2006-06 Jakobsweg + Nordportugal - Volker Westphal

2006-06 Jakobsweg + Nordportugal - Volker Westphal 2006-06 Jakobsweg + Nordportugal - Volker Westphal

volkerwestphal.de
von volkerwestphal.de Mehr von diesem Publisher

irges. Es erstreckt sich über die autonomen GemeinschaftenAsturien, Kastilien-León undKantabrien. In den Picos de Europa befinden sich200 Berge über 2.000 m Höhe, der höchste Gipfeldes Gebirges ist der Torre de Cerredo mit 2.648 m.Auf Grund der Nähe zum Meer (ca. 20 km) ist dasKlima der Gebirgskette von hoher Luftfeuchtigkeitund ausgiebigen Niederschlägen gekennzeichnet. Esist ca. 15.00 Uhr, als wir zu unserem Bergtripp starten.Schon nach wenigen Kilometern erkennen wir,was fahrleistungsmäßig heute noch vor uns liegtbzw. was wir uns in Unkenntnis der schmalen Bergstraßenvorgenommen haben. So wollen wir fahren,soweit wir Lust und Tageslicht haben. Dann suchenwir uns ein schnuckeliges Berghotel und bleibendort für die Nacht. Gesagt, getan, schrauben wir unsauf engsten Serpentinen immer höher ins Gebirge.Am Anfang geht es noch in schmalen Schluchtensteil bergan, den rauschenden Bergflüsschen entgegen.Manchmal sind die Schluchten fast schon einerKlamm gleich. Häufig ist die schmale Straße inden Felsen getrieben, sodass wir unter den Felsenfahren, die sich drohend über unseren Köpfen auftürmen.Je höher wir kommen, desto freier wird dieSicht in die Ferne. Jetzt nur nicht träumen, hierwerden keine Fahrfehler verziehen. KonsequentesRechtsfahren wird hier mit Überleben belohnt. Soarbeiten wir uns volle zweieinhalb Stunden berganund genießen die grandiose Fernsicht nach Westenund Süden. Es ist wenig Verkehr in dieser Wildnis,dennoch ist in jeder engen Kurve mit schnellemBergab-Gegenverkehr zu rechnen. Die Öltemperatursteigt immer wieder auf über 120° C. und der Öldruckreduziert sich von sechs auf nur noch knappzwei Bar. Da wird es hohe Zeit für eine Pause inluftiger Höhe. Wir wählen einen Panoramapunktmit Parkplatz und sind hier ganz allein um dieseTageszeit. Bei langsamen Wenden auf den Platzbegeht Annegret einen kleinen Fahrfehler mit Konsequenz.Das linke Bein reicht auf schrägem Bodennicht bis an den Grund, so fällt die Maschine ausdem Stand auf die Seite mit Koffer und Sturzbügel.5Annegret in voller Schutzkleidung mit Helm ist unversehrt,aber natürlich sehr erschrocken. Schnell istdie BMW zu zweit wieder aufgerichtet und Annegretklopft sich den Staub aus der Montur. Die kleinenBlessuren an der Maschine geben ihr nur nochzusätzliche Patina; eine Zündkerze muss gewechseltwerden, Nebelscheinwerfer gerichtet, Sitzbank geputzt.Dann sitzen wir noch gute dreißig Minutenund geben dem Schreck die Chance schnell zu verschwinden.Die Fernsicht im Abendlicht entschädigtuns und dann geht es vorsichtig weiter. Der Elan jedochist raus für heute und wir suchen nach einemNachtquartier. Riano am gleichnamigen Embalse(Stausee) ist uns zu modern, der alte Ort ist in denStauseefluten versunken. So bleibt uns nur die Weiterfahrtum das Massiv in Richtung Norden nachCangas de Onis. Nachdem wir das Hochgebiet verlassen,geht es wieder in die Klammschluchten aufkurvigster schmaler Straße voran. Nur diesmalbergab. Hupen vor jeder Kurve ist unerlässlich, dieStraße ist zu schmal. Es geht voran, meist im zweitenGang ohne Betätigung der Bremse, das schontMaterial und Motor und gibt uns viel Zeit, das ständigwechselnde Panorama zu bemerken und aufzunehmen.In tiefer waldreicher Schlucht entdecken wir gegen20.00 Uhr rechts der Straße das kleine Hotel „PonteVidosa“**. Direkt an einer Wildbach-Brücke übereiner tiefen Schlucht schmiegt es sich unter einemeigenen Wasserfall an die Felsen der Schlucht. Wirsind mit 2 Autofahrern die einzigen Gäste heute.Das saubere Haus gefällt uns, ist mit Aufzug unteranderem geschmackvoll und modern restauriert. DieZimmer hübsch und sauber, das Restaurant ansprechend,die öffentliche Bar gut sortiert. Wir zahlen €66,- für das Doppelzimmer mit DU/WC, inklusiveAbendessen und Frühstück. Nachdem die Motorrädersicher geparkt und verschlossen sind, wird Annegretin Fahrbekleidung unter die warme Duschegestellt und komplett abgeduscht, sodass der Straßenschmutzbequem von der Fahrbekleidung abgespültwerden kann. Danach machen wir es uns imRestaurant gemütlich, Glasaal (Angulas) mit Rührei,frische Forelle aus der Schlucht, gepökelteSchweinestelze, Marzipantorte und Kaffee, dazukühlen Rioja-Rosado. Die gut 140 km schwierigenBergstraßen zum Tagesausklang haben uns für heuterichtig müde gemacht. Morgen ist Pfingstsonntagund wieder liegen interessante Kilometer vor uns.Um 23.00 Uhr schließen wir in den bequemen Bettenunsere Augen.Sonntag, 4. JuniCangas de Onis – Porto de Barqueiro/Galizia321 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 26° C.Erst um 10.00 Uhr werden wir heute am Frühstückstischgesehen, Milchkaffe und Kuchen.Unter dem ruhigen Rauschen des Wasserfalles habenwir tief und fest geschlafen. Gegen 11.00 Uhrdrehen sich unsere Pneus bereits talabwärts nachCangas. Teilweise ist die Landschaft denen der Dolomitennicht unähnlich, die Berge jedoch nicht sobizarr. Kaum Touristen in dieser Jahreszeit trüben


kann nur ein Pilger sein! Die letzte Etappe des <strong>Jakobsweg</strong>esbis zum Kap führt direkt am Hotel vorbei.Es ist das letzte Hotel vor dem Landesende am„Cabo Finisterre“. Von hier aus machen sich allabendlichdie Pilger aus ganz Europa zum Sonnenuntergangauf die letzte Etappe ihrer beschwerlichenReise nach Santiago de Compostela. Es ist einRelikt aus alter Keltenzeit, wenn hier zum Sonnenuntergangdie Kleidungsstücke der Pilger verbranntwerden, was den Eintritt in das neue, von Sündengereinigte Leben symbolisieren soll.Am Leuchtturm finden wir dann auch die letzteWegmarke mit der Jakobsmuschel und Wegkilometer0,0. Vorher haben wir uns im Hotelrestaurantam frischen Kalmar, gegrillt, einer Fischsuppe undeiner Meeresfrüchtesuppe gütlich getan. Um 22. 05Uhr machen wir uns mit einer BMW auf zumLeuchtturm. Unsere Maschine hüpft mit Leichtigkeitbergan zum Leuchtturmfelsen. Unterwegsüberholen wir die Pilger, die sich sputen müssen.22.20 ist die Sonne fort und wir beobachten dasTreiben am keltischen Kap der Todesküste. Die Bezeichnung„Todesküste“ stammt aus der Zeit derentdeckenden Seefahrer und weist auf die unzähligenSchiffsunfälle hin, die sich hier bei Legerwallund Sturm abgespielt haben. Kurze Zeit später sindwir wieder im Hotel, sitzen noch bis Mitternacht imFreien an der Straße bei perlendem Vinho verde undkaltem Mineralwasser und sprechen lange über unsereErlebnisse und Eindrücke. Es will nicht abkühlenan diesem Abend. Im Hotelzimmer ist es sehrwarm und wir schlafen unruhig in dieser Nacht.Dienstag, 6. JuniFisterra – Esponsende/Minho319 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 35° C.Kurz vor 12.00 Uhr am Mittag rollen heute dieRäder mit uns an der herrlichen galizischenKüstenstraße gen Süden. Hinter jeder Kurve wirktein neues Küstenszenario auf uns ein. Dann nehmenwir die kleine schmale Bergstraße bis Noia, dannauf der Autovia an der Auswandererstadt Vigo vorbeiund wieder auf die Küstenstraße bei Baiona. DieLandschaft an der Küste ist merklich trockener undfelsiger geworden. Direkt am Flutsaum rasten wir ineinem urigen, einfachen Grillrestaurant auf Betonstelzenüber der Brandung für € 11,- mit Schinken-& Käsetoast, viel Tomatensalat mit Zwiebeln. Dazueiniges an Mineralwasser. Wir wollen Portugal mitder Fähre über den Fluss „Minho“ erreichen undhaben es nicht mehr weit bis zur spanischportugiesischenGrenze.7Das Fährboot wartet auf uns und wir zahlen € 3,-pro Maschine für die Überfahrt von ca. 15 MinutenDauer über den Grenzfluss. In Portugal angekommen,bleiben wir auf der Küstenroute. Kurs Süd bisViana do Castelo. Hier wühlen wir uns durch denFeierabendverkehr. Wir sehen in der Stadt sehr vielalte Bausubstanz im typischen Kolonialstil, mitAzulejos geschmückte Fassaden und stählerne Balkongitter.Da die alte Eiffel-Brücke aus Stahl überden Rio Lima wegen Renovierung gesperrt ist,müssen wir einen Umweg fahren. Wir lernen, dassdie Hotels in Portugal entlang der Straße spärlichergesät sind und häufig unansprechend aussehen. Somüssen wir heute länger suchen und finden relativspät etwas im schönen Seebad Esposende. Dort folgenwir der Wegweisung zum Hotel „SuaveMar“*****. Hier erhalten wir ein schönes großesDoppelzimmer mit gutem Kingsize-Bett, riesigemMarmorbad und einem Frühstücks-Buffet für € 51,-.In einem Straßencafé sitzen wir noch 2 Stunden undgenießen den lauen Abend am rauschenden Atlantik.Mittwoch, 7. JuniEsposende – Porto/Douro62 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 33° C.Nach einem guten Frühstück sind wir in vollerMontur auf unserer Weiterfahrt in RichtungSüden. Wir haben die N16 gewählt, die uns direkt indie City von Porto führen wird. Der Verkehr ist erträglichund die Fahrer größtenteils recht rücksichtsvollund freundlich. Dafür ist es sehr warm.Im Stadtteil Boavista entdecken wir ein dezentesHinweisschild auf unser Hotel „Residenz Brasilia“*;wir folgen der Wegweisung und haben um12.30 Uhr unser Ziel ohne Probleme erreicht. Eshandelt sich um ein altes, vornehmes Stadthaus, dasvor Jahren zu einem kleinen Hotel umgebaut wordenist. Die großen Zimmer mit enormer Deckenhöhesind jetzt aufgeteilt und Dusche/WC mit vielGeschick eingebaut. Eine blank polierte Messingtreppemit mittigem rotem Treppenläufer begrüßtuns und unsere Motorräder stehen in einer verschließbarenGarage im Innenhof des Hotels. DiesenCharme vergangener Epoche bezahlen wir mit €41,- pro Nacht Ü/F. Dafür erhalten wir eine Suitemit Salon, großem Bad und einem Schlafzimmer imStil der 20er Jahre. Die Sonne knallt heftig auf diestark verdunkelten Fenster. Einen Deckenventilatorgibt es nicht, aber dafür ein großes modernes Klimagerätmit Fernbedienung an der hohen Zimmerwand.Das ist schön und binnen weniger Minuten ist


es im Zimmer angenehm auszuhalten. Für unserenStadtbummel ist es noch zu heiß. Daher ruhen wirbis 16.00 Uhr auf den Betten und machen uns dannzu Fuß auf den Weg zur Altstadt und zum FlußDouro, der Lebensader der Stadt und Region.Die Stadtarchitektur erinnert überall an vergangeneZeiten mit bester wirtschaftlicher Lage. Die Baustileaus kolonialer Zeit in Angola, Macao oder Brasilienfindet sich hier an jeder Straßenecke wieder. DieWohnungshäuser mit den vielen gusseisernen Balkonenstrahlen einen schrullig-verlebten Charmeaus. Die Balkons sind dicht bestückt mit südländischenTopfpflanzen, die sich in der warmen Sonneprächtig entwickeln. Unzählige Bodegas in denschmalen Gassen laden zum Verweilen in den kühlenKellern ein, die Straßencafés sind gut besucht.Der Weg vom Rathaus zum Fluss ist architektonischhochinteressant und führt u. a. auch am Stadtbahnhofvorbei, dessen Eingangshalle mit großen Bildernportugiesischer Geschichte geschmückt ist. Siesind zusammengesetzt aus tausenden kleinen blauenKacheln, den so genannten „Azulejos“, einer Artdes Wandschmuckes aus vergangener Maurenzeit.Wir befinden uns am nördlichen Douro-Ufer unddurchstreifen das Altstadtvierel „Ribeira“. Das Süduferwird beherrscht von den Lagerkellern derPortwein-Hersteller. Große Kellerhäuser beherrschenhier das Stadtbild. Auf den Dächern erkennenwir die vielen Werbe-Neons der weltbekanntenPortwein-Markennamen. Hier wird der Traubenmostaus dem oberen Douro-Tal angeliefert undausgebaut. Er reift über Jahre in den Stadtkellereien,bevor er mit Branntwein verschnitten und in Flaschenabgefüllt wird. Schon immer haben sich dieEngländer für den Wein aus Portugal interessiert.Um dieses begehrte Getränk haltbar zu machen fürlangen Transport und Lagerung, wurde Brandy zugesetzt.Das kam zweifelsfrei der alkoholischenWirkung zugute, gefiel offensichtlich den Konsumentenund hat daher bis heute unveränderte Tradition.In einer kleinen Espressobar trinken wir ander Straße einen Milchkaffee und beobachten dasrege Treiben an beiden Flussufern. Hoch über unsqueren einige Bahn- und Straßenbrücken das tiefeingeschnittene Flusstal. Es ist Feierabendzeit unddie Menschen hasten zu den öffentlichen Verkehrsmitteln.Wir verweilen noch ein wenig, bevorwir uns mit einem Stadtbus auf den Rückweg zu unseremHotel machen. Dicht hinter der Haltestelle,unweit vom Hotel, finden unsere müden Füße nochden Weg in eine typische Bodega mit langem, poliertemTresen. Dort zischen wir den köstlichkühlen„Vinho verde“, einen leicht moussierendenWeißwein aus grünen, unreifen Trauben. Das ist das8richtige Getränk für den warmen Abend und wirhalten es in der Bar etwas länger aus, bis wir nachkurzem Fußweg zum Hotel in die Betten sinken.Donnerstag, 8. JuniPorto – Covilha/Beira347 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 36° C.Um 10.00 Uhr beginnen wir mit dem Frühstückund beratschlagen über den weiteren Reiseverlauf.Wir werden von hier aus nicht mit demSchnellzug nach Lissabon fahren. Es ist einfach zuheiß. Auch Coimbra mit dem Krad muss der Wärmeweichen. Es ist nicht machbar mit der schwerendunklen Schutzbekleidung. Gegen 12.00 Uhr habenwir Porto in südlicher Richtung verlassen. Überallam Wegesrand wird frisches Obst der Saison angeboten.Die baumfrischen Kirschen sind köstlich undfinden reißenden Absatz. Bis kurz vor Coimbra haltenwir uns südlich, dann östlich in Richtung Piodaodurch die Serra de Acor. Unsere etwas ungenaueKarte macht uns hier schwer zu schaffen. So müssenwir mehrfach nach dem Weg fragen, um demuralten Schieferdorf auf abenteuerlichen Gebirgsstraßennäher zu kommen. Verbrannte Wälder säumenvielfach unseren Weg, dann wieder tiefe grüneTäler mit Eukalyptuswald. Hoch oben haben wir einengrandiosen Ausblick über die Serra. AbgelegeneBergdörfer schmiegen sich an die kargen Hänge.Dann plötzlich ist der Weg zum VorzeigedorfPiodao ausgeschildert. Tief hinunter in ein verbranntesTal führen uns die einspurigen Serpentinen.Dann liegt das Örtchen verwinkelt vor uns.Kleine Schieferhäuschen angeschmiegt an steilemBerghang geben ein verträumtes Bild ab.Doch trügt leider der Schein. Bereits zwei großeSouvenirläden verschandeln das hübsche Bild.Mehrere Restaurants warten auf Abendgäste, einBusparkplatz ist angelegt. Unsere Route führte unsbeschwerlich über die Berge hierher. Talwärts gibtes eine neue breitere Anfahrt zu der dreißig Kilometerentfernten Landstraße, -bustauglich-! Hier wollenwir nicht über Nacht bleiben. Das einzige Hotelin Piodao liegt höher am Hang, das Gepäck müsstenwir hochschleppen und die Fahrzeuge über Nachtunbewacht stehen lassen. Nein, nach kurzer Pauserollen wir weiter durch das karge Bergland bis nachCovilha, einer alten Wollweberstadt am Rande derSerra de la Estrela, einem großen Naturpark im Gebirge.Die Serra ist hier ein Wintersportgebiet undSommergäste müssen etwas länger nach einer Unterkunftsuchen. Die meisten Herbergen sind geschlossen.So dauert es auch bei uns etwas länger,


is wir das „Residencial Mikotania“ finden. Für €40,- erhalten wir ein modernes Zimmer, fensterlosmit verglastem Lüftungsschlitz und schmalem Doppelbett.Das ganze Haus ist im Umbau begriffen unddie Eigentümer offensichtlich in jeder Hinsichtüberfordert. Doch ist man rührend bemüht um unsund wirklich sehr freundlich.Beim Abladen des Gepäcks hat sich die Spraydosedes Reifensprays punktiert und im Werkzeugzampeleine Mordssauerei hinterlassen. So verschwindet<strong>Volker</strong> mit dem Zampel unter der warmen Duschezu Reinigungszwecken. Das spätere Essen unterfreiem Himmel schmeckt und ist frisch zubereitet,der Wein ist kalt und die Aussicht über das Talschön. So sitzen wir bis zur Dunkelheit draußen undverarbeiten das heute Erlebte. Nachts ist es etwasstickig im Zimmer, wir schlafen etwas unruhig, jedochdennoch relativ fest.Freitag, 9. JuniCovilha – Pombal/Tras Montes267 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 16-34° C.Fröhlich werden wir am Morgen durch denHausherrn begrüßt. Der hat die Frühstücksbrötchenschon belegt und uns sehnsüchtig erwartet.Nach kurzer Zeit sind wir wieder reisebereit undmachen uns auf den Weg steil bergan hoch zur Serrade Estrela. Im ersten Gang geht es heftig berganund nach kurzer Fahrt begrüßt uns ein portugiesischesSkigebiet. Die Hotels sind jetzt geschlossen,und wir suchen nach der Landstraße nachManteigas. Diese führt uns durch ausgedehnte Gletschertälerlangsam bergab. Die letzte Eiszeit vorüber 10.000 Jahren hat hier die Bergkuppen rundgeschliffen und die tiefen Schluchten angelegt. DieTalsohlen sind immer sehr fruchtbar. Dort leben dieMenschen in den Dörfern seit langen Zeiten undbauen Wein und Gemüse an. Dann führt uns unsereFahrt wieder hoch nach Guarda, einer alten befestigtenGrenzstadt zum ewig verfeindeten Spanien.In Trancoso darf man mit dem Motorrad den historischenOrtskern durchfahren. Die mittelalterlicheAnlage ist von einer vollständigen Stadtmauer umgebenund die erhaltene Bausubstanz beeindruckend.Es ist Mittagszeit, Siesta! Es ist wirklichniemand auf der Straße zu sehen. Kurz hinterTrancoso gönnen wir uns eine Pause mitSchinkentoast und Milchkaffee, ehe wir uns ins tiefeingeschnittene Urstromtal des oberen Dourolaufsherunterschrauben. Unten im Tal blinkt uns derDouro entgegen. Wir sind noch hoch oben, schauenauf die zahllosen Weinhänge an beiden Flussufern.9Der rot-braune Boden mit dem frischen Hellgründer Weinstöcke bildet einen hübschen Kontrast. Dazwischendie weißen Gebäude der Kellereien mitden roten Ziegeldächern. Das alles im gleißendenSonnenlicht. Wir tuckern leise im zweiten Gang aufschmaler Asphaltserpentine steil bergab in das tiefeFlusstal. Auf der Höhe des Douro auf der anderenSeite führt eine alte Eisenbahnstrecke gen Westenbis nach Porto.Teilweise sogar im ersten Gang rollen wir die steilenHangstraßen herunter bis auf das Flussniveau.Gegenüber die alte Bahnstrecke, auf unserer Seiteeine schöne Uferstraße bis nach Pinhao. Dort wollenwir den Douro queren. Ein hübscher, nostalgischerOrt auf der gegenüberliegenden Flussseite mitwohlhabenden Häusern schaut majestätisch zu unsherüber. Doch leider ist die alte Hängebrücke wegenRekonstruktionsarbeiten vollständig gesperrt.Eine provisorische Flussfähre hat sich gerade festgefahrenund eine lange Schlange von Fahrzeugenhat sich bereits aufgestaut. In etwa dreißig KilometerEntfernung gibt es eine weitere Flussquerungüber eine Staumauer mit einem Wasserkraftwerk.Die wollen wir nehmen. Nicht wissend, dass dieUferstraße sich wieder in die hohen Weinbergeschraubt und über zwei Bergkuppen führt, bevor eswieder runter zum Fluss geht. Am anderen Ufer angekommen,geht es natürlich wieder genauso lustigsteil bergan in die Weinhänge. Nicht weit von hierliegt auch das Traditionshaus der bekannten Weinkellereivon Mateus. Nach endlosen Serpentinenhaben wir endlich das Gebiet von Tras os Monteserreicht.Ein Wegweiser an einer kleinen Kreuzung weist unsauf ein „Residencial rural“ (Herberge im alten Stil)in Pombal hin. Den Ort können wir auf unserer Kartenicht finden. Das macht doch neugierig und wirfolgen der kleinen Straße ins Nirgendwo. Dann gibtes keine weiteren Wegweiser mehr. Nachdem wirbereits überlegt haben umzudrehen, erreichen wirdann plötzlich das Minidorf Pombal. Keine 500Seelen, aber ein gepflegtes modernes Hotel mit 19Zimmern im Landesstil erwartet uns. Die Tochterdes Hauses begrüßt uns in gutem Schulenglisch.Wieder einmal sind wir die einzigen Gäste. Das Hotelentpuppt sich als echtes Kleinod. Auch beimÜbernachtungspreis ist das zu spüren. Nach anfänglichen€ 80,- Ü/F handeln wir den Zimmerpreis auf€ 72,- herunter, ein gutes Frühstück ist eingeschlossen.Da wir müde und verschwitzt sind, freuen wiruns auf das heutige Etappenende und schlagen ein.


Nachdem wir uns erfrischt haben, schlendern wir indie nahe gelegene Bodega, dem Lebensmittelpunktder Einwohner von Pombal. Hier ist heute Abendein Fußball-WM-Spiel. So wird es ein spannenderAbend in einem portugiesischen Bergdorf. Wir probierenden lokalen roten Wein des stolzen Wirtes.„Bodenständig und ehrlich“ wäre wohl das passendePrädikat. Wenig später schaut unsere junge Hotelchefinvorbei und stellt uns den Wirt als ihrenVater vor. Kurz darauf streicht der die Segel undüberlässt seiner Tochter das weitere Geschäft mitden letzten Abendgästen. Gegen Mitternacht sindwir dann müde in unserem Zimmer verschwunden.Die Zimmerfenster weit offen, so umweht uns einkühler Nachthauch und lässt uns gut schlafen.Zocalo spielende Kinder. Die deuten auf das Gebäudedirekt vor unserer Nase. Ein schmales Hausmit kleinem Durchgang in den großen Innenhof.Dort betätigen wir den schweren bronzenen Türklopferund werden freundlich begrüßt. Als wir unserevier kleinen BMW-Koffer auf das Zimmerbringen, ermessen wir erst jetzt die Größe des altenHerrenhauses. Klein und untertrieben zur Straßenfrontund nach hinten hinaus gewaltig mit großemAtrium nach maurischer Art. Aus dem 16. Jahrhundertist das Anwesen direkt gegenüber dem Rathaus.Hier müssen einst wichtige und einflussreiche Familiengewohnt haben. Ein freundlicher Mann inden Fünfzigern bewohnt das Kleinod mit seinerMutter. Sechs Zimmer sind bereits vollendet undwerden vermietet.Sonnabend, 10. JuniPombal – Pobra de Trives/Galicia321 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 26° C.Am Morgen erwartet uns die junge Dame bereitsam Empfang und stellt uns ihre Mutter vor, derdas Hotel gehört. Wir klönen auch nach dem gutenFrühstück noch etwas länger und bekommen mancheinteressante Frage beantwortet. Gegen 10.30Uhr sitzen wir im Sattel unserer BMWs mit KursNord in Richtung Spanien. Unser Weg führt unsüber Murca, Chaves und Vinhais. Bei A Mezquitaerreichen wir die Landesgrenze nach Spanien. Hierund heute ein verlassener Schlagbaum der seit ewigenZeiten konkurrenzierenden und verfeindetenLänder. Auf spanischem Grund befahren wirOrenser Gebiet. Erste Weizenfelder tauchen auf, diebereits jetzt gemäht werden. Buntes Milchvieh aufnoch mageren Wiesen ist vereinzelt zu entdecken.Der Weinbau ist nicht mehr ganz so dominierendund die Olivenbäume mögen es lieber wärmer undtrocken. Über lang gezogene Höhenrücken führt dieStraße dann wieder hinab in die schluchtartigen Täler,in denen sich dann die kleinen Orte ducken.Auch bemerken wir zunehmende Pinienforste, jedochkeine Eukalyptuswälder von Menschenhandgepflanzt. Völlig ungewohnt sind für uns die erstenWolken am Himmel, als wir hinter A Rua nachPobra (Pobla, Puebla) de Trives abbiegen. Wiedergeht es gut bergan in die kleine Bergstadt. Es iststrukturschwaches Gebiet, was man unschwer inden Orten erkennen kann. Viele Häuser und Lädenstehen leer. Die Menschen sind farblos und die Kindersehen müde aus. Orense ist die nächste großeStadt und gilt als Armenhaus der Region. In Pobrade Trives finden wir trotz genauer Adresse nicht unsereHerberge, das „Casa Grande de Trives“. Nachzweimaliger Ortsdurchfahrt fragen wir am kleinen10Die Zimmer sind stilvoll mit schönen Antiquitätenausgestattet, zwei getrennte Betten mit großem undkleinem Baldachin finden wir vor und verfügenüber ein riesiges Marmorbad. Die rechtwinkligenund großzügigen Flure sind ebenfalls mit Möbelnaus vergangenen Zeiten dekoriert. Eine alte Bibliothek,voll eingerichtet, mit übergroßem Kanapeeund altem Kamin lädt zum Verweilen ein. Ein großergetäfelter Raum mit Kristalllüster und ovalemEsstisch wird morgen unser Frühstücksraum sein.Erst einmal erfrischen wir uns in dem kühlen, altenBadezimmer, bevor wir uns zur Ortsbegehung inBewegung setzen. Mit einem Restauranttipp unseresGastgebers versorgt, durchstreifen wir den kleinenOrt. Wir finden das Restaurant, welches leider bis21.00 Uhr eine geschlossene Gesellschaft bewirtet.So suchen wir weiter und finden in der Nähe unseresDomizils eine kleine Bar mit Restaurant. Es istbald 18.30 Uhr und der Tresen ist voll mit Bauern,die auf dem Weg vom Feld einen kleinen Drinknehmen, und Senioren, die mit den Jüngeren dasGespräch suchen. Das Restaurant öffnet um 21.00Uhr, was auf dem Lande völlig normal ist. So befassenwir uns mit dem guten lokalen Weißwein zu 10Eurocent das Glas zu 0,1 Liter. Das ist führerscheinfreundlichund bringt Geschäft. Immer wiederkommen Farmer herein, nehmen ein Gläschen,schnacken 10 Minuten, hören die lokalen Neuigkeitenund fahren weiter, sind zu zwei- bis dreimal amTag in der Bar, wissen Bescheid und liefern den altenMännern Berichte vom Acker zum Debattieren.Doch wir sind hungrig und es sind noch fast zweiStunden bis 21.00 Uhr. Da helfen die kleinen Tapas,kalte oder warme Kleinstgerichte, kleiner als Vorspeisen,mit einem Weißbrot auf einem kleinen Tellermit Zahnstocher servierter Babykrake und Kalmar,gegart in eigener Tinte, köstlich gewürzt und jenach Gegend auch kleinste kalte Fleisch- oder Ge-


müseappetizer. So beobachten wir das lebhafteTreiben am Tresen und probieren 2-3 der angebotenenBarspeisen – einfach köstlich!Punkt 21.00 Uhr bittet uns die Wirtin an einen kleinenTisch im separaten Restaurantraum. Eine Speisekartegibt es nicht, Sie erzählt freundlich, washeute Abend Küche und Keller bereithält, läuft inden Kühlraum und bemustert uns das Angebotenemit einem flachen Teller, auf dem ein rohes, schieresRindersteak über den Tellerrand lugt. Das siehtdoch gut aus und wir werden nicht enttäuscht. FrischerSalat mit Thunfisch, das Steak mit Kartoffelnund Gemüse, Annegret ein beachtliches Kalbsschnitzel,danach der übliche hausgemachte Karamel-Flanund Santiago-Torte zum Nachtisch, dabeigroßzügig Wein der besseren Sorte und eine liebeRechnung über 19 Euro total, der gesamteTresenverzehr inklusive. Mittlerweile ist jeder Tischim Restaurant besetzt, es ist Sonnabend und dieNacht wird heute lang. An den Tischen herausgeputzteFamilien mit Oma & Enkel, die es sich richtiggut gehenlassen. Es wird ordentlich aufgetischt.Gegen 23.00 befinden wir uns müde und satt imHerrenhaus; es brennt noch Licht in der Bibliothek,was aber bald erlischt, als wir im Dunkel der galizischenNacht behütet durch das alte Gemäuer herrlichentschlummern. Wir sind mal wieder die einzigenGäste hier in dieser Jahreszeit. Einfach schön!Der Inhaber des Herrenhauses gibt uns noch einenguten Tourentipp, dem wir gern Folge leisten, dawir ebenfalls die Absicht hatten, statt Fernstraße dieRoute durch die abgelegenen Kordilleren zu nehmen.So geht es zuerst in Richtung bis Ponferrada.Dort nordwärts in das Gebiet der Cordilleres beiToreno. Es geht wieder mal bergan in die Höhe,armselige kleine Orte am Straßenrand, völlig zugestaubtmit schwarzem Schiefermehl. Das dunkleGestein wird hier an jeder Ecke aus der Erde gehauen.Unter Tage wie über Tage und zu Schindeln,Straßensplitt und anderen Produkten verarbeitet.Viele Gruben sind jedoch geschlossen und auch vieleWohnhäuser lange Zeit verlassen. Weiter talaufwärtstreffen wir auf zwei völlig verlassene Ortschaften.In Villablino übersehen wir ein kleines,aber wichtiges Umleitungsschild und fahren weiterca. 30 Kilometer auf der Hauptroute durch die Bergeund erreichen bei Huergas eine Straßen-Vollsperrung. Auch mit Pfiffigkeit oder Schläue isthier nichts zu machen. Wir fragen in einem Gasthofan der Sperrung nach einer Umgehung, die es jedochnicht gibt. So müssen wir zurück bis nachVillablino, ca. 30 Kilometer, zum Glück auf schönerStrecke durch die Berge. Kurz hinter Villablinomuss <strong>Volker</strong> halten. Es gibt Probleme mit derKupplung. Die gekonterte Nachstellschraube oderder Ausrückhebel scheint ein defektes Gewinde zuhaben. Das Nachstellen und Kontern gelingt jedochund nach wenigen Minuten und einer Nachdenk-Zigarette geht es weiter mit herrlicher Fahrt nun aufder schmalen Nebenstrecke unserem nächsten ZielLa Magdalena entgegen. Überall blüht prächtig derGinster hier im schmalen Flusstal des Rio Omana,der unser Begleiter bis zum Etappenziel sein wirdund durch Zuläufe von links und rechts aus den hohenBergen immer breiter wird. Die Bergwiesensind saftig und die Viehhaltung nimmt zu, je südlicherwir vordringen.Sonntag, 11. JuniPuebla de Trives – Carrizo de la Ribera/Castilia304 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 27° C.Am sonnigen und noch kühlen Morgen hat manmit Stolz für uns ein kleines und feines Buffetaufgebaut mit lokalen Spezialitäten, die wir fast allegern probieren. Der Kaffee ist gut, der alte Raummit Liebe dekoriert und unsere spanische Bedienungals Hausdame viele Jahre in München gewesen.Gegen 11.00 sitzen wir im Sattel und haben €49,- für das Zimmer und € 10,40 für 2 Frühstückbezahlt. Die Sonne ist wieder unser fester Begleiter.11Viele Städter aus Leon und Ponferrada haben sichhier feste Sommerhäuser gebaut oder alte Höfe renoviertund zu rustikalen Fincas ausgebaut. Nachdemwir La Magdalena durchquert haben, fahrenwir parallel mit dem Omana in Richtung Carrizo dela Ribera. Uns erwartet ein richtiges Feuchtgebiet.Das Flussbett ist zwar jetzt schmal, doch anhand derbreiten Brücken erkennen wir, dass zur Zeit derSchneeschmelze viel Wasser aus den Kordillerenabzuleiten ist. Das freut den Hopfen, der hier gedeihtund an seinen charakteristischen Abspannungenzu erkennen ist. Auch viele Störche leben in derNiederung und nisten reichlich an den treppenartigenGiebeln der Kirchtürme. Mal wieder ein gänzlichanderes Landschaftsbild zum Ende der 2. Tageshälfte.Wir folgen einfach der Straße im Urstromtalbis nach Carrizo, einem Marktflecken, dervon den Agrarerzeugern lebt. Mehr als 5.000 Menschenhat der Ort nicht, und so finden wir ohneProbleme unseren heutigen Zielpunkt, die Posada deMarques. Ein ehemaliger Herrensitz, direkt Wandan Wand erbaut an einem Franziskanerkloster ausdem 13. Jahrhundert. Ein kleiner Nebenarm des RioOmana wird unter den Klostermauern direkt durchden Garten geleitet und diente im Mittelalter haupt-


sächlich dem Kloster-Necessarium als Zu- und Ablauf.Noch heute schießt das Wasser geschwindedurch den schönen mit hohen Mauern umgebenenalten Garten. Hier verbringen wir noch ein bisschenAbendzeit nach dem Essen im hauseigenen Restaurant.Es gibt Bachforelle mit Salat und Kartoffeln.Es ist in Ordnung, und wir werfen noch einen kurzenBlick auf das umgebende Kloster.Montag, 12. JuniCarrizo de la Ribera – Iratxe/Navarra433 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 36° C.Nach der gestrigen Etappe schlafen wir fest inden alten Betten des Herrenhauses. Gegen04.00 Uhr am Morgen reißt uns ein explosionsartigerKnall aus dem Schlaf und die Notbeleuchtungder Posada wird ausgelöst. Direkt über unseremHaus steht ein Gewitter vor den Ausläufern derKordilleren und entlädt sich hemmungslos infernalisch.Gestern Abend schon sahen wir kräftigesWetterleuchten in Richtung Höhenzug. Nun hat esin der Nähe eingeschlagen und der ganze Ort ist invöllige Dunkelheit gehüllt. Frisch ist es draußengeworden, und wir lassen die Fenster zum Atriumgartenoffen, umgeben von den alten hohen Klostermauern.Zum Frühstück um 09.00 Uhr sind wir wieder dieeinzigen Gäste. Eine kleine Gruppe von Pauschal-Radfahrern aus Amerika ist bereits im Aufbruch begriffen.Ihr Frühstückstisch ist fast unberührt, wieauch schon gestern Abend, wo wir Gelegenheit zurBeobachtung der Gruppe beim Abendessen hatten.Es gab Suppe, Forelle blau und Früchte. Bis auf dieFrüchte wurde kaum etwas probiert, geschweigedenn angerührt. Die unfiletierten Fische gingen ausnahmslosin die Küche zurück. Der aufgeblasene,spanische Reiseleiter erzählte beim Essen inschlechtem Englisch eine Anekdote nach der anderenund hatte damit sein Grüppchen völlig verunsichert.So wird es nur verständlich, wenn viele Amerikanerbei Gesprächen über die „Alte Welt“ eineGänsehaut kriegen und lieber im eigenen Landebleiben. Als wir unser Zimmer mit € 75,- ÜF bezahlthaben, satteln wir die BMW-Motorräder, diedie Gewitternacht im Innenhof überdacht verbringendurften. Nach kurzer Zeit erreichen wir die großeStadt Leon, wo uns noch einmal das bekannteGewitter vorkriegt. Es ist zum Glück mittlerweilekraftlos und wir fahren einfach weiter. Bald wird essehr warm und der Himmel wolkenlos, als wir Leonhinter uns lassen und die Ebene durchfahren.In Calzada del Coto treffen wir auf den südlichenJacobsweg und etliche Pilger kommen uns entgegen.Die eigentliche Pilgersaison hat gerade erst begonnen.Hier führt der Fußweg nach Santiago deCompostela vielfach entlang stark befahrener Fernstraßen,teilweise auf oder direkt neben der Standspur.Erbarmungslos schlucken die Pilgerfreundeden Staub der Fern-Lkws und werden vom Fahrtwindgebeutelt. Dann trennt sich der Pilgerpfad inSahagun wieder von uns und führt auf verwunschenenuralten Wegen abseits der Magistralen durch alteund verfallene Dörfer mit Rastherbergen für diePilger. Dort gibt es für eine Nacht einen Sonderpreisfür die erschöpften Wanderer, die meist mittagsschon die knappen Zimmer belegen müssen. Außerdemist es am Nachmittag sehr warm bis in denAbend hinein. So beginnen die Etappen der Pilgermeist morgens sehr früh und enden am späten Mittag.Dann beginnt die Rekreationsphase der Wallfahrerauf zwei Beinen.Skurrile Gestalten begegnen uns: ältere Männer inabgerissener Kleidung, lange wallende Bärte,Schnürsandalen und das Wahrzeichen, die halbeSchale der Jakobsmuschel um den Hals oder an derKleidung befestigt, den Pilgerstab in der Hand undca. 10 Kilogramm Gepäck auf dem Rücken. Sogeht’s in vielen Tagesetappen gen Westen, je nachStartpunkt bis über 2.000 Kilometer. Von Zeit zuZeit werden kirchliche und klösterliche Kontrollstellenangelaufen. Hier gibt es dann die notwendigenStempel für den Pilgerpass. Das begehrte offizielleZertifikat der katholischen Kirche gibt esdann am Ziel in Santiago de Compostela, wenn keinKontrollstempel fehlt! Unsere Fahrt zur Tagesmitteführt durch Kastilien, einer jetzt knochentrockenenEbene, wo gerade mit der Ernte der Weizenfelderbegonnnen wird. Auch der Hafer ist fertig und derRoggen fast erntereif. Zur Mittagszeit fährt <strong>Volker</strong>im T-Shirt und wir machen eine kurze Rast in einerPilgerherberge in Melgar de Fernamental. Schon um14.00 Uhr sind die Zimmer ausnahmslos belegt unddie Männer machen es sich auf der Terrasse an derStraße mit kalten Getränken gemütlich. Ja, so schönkann Pilgerleben sein, wenn man Pensionär ist unddie Zeit nicht drängt. Die Wanderer erleben einigesauf ihrem Weg, und so gibt es vieles an Tipps gegenseitigzu erfahren und weiterzugeben. Nach einemgefüllten Brot mit Käse und Schinken und einemMilchkaffee geht es weiter in Richtung Burgosund Logrono. Ab Santo Domingo de la Calzadadurch das Gebiet Rioja. Die Szenerie des uns umgebendenGeländes hat wieder gewechselt.12


Hier hinter Burgos schwinden die großen Feldflächen.Es wird grüner, die Berge rücken näher. Gemüsefeldermit weitläufigen Irrigations-Systemen,denen römische Aquädukte als Vorbild dienten, sehenwir links und rechts der Straße. An den kleinenDörfern führt die neue Fernstraße vorbei. Wir müssenabbiegen, um durch die verschlafenen Fleckenzu rollen. Fast ausnahmslos alte Menschen sitzenklönend vor den Häusern. Etliche Wohngebäudeverlassen. Die Flucht der jungen Leute in die Ballungszentrenist deutlich allerorten zu spüren. DasKupplungsspiel an <strong>Volker</strong>s R75/6 wird langsamwieder größer und wir führen ein Telefonat mitKnut Gerken in Rethwischdorf zwecks eventuellerVorbeugungsmaßnahmen. Immerhin sind wir fast3.000 Kilometer von zu Hause entfernt. Noch ist derDruckpunkt spürbar, aber unnötiges Schalten wirdab jetzt vermieden. Je näher wir an die äußerenAusläufer der westlichen Pyrenäen kommen, destofruchtbarer wird der rote Boden und es gibt deutlichmehr Niederschlag. Es ist das Gebiet der Rioja-Rebe, welches wir gegen 16.30 erreichen. NiedrigeWeinstöcke auf jedem freien Quadratmeter. Hübschder Kontrast der tiefgrünen Pflanzen zum roten Bodenund den weißgekalkten Häusern der Winzerhäuserund Kellereien.13Die Pilgerstadt Estella soll heute unser Endpunktsein. Gegen 18.30 Uhr rollen wir durch die moderneStadt, etwa vergleichbar mit der Größe Flensburgs.Man ist hier nicht auf Touristen eingestellt und dasHotelangebot ist begrenzt und überwiegend im gehobenenSegment. Das merken wir schnell. Wo wirfragen, holen wir uns eine Abfuhr. Die Stadt sei vollmit Pilgergruppen, heißt es an den Rezeptionen, wowir verschwitzt und staubig nach einem Zimmerfragen. Wir werden letztlich zu einem Hotel ca. 5Kilometer vor der Stadt nach Iratxe geschickt. Annegretfragt in dem netten Hotel nach einem freienZimmer und wird abgewiesen. „Fully booked“heißt es! Iratxe-Kloster ist ein eigener Wallfahrtsortmit großer Vergangenheit. Aus Dankbarkeit übereine gewonnene Auseinandersetzung hat eine vergangenepolitische Größe einen Brunnen spendiert,aus dem zu bestimmter Zeit im Jahr bis zu 5.000 LiterRioja-Wein gepumpt werden und gratis an diedankbar, durstigen Kehlen abgegeben wird. Daherweht der Wind!!! An der Rezeption empfiehlt manuns den örtlichen Campingplatz mit Hüttenverleih.Es ist nach 19.00 Uhr und wir fahren dorthin. Für €53,70 vermietet man uns eine nette, moderne Hüttemit zwei Schlafzimmern, Wohnraum, Küche, Badund Veranda. Bettzeug und Handtücher sind nichtzu mieten, jedoch haben wir ein Handtuch undTempotücher mit. Schlafen müssen wir eben in Unterwäsche.Die Restauration des Campingplatzesspricht uns nicht an und so müssen wir uns nach dererfrischenden Dusche beeilen, denn der Laden desPlatzes schließt um 20.00 Uhr. Wir versorgen unsmit dem Nötigsten für den Abend und machen esuns auf der Veranda bequem.Wenig später rollen drei moderne BMW R1200Raus Ungarn vor die Tür unserer Nachbarhütte.Schnell kommen wir ins Gespräch, denn die jungenMänner sprechen fließend Deutsch. Sie sind aufdem Weg von Budapest nach Galizien und klagenüber große Verständigungsprobleme ohne Englischkenntnisse.Das können wir nachvollziehen.Deutsch wird in diesen nichttouristischen Regionenkaum verstanden. Die Englischkenntnisse bei jungenSpaniern sind meist äußerst mäßig. So machenein paar spanische Brocken das Reisen erheblicheinfacher. Da der Shop bereits geschlossen ist,bleibt den jungen Männern nur die Bar im Dorf.Dorthin sind sie dann auch bald hungrig entschwundenund kommen erst nach Mitternacht wieder,als wir bereits in unserer Hütte mit offenenFenstern nach Schlaf suchen. Starker Wind blästvon den Hügeln herab durch unser Domizil und gegenMorgen gibt es einen kühlenden Guss vomHimmel. <strong>Volker</strong> hat sich am Abend noch einmalden Ausrückhebel der Kupplung betrachtet undvorher schnell den parallel verlegten Ersatz-Kupplungszug gewechselt. Am alten Zug sind aberkeine Beschädigungen feststellbar. Jedoch ist dieKontermutter-Einstellschraube lose und wir denkennach ihrer Fixierung, das könnte das Problem derSpielveränderung gewesen sein. Ist doch der rückwärtigeGetriebedeckel erst vor gut 2 Wochen beiStrauß & Gerken ausgewechselt worden.Dienstag, 13. JuniIratxe/Navarra – Alquezar/Aragon391 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 30° C.Die Budapester Jungs mit ihren ultraleisenBMW 1200 sind vor uns fast geräuschlos vomPlatz gefahren. Die Sonne ist auch wieder da, undwir gönnen uns einen Milchkaffee im noch leerenRestaurant des Campingplatzes. Gegen 10.30 Uhrrollen wir Richtung Pamplona. Den Autobahnringhaben wir vor 12.00 Uhr erreicht und haben Probleme,die richtige Abfahrt nach Nordnordost zu finden.Das kostet uns fast eine Stunde, bis wir nachmehreren Auskünften auf der richtigen Ausfallstraßesind.


Die Beschilderung in dieser dreisprachigen EckeSpaniens ist einfach fremdenfeindlich und ungepflegt.Doch steigt unsere Laune schon wieder, alswir Groß-Pamplona in Richtung Roncesvalles verlassen.Bald schon geht es merklich bergan durchdie Vor-Pyrenäen. Hier auch auf spanischem Gebiethaben die kleinen Dörfern alpinen Charakter mitsüdländischem Flair. Endlich haben wir wieder aufregendeBergstraßen unter unseren Metzler-Pneus.Erstes Ziel ist der uralte Pyrenäenpass von Roncesvalles.Hier kommen uns die vielen Pilger fröhlichentgegen auf dem westlichen Weg nach Santiago.Kein Wunder, gestärkt von den kirchlichen Einrichtungenund der Herberge am Pass geht es lustigbergab in kühler Bergluft. Die armen Teufel wissenja gar nicht, was für eine Quälerei noch vor ihnenliegt, bevor die Sonne am Cap Finisterra untergeht.Kurz vor Roncesvalles am Kamm der West-Pyrenäen biegen wir in westlicher Richtung ab undhaben uns für die anspruchsvolle Straße direkt unterhalbdes Pyrenäenkamms entschieden. Wir brauchennur blind dem Verlauf zu folgen und sind immerauf der richtigen Route zu unserem abendlichenEtappenziel hinter Huesca.Doch die Straße hat es wirklich in sich. Die Zeitvergeht und wir schrauben uns auf schmaler undkurviger Bergroute immer wieder hoch, über dieKämme runter, durch die Täler und Dörfer und gnadenloswieder auf Serpentinen in luftige Höhenoberhalb der Baumgrenze.Den Waliser Alpentälern nicht unähnlich genießenwir die Natur. Vereinzelte Berghöfe und Alpenviehauf den Almen. Es duftet nach Bergblumen und reifenKräutern. Die Sonne fehlt natürlich nicht und eskann uns nicht besser gehen. Die Motoren laufenperfekt und die Gummikühe hängen „gführig“ amGas. Immer wieder geht es langsam im zweitenGang ohne Bremsbetätigung blubbernd steil bergab,häufig liegt Sand oder Geröll auf der Fahrbahn oderauch vereinzelt Steine unterschiedlicher Größe, diesich von den steilen Felswänden gelöst haben undauf die Straße herabdonnern. Leitplanken brauchtman hier nicht, denn wer hier rast, lebt ohnehinnicht mehr lange Zeit. Ein kurzer Druck auf denHupenknopf ist hier vor scharfen Kurven wichtig.Immer wieder kommen uns die Bauern in zügigerFahrt der Ortskundigen mit ihren breiten Schleppernentgegen und nehmen dabei die ganze Fahrbahnbreiteein. Durch die viele Zickzackfahrerei machenwir nur langsamen Bodengewinn in östlicher Richtung,umfahren mehrfach große Stauseen, Wasserreservoirsfür das trockene Flachland und die Städte.14Annegret auf der 60/5 macht eine ausgezeichneteFigur auf dem 35 Jahre alten Fahrzeug. In sicheremAbstand zieht sie gleichmäßig den von <strong>Volker</strong> vorgefahrenenKurs nach und taucht zuverlässig hinterjeder Kurve in <strong>Volker</strong>s Rückspiegel auf. Nichtkleinzukriegen ist diese optimale Mischung ausRoss und Reiter. Hier macht sich ein handliches,ausgereiftes Motorrad mit der nötigen Kraftreserveund ohne Sozius und wenig Gepäck mit tiefemSchwerpunkt positiv bemerkbar: wir werden nichtlahm und kaum müde. Atemberaubende Felsformationendirekt am Weg und teilweise etwas entfernterzwingen einen Fotohalt nach dem anderen. InHuesca sind unsere Tanks fast leer, Annegret hatbereits den Reservehahn aktiviert, als wir auf dieTankstelle rollen. Hier in den Bergen machen sichdie aufwendigeren Unterdruck-Vergaser der 75/6 imBenzinverbrauch positiv bemerkbar, BMW R75/6mit 5,3 l/100 km, BMW R60/5 mit 6,5 l/100 km. Esist fast 18.00 Uhr und wir wollen noch nachAlquezar, unserem maurischen Bergdorf in der Sierrade Guera. So schwingen wir uns wieder auf dieGetreuen und finden ohne Probleme die schmaleeinspurige Straße zu unserem Bergdorf am Fuße deroberen Pyrenäen. Hier regnet es weniger, die Regenwolkenbleiben auf der französischen Nordseitedes Gebirgszuges stehen und regnen sich dort ab.Nur zur Zeit der Schneeschmelze kommt hier vielWasser von den Hängen. Dieses Wasser hat in ewigenZeiten wilde Canyons in die Oberfläche geschnitten.So bleibt manchmal, in der Mitte umflossenvom jährlichen Schmelzwasser, eine Hügelspitzestehen. Ein wunderbarer Siedlungspunkt und einenatürliche Festung oben auf der Spitze. Hier wächstOlive, Aprikose, teilweise Pfirsich und Kirsche.Zwiebel, Lauch und Bohnen bilden die Grundversorgungmit Gemüse. Vereinzelt lässt sich auch hierdie Weinrebe kultivieren, vielfach mit großem Erfolg.Ein solches klassisches Dorf ist unser Alquezar, erbautaus Adobe-Lehmziegeln am Fuße einerMaurenburg mit über tausendjähriger Geschichte.Die Moschee dort oben wurde nach der Rückeroberungdurch die Goten ein Kloster. Baulich hat sichim Ort seit Jahrhunderten wenig verändert. DieGässchen reichen gerade für Esel- oder Ochsenkarren,für PKWs gesperrt, nicht jedoch für Motorräder.Doch auch versierte Kradfahrer kommen irgendwannan ihre Grenzen. Die Gassen sind so steilund winklig, dabei die Felsplatten in Jahrhundertenblank geschliffen, dass Annegret kein Risiko eingehtund sich bei <strong>Volker</strong> auf die Maschine setzt undso zum Hotel fährt. Dann holt <strong>Volker</strong> die zweite


Maschine zur Villa de Alquezar** nach. Wir habennichts vorgebucht und haben wie erwartet Glück. Esgibt freie Zimmer, das Doppel zu € 57,- ÜF. Dasmoderne Haus ist äußerlich im alten Stil rekonstruiert,inwendig mit allem modernen Schnickschnackausgestattet. Das haben wir nicht erwartet. Hierwurde für anspruchsvollere Individualtouristenpunktgenau und erfolgreich investiert. Auch geschichtlichwird was geboten: Sancho Ramirez(1035-1<strong>06</strong>7), aragonischer König auf der Flucht,konnte sich hier erfolgreich seinen maurischen Verfolgernentziehen und versteckt überleben. Wir erhaltenein schönes großes Doppelzimmer mit Balkonzur Sahneseite: Blick auf Kastell und Kloster.Die Kräder stehen sicher, die Dusche tut gut; es istnach 20.00 Uhr, als wir zu Fuß durch die Gassenlaufen, auf dem Weg zu einem Restauranttipp derHausdame. Es ist reichlich Platz an den Tischen imFreien und wir erfreuen uns der vollen Aufmerksamkeitdes Besitzers, einem kräftigenHolzfällertyp, der hier in die Berge passt. Das kleineAlquezar erlaubt sich den Luxus, abends für eineStunde die Burganlage zu beleuchten. So lassen wiruns unseren Schinkenteller, das Entrecote und dasFilet mit Salat mit gutem Blick schmecken, der Vinorosado ist eiskalt und trocken. Das Ganze krönenwir mit Kaffee und spanischem Brandy. Das Essenwar excellent, das hat auch hier seinen Preis (€ 60,-). Wir haben heute viel gesehen, sind gut voran gekommenund bedanken uns bei unseren wachenSchutzengeln. Nachts müssen wir die Klimaanlagestoppen, wir wollen uns nicht erkälten. Da öffnenwir lieber die Fenster und saugen die kühle Nachtluftein. Leider gibt es von draußen kleine, stechendePlagegeister. Doch wird unser Schlaf auch mitdenen fertig.Mittwoch, 14. JuniAlquezar – Saillagouse/Pyrenees-Catalanes384 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 36° C.D15as Frühstück ist spanisch einfach, jedoch ausreichendund geschmackvoll. Wir lassen unsetwas Zeit damit und sind erst um 11.00 mit drehendenSpeichen auf der Bergstraße. Heute geht esnoch höher hinaus und herunter, direkt unterhalbder Gipfel zieht sich die Nationalstraße N260 durchdas Pyrenäen-Gebirge in Richtung Andorra. Wirkommen langsam voran, da wir häufig halten unddas Bergpanorama genießen. Als wir am Nachmittagden Zwergstaat Andorra erreichen, entscheidenwir uns für die Durchfahrt nach Andorra la Villa.Wir befahren das Staatsgebiet aus südlicher Richtung.Es ist ein ansteigendes Bergtal, was nachNorden immer schmaler und höher wird. An seinerbreitesten Ausdehnung befindet sich Andorra-Stadt.Kleine Betonhochhäuser im alpinen Stil, vieleTankstellen, Bierschwemmen und Hotels, ein vermeintlichesEldorado für Einkaufstouristen ausSpanien und Frankreich. Überdimensionale grelleReklame und Menschengewusel ist für uns Kontrastprogrammpur. So tanken wir hier für 99 Eurocent,kaufen 2 Stangen Zigaretten für je € 12,- undverlassen das Szenario nordwärts durch einen langenTunnel für € 3,50 pro Maschine. Kurz vor derfranzösischen Staatsgrenze spuckt uns der neueTunnel am Nordhang der Ost-Pyrenäen aus. AmGrenzübergang wird stark kontrolliert, doch unswinkt man lässig durch. Wir durchfahren noch gut 2Stunden hochalpines Wintersportgebiet. Alles ruhtjetzt im Sommerschlaf. Die Berglandschaft liegt inder frühen Abendsonne vor uns und wir haben aufguter französischer Chaussee eine herrliche undlange Talfahrt vor uns. Kleine gepflegte Orte, dannwieder tiefe Schluchten und steile Serpentinen gibtes zum Abschied von den Pyrenäen noch einmaldazu.Die Berge meinen es wirklich zu gut mit uns. Gegen19.00 Uhr erreichen wir Saillagouse, einemLuftkur- und Wintersportort im Mittelgebirgsstil.Dort suchen wir unser Haus, das Planotel** direktim Ortszentrum. Das Hotel ist aus den sechzigerJahren, sauber und ordentlich, garni mit einem großemSchwimmbad. Wenige Zimmer sind belegt, wirzahlen für das Doppel € 53,- ohne Frühstück. Esgibt hier kein Restaurant und man lobt uns zur angeschlossenenBrasserie. Dort verputzen wir einkleines Steak mit Salat, trinken lokalen Wein, zahlen€ 14 pro Person und sind um 22.00 Uhr bereitsin den schönen harten Betten verschwunden.Donnerstag, 15. JuniSaillagouse – Montbrun des Corbieres/Languedoc299 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 31° C.Nachdem wir in der Brasserie unseren Käse-Schinkentoast und den Milchkaffee haben,sind wir, wie gestern auch, erst um 11.00 Uhr enroute. Wir rollen niedrigtourig talabwärts, wollenaber nicht an die Mittelmeerküste, sondern, „weilBerge fahren so schön ist“, über den westlichenHöhenzug via Molitg-les-Bains herunter ins Landder Katharen. Molitg ist ein bauliches Kleinod,schmiegt sich an den Gebirgshang und träumt vonvergangenem Glanz der Grande-Nation. Weiter auf


schmalen Straßen durch ausgedehnte Nadel- undLaubwälder bergab nach Corbieres über Fabrezan.Bergbauernschaft weicht allmählich der Flächenwirtschaftje tiefer wir nach Norden kommen. Vonder Kreisstadt Corbieres weiter nördlich zum WeinbauerndorfMontbrun zur „Domaine des Noyers“der Familie Galy. Monsieur Galy ist überzeugterÖko-Winzer und produziert einen Langueoc Rosézu € 6,-, einen Blanc zu € 11,- und einen Rouge Reservezu € 18,- bzw. € 22,-. Der Rotwein ist mehrfachprämiert und Herr Galy ist zu Recht stolz darauf.Mutter und Tochter kümmern sich intensiv umdie Hauswirtschaft und um die wenigen Gäste. VierDoppelzimmer werden vermietet zu je € 72,- inkl.Halbpension. Wir ruhen zwei Stunden am Nachmittag,checken und pflegen unsere Ausrüstung undfinden uns um 19.00 Uhr pünktlich im gemütlichenEsszimmer der Herberge ein.Frau Galy kocht traditionell alle Speisen am offenenHolzfeuer. Die Feuerstelle ist aus Ziegelsteinengemauert. Als Brennstoff dienen getrocknete uralteRebstöcke. Dieses hervorragende Brennmaterialwird glühend um die Gusstöpfe drapiert und gart dieSpeisen wunderbar. Dazu riecht es im Raum zünftignach Rauch und lecker nach Gewürzen französischerKüche. Wir werden mit einer überbackenenLauchsuppe überrascht, der ein erinnerungswürdigesPoulardenstew folgt. Es schmeckt wirklich außergewöhnlich,die Dame ist begabt, sie weiß dasauch und hat Freude an dem, was sie zubereitet. DerRosé ist eiskalt und passt hervorragend zu unseremtraditionellen Dinner. Als Dessert haben wir eineselbstgebackene Tart, die ebenfalls jedem Vergleichstandhält.Mit uns speist ein Ehepaar aus dem Dorf und zweiweitere Gäste des Hauses, ein flämisches Paar ausAntwerpen, dem man die Feinschmeckerei von weitemansieht. Monsieur, von der Statur eines PeterUstinov alias Hercule Poirot, schwelgt und lobtgroßvolumig die Köchin in höchsten Tönen. Madame,ebenfalls großvolumig, klinkt sich in das Lobihres Mannes voll ein. Wir klönen noch ein wenignach dem Essen über unsere Reiseerfahrungen undlernen Elementares über die hier im Mittelalter lebendenKatharen (Albigenser) und sind um 22.30Uhr müde in den harten Betten verschwunden. Langeerhellt ein kräftiges Wetterleuchten in denMontagne-Noire immer wieder unser Zimmer. Eskommt aus den Bergen im Norden, wo wir morgenins Katharenland fahren wollen.Freitag, 16. Juni16Montbrun des Corbieres & Minerve/Languedoc73 Straßenkilometer, Sonnenschein, 28° C.Um 09.30 Uhr finden wir uns zum Frühstück imkleinen Restaurant ein. Wir sind allein, unsereBelgier bereits auf dem Heimweg in ihr graues, jedochschönes Antwerpen an der Schelde. Wir wollenheute mit einem Motorrad nach Minerve fahren,dem letzten Fluchtpunkt der Katharen. Es sind nurknapp 30 Kilometer bis dorthin und auf halber Streckekreuzen wir den verschlafenen Kanal du Midi.Als Handelsweg hat er heute jede Bedeutung verlorenund ist heute ein Eldorado für Hausboote, dieman hier überall mieten kann. Der Kanal führt mittendurch die alten Orte. Die Treidelpfade sind oftzugewachsen und das behäbige Treiben auf derschmalen Wasserstraße macht einen unglaublichverträumten Eindruck. Dazu noch etwas Musetteund ein Gläschen Pastis, das ist südfranzösische Lebensart.Wenig später sind wir in Minerve, einer Siedlung,die auf einem Felsen gebaut wurde, der zwischendem Fluss Brian und dem Canyon de la Cesse liegt.Minerve wird ausschließlich von einer kleinen Brückeund einem Felsgrat mit der umliegenden Hochebene,dem Causses, verbunden. Diebeeindruckendende Landschaft der Steinzeithöhlenzieht auch viele Höhlenforscher an.Nachfolgend ein kleiner Wikipedia-Auszug über dieprotestantischen Katharen: Besondere Erwähnungfindet hier das Massaker an den 140 Einwohnern imJahre 1210. Der Graf von Carcassonne Simon IV.de Montfort wurde vom Papst Innozenz III. sowiedem französischen König Philipp II. mit dem Motto"Schlagt alle tot, Gott kennt die Seinen" ("Caediteeos, novit enim Dominus qui sunt eius !") beauftragt,alle Katharer in Okzitanien in demAlbigenserkreuzzug (Albigenser = Katharer) zustellen. Eine kleine Anzahl von Katharern flüchtetenach dem Blutbad von Béziers vom 22. Juli 1209nach Minerve und verschanzte sich dort. Nach mehrerenWochen der Belagerung fiel der Ort Minerveals die letzte Fluchtburg der Katharer in die Handder Kreuzritter. Am 22. Juli 1210 haben sich dieKartharischen parfaits unter dem Burgherrn Guillaumede Minerve, der übrigens kein Katharer war,zur Aufgabe entschlossen. Der Zisterzienser-AbtArnaud-Amaury von Citeaux V. - der spätere Erzbischofvon Narbonne - versprach als geistlicher Führerdes Kreuzzuges zwar freien Abzug, auch für diein der Stadt verbliebenen Katharer, unter der Voraussetzung,sie kehrten zur katholischen Kirche zurück.Jedoch wurden außerhalb der Stadt rund 140


Katharer am Scheiterhaufen verbrannt oder imSumpf ertränkt. Der Albigenserkreuzzug kosteteinsgesamt ca. 20.000 Menschen den Flammentod.Es ist 16.00 Uhr, ein Espresso rundet unserenRundgang in der mittelalterlichen Kleinstadt ab undin der Nähe braut sich wieder ein schweres Gewitterzusammen. Da wir heute nur mit Hemd und kurzerHose bekleidet sind, müssen wir nicht unbedingt indas schwere Wetter. Und wir haben Glück. Vor denersten dicken Tropfen haben wir unsere Domainedes Noyers erreicht und erfrischen uns auf demZimmer. Dann machen wir es uns unter einem Vordachim Innenhof gemütlich bei einer Flasche desleckeren kühlen Rosé. Hier sitzen wir, bis MadameGaly uns zu Tisch bittet. Wir sind gespannt undwerden wahrlich nicht enttäuscht. Nach dem Entrébeglückt uns ein butterzartes tranchiertes, zweimalan offener Glut geröstetes Rinderfilet auf einemhimmlisch abgeschmecktem Kartoffel-Gemüsegratin. Dazu gibt es vom Vin blanc aus demKeller des Monsieur Galy. Das ist ein wirklich krönenderAbschluss unseres Aufenthaltes im Languedoc.Sonnabend, 17. JuniNarbonne-Hamburg/ DB-Autozug36 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 33° C.Nach dem Frühstück packen wir die vier Kofferso, dass zwei davon an einem Motorrad bleibenkönnen. So haben wir weniger in den Bahnhöfenzu schleppen. Punkt 12.00 Uhr rollen wir ausMontbrun östlich nach Narbonne, dort fahren wireinen Supermarkt an und versorgen uns mit demNötigsten für die Zugfahrt nach Hamburg, die fast22 Stunden dauern wird. Kurz darauf sind wir auchschon am Verladebahnhof angekommen, wo regesTreiben herrscht. Gleichzeitig mit uns werden Autozügenach Düsseldorf, Stuttgart und Berlin abgefertigt.Das Personal ist überfordert und nicht sohilfsbereit zu dem Motorradfahrern wie in Hamburg-Altona.Die PKW-Fahrer haben ja keinerleiVorbereitungen zu treffen.17Uns Kradlern händigt man vier Zurrschleifen aus,die wir fachlich und mechanisch vertretbar an denvier Eckpunkten der Maschine befestigen sollen.Die Bahn hat Angst vor Regressansprüchen bei Beschädigungendurch das Ladepersonal. Erst nachansteigendem Protest einiger Fahrerinnen wird geholfenund Montageanleitung gegeben. Wenig späterdarf <strong>Volker</strong> als erster zur Fahrt auf die Zugwaggonsstarten. Annegret folgt und weitere 25 Maschinensetzen nach. Die Parkposition wird angewiesenund die Maschinen hintereinander zwischenden Reifen gegen Verrutschen verkeilt. Dann werdenje Maschine vom Ladepersonal vier Zurrmechanikenzügig in die vier bereits befestigtenSchlaufen gehängt und auf Spannung gebracht.Dann verlassen wir den Waggon mit unserem leichterenGepäck in Richtung Sammelstelle. Es ist jetztheiß am frühen Nachmittag in der Stadt. Ein warmerWind vom nahen Mittelmeer bringt wenig Linderung,als wir in Fahrbekleidung den Bus besteigen,der uns zum cirka einen Kilometer entfernten Personenbahnhofbringen wird. Dort angekommenmüssen wir leider noch über eine Stunde am Bahnsteigauf die Einfahrt des nun fertig zusammengestelltenAutozuges warten.Für die Rückfahrt haben wir ein Liegewagenabteilzur Alleinbenutzung bestellt. Das befindet sich erwartungsgemäßwieder einmal am Kopf des Zuges,gleich hinter der französischen E-Lok. Das Liegewagenabteilist erheblich größer als ein 3er Schlafwagenabteil,da es ja für ursprünglich 6 Personenkonzipiert wurde. Dafür verfügt es nicht über eineDusche und WC, was wir für eine Nacht jedochproblemlos verschmerzen können. Zum Glück sindnur wenige Abteile belegt. So bleiben die Sanitärräumelänger frisch und sauber. Es ist eben auchhier Vorsaison. Nach der Einfahrt des Zuges sindwir sofort zu unserem Waggon unterwegs, um endlichaus der warmen Kluft zu steigen. Wenig späterhaben wir uns im Abteil eingerichtet und stehenwieder auf dem Bahnsteig, diesmal in Sommerhemdund –hose. Es ist einfach zu heiß in den aufgeheiztenWagen. Pünktlich zur Abfahrt werden dieWaschräume aufgeschlossen, es heißt einsteigen,die Türen schließen sich automatisch und pünklichum 17.37 Uhr rollen wir mit Kurs Nord der Heimatentgegen. 1.570 Schienenkilometer vor uns liegtHamburg, dem wir uns durch das Rhonetal überStraßburg und Saarbrücken langsam nähern. Wirgenießen die ruhige Fahrt in den Abend hinein undbereiten uns ein leckeres Abendessen mit Käse,Brot & Wein. Dann entstehen noch die letzten Seitendieses Berichtes und später machen wir es unsauf den Liegen bequem. Schnell stellen wir fest,dass man im Schlafwagen im richtigen Bett besserliegt. Die Liegen sind schmaler und härter. Als notorischeKaltduscher, wenn es sein muss, stört unsdas für die paar Stunden nicht und wir schlafen tiefund fest dank der dichten Jalousie vor dem Abteilfensterbis in den späten Morgen hinein.


Sonntag, 18. JuniAltona- Bramfeld19 Straßenkilometer, Kaiserwetter, 26° C.Gegen 10.00 Uhr wird das Frühstück gebracht:Frischer Brüh-Kaffee und die Frühstücksboxder Bahn für den Fahrgast. In der Box ist niedlichportioniert verpackt, was so den deutschen Frühstückstischziert. Jeder raschelt in seiner Kiste undkämpft mit Folien aus Kunststoff und Aluminium,das weiße Kunststoffmesser kapituliert an den etwaspappigen, jedoch frischen Brötchen, die an derGrenze nach Deutschland eingeladen wurden. Hierentpuppt sich das gute alte Schweizer Offiziersmesserals die bessere Wahl zum Aufschneiden. Ebenfallspositiv ist der Beschäftigungsfaktor. Eine guteStunde raschelt jeder von uns in seiner Papp-Box,bis absolut nichts Essbares mehr zu finden ist. Dannkommt der Service mit überdimensionalem Müllsackund sammelt den Abfallwahnsinn wieder ein.Kurz darauf haben wir das Ruhrgebiet zu fassen undfreuen uns auf die Ankunft im sonnigen Hamburg.Irgendwo zwischen Scheeßel und Hamburg-Harburg schlüpfen wir in die Fahrbekleidung undpacken die BMW-Koffer fahrfertig. Der Zug istpünktlich und auf die Minute genau rollen wir inHamburg-Altona um 13.14 Uhr ein. Diesmal ganzan der Zugspitze brauchen wir zum gegenüber liegendenNachbargleis nicht weit laufen. 15 Minutenspäter rollen dort die bereits abgekoppelten Transportwaggonsin den Kopfbahnhof ein. Als erste Maschine<strong>Volker</strong>s R75/6 gefolgt von Annegrets R60/5.Die Zurrmechaniken werden ruck-zuck vom Personalentfernt und die hydraulische Abfahrrampe angestellt.Schon brummen die Herzen der Getreuenund wir rollen durch den Altonaer Bahnhof auf denVorplatz. Dort ist kaum ein Durchkommen, es istStadtfest. Mit dezentem Gehupe haben wir dannbald die Max-Brauer-Allee unter uns und rollenHaus Werfelstein entgegen. Hier haben sich die liebenNachbarn rührend um alles gekümmert, der Rasenist frisch gemäht und im Haus selbst ist alles inOrdnung. Das wissen wir zu schätzen und sind froh,wohlbehalten wieder in der Heimat zu sein. Danke!5.023 Straßenkilometer3.140 SchienenkilometerTechnisches:R75/6: vorsichtshalber 1 Kupplungszug gewechselt0,3 Liter Motoröl nachgefülltR60/5: 0,7 Liter Motoröl nachgefülltPackliste:ArtikelA VJeans 2 1Hose, hell 1 11 Wasch-Necessaire Rasierschaum, klein & Einwegrasierer - 1Schuhe, fest 1 1Sandalen 1 1Socken 3 2Fahr-Shirt 2 2T-Shirt 3 1Schlaf-Shirt 2 -Polo-Shirt - 2Oberhemd - 1Jacke, leicht, für den Abend 2 -Handtuch 1 1Unterwäsche Brust-/Waden-Beutel 1 1Bowdenzüge 3 2Pannenspray - 1Bügelschlösser 1 1BMW spezielle Kleinteile Mobiltelefon 1 1Nikon mit 28-55mm, Blitzgerät, Fernglas - 1Diafilme, 36er - 8Schweizer Messer, Spezial-Werkzeug - vw, 7. November <strong>20<strong>06</strong></strong>***18

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!