5 14,5 26,9 10,9 38,0 12,4 29,3 11,0 32,1 9,6 36,3 11,6Insg. 31,9 11,3 31,8 10,1 27,9 10,0 23,8 8,1 28,8 9,1 27,1 9,1 30,2 8,4 28,6 9,9M 33,3 12,3 36,0 11,9 31,1 10,3 30,7 9,5 31,5 10,4 35,9 11,4 43,2 12,4 43,4 13,7F 43,8 21,7 43,0 20,8 41,6 17,9 35,4 14,6 33,9 16,8 41,7 16,0 39,8 17,3 46,0 19,0Insg. 37,7 15,6 38,8 14,9 35,4 12,9 32,5 11,2 32,4 12,6 38,1 12,9 41,9 14,0 44,4 15,5M 29,1 12,1 32,8 11,5 28,8 10,3 30,2 9,0 27,6 9,4 30,0 10,8 34,2 12,1 35,0 11,1F 44,2 21,8 39,9 20,9 37,6 17,7 34,6 15,5 38,3 15,8 36,6 16,2 35,2 16,3 40,1 16,9Insg. 35,4 15,5 35,4 14,6 32,2 12,8 31,8 11,2 31,6 11,6 32,6 12,6 34,6 13,5 37,1 13,1M 30,0 9,4 27,7 8,5 27,8 7,9 23,0 6,3 27,8 8,7 31,9 9,6 38,9 11,3 35,9 11,2F 44,7 18,6 50,4 18,5 40,1 15,2 48,5 15,3 48,1 15,2 49,6 13,9 46,8 15,7 47,7 13,2Insg. 35,6 12,8 36,6 12,3 32,0 10,5 31,4 9,5 34,6 11,1 38,3 11,2 42,0 13,0 39,6 12,0M 35,6 11,9 41,1 12,2 31,3 11,2 27,6 9,4 32,4 10,1 27,1 9,9 34,6 10,8 40,4 12,2F 47,5 18,5 53,9 18,2 43,1 15,9 39,4 14,5 38,0 15,7 39,8 13,9 47,6 13,8 40,4 13,6Insg. 40,5 14,3 46,1 14,4 35,5 12,9 31,6 11,2 34,5 12,1 31,8 11,3 39,0 11,9 40,4 12,7M 37,8 13,8 40,6 13,4 35,1 11,2 32,4 10,6 35,0 11,9 35,4 12,4 38,8 13,3 36,4 12,8F 51,3 23,7 52,1 21,6 45,3 17,8 45,8 17,3 46,6 17,3 44,2 16,6 45,7 17,3 53,2 17,2Insg. 42,9 17,2 44,8 16,2 39,0 13,5 37,2 13,0 39,3 13,8 38,5 13,9 41,3 14,7 42,8 14,4M 32,3 11,3 28,2 9,8 26,1 8,5 25,6 7,2 30,0 9,8 43,2 11,5 38,7 13,6 43,7 12,8F 39,6 18,1 38,6 18,0 39,0 14,6 43,3 14,2 46,2 15,9 46,6 16,0 38,9 14,9 40,6 14,6Insg. 35,5 13,9 32,6 12,9 31,0 10,8 32,5 9,9 36,8 12,2 44,7 13,3 38,8 14,1 42,4 13,5