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INHALTSVERZEICHNISVorwortGrußwort der Kulturprojekte BerlinGrußwort der PwC-StiftungElf ZOOM-Patenschaften in Berlin – AbschlussberichtAusgangslage und AuftragErgebnisseSiebzehn EmpfehlungenElf ZOOM-Patenschaften: KurzportraitsGlossarAnhangRahmenkonzept „Kulturelle Bildung“FunktionsschemataWeiterführende InformationenWissenschaftlicher BeiratBiographien der Beteiligten46810225864971511581721871883


Es sollte daher nicht verwundern, wenn sich in dieser Publikationkeine Berichte über spektakuläre Ereignisse finden. Siehervorzubringen, war nicht das Ziel der ZOOM-Patenschaften.Vielmehr ging es darum, das Feld zu bestellen und eine Normalitätzu schaffen, die es normalerweise nicht gibt: dass Kultureinrichtungenund Schulen im Alltag miteinander kooperieren.Dabei kann in kleinen wie größeren Unternehmungen undFormen zur Entfaltung kommen, was nach Robinsons Diagnosedas Ziel aller Bildungsprozesse sein sollte: Kinder undJugendliche zu kreativen Denker/innen werden zu lassen.Diese Broschüre enthält neben dem abschließenden Berichtzu den elf ZOOM-Patenschaften ein 32 Begriffe umfassendesGlossar, das einen Einstieg in das Thema Kulturelle Bildungbieten soll sowie weitere Informationen, von denen wir hoffen,dass sie für diejenigen, die eine Patenschaft eingehen wollen,für die erste Orientierung nützlich sein können.An dieser Stelle möchten wir allen, die uns bei unserenUntersuchungen und bei der Herstellung dieser Publikationunterstützt haben, ganz herzlich danken. Unser besondererDank geht an die Mitglieder des WissenschaftlichenBeirats, die Autor/innen des Glossars und an unser elfköpfigesForschungsteam. Namentlich danken möchten wir BarbaraMeyer und Nils Steinkrauss, dem vormaligen Team des Projektbüros„Kulturelle Bildung“ bei der Kulturprojekte Berlin GmbH,und ihren Nachfolgern in diesem Amt, Arnold Bischinger undJovana Foik sowie Sandra Roos, und, last but not least, Dr. HeikeRiesling-Schärfe von der PwC-Stiftung, die die Untersuchungund die Herstellung dieser Publikation ermöglicht hat.Michael Fehr und Claudia Hummel5


täten im schulischen Alltag ermöglichen konnten. Nicht nurim Hinblick auf die kulturelle Schulentwicklung können sichdaraus neue und zukunftsweisende Perspektiven eröffnen,auch Kunst- und Kultur<strong>org</strong>anisationen entdecken in derengen Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen ihrEntwicklungspotenzial.Der PwC-Stiftung gehört unser Dank für die Förderung voninsgesamt elf Patenschaften, die unter dem Motto ZOOMüber einen Zeitraum von drei Jahren erforscht und begleitetwerden konnten. Die vorliegenden Ergebnisse geben unsEinblick in deren individuelle Arbeitsweisen und liefernErkenntnisse, die uns und den Verantwortlichen aus Politikund Gesellschaft helfen können, Veränderungsprozesse aufbeiden Seiten künftig besser zu unterstützen. Für die Zukunftwünschen wir allen Patenschaftsakteuren weiterhin den Mutund die Entschlossenheit, sich auf langfristige Beziehungeneinzulassen.Jovana FoikLeiterin Bereich Patenschaften Künste & Schule,Kulturprojekte Berlin GmbH7


Neue Räume für das LernenKulturelle Bildung erleichtert Kindern und Jugendlichen denSprung ins Leben. Kreativität, Urteilskraft und Selbstvertrauensind Faktoren die zählen. Auch jenseits der Kultur. Das Engagementder PwC-Stiftung, einer Initiative der Führungskräfte vonPwC Deutschland, zeigt, dass die gesellschaftliche Verantwortungvon Unternehmen und ihren Führungskräften über dasSchaffen wirtschaftlichen Erfolgs hinausgeht.Wer aktiv mit Kultur umgeht, rüstet sich nicht nur ästhetisch,er schult auch seine Urteilskraft. Und wer die hat, geht seinenWeg durchs Leben leichter. Daher setzt die PwC-Stiftung aufkulturelle Bildung für junge Menschen. Unter dem Dach desStifterverbands für die Deutsche Wissenschaft unterstütztsie dazu Projekte, die Kinder und Jugendliche aktiv an Kunstund Kultur heranführen und kulturelle Inhalte verstärkt in derBildung verankern. Die PwC-Stiftung setzt sich dafür ein, allenKindern und Jugendlichen in Deutschland Kunst und Kulturzugänglich zu machen. Aktives Erleben und Gestalten setzenwir dem passiven Konsum von Kulturprodukten entgegen. DieProjekte, für die wir uns entscheiden, sind innovativ, herausragendund modellhaft angelegt. Großen Wert legen wir dabeiauf vernetzte Denkansätze und Projektstrukturen, in denenKooperationen mit unterschiedlichen Partnern angelegt sind.Kooperationsprojekte wie die elf ZOOM-Patenschaften Künste& Schule öffnen dem Lernen neue Räume. Für die teilnehmendenSchülerinnen und Schüler ebenso wie für Pädagogen undKünstler. Auch die Institutionen verändern sich durch qualitätsvollangelegte Kooperationsvorhaben.Schon immer mussten sich Menschen an vielfältige gesellschaftlicheWandlungsprozesse anpassen. Besonders Kinderund Jugendliche benötigen dabei Gelegenheiten, die aktive8


Aneignung von Wissen zu erfahren und entsprechendeMethoden zu erlernen. Bei der Förderung von kulturellerBildung geht es für uns deshalb nicht in erster Linie darum,Werke und Produktionen zu schaffen, sondern darum, kreativeProzesse des Lernens anzustoßen und zu begleiten damitjunge Menschen die Welt neu erfahren können. Denn Lernenwird erst durch Erfahrungen real. Ästhetische, also sinnlicheErfahrungen von Klängen, Bildern, Gerüchen, Bewegungen,bleiben haften.Wir glauben, dass Kinder und Jugendliche durch die aktiveTeilnahme an kulturellen Bildungsangeboten lernen, ihreneigenen Weg zu suchen und konsequent zu verfolgen. Undda diejenigen, die heute in die Schule gehen, vielfach inBerufen arbeiten werden, die wir heutzutage noch gar nichtkennen, müssen sie Neuem gegenüber aufgeschlossen seinund sich dabei auch etwas zutrauen. Kooperationsprojektewie die Patenschaften in Berlin tragen dazu bei, Kindern undJugendlichen neue Räume des Lernens und der Kreativitätzu erschließen und können ihnen helfen, mit Zuversicht ihreZukunft zu gestalten.Dr. Heike Riesling-SchärfeGeschäftsführung PwC-Stiftung9


ELF ZOOM-PATENSCHAFTEN IN BERLINAbschließender Bericht zur begleitenden Forschungin den Jahren 2008-2010I. Ausgangslage und Auftrag1. Die Idee der PatenschaftenDer Auftrag zur Kulturellen Bildung für die öffentlichenBerliner Kultureinrichtungen und Schulen wurde im März2008 im Rahmenkonzept zur Kulturellen Bildung vom BerlinerSenat festgelegt. 1 Die Ausgestaltung dieses Rahmenkonzeptsverdankt sich in wesentlichen Zügen der Initiative und denAnregungen des Berliner „Rats für die Künste“, der unter demTitel „Offensive Kulturelle Bildung in Berlin“ im September 2006im „Ballhaus Naunynstraße“ eine Werkstattkonferenz veranstaltete,bei der unter anderem auch die Idee einer Patenschaftzwischen Schulen und Kultureinrichtungen verhandeltwurde. Diese Idee wurde von der Senatsverwaltung fürBildung, Wissenschaft und Forschung aufgegriffen: Im Herbst2007 wurde bei der „Kulturprojekte Berlin GmbH“ ein ProjektbüroKulturelle Bildung eingerichtet, 2 das zudem als Geschäftsstelledes neu eingerichteten „Berliner Projektfonds KulturelleBildung“ fungieren sollte und dazu als zentrale Aufgabe denAuftrag erhielt, „projektbezogene Kooperationen zwischenKultureinrichtungen und Künstlern einerseits und Kindertagesstätten,Schulen und Jugendfreizeiteinrichtungen andererseits“zu vermitteln. Im Rahmenkonzept der Senatsverwaltungfanden auch die vom „Rat für die Künste“ initiierten Patenschaftenzwischen Kultureinrichtungen und Schulen expliziteErwähnung. Dazu wurde festgehalten: „Die Herausforderung1 Siehe Seite 1512 Leitung bis August 2009: Barbara Meyer, Mitarbeiter: Nils Steinkrauss.10


esteht darin, solche Kooperationen auf eine breitere Basiszu stellen, sie zu verstetigen und mit Blick auf oben genannteDefizite zielgruppenorientiert zu fokussieren.“ 3Die Patenschaften wurden vom „Rat für die Künste“ so beschrieben:„Zu den Überlegungen der ersten Stunde des Rats fürdie Künste gehörte die Idee der Patenschaften, die – entsprechendindividuellem bürgerschaftlichen Engagement – Kulturinstitutionen,große wie kleine, als gesellschaftliches Engagementder Berliner Kultur mit Berliner Schulen eingehen sollen.Über ein punktuelles gemeinsames künstlerisches Projekthinaus sind Kulturinstitutionen bereit, eine Schule drei bis fünfJahre auf ihrem Weg zu begleiten, indem sie die Schule beider Entwicklung des Schulprofils unterstützen, Schüler/innenEinblicke in die künstlerische Produktion ermöglichen, dieKulturinstitution als Arbeitsplatz zeigen, die Schule bei besonderenAktivitäten unterstützen, in Kooperation mit Lehrer/-innen Projektunterricht mitgestalten, als Praktikumsort zurVerfügung stehen, Mentorenaufgaben übernehmen: Dies wirdsich von Institution zu Institution unterschiedlich ausprägen,gemeinsam aber soll für alle die Verbindlichkeit der Kooperationsein. Erwartet wird nicht nur ein Gewinn für die Schulenund Schüler/innen; die Institutionen lassen Lebenswirklichkeitvon Kindern und Jugendlichen in ihre Erfahrungsräume, vonder sie oft weit entfernt sind.“ 4 Im Anschluss an die Werkstatt-Konferenz kamen spontan 17 Patenschaften zwischen BerlinerKunstinstitutionen und Schulen zustande.3 a.a.O., Seite 18.4 Meyer, Barbara und Steinkrauss, Nils (Hrsg.): Offensive Kulturelle Bildungin Berlin, <strong>Dokumentation</strong> der Werkstattkonferenz 28.­29 September 2006,Ballhaus Naunynstraße, Berlin 2007, S. 159.11


Unter der Schirmherrschaft der Patenschaftsinitiative, demChefdirigenten des Konzerthausorchesters Lothar Zagrosek,fand im Februar 2007 im Konzerthaus am Gendarmenmarktein „Tauffest“ der bis dahin eingegangenen Patenschaften mitprunkvollem Auftaktkonzert statt. Die Paten erklärten sichgegenseitig ihren Willen zur Zusammenarbeit und dokumentiertendies jeweils in einem gemeinsamen Patenschaftsbuch.Um weitere Patenschaften zu initiieren, wurde vom ProjektbüroKulturelle Bildung ein Team von Vermittler/innen engagiert.Bis 2009 konnten im Berliner Stadtraum bereits fünfzigPatenschaften verzeichnet werden.2. ForschungsauftragVon Anfang an bestand der Plan, die Gelingensbedingungenverschiedener Patenschaften zu untersuchen. Dazu wurdenvom Projektbüro Kulturelle Bildung im Frühjahr 2007 zunächstzehn Patenschaften als so genannte ZOOM-Patenschaftenausgewählt. Das Wort „ZOOM“ stand für die Idee, diese Patenschaftenin den Fokus zu nehmen und ihre Entwicklunggenauer zu beobachten. Die Auswahl dieser ZOOM-Patenschaften5 hatte zum Ziel, die verschiedenen Schultypen unddie unterschiedlichen kulturellen Einrichtungen in Berlin strukturellabzubilden.Die beteiligten Institutionen:ZOOM-Patenschaft 1: Carl-Kraemer-Grundschule, Wedding (bis2009), Leonardo-da-Vinci Gymnasium, Neukölln (ab 2010) / Hausder Kulturen der Welt (Bund) in Tiergarten5 Siehe auch: www.kulturprojekte­berlin.de/projekte/offensive­kulturellebildung/patenschaften­kuenste­schulen/zoom­patenschaften/12


ZOOM-Patenschaft 2: Johann-Gottfried-Herder-Schule (Gymnasium),Lichtenberg / Konzerthaus Berlin (Land Berlin) in MitteZOOM-Patenschaft 3: Nürtingen-Grundschule, Kreuzberg / BallhausNaunynstraße (Bezirkseinrichtung mit Landesförderung) inKreuzbergZOOM-Patenschaft 4: Kurt Löwenstein Schule, Neukölln undFichtelgebirge-Grundschule, Kreuzberg / Kunstraum Kreuzberg/Bethanien(Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) in KreuzbergZOOM-Patenschaft 5: Kurt-Tucholsky-Schule (Integrierte Sekundarschule),Pankow / Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart- Berlin (Staatliche Museen zu Berlin) in TiergartenZOOM-Patenschaft 6: Albert-Schweitzer-Schule (Gymnasium),Neukölln / Ethnologisches Museum (Staatliche Museen zuBerlin) in DahlemZOOM-Patenschaft 7: Carlo-Schmid-Oberschule, Spandau /Sophiensaele (freier Träger) in MitteZOOM-Patenschaft 8: 1. Gemeinschaftsschule Neukölln (CampusRütli), Neukölln / Maxim Gorki Theater Berlin (Land Berlin) inMitteZOOM-Patenschaft 9: Friedensburg Oberschule, Charlottenburg/ Museum für Kommunikation (Museumsstiftung Postund Telekommunikation) in MitteZOOM-Patenschaft 10: Max-Planck-Gymnasium, Mitte /Theateran der Parkaue (Land Berlin) in Lichtenberg13


2009 wurde, um auch Berufsschulen in die Untersuchungeinbeziehen zu können, eine weitere Patenschaft, die schonseit 2008 bestand, in das ZOOM-Programm aufgenommen:ZOOM-Patenschaft 11: marcel-breuer-schule (Oberstufenzentrum),Pankow / Werkbundarchiv e.V. – Museum der Dinge(freier Träger) in KreuzbergFür eine Förderung der elf ZOOM-Patenschaften konnte dasProjektbüro Kulturelle Bildung die PwC-Stiftung gewinnen.Sie stellte jeder Patenschaft für den Zeitraum von drei Jahrenein Budget von 3000 Euro jährlich zur Verfügung und übernahmdie Finanzierung der ebenfalls auf drei Jahre angelegtenbegleitenden Forschung.Im Frühjahr 2007 erhielten die Autoren den Auftrag zurwissenschaftlichen Leitung der begleitenden Forschung. DemLeitungsteam wurde die Möglichkeit gegeben, für jede Patenschafteine begleitende(n) Beobachter(in) zu engagieren, der/die eine der Patenschaften kontinuierlich begleiten und beobachtensollte. Bei der Auswahl der Beobachter/innen 6 wurdeauf fachliche Qualifikation (in einer der relevanten kulturellenSparten) und hohe soziale wie kommunikative Kompetenzengeachtet. Nach einer Anlaufphase wurde überprüft, ob Beobachter/innenund Patenschaften zusammengefunden hatten.In zwei Fällen wurden die Beobachter/innen ausgetauscht; ineinigen anderen Fällen wurden Wechsel oder Ersatz aufgrundäußerer Umstände notwendig. 7 In verschiedenen Gesprächenwurden die Beobachter/innen auf ihre Arbeit vorbereitet.Darüber hinaus boten verschiedene Treffen Gelegenheit für6 Begleitende Beobachter/innen: siehe S. 188.7 Die Beobachter/innen arbeiteten auf Stundenbasis und waren zumeist ausökonomischen Gründen gezwungen, die Arbeit aufzugeben.14


einen Erfahrungsaustausch über den Beobachtungszeitraum.Weiterhin wurde vom Projektbüro Kulturelle Bildung einwissenschaftlicher Beirat benannt, um die Forschungsergebnissein einem erweiterten Kontext diskutieren zu können.Diesem wissenschaftlichen Beirat gehörten Personen ausunterschiedlichen Berufsfeldern und Disziplinen an. 83. Forschungsansatz und methodisches V<strong>org</strong>ehenMit den Auftraggebern wurde die Durchführung einer qualitativenForschung vereinbart, die so angelegt werden sollte, dassdie Prozesse in den Patenschaften möglichst wenig gestörtwürden. Allen Beteiligten war klar, dass eine auch noch so„sanfte“ und zurückhaltende Forschung in der Praxis auf mehroder weniger große Vorbehalte bei den Beforschten stoßenkönnte. Bei verschiedenen Treffen, zu denen jeweils alle an denPatenschaften Beteiligten und die Beobachter/innen eingeladenwaren, wurde daher der Forschungsansatz sowie dasgeplante Procedere (siehe S. 16) ausführlich besprochen undum Vertrauen in die Arbeit des Forschungsteams geworben. Indiesem Zusammenhang wurde betont, dass es nicht um einAusforschen der Patenschaften oder der an ihnen beteiligtenPersonen gehe und keine vergleichende Auswertung geplantwerde, sondern um eine individuelle Begleitung der Entwicklungder Patenschaften, die auf die Aufdeckung von Strukturproblemenabziele. Deutlich gemacht wurde bei diesen Treffenauch, dass das Forschungsteam unabhängig vom Projektbüroarbeite und dieses selbst in den Beobachtungsprozess einbezogenwerde. Schließlich wurde allen Teilnehmer/innen dieAnonymisierung aller Einzelinformationen zugesagt.8 Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats: siehe S. 187.15


Die Ziele und das Procedere der Forschung definierten wir ineinem Papier, das allen Beteiligten zur Kenntnis gebracht undmit ihnen und weiteren Personen, zum Beispiel den Schulleiter/innen,zum Teil in Einzelgesprächen, diskutiert wurde,folgendermaßen:„Wir – das Leitungsteam – verstehen die begleitende Beobachtungals eine Form der Reflexion. Sie hat die Aufgabe, dieEntwicklung der Patenschaften zu unterstützen, zu stärkenund zu fördern. Es ist uns bewusst, dass eine begleitendeForschung nicht nur Vorbehalte auslösen, sondern auch dieEntfaltung einer Patenschaft behindern kann. Dieses Dilemmahoffen wir durch eine offene Diskussion mit allen Beteiligten,ein möglichst differenziertes und individualisiertes Beobachtenund nicht zuletzt dadurch auflösen zu können, dasswir uns als Ziel nicht die individuelle Einschätzung einzelnerPatenschaften, sondern die Analyse und Benennung vonStrukturproblemen gesetzt haben, die für alle Patenschaftenbestimmend sind.Dieses Ziel versuchen wir durch folgenden methodischenAnsatz zu erreichen:1. Jede Patenschaft wird individuell untersucht.2. Es gibt keine v<strong>org</strong>efertigte, allgemeine Kriterienliste, nachder beobachtet und evaluiert wird, sondern für jede Patenschaftwerden individuelle Beobachtungsformen entwickelt.3. Jede Patenschaft erhält ihre(n) eigene(n) Beobachter/in.Diese Personen sollen aufgrund ihrer jeweiligen Herkunft undVorqualifikation eine Affinität zu den an den Patenschaftenbeteiligten Institutionen oder den jeweiligen Akteur/innenhaben und in der Lage sein, sich auf sie einzulassen.16


4. Die Beobachter/innen haben die Aufgabe, den individuellenEntwicklungen der einzelnen Patenschaften nachzugehenund die Bedingungen für deren Gelingen darzustellen.Dazu können und sollen sie individuell und den jeweiligenUmständen angepasst agieren; wo erwünscht, können sie ihreBeobachtungen den Akteur/innen direkt mitteilen.5. Die Beobachter/innen berichten dem Leitungsteam. Anhanddieser Berichte, eigener Beobachtungen und einesabschließenden Gesprächs mit den Beteiligten auf der Grundlageder Berichte entwickelt das Leitungsteam einen Gesamtbericht,der mit allen an den Patenschaften Beteiligten diskutiertund gegebenenfalls überarbeitet wird. Dieser Berichtenthält keine Beschreibungen von konkreten Projekten,sondern ist der Analyse und Benennung von übergreifendenStrukturproblemen gewidmet. Er geht erst nach Abstimmungmit den Beteiligten an Dritte oder die Öffentlichkeit.Abgesehen von einigen Formalia gab es keine V<strong>org</strong>abenfür die Form oder den Umfang der Berichte der Beobachter/innen, da sie so individuell wie möglich auf die Patenschaftenund die an ihnen Beteiligten reagieren können sollten. 9 Allerdingswurden die Beobachter/innen ermuntert und ermutigt,diesen großen Spielraum auch wirklich zu nutzen und alleszu notieren, was ihnen auffallen würde. Dies sollte auch dieReflexion des eigenen Empfindens in der Rolle als Beobachter/in und die Beschäftigung mit anscheinend nebensächlichenDetails einschließen.9 Die Möglichkeiten des Begleitens und Beobachtens gestalteten sich beiden verschiedenen Patenschaften sehr unterschiedlich. Immer gab es dieGelegenheit, im Rahmen einer Projektwoche oder an einzelnen Projekttagenteilnehmend zu beobachten; oftmals konnten Planungsgespräche oderArbeitsphasen begleitet und zusätzliche Gespräche mit den Akteur/innengeführt werden.17


Von den Beobachter/innen wurde pro Schuljahr jeweils einBericht geschrieben. 10 Diese zum Teil sehr subjektiv gefärbtenBerichte wurden, nachdem sie mit dem Leitungsteam besprochen(und gegebenenfalls überarbeitet worden) waren, denjeweils Beforschten mit der Bitte um kritische Lektüre zur Verfügunggestellt. Danach führte das Leitungsteam mit den anden Patenschaften Beteiligten (den Beforschten) anhand derBerichte und eigener Beobachtungen 11 im Beisein der Beobachter/innenein jeweils mindestens einstündiges Gespräch, 12bei dem die Einschätzungen, die Entwicklungen und die Perspektivender Patenschaft diskutiert und weitere Informationenaufgenommen wurden. 13 Auf dieser Grundlage verfasste dasLeitungsteam 2008 und 2009 zwei Zwischenberichte, diewiederum allen an den Patenschaften Beteiligten zur Verfügunggestellt und erst dann an die Auftraggeber beziehungsweisezur Veröffentlichung auf der Website der KulturprojekteBerlin GmbH freigegeben wurden, nachdem sie von den anden Patenschaften Beteiligten diskutiert und bestätigt wordenwaren. Dieses Procedere wurde auch für diesen Abschlussberichteingehalten.Zielsetzung dieses relativ aufwändigen, mehrfach kommunikativgespiegelten Verfahrens war es vor allem, das Vertrauender an den Patenschaften Beteiligten zu gewinnen und einen10 Irregularitäten in diesem Rhythmus entstanden in wenigen Fällen: durchErkrankung eines ZOOM­Beobachters, durch die Unterbrechung der Zusammenarbeiteiner Patenschaft für ein Jahr, durch den späteren Einstiegeiner anderen und den verfrühten Ausstieg einer weiteren.11 Das Leitungsteam begleitete die Beobachter/innen fallweise bei bestimmtenTerminen und nahm an Veranstaltungen der Patenschaften teil.12 Diese Gespräche wurden zum Teil ganz, zum Teil in ausgewählten Passa­gen transkribiert.13 Die meisten, jedoch nicht alle dieser circa dreißig Gespräche wurden vonden beiden Autoren gemeinsam geführt.18


möglichst perspektiv- und facettenreichen Bericht zu erhalten.Resümierend dürfen wir festhalten, dass sich dieses transparenteund kommunikative Prinzip für die Genauigkeitund Akzeptanz eines solchen Berichts bewährt hat, und sichnahezu in allen Fällen die ersten Vorbehalte gegenüber derEvaluation auflösen ließen. Vielmehr war in fast allen Fälleneine gemeinsame, aus unterschiedlichen Perspektiven entwickelteNeugier auf das Gelingen des Experiments „Patenschaft“zu verzeichnen.4. Zu diesem BerichtDieser Forschungsbericht umfasst den Beobachtungszeitraumvon März 2008 bis Juli 2010. Er basiert auf den jährlichenBerichten der ZOOM-Beobachter/innen und transkribiertenGesprächen mit allen elf ZOOM-Patenschaften im ZeitraumJanuar bis April 2009 sowie im Zeitraum Februar 2010 bisJuni 2010. Des Weiteren wurden die Protokolle der Sitzungendes Forschungsteams miteinbezogen, Protokolle der Treffenmit den Akteur/innen der ZOOM-Patenschaften (20.02.08,11.09.08 und 07.09.09) sowie Protokolle der Sitzungen mit demwissenschaftlichen Beirat (29.02.08, 27.11.08, 24.09.09 und15.11.10) und Notizen aus Gesprächen mit Barbara Meyer undNils Steinkrauss, der ehemaligen Leitung des ProjektbürosKulturelle Bildung der Kulturprojekte Berlin GmbH. Als weitereGrundlage diente eine beim ersten Treffen entwickelte Listean Wünschen und Erwartungen von Seiten der Patenschaftenund dem Projektbüro Kulturelle Bildung der KulturprojekteBerlin GmbH an das begleitende Forschungsteam.An den Patenschaften nahmen in der Regel jeweils eine Klassebeziehungsweise ein Kurs, in einem Fall auch eine freiwilligeGruppe teil, also zwischen circa fünf und 24 Schülerinnen und19


Schüler. Bei drei Patenschaften wurden bei verschiedenenProjekten unterschiedliche Klassen involviert (bis zu vierKlassen pro Schule). Die Schüler/innen gehörten den Jahrgangsstufen4 bis 13 an, doch lag das Schwergewicht bei denJahrgangsstufen 7 bis 10. Auf Seiten der Kulturinstitutionenwaren meistens ein bis zwei Personen, auf Seiten der Schulenwar in der Regel eine Lehrerin oder ein Lehrer in der Patenschaftaktiv. Bei der Ausweitung der Aktivitäten auf mehrereKlassen waren allerdings mehrere Lehrer/innen involviert. Nurin zwei Fällen waren mehrere Lehrer/innen einer Lerngruppegleichzeitig an Aktivitäten beteiligt. In neun Patenschaftenwurden in der Regel eine bis zwei, in einem Falle circa zehnexterne Künstler/innen involviert. Die Mitarbeit dauerte dabeivon einem Tag bis zu einer Woche. In drei Patenschaften arbeitetendie Künstler/innen über mehrere Wochen im patenschaftlichenProzess. In zwei Patenschaften war über denZeitraum von zwei, im anderen Falle sogar drei Jahren, ein unddieselbe Künstlerin involviert.Nach drei Jahren der begleitenden Forschung schließen wirmit diesem Bericht die Beobachtung ab. Auch für die ZOOM-Patenschaften endet nun eine Phase, die sich für sie – nebender begleitenden Forschung – vor allem auch durch eineUnterstützung ihrer Aktivitäten durch die PwC-Stiftung ausgezeichnethat.Acht der elf ZOOM-Patenschaften haben die Absicht geäußert,in der bisherigen Konstellation weiterhin zusammenarbeitenzu wollen. Die Tatsache, sich nun zu kennen, miteinanderErfahrungen gemacht zu haben, es zu genießen, nicht immeralles wieder von Beginn an erklären zu müssen, unterstütztdie Motivation zur kontinuierlichen Weiterarbeit. Bei einerZOOM-Patenschaft hat die kooperierende Schule gewechselt.Aus den Erfahrungen der vorangegangenen Kooperation20


Schlüsse ziehend, wird nun eine neue Patenschaft aufgebaut.Zwei von elf Patenschaften haben sich entschieden, die Patenschaftzu beenden. Eine davon hat eine inhaltlich auf ihreKonstellation hin thematisch konzipierte Zusammenarbeitdurchgeführt und beendet die Patenschaft, will aber weiter inKontakt bleiben; eine Patenschaft löst sich im gegenseitigenEinvernehmen ganz auf, weil die gegenseitigen Erwartungennur schwer zu erfüllen waren.Gegenüber den zwei bereits v<strong>org</strong>elegten Zwischenberichten,die hier zusammengefasst und fortgeschrieben werden, setztdieser Bericht den Schwerpunkt auf das Thema „StrukturelleKoppelung“. Denn in diesem Phänomen, das weiter untennäher beschrieben wird, liegt unserer Ansicht nach der besondereAspekt, durch den sich die Patenschaften von anderenFormen der Kooperationen, die Schulen und Kultureinrichtungenmit unterschiedlichen Partnern eingehen, unterscheidenkönnen.Zu diesem Bericht gehört eine Liste von Empfehlungen 14 ,die auch als Leitfaden für die Gestaltung einer neuen Patenschaftgelesen werden kann. Darin werden einerseits Problemeund Defizite benannt, die hier nicht im Detail dargelegtwerden können, und andererseits Vorschläge gemacht, wiesich bestehende oder neue Patenschaften besser, gezielteroder reibungsloser etablieren ließen. Schließlich sprechen wirin diesem Teil auch einige Fragen an, die unser Ansicht nachVerwaltung und Politik dringend bearbeiten sollten.14 Siehe S. 58.21


II. Ergebnisse1. Strukturelle Koppelung – die Patenschaft alsKooperationsmodellNachdem die Patenschaften etwa ein halbes Jahr existierten,wurde uns, dem Forscherteam, klar, dass die Idee „Künste &Schule“ im Unterschied zu anderen Initiativen ziemlich genauauf das abzielte, was der Soziologe Niklas Luhmann als „strukturelleKoppelung“ beschrieben hat. Wir begannen daher, diePatenschaften vor allem unter entsprechenden Fragestellungenzu beobachten und führten den Begriff auch in unserenGesprächen mit den an den Patenschaften Beteiligten ein.„Strukturelle Koppelung“ im Sinne von Niklas Luhmannbeschreibt das Phänomen, wie zwei unterschiedliche Systeme,zum Beispiel eine Kultureinrichtung und eine Schule, auf ein„Ereignis“ in unterschiedlicher Weise – nach den Regeln, die siejeweils bestimmen – reagieren und ihr Verhalten aufeinanderabstimmen. Dabei lassen sich manifeste (andauernde) vonoperativen (zeitlich begrenzten) strukturellen Koppelungenunterscheiden und richtet sich das Augenmerk auf die Veränderungeninnerhalb der jeweiligen Systeme, aufgrund derer esihnen gelingt, sich miteinander zu verkoppeln. 15So wurden die Vorhaben, eine Patenschaft einzugehen, als das„Ereignis“ verstanden, auf das die unterschiedlichen Systeme(Kultureinrichtungen und Schulen) reagieren. Unser Interessegalt der Frage, welche strukturellen „Umbauten“ innerhalbder Systeme notwendig waren, um die Patenschaft zu realisieren.In gleicher Weise interessierte natürlich auch, ob diese„Umbauten“ tatsächlich v<strong>org</strong>enommen wurden oder ob sie,15 Vgl. www.hyperkommunikation.ch/lexikon/lexikon_index.htm22


und wenn ja, an welchen Umständen sie scheiterten. In jedemFall kam es darauf an festzustellen, ob bei den Patenschaftenüber punktuelle oder persönliche Initiativen hinaus eine institutionellverankerte Form der Kooperation gefunden werdenkonnte und ob diese gegebenenfalls auf andere Patenschaftenübertragbar sein könnte.In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Voraussetzungenfür das Gelingen einer strukturellen Koppelung beimZOOM-Patenschaftsprojekt relativ gut waren. So hatten sich diejeweiligen Paten freiwillig zur Zusammenarbeit entschlossen,war ein relativ langer Zeitraum für deren Entwicklung v<strong>org</strong>esehenund stand nicht nur eine regelmäßige finanzielle Unterstützungin Aussicht, sondern mit dem Projektbüro KulturelleBildung auch ein kompetenter Partner bereit, der vermittelndoder helfend tätig werden konnte und der überdies aus eigenerInitiative immer wieder wertvolle Anregungen gab.Rückblickend lässt sich festhalten, dass diese Faktorenwesentliche Voraussetzungen für das Gelingen der einzelnenPatenschaften waren – ohne sie wäre wahrscheinlich weitausweniger, in einigen Fällen vermutlich gar nichts zustandegekommen, das über übliche Kooperation hinausgegangenwäre. Allerdings ist es trotz dieser guten Bedingungen nureinigen Patenschaften gelungen, eine dauerhafte strukturelleKoppelung aufzubauen.Im Folgenden wird die Rolle dieser und weiterer Faktorennäher dargestellt:23


Verankerung der Patenschaft an den Schulen undKultureinrichtungenWenngleich die Entscheidung für eine Patenschaft häufig vonSeiten der Schulleitung gefällt wurde, war es nicht selbstverständlich,dass sie sich auch im ihrem weiteren Verlauf aktivengagierte. Vielmehr oblag die Betreuung der jeweiligenPatenschaft in der Regel ausschließlich den Lehrerinnen undLehrern, die sich dafür freiwillig und in ihrer Freizeit zu engagierenbereit waren. Innerhalb der drei Jahre konnten jedochin einigen Patenschaften Möglichkeiten entwickelt werden,die Zusammenarbeit mit Schülergruppen im Rahmen derPatenschaft zumindest zum Teil ins Alltagsgeschäft zu integrieren.Konkrete Vorhaben fanden meistens im Rahmen derUnterrichtszeit statt, wenn auch hin und wieder Randstundendafür gewählt wurden, was sich negativ auf die Aufmerksamkeitund auch die Wertschätzung der Aktivitäten durch dieSchülergruppen auswirken konnte. In zwei Fällen wurdendafür eigene Unterrichtszeiten angesetzt. Konzeptionstreffen,Antragstellungen, Zwischenbesprechungen und Feedback-Runden setzen allerdings immer das individuelle Engagementder Lehrer/innen während Freistunden oder in der Freizeitvoraus. Unterstützung erfuhren die Lehrer/innen bisweilendadurch, dass ihnen Anpassungen im Stundenplan gewährtwurden. Eigens den patenschaftlichen Aktivitäten gewidmeteStunden wurden, zum Beispiel durch Abminderungen desLehrdeputats, nach unserem Wissen in keinem Fall gewährt.Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass es den Schulenzwar meist gelungen ist, die Patenschaften in den Unterrichteinzubauen, eine konzeptionelle strukturelle Verankerung warallerdings nur in den wenigsten Fällen zu beobachten.In den Kultureinrichtungen wurde die Entscheidung für einePatenschaft auf verschiedenen Ebenen gefällt; mal war es die24


Leitungsebene, mal die engagierte pädagogische Abteilung.Die Motive für die Aufnahme einer Patenschaft scheinen rechtunterschiedlich gewesen zu sein und reichten von der Neugierauf eine bestimmte Schule bis hin zur Hoffnung auf dieEntwicklung eines neuen Publikums. Zwar gilt der Bildungsauftragals eine der Kernaufgaben der Kulturinstitutionenund versteht die Mehrzahl ihrer Mitarbeiter/innen ihre Arbeitals dessen Erfüllung: als Bildung des Publikums im doppeltenSinne des Wortes. Doch in der Praxis wurde die Zusammenarbeitanfangs nur in wenigen Patenschaften als ein zentralerTeil des institutionellen Auftrags wahrgenommen, sondern vorallem an die pädagogischen Abteilungen delegiert und meistensausschließlich dort realisiert. So ließ sich die Leitungsebenein großen Häusern auch im Verlauf der drei Jahreallenfalls am Rande oder bei Repräsentationsterminen in diePatenschaften involvieren. Ein Treffen von Schulleiter/innenund Direktor/innen von Kulturinstitutionen im Dezember 2008,das vom Projektbüro Kulturelle Bildung <strong>org</strong>anisiert wurde,fand zwar in einer angeregten Atmosphäre statt – waren sichdoch diese Direktor/innen der Stadt so noch nie gegenübergesessen – über daraus resultierende Initiativen zum gemeinsamenAuftrag „Kultureller Bildung“ oder gar getroffenenÜbereinkünften ist uns allerdings nichts bekannt geworden.Immerhin lässt sich festhalten, dass die Arbeit an patenschaftlichenAktivitäten im Laufe der Patenschaften von einigen(längst nicht allen) Mitarbeiter/innen der Kulturinstitutionenzunehmend als Teil des Alltagsgeschäfts wahrgenommen undrealisiert wurde.Bei manchen Patenschaften wurde die patenschaftlicheAufgabe an externe Künstler/innen delegiert. Die Verbindungender Künstler/innen zu den Kulturinstitutionenwaren dabei unterschiedlich ausgeprägt. Die Spanne reichtevon Konzeptionsteams, die sich aus einer Lehrer/in, einer25


Mitarbeiter/in der Kulturinstitution und einer Künstler/in zusammensetzten,bis zu nahezu unabhängigen Projekten.In diesen Fällen waren die Projekte zwar im Unterricht verankertund fanden ihren öffentlichen Raum in der Kulturinstitution,wurden von den Künstler/innen jedoch nicht nur konzipiert,sondern auch mehr oder weniger selbständig (durchwegerfolgreich) durchgeführt, wobei die beteiligten Lehrer/innenallenfalls die Koordination und die Aufsicht für die Klasse übernahmen.Im Ergebnis konnten die externen Kräfte zwar selbstfundierte Erfahrungen sowohl im Umgang mit Schulklassen alsauch im Hinblick auf die Arbeitsgepflogenheiten und -bedingungenin den Schulen wie den Kulturinstitutionen gewinnen,doch gelang es in diesen Fällen nur sehr selten, solches Wissenund die Erfahrungen in die durch die Arbeit der Künstler/innenin Verbindung gebrachten Institutionen zu vermitteln. Sofunktionierten solche Projekte zwar im Sinne der jeweiligenLogik beider Institutionen als Patenschaft, tatsächlich hattensie jedoch nur die Anmutung von Patenschaften, entfaltetenalso in ihnen selbst wenige bis gar keine Effekte im Sinne derpatenschaftlichen Idee. Immerhin ließ sich beobachten, dassdie in den Institutionen fest Angestellten zunehmend mehrSensibilität für den Status der freien Künstler/innen entwickeltenund ihnen zunehmend mehr realistische Aufgabenund Verantwortung zumuteten, die im Rahmen des bezahltenEngagements auch ohne Selbstausbeutung realisierbar waren.Während das Outsourcing bei größeren Kulturinstitutioneneher deren Fähigkeit reflektiert, Kooperationen neben undunabhängig von ihrem so genannten Kerngeschäft betreibenzu können, so ist dies bei kleineren Institutionen eher durchmangelnde Ausstattung an qualifiziertem Personal und aneinschlägigen Mitteln und, nicht zuletzt, in ihren besonderen,auf Projekten aufbauenden Arbeitsstrukturen begründet.26


Denn viele Einrichtungen der freien Szene können ihre Programmenicht aus eigenen Mitteln, sondern nur über voneinanderunabhängige Projekte realisieren – und insoweiterscheint daher eine patenschaftliche Kooperation als ebennur ein weiteres Projekt unter vielen anderen. Bei kleinerenKultureinrichtungen mit eigenem Budget waren dagegen(mangels Masse) die Leitungsebenen fast immer direkt involviert.Als sehr problematisch erwies sich der Wechsel der für diePatenschaft verantwortlichen oder sich verantwortlich fühlendenPersonen, der in einigen Kulturinstitutionen zu verzeichnenwar: Nur in einem Fall führte ein solcher Wechsel nicht zu einermehr oder weniger vollständigen Unterbrechung der Aktivitäten.16 Auch hieran ist zu erkennen, dass der patenschaftlicheProzess in den Kulturinstitutionen nur in Einzelfällen strukturellverankert war.Wechselseitig Pate werden„Die Berührungsängste von beiden Seiten wurden im Laufe derweiteren Zusammenarbeit sehr schnell abgebaut. Im Gegenteil,es fanden positive Zuschreibungen statt, zum Beispiel wurden dieSchüler/innen [von Seiten der Theatermitarbeiter/innen] als echtesPotential entdeckt, als echte gegenseitige Bereicherung, wie dieWahrnehmung eines anderen Lebens. Es fand ein gegenseitigesEntdecken von neuen Welten statt.“ 1716 In einem Fall hatte eine Mitarbeiterin mit einem befristeten Arbeitsvertragden Auftrag, die Patenschaft zu betreuen. Befristete Verträge verhindernjedoch längerfristige Planungen, verhindern die Entwicklung von Ideenund verunsichern alle Beteiligten, allen voran die teilnehmenden Schüler/innen. Diese machten dabei die Erfahrung, dass es sich nicht lohnt, einVertrauensverhältnis mit einer Ansprechperson aufzubauen.17 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009.27


Bei den meisten Patenschaften bestand der Eindruck, eshandle sich um eine Patenschaft der Kulturinstitution für dieSchule. Der Begriff des Paten wurde als Mentor und Fördererausgelegt, der über Wissen (und möglicherweise auch den„richtigen“ Kunstbegriff) verfüge, das dem anderen Akteur– dem Zögling – zu Gute kommen sollte. So bestimmten fastimmer die laufenden Programme der Kulturinstitutionen dieinhaltliche Arbeit in den Patenschaften. Im Laufe der dreiJahre konnte dieses hierarchische Verhältnis bei einigen Patenschaftenjedoch zu einem Miteinander auf Augenhöhe entwickeltund ein Modus der Zusammenarbeit gefunden werden,von dem beide Seiten profitierten.Für die Auflockerung der hierarchischen Beziehungen, dievor allem über die Erwachsenen entstanden, war oft das obsolcher Umstände häufig unbekümmerte Verhalten der Kinderund Jugendlichen entscheidend, die da, wo ihnen dazu Gelegenheitgegeben wurde, „Patenschaft“ in eigener Weise interpretierenoder in den ihnen von den Kulturinstitutionen angebotenenRäumen nach ihren Vorstellungen arbeiteten. Auchwurde im ersten Bericht v<strong>org</strong>eschlagen, sich in verschiedenenSituationen wechselseitig Pate zu sein, was sich im Verhältnisder Zusammenarbeit der Erwachsenen in einigen Patenschaftenrealisiert hat. Hilfreich in diesem Zusammenhangwaren auch verschiedene „Mikro-Patensituationen“, bei denenSchüler/innen zum Beispiel „Paten“ für Kunstwerke oder „Dingpfleger“wurden.Die Patenschaft als TestfeldFür die Mehrzahl der Kulturinstitutionen ergab sich mit denPatenschaften eine Erweiterung ihres Aufgabenfeldes; nur inwenigen Kulturinstitutionen glichen die patenschaftlichen28


Aktivitäten denen, die bereits zuvor in den zuständigen pädagogischenAbteilungen realisiert wurden.Bei Schulen war das Modell „Zusammenarbeit mit Künstler/innen“ meistens bekannt und erprobt. Unter den Kulturinstitutionenwaren es in erster Linie die Theater, die bereits Kooperationenmit Schulen – in der Regel in Form von TUSCH-Kooperationen(Theater und Schule) 18 – kannten. Auch waren manchePatenschaftsschulen schon TUSCH-Schulen; eine Patenschaftist zugleich auch ein TUSCH-Projekt. Die direkte Zusammenarbeitvon Lehrer/innen mit Kurator/innen, Dramaturg/innenund Kunstvermittler/innen an Museen und damit die Möglichkeitein ganzes Betriebssystem kennenlernen zu können, warfür sie allerdings neu.Während in der ersten Phase der Patenschaften (in den ersten18 Monaten) die anfänglich sehr hohe Motivation auf beidenPatenseiten zur Konzeption und Realisierung von großen undrepräsentativen Projekten führte, war in der zweiten Phase (diezweiten 18 Monate) zu beobachten, dass sich andere Formendes Zusammenarbeitens etablierten, die, in der Regel kleinerund weniger aufwändig angelegt, sich besser in den alltäglichenBetrieb integrieren ließen und so weniger zur Verausgabungaller beteiligten Personen führten.Die Akteur/innen hatten sich in der zweiten Phase offensichtlichsowohl von ihren eigenen Erwartungen an das zu Leistendeund Mögliche, als auch vom unausgesprochenen Innovationsdruckbefreit, der sich durch die neue Form der Patenschaft,die anfänglich große Aufmerksamkeit im Feld der „KulturellenBildung“ in Berlin, den neuen Projektfonds Kulturelle Bildungund, nicht zuletzt, vermutlich auch die begleitenden Beobach-18 www.tusch­berlin.de/29


tung aufgebaut hatte. Dies galt insbesondere für die Kultur-Institutionen, die über die Patenschaften in den Diskurs umdie „Kulturelle Bildung“ einstiegen und hier Position beziehenwollten. Auf Seiten der Schulen war dagegen eher (und zusätzlich)eine Repräsentationsverpflichtung – meistens von Seitender Schulleitung formuliert – zu verzeichnen, die wohl derwachsenden Konkurrenz unter den Schulen und dem darausresultierenden Zwang, sich zu profilieren, geschuldet ist. 19Im Übrigen wurden die Patenschaften auch als Testfeld fürunterschiedliche Fragen genutzt und es wurde in verschiedenenFällen deutlich, dass der Schritt zur Patenschaft den Mutzu weiteren Kooperationen stärkte. Denn dort ließen sichArbeitsweisen kennenlernen, entwickeln und erproben, dieauf andere Kooperationen übertragbar erschienen.19 !"#$!%&'()*$+$,-./0$1(/*!2#3!45'1!67789:!0#$!0#$!%&'()$/!;$10$1!5(&'!G1#,#+&'$!Elternvertretungen führen derzeit zu einem enormen Druck auf die Schulen,+#&'! #/! 0$1! F#)0(/*+)5/0+&'5I,! -(! ?)#$1$/J! %#/G$/0$! %&'K)$1-5')$/!wirken sich auf die Anzahl der Arbeitplätze an einer Schule unmittelbaraus und dies wiederum schränkt die Möglichkeit ein, über die Auswahl beider Aufnahme von Schüler/innen das eigene Leistungsniveau zu heben.Mehr denn je sind Grundschulen mit weiterführenden Schulen verbunden,einerseits, um aufeinander aufbauen, und andererseits, um sich gegenseitigals Institutionen stabilisieren zu können. Die Gemeinschaftsschule bleibtjedoch im Status des Modellversuchs.Die Schullandschaft Berlins entwickelt sich mehr und mehr in einenBildungsmarkt. Kooperationen nützen dabei der Weiterentwicklung undA1>?)#$1(/*!;>/!%&'()$/J!EL$//!0#$!%&'K)$1!+#&'!@$M$1@$/:!05++!+#$!05!nach Kooperationen fragen ist ein wichtiger Punkt. Ich bin auch ganz sicher,dass unsere Schule durch diese ganzen Kooperationen auch gut bekanntgeworden ist. […] Und wir sind jetzt natürlich Konkurrenten untereinander,die ganzen Schulen. Und wir kämpfen um die Schüler inzwischen, und05+! G5//! 35/! /(1! 35&'$/:! M$//! 35/! $#/! 5,,15G,#;$+! A1>*1533! '5,JH!Fachbereichsleiterin einer Schule in einem Interview im Frühjahr 2010.30


Welches Stadium die verschiedenen Patenschaften erreichthatten, beziehungsweise wie sie eingeschätzt wurden, ließsich mitunter recht gut an Hinweisen in Programmen der Institutionenund Schulen sowie an zum Teil sehr umfangreichenVeröffentlichungen im Internet ablesen.Viel Zeit – eine besondere QualitätDie Schulen, die von Anfang an am Patenschaftsprojekt teilnahmen,suchten gezielt Verbindungen mit dem Außen, undwaren in vielen Fällen bereits andere Formen der Kooperationeingegangen; bei anderen kamen parallel zur Patenschaftandere Kooperationen hinzu.Befragt, worin sich die Patenschaft im Vergleich zu anderenKooperationen auszeichne, antworteten die meisten Akteur/innen, dass der Vorteil der große Zeitraum sei, innerhalbdessen die Patenschaft entfaltet werden konnte. So es nichtzu Wechseln bei den Verantwortlichen kam, war es auf dieserGrundlage möglich, sich gut kennenzulernen und wechselseitigVertrauen zu gewinnen. Ganz anders als bei zeitlich kurzbemessenen Kooperationen, durfte es bei den Patenschaftendaher auch Momente des Scheiterns geben. Denn eineNeujustierung war im größeren, kontinuierlich finanziertenZeitrahmen immer möglich.Von einer Patenschaft wurde die Chance genutzt, mit einerWahlpflichtfachgruppe 20 über zwei Jahre hinweg zusammenzuarbeiten,also einen Zeitrahmen zu setzen, der alle sonst üblichenProjektzeiträume deutlich überschreitet. Mancherorts istüber die Zeitdauer hinweg eine geradezu freundschaftlich-20 !N#/!L5')/5)$+!O(1+5/*$@>,!#/!0$1!PJ!(/0!QJ!O)5++$J!Die Lerngruppen sind in der Regel kleiner als Klassengröße.31


familiäre Verbindung unter den Verantwortlichen der verschiedenenInstitutionen entstanden oder doch zumindest eineprofessionell zugewandte Verbindlichkeit.Wechsel von Rezeption, Aktion und ReflexionDer durch die Patenschaften erleichterte Zugang zu „Originalen“,seien es Kunstwerke, Konzerte, (dazu gehörten zumBeispiel auch Musikerbesuche im Klassenzimmer) oder Theaterstücke,haben Kunst-, Musik- oder Theaterrezeption alsTeil der schulischen Lernformen selbstverständlicher werdenlassen.Bei den meisten Patenschaften war ein Wechsel von Rezeptionvon Kunstformen (Theater-, Konzert- und Ausstellungsbesuche)mit der eigenen Produktion im Rahmen eineskünstlerisch-edukativen Projekts zu beobachten. ManchesMal kam die Rezeption professioneller Kunstformen zu kurz,weil die Konzentration in erster Linie auf das Selbermachengelegt wurde oder auch weil zum Beispiel das Projektbudgeterschöpft war.Erst im Wechsel von Rezeption und Aktion wurde den Schüler/innen jedoch der Bezugsrahmen, innerhalb dem sie sichaufhalten und der zugleich über die Schule hinausreicht,bewusst. Im Gegenüber einer professionellen künstlerischenÄußerung konnte eine Reflexion des selbst Gemachtenbeginnen. Zudem lassen sich ästhetische Erfahrungen imFeld von Kunst, Musik und Theater in der Regel leichter mit„Originalen“ machen, denn mit Reproduktionen.Der Wechsel von eigener Aktion, Rezeption und der darananschließenden Reflexion ist eine patenschaftsspezifischeQualität, muss aber auch s<strong>org</strong>fältig geplant werden.32


Manifeste strukturelle Koppelungen: Räume und finanzielleRessourcenIn einer der Patenschaften fanden die Präsentationen derpatenschaftlichen Projekte in einem extra dafür reservierten,allgemein zugänglichen Raum in der Kulturinstitution statt.Dieser Raum war damit ein sichtbares Element für die strukturelleKoppelung, doch reichte sein zur Verfügung stellen alleinnicht aus, sondern musste für ihn ein spezielles Programmentwickelt werden, was nicht immer ohne Umstände zubewerkstelligen war. In einem anderen Fall gelang es denSchülerinnen und Schülern dadurch die Kulturinstitution (einMuseum für zeitgenössische Kunst) in die Schule zu holen undbeide miteinander zu verkoppeln, indem selbst angefertigteKopien verschiedener Bilder aus der musealen Sammlung inder Schule für einen längeren Zeitraum präsentiert wurden.Diese wurde damit sukzessive zum Ausstellungsraum für einekopierte Sammlung.Die Verwaltung der von der PwC-Stiftung zur Verfügunggestellten Mittel war in allen Fällen problemlos. Allerdingswaren diese Mittel häufig nicht ausreichend, dienten aberdann immer als Eigenmittel bei der Beantragung weitererFördergelder. In kleineren Kulturinstitutionen wurden dieüber die Patenschaften zur Verfügung gestellten Mittel teilweisezu einem kleinen, aber kontinuierlichen Bestandteil vonBudgetplanungen.Manifeste strukturelle Koppelung:Entwicklung der CurriculaDeutlich wurde, dass die Patenschaften, denen es gelungenwar, eine dauerhafte Kooperation zu etablieren, Verände-33


ungen in ihrer jeweiligen Struktur v<strong>org</strong>enommen haben. DieZusammenarbeit war damit strukturell verankert und hingnicht – wie bei den meisten Patenschaften – allein am zusätzlichenEngagement visionärer Mitarbeiter/innen oder Kolleg/innen. Die beobachteten strukturellen Transformationenhaben vor allem an Schulen stattgefunden.Entgegen unserer Regel, anonymisiert zu beschreiben, werdenhier die beiden Patenschaften, denen eine strukturelle Koppelunggelungen ist, offen v<strong>org</strong>estellt, weil sich an diesenBeispielen ablesen lässt, welche Konsequenzen sich daraus fürdie jeweiligen Einrichtungen ergaben. Dass diese strukturellenKoppelungen zustande kamen, war allerdings alles andere alsselbstverständlich, sondern verdankt sich auch in diesen Fällenausschließlich dem umfassenden und nachhaltigen Engagementder Beteiligten.Die Patenschaft zwischen dem Werkbundarchiv – Museum derDinge und der marcel-breuer-schule erwies sich aus vor alleminhaltlichen Gründen von Anbeginn an als eine Art „perfectmatch“ (vgl. S. 90). Denn in der marcel-breuer-schule werdenunter anderem Produktdesignassistenten ausgebildet, wirdalso genau in dem Feld unterrichtet, dem das Museum derDinge gewidmet ist. 21Die Entwicklung der Zusammenarbeit bis zur strukturellenKoppelung vollzog sich in verschiedenen Stufen unter Mitwirkungverschiedener externer Künstler/innen sowie eines Architektenund war ein aufwändiger Prozess, in den die beiden21 Eine solche enge inhaltliche Beziehung zwischen dem Lernfeld derSchule und den Arbeitsgebiet der kulturellen Institution war nur in diesemR5))!-(!;$1-$#&'/$/J!B/+>M$#,!+#/0!0#$!'#$1!051*$+,$)),$/!EN11(/*$/+&'5I,$/H!dieser Patenschaften nur bedingt übertragbar.34


wissenschaftlichen Kuratorinnen des Museums und auf derSeite der Schule die Fachlehrer/innen, die Abteilungsleiterin undder Schulleiter involviert waren. Sie fand ihren Anlass vor allemim Umstand, dass im Museum der Dinge der Versuch gemachtwird, Alltagsgegenstände und Designobjekte unter verschiedenenGesichtspunkten „ganzheitlich“ darzustellen, währenddie Lehrpläne der Schule eine nach unterschiedlichen Kompetenzengetrennte Ausbildung in verschiedenen Fächernvorsehen.„Jetzt wird der Lernfeldauftrag so formuliert, dass ich gleich denFachpraxislehrer mit einbeziehe und sage: ich habe das und dasvor, ist das machbar? Können wir das bauen? Und im PC-Unterrichtsind die und die Programme, wie kann ich die jetzt mit einbeziehen?Es heißt es wird auch in dem Curriculum mitgedacht.“ 22Der wesentliche Schritt auf Seiten der Schule war, die Kooperationmit dem Museum in den verschiedenen Lernfeldern, auswelchen sich die schulinternen Curriculae aufbauen, zu integrierenund dies auch über die verschiedenen Klassenstufender Schule hinweg. So haben die Schüler/innen im Laufe ihrerAusbildung immer wieder mit dem Museum der Dinge zu tun.Die Sammlungen des Museums fungieren hierbei als einezentrale Ressource und es selbst als Ort, der Anforderungenstellt, der für die Lösung von Aufgaben genutzt und an demArbeitsergebnisse präsentiert werden können. Auf Seiten desMuseums ergaben sich durch die intensive und zunehmendkompetente Nutzung seiner Bestände und Einrichtungen zahlreicheneue Einsichten im Hinblick auf seine eigenen ArbeitsundArgumentationsweisen, nicht zuletzt natürlich auch, weilJugendliche nicht zur Kerngruppe seiner Besucher gehörten22Lehrerin in einem Gespräch mit allen Patenschaftsbeteiligten im Frühjahr2010.35


und der „junge Blick“ auf seine Sammlungen recht ungewohntwar.„Es gibt so eine Präzisierung. Wir hatten ja als theoretische Positionimmer, dass wir Lern- und Arbeitsplattform sein wollen. Was heißtdas aber konkret? Dass es hier so eine Konkretisierung erfährt: wieist das machbar, wie kann man die Sammlung dynamisieren, wiedenken Menschen, die sich in einer Ausbildungsphase befinden imBezug auf Produktkultur – was ja unser Thema ist – unsere Sammlungenweiter? Können die damit überhaupt was anfangen? Wiegeht das in die Gegenwart?“ 23Die Zusammenarbeit entfaltete sich konkret über einkomplexes Ausstellungsprojekt, das die Schüler/innen unterAnleitung der Lehrer/innen und Kurator/innen erarbeitetenund im Museum präsentierten. Dieses Ausstellungsprojektbasierte auf einem Auftrag des Museums und fungiertezugleich als Abschlussarbeit der Ausbildung an der Schule,stellte also für die Schüler/innen recht hohe Anforderungen.Als Konsequenz dieser Doppelfunktion der Arbeiten wie derintensiven Zusammenarbeit „auf Augenhöhe“ wurden dieabschließenden Bewertungen von den Lehrer/innen und denKurator/innen gemeinsam v<strong>org</strong>enommen. 24 Auch wenn esdabei zu unterschiedlichen Einschätzungen kam – die Erwartungeneines Auftraggebers sind nicht zwangsläufig dieselbenwie die eines Lehrenden –, so war dieser Schritt ein deutlichesZeichen nicht nur für das Gelingen der Zusammenarbeit,sondern für die tatsächlich vollzogene strukturelle Koppelung.Dabei gaben gerade die unterschiedlichen Einschätzungenden Partnern Gelegenheit, ihre jeweiligen Routinen23 Museumskuratorin im selben Gespräch.24 Formal erfolgte die Notenvergabe durch die Lehrer/innen der Schule.36


und Konventionen zu überprüfen. 25 Eine weitere Konsequenzdieser strukturellen Koppelung, die die Erfahrung der Teamarbeitmit den Kurator/innen des Museums mit sich brachte,ist, dass die Lehrer/innen der Schule durch das neue Lernfeld,fächerübergreifend und als „Projektteam“ arbeiten. Hier gab esalso aufgrund der Erfahrung mit einem anderen eine Veränderungim eigenen System.In der Patenschaft der „Rütli-Schule“ und dem Maxim GorkiTheater ist, resultierend aus der Möglichkeit der intensivenZusammenarbeit, das neue Wahlpflichtfach „Theater“entstanden. Die Lehrerin, deren Engagement die Patenschaftvon Seiten der Schule zu verdanken ist, wird dabei im Unterrichtzeitweise von einem Praktikanten des Theaters begleitet.Für das Theater bedeutet dies, eine kontinuierliche Möglichkeitfür die Weiterbildung von Mitarbeiter/innen zu haben, die sodas theaterpädagogische Arbeiten mit Schüler/innen kennenlernenund üben können. Im Austausch gibt es wiederumdie Möglichkeit, die Theaterwerkstätten zusammen mit denSchüler/innen zu besuchen und so, jenseits des Besuchs vonTheaterstücken, „Backstage“ etwas darüber zu erfahren, welcheund wie viele Produktionsprozesse einer Theateraufführungvorausgehen. Damit verbunden ist das im Curriculum desFachs „Theater“ beschriebene Ziel, theaterspezifische Berufsbilderzu vermitteln. Inhaltlich verhält sich das Fach „Theater“noch unabhängig vom Programm des Theaters.Parallel zum Wahlpflichtfach entstehen in der Patenschaftimmer wieder unterschiedliche Kooperationen, sei es, dassSchüler/innen in einem Stück mitspielen können (so bei25 !"#$+$!A5,$/+&'5I,!#+,!#/!0$1!(3I5/*1$#&'$/!F1>+&'K1$!E"5+!S(+$(3!T!$#/$!%&'()$!0$1!"#/*$H!5(+IK'1)#&'!0>G(3$/,#$1,J!"#$!F1>+&'K1$!G5//!K@$1!die Schule oder das Museum bezogen werden.37


„Romeo & Julia“ in der Spielzeit 2008/2010) oder dass dieSchule zum Ort einer Inszenierung wird. Schüler/innen ausdem Wahlpflichtfach haben eine weitaus bessere Voraussetzung,an derlei Kooperationen selbst motiviert teilzunehmenund damit auch den schulischen Lehr-, Lern- und Pflichtrahmenzu verlassen.2. Kulturelle Bildung, Kunst- und KulturbegriffeGenerelles„Kulturelle Bildung“ ist zunächst nur ein leerer Begriff, der inder Praxis unausgesprochen jedoch ein Gefälle annimmtzwischen solchen Menschen und Einrichtungen, die „Kultur“haben und solchen, die zu ihr gebracht („gebildet“) werdensollen. So haben nach diesem Verständnis von „KulturellerBildung“ die Kulturinstitutionen per Definition Kultur, währendoffen bleibt, ob und in wie weit auch Schulen „Kultur“ habenund wenn, was dort unter ihr verstanden werden kann.Dieses Verständnis von „Kultureller Bildung“ stand mit denPatenschaften auf dem Prüfstand: Das Besondere an denPatenschaften war, dass hier Kulturinstitutionen und Schulendirekt miteinander zu tun hatten und als gleichberechtigtePartner kooperieren sollten. Zu beobachten, was im Rahmender Patenschaften als Kultur und Kunst wahrgenommen undentwickelt wurde, konnte daher auch Hinweise darauf geben,ob und wie das Konzept „Kulturelle Bildung“ funktioniert. 2626 ! "5-(! +&'1$#@,! 0#$! F(/0$+-$/,15)$! IK1! )#,#+&'$! F#)0(/*U! EO(),(1$))$!Bildung (andere Bezeichnungen sind musische bzw. musisch kulturelle oderauch ästhetische bzw. ästhetisch kulturelle Bildung) bezeichnet den LernundAuseinandersetzungsprozess des Menschen mit sich, seiner Umweltund der Gesellschaft im Medium der Künste und ihrer Hervorbringungen.38


Im Rahmenkonzept „Kulturelle Bildung“ des Berliner Senatswird der Kulturbegriff, der dem Konzept der „KulturellenBildung“ zugrunde liegt, nicht näher definiert. Vielmehr heißtes dort:„Ziel kultureller Bildung ist es daher, Kinder und Jugendliche zubefähigen, am kulturellen Leben der Gesellschaft aktiv und selbstverantwortlichteilnehmen zu können. Dazu gehören das Vertrautwerdenmit der Kunst als Sprache, die Sensibilisierung auf Kunst hinebenso wie das Verständnis für den Eigenwert von Kunst, die sichjeglicher Verzweckung verweigert, die Freisetzung schöpferischerKräfte und Phantasien durch die Ausbildung künstlerisch-ästheti-Im Ergebnis bedeutet kulturelle Bildung die Fähigkeit zur erfolgreichenTeilhabe an kulturbezogener Kommunikation mit positiven Folgen für diegesellschaftliche Teilhabe insgesamt. Kulturelle Bildung ist integrales, notwendigesElement von Allgemeinbildung. Bildung und Kultur sind zweiSeiten einer Sache: Bildung ist die subjektive Seite von Kultur, Kultur dieobjektive Seite von Bildung. Zwischen engerem und weiterem Begriff vonO(),(1!(/0!G(),(1$))$1! F#)0(/*! +#/0!0#$!V@$1*./*$! =#$W$/0JH!www.bpb.de/themen/JUB24B,0,Was_ist_kulturelle_Bildung.htmlMethoden und Inhalte kultureller Bildungsprozesse und ­projekte sindgeprägt vom Kulturbegriff, von welchem (explizit oder auch intuitiv) ausgegangenwird. Die Spannweite kann hierbei von Kultur als Begriff undKonstruktion der Moderne, Kultur als Ausdruck einer ethnischen odernationalen Einheit, Kultur als Kreativität im gewöhnlichen Alltagslebenund als komplexer gesellschaftlichem Aushandlungsprozess von Werten,Identitäten und soziokulturellen Bedeutungen reichen; vgl. LawrenceGrossberg, Leben und Zeit der Kultur, in: Rainer Winter (Hrsg.), DiePerspektiven der Cultural Studies, Köln 2007. Vgl. Karl H Hörning; RainerWinter: Widerspenstige Kulturen. Cultural Studies als Herausforderung,Frankfurt am Main 2007. Auch die Auslegung des Begriffes Bildung könnteeine Rolle spielen, der im Alltagsverständnis mit Wissensvermittlung verbundensein kann, im Humboldtschen Bildungsideal, als das Moment derSelbständigkeit, also des Sich­Bildens der Persönlichkeit oder in der kri­,#+&'$/!F#)0(/*+,'$>1#$!5)+!05+!E(/5@*$+&')>++$/$!A1>X$G,!$35/-#


scher Ausdrucksformen. Ein ganzheitliches Verständnis kulturellerBildung begreift den Menschen daher immer im Zusammenspielseiner kognitiven, sinnlichen, emotionalen und ästhetischenAneignungsweisen und zielt darauf, diese individuell zu fördernund auszuprägen.“ 27Allerdings geht das Konzept von einem Feld unterschiedlicher, voneinanderabgegrenzten Kulturen aus, in dem Kindern und Jugendlichenals „seismographischen Kräften“ für die Fortentwicklung der Gesellschafteine besondere Rolle zugesprochen werden:„Kinder und Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrundbewegen sich zeitgleich in unterschiedlichen kulturellen Zusammenhängenund können als kulturelle Grenzgänger den Blick fürdas Verbindende schärfen.“ 28Vor diesem theoretisch-politischen Hintergrund ließ sich feststellen,dass in den Patenschaften vor allem während derersten Phase der Kunst- und Kulturbegriff und die Frage nachder künstlerischen Qualität einzelner Beiträge oder Projektenur in Ausnahmefällen zur Diskussion standen. Vielmehrschienen die meisten Beteiligten zunächst einmal froh, überhauptetwas gemeinsam zustande gebracht zu haben, undbetonten die Qualität der Ergebnisse ihrer Zusammenarbeitnur dann, wenn sie, wie in verschiedenen Fällen, tatsächlichbemerkenswert waren. In allen Fällen war zu beobachten,dass sowohl die Angehörigen der Schulen wie der Kulturinstitutionensehr bemüht waren, je in ihrem Sinne Vorzeigbaresentstehen zu lassen. Rückblickend ist an dieser Stellefestzuhalten und zu betonen, dass die in nahezu allen Fällengelungene Zusammenarbeit zwischen den Schulen und Kultur-27 Rahmenkonzept Kulturelle Bildung für Berlin!, S. 528 a.a.O., S. 5.40


einrichtungen das wichtigste Ergebnis der Patenschaften ist.Wohl alle Beteiligten, die Beobachter/innen eingeschlossen,hatten die Schwierigkeiten unterschätzt, die beim direktenAufeinandertreffen der beiden Systeme „Schule“ und „Kultur“zu verzeichnen sein würden, und welcher Anstrengungen aufbeiden Seiten notwendig wurden, ein WIE des Zusammenarbeitenszu finden, zu erproben und zu definieren. Denn alleBeteiligten mussten sich nicht nur kennen und vertrauenlernen, sondern die Bereitschaft entwickeln, miteinander undvoneinander zu lernen und eine „Kultur des Zusammenarbeitens“aufzubauen.Unsere These lautet deshalb: „Kulturelle Bildung“ kommt nichtallein über die Beschäftigung mit kulturellen Phänomenenoder das Herstellen von künstlerischen Produktionen und dieRealisierung von künstlerisch-edukativen Projekten zustande,sondern ergibt sich aus – zuerst und vor allem – der Formder Zusammenarbeit von Institutionen, Berufsgruppen undPersonen, die im kulturellen Alltag normalerweise ohne Bezugauf die jeweils anderen ihren jeweiligen Zielen, Interessenund entsprechend spezialisierten Tätigkeiten nachgehen. Soverstanden bezeichnet gelungene „Kulturelle Bildung“ wenigerdie Teilhabe an dieser oder jener Form von Kultur, sonderndie Fähigkeit, die durch die eigene Sozialisation entstandeneBedingtheit des eigenen Wahrnehmens und Handelnserkennen und Äußerungen wie Handlungen anderer Personenund Gruppen als ebenbürtig wahrnehmen, sie in ihrem jeweiligenEigensinn akzeptieren, respektieren und möglicherweiseverstehen zu können. „Kulturelle Bildung“ kann daher nur einWeg sein, mit Kunst in ein unmittelbares Verhältnis zu treten– das Erlernen von künstlerischen Techniken als Vorbedingungfür die Produktion von Kunst und Kultur kann sie ebenso wenigwie Ausbildung und Bildung in anderen Bereichen ersetzen.41


Kunst- und KulturbegriffeDie Themen, die im Rahmen der Patenschaften bearbeitetwurden, stammten meistens aus den laufenden Programmender Kulturinstitutionen oder spielten darauf an. In wenigenFällen wurden Aktivitäten entwickelt, die auf das schulischeCurriculum, den schulischen Alltag oder die Lebenswelt derKinder und Jugendlichen eingingen.Die in den Patenschaften aktiven Kulturinstitutionen warensehr verschieden, und dies galt auch für die Kunstbegriffe undeinschlägigen Vorstellungen, mit denen sie ihre jeweilige Arbeitbegründeten. Im Unterschied zu den Schulen, deren Rollezumindest im Generellen nicht angezweifelt wird, stehen allerdingsfast alle Kulturinstitutionen unter einem permanentenLegitimationsdruck, insbesondere dann, wenn sie relativ spezialisiertsind oder den Auftrag haben, weniger populäre Fragestellungenzu bearbeiten, oder sie im experimentellen Bereicharbeiten, also gängige Vorstellungen von Kunst und Kulturreflektieren, hinterfragen und weiterzuentwickeln versuchen.Insgesamt gesehen waren die in die ZOOM-Patenschafteninvolvierten Kulturinstitutionen jedoch (fast ausschließlich)von einem eurozentristischen Kulturbegriff geprägtbeziehungsweise propagierten ihn mehr oder weniger ausdrücklich.Demgegenüber erscheint es notwendig, Zugängezu unterschiedlichen Kulturbegriffen zu schaffen, den jeweilseigenen Kulturbegriff zu reflektieren und Zuschreibungen mitBezug auf vermeintliche kulturelle Hintergründe zu vermeiden.In diesen Zusammenhang gehört auch das Problem, dassDifferenzen unserer Gesellschaft vor allem im Kontext vonMigration allzu oft kulturalisiert, also als kulturelle Differenzenwahrgenommen werden, während es sich jedoch um soziale,ökonomische oder auch rechtliche Ungleichheiten handelt.42


Unabhängig davon war die Arbeit in den Patenschaften voneinem Kulturbegriff geprägt, der häufig auf das Produzierenvon Ereignissen hinausläuft, also auf Aufführungen, Ausstellungenund andere Formen der Präsentation zielte, die überdas Alltägliche hinausgehen. 29 Diese Veranstaltungskultur istaber nur ein Aspekt dessen, was Kultur ausmachen kann, undeine Form, wie sie vor allem in der so genannten Mediengesellschaftihren vorläufigen Höhepunkt gefunden hat. Demgegenüber stehen kulturelle Formen, die weit mehr als diegenannten den Alltag prägen, keinen Eventcharakter habenund mit anderen Weisen der geistigen Orientierung, zumBeispiel den Religionen, in Verbindung stehen. In diesenBereich der Kultur gehören auch die unterschiedlichen, in denverschiedenen Sprachen und Umgangssprachen sich manifestierendenWeltbilder, Deutungsmuster und Wertvorstellungen,wie nicht zuletzt unterschiedliche Formen der Wahrnehmungund Reflexion. Es ließ sich immer wieder feststellen, dass derZugang zu den kulturellen Institutionen vor allem durch dieallgegenwärtige Barriere „Sprache“ erschwert, wo nicht ganzverhindert wird. Allerdings kann sie gerade durch künstlerischedukativeArbeit überwunden werden:„Also heute hatte ich irgendwie den Eindruck, eine Barriere ist dochnoch immer wieder die Sprache. Dass man als ein russischsprachigerJugendlicher sich nach wie vor ausgeschlossen fühlt ausdieser Gesellschaft. Dass man irgendwie das Gefühl hat: ‚Theater istimmer auf Deutsch, das geht mich nichts an. Das ist die Gesellschaft,zu der ich nicht dazu gehöre.’ Und dann, als wir in diesem Sound-29 Alle an den Patenschaften Beteiligten, Schüler/innen wie Lehrer/innenund Künstler/innen wünschten Anerkennung für das, was sie gemacht'5@$/! T! (/0! $+! )5*! /5'$:! 0#$+$+! F$0K1I/#+! K@$1! 0#$! (/,$1+&'#$0)#&'$/!Formen der Präsentation zu realisieren, nicht zuletzt auch deshalb, weil dieAktivitäten nur selten formale Anerkennung, wie zum Beispiel durch Noten?/0$/J43


labor drauf gekommen sind: ‚OK. Dann machen wir einen Geräuschteppichaus euren Sprachen.’ Da haben alle mitgemacht. Da hattensie das Gefühl: ‚OK. Jetzt bin ich gefragt mit dem, was ich kann.’“ 30Andererseits fiel anscheinend allen Beteiligten außerhalb derkulturellen Institutionen – wie dem Großteil der Bevölkerung– der Umgang mit zeitgenössischen Kunstproduktionen einigermaßenschwer. Es vermischten sich hier bei Lehrer/innen,Schüler/innen und Eltern generelle Vorbehalte gegenüberdem Neuen mit solchen, die in verschiedenen Sozialisationenund sozialen Milieus begründet waren. 31„Mittels Methoden künstlerischer Kunstvermittlung und assoziativerKunstbetrachtung sollten den Erwachsenen sowohl die[künstlerischen] Arbeiten als auch [die Kulturinstitution] nähergebracht werden. Ein ziemlicher Kraftakt, wenn man bedenkt, dassdie Schüler/innen – darin dem Großteil ihrer Lehrer/innen nichtunähnlich – sich noch bis vor kurzem nicht mit zeitgenössischerKunst und einem Museum für eben diese beschäftigt haben.“ 32„Manchmal denke ich: Eigentlich wollen die Schüler/innen amliebsten wie Hundertwasser malen – und wir kommen ihnen mitunserer Konzeptkunst.“ 3330 Aus einem Gespräch mit einer Theaterpädagogin am 24.3.2009.31 !Z.(?*!-(!@$>@5&',$/!#+,:!05++!*$150$!0#$X$/#*$/!2(/0!'#$1!#+,!/(/!;>/!allen Personen, gleich welcher Herkunft die Rede), die Kulturinstitutionennicht nutzen, ein eher konventionelles Vorverständnis von ihrer Rolle, ihreninhaltlichen Ausrichtungen und ihren Arbeitsweisen haben und daherfür zeitgenössische Formen ihres Auftretens zuweilen wenig Verständnisaufbringen. Diese Vorstellungen und Vorbehalte resultieren allerdingsnicht zuletzt aus Erscheinungsbild, Programmen und Vermittlung derKulturinstitution selbst.32 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.33 Kunstvermittlerin in einer Arbeitsbesprechung.44


„’Wir wollen nicht mehr soviel denken!’ wurde mal gesagt und [dieKunstlehrerin] mit dem Wunsch nach Porträtzeichnen konfrontiert,wenn es wieder an die Planung des [Patenschaftsprojekts] ging.“ 34„Ich finde […], gerade gut, dass sie [die Schüler/innen zusammenmit einer Choreographin] mit Tanzformen arbeiten, die nicht sosind, wie das, was man vom Fernsehen kennt.“ 353. Lernen und Erfahrungen machenDie ErwachsenenFür das Gelingen einer Patenschaft ist das persönliche Engagementder an ihr beteiligten (erwachsenen) Personen dieentscheidende Voraussetzung. Weitere, kaum weniger wichtigeVoraussetzungen sind, dass sich die Angehörigen derverschiedenen Systeme (Schule und Kulturinstitution) wechselseitiganerkennen, sie die unterschiedlichen Bedingungenund Zwänge, in denen sie jeweils stehen, respektieren und siebereit und fähig sind, einen kollegialen Arbeitsstil zu entwickeln.Wo eine dieser Voraussetzungen nicht gegeben war,kam es in den Patenschaften zu mehr oder weniger großenProblemen.Wie groß das Engagement ist, das nötig ist, um eine Patenschaftzu realisieren, ließ sich daran erkennen, dass es in einigen Fällen,in denen die personelle Kontinuität nicht gegeben war, oderein Lehrer / eine Lehrerin die Verantwortung abgeben wollte,nicht gelang, die Arbeit in der Patenschaft auf einen Kollegenbeziehungsweise eine Kollegin zu übertragen. Wechsel von34 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.35 Schulleiter in einem Gespräch Frühjahr 2010.45


Institutionsleitenden Personen wurden alsbald als fehlendeRückendeckung für die agierenden Lehrer/innen sichtbar,wobei in einem Fall der Wechsel der Schulleitung das Bewusstseinfür die Patenschaft in der Schule fast verschwinden ließ.Lehrer/innen, die sich für Patenschaften verantwortlich zeigten,hatten anfangs mitunter keinen einfachen Stand in ihren Kollegien.Ihr Engagement führte nicht selten zu Abgrenzungenvon Kolleg/innen, die kein Interesse oder auch keine Kraft fürdie Übernahme einer Kooperation hatten. Es war jedoch zubeobachten, dass in Patenschaften engagierte Lehrer/innenmit der Zeit in ihren Kollegien zunehmend mehr Anerkennungerhielten, wenngleich sie sich häufig bis zuletzt immer nochin einem Einzelkämpfer-Status befanden. Mehr und mehrwurden jedoch Strategien gefunden, das Kollegium der Patenschaftund hier zunächst der Pateninstitution näher zu bringen.„Wohlfühltage für Lehrer“ (am Theater) oder von Schüler/innendurchgeführte Kunstvermittlungsaktionen im Museum fürdas gesamte Kollegium einer Schule während eines Studientags,waren erfolgreiche Strategien, die Patenschaft und ihreArbeitsweisen bekannt zu machen.Manchmal waren es auch schlicht strukturelle Hindernisse, dieein gemeinsames Arbeiten unmöglich machten. So musstezum Beispiel ein Sozialarbeiter erfahren, dass, laut seinerTrägereinrichtung, patenschaftliche Aktivitäten nicht zu seinenAufgaben gehörten. Im Übrigen war die komplexe und zumTeil kurzfristige Terminplanung an Schulen (zum Beispiel inPrüfungszeiten) oft ein Hindernis, gemeinsame Termine findenzu können.Die Patenschaften wurden zunächst immer auf der Ebeneder Erwachsenen etabliert. Erst wenn hier sozusagen allesstimmte, bestand die Chance, dass sie auch für die Kinder46


und Jugendlichen ein erfolgreiches Erlebnis werden konnte.Dass das Arbeiten innerhalb einer Patenschaft oft zusätzlicherfachlicher Qualifikationen bedarf, war in verschiedenenFällen zu erkennen und wurde von Beteiligten artikuliert. EinePatenschaft zog daraus die Konsequenz, Mittel aus dem Patenschaftsbudgetfür die eigene Qualifizierung (Kurator/innen undLehrer/innen gemeinsam) einzusetzen. In den meisten Fällenfehlten jedoch Angebote zu einer entsprechenden Weiterbildung,die sich, so unsere immer wieder von den Akteur/innenbestätigten Beobachtungen, nicht nur auf Schlüsselqualifikationen,sondern von der Entwicklung einschlägiger Methodenund der Recherche von geeigneten Inhalten bis zur Erarbeitungvon speziellen Lehrmitteln beziehen müsse. Insbesondere dieAufteilung der Rollen zwischen Lehrer/innen und Künstler/innen blieb Gegenstand andauernder Verhandlungen.„Sobald ein Künstler die Schule betritt, wird er zum Lehrer.“ 36„…denn auch im Theater gibt es durchaus auch – sagen wir mal– interessanterweise Berührungsängste mit Lehrern. Weil häufigauch Künstler so ein spezielles Bild haben […]“ 37„Und wenn [die Schauspielerin] was sagt, selbst wenn es dasselbe ist,was ich vorher gesagt habe, hat es ein anderes Gewicht, als wennich das sage. [...] Ich bin die Lehrerin. Bei mir machen sie es, wenn siees machen, mehr oder weniger teilweise auch, weil ich die Chefin bin,weil ich die Noten gebe. Bei [der Schauspielerin] sind sie überzeugtdavon, dass es so ist, wie es ist. Das ist ein großer Unterschied.“ 3836 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.37 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009/10.38 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.47


„Als es um die Aufführung geht, verlangt die Künstlerin eineEntscheidung. Es wird mitgemacht oder eben nicht. Halbes Teilnehmengeht nicht. Das gilt auch für die Kinder, die von den Lehrer/innen in Schutz genommen werden, weil sie als therapiebedürftiggelten. Die Teilnahme an der Aufführung klappt dann auch.“ 39„Für mich ist es das Schwierigste an der Sache, mit Schulen zuarbeiten, dass du erst mal das Vertrauen der Lehrer gewinnenmusst. Künstler arbeiten ganz anders als Lehrer.“ 40„Um Kunst und Education mit den Schülern zu machen, musst duerstmal Kunst und Education mit den Lehrern machen, damit duüberhaupt etwas tun kannst.“ 41Die in den Patenschaften beteiligten Künstler/innen hatten inder Regel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Kindern undJugendlichen. Dennoch sind die Umgangsweisen und Lernmethodenoftmals sehr unterschiedlich im Vergleich zu denLehr- und Lernmethoden in der Schule. Lehrer/innen musstenin diesen Fällen lernen, ihre Schüler/innen loszulassen, Verantwortungabzugeben und sich im Vertrauen auf die spezifischenFähigkeiten der Externen zu verlassen, auch wenndabei zunächst nicht alles nach den schulischen Konventionenverlief. Dies barg für alle Beteiligten einige Herausforderungen.Häufig war in solchen Situationen zu beobachten, dass manarbeitsteilig v<strong>org</strong>ing: die Lehrer/innen sich auf die Disziplinierungder Schüler/innen konzentrierten und damit die Künstler/innen entlasteten, die sich dann ganz auf ihre Arbeit konzentrierenkonnten. Aber auch Vorbehalte im eigenen Systemtraten durch die Patenschaften zutage:39 Aus einem Beobachtungsprotokoll von Claudia Hummel, am 02.03.09.40 Aus einem Interview mit Künstler/innen im April 2009.41 Aus einem Interview mit Künstler/innen im April 2009.48


„Es sind vor allem die Lehrer, die schon lange an der Hauptschulearbeiten, die den Kindern wenig zutrauen und den Projekten vonvorne herein sehr skeptisch gegenüber stehen.“ 42„Die Kollegen haben keine Probleme mit dem Metier oder mit demTheater, trauen den Schülern jedoch wenig zu und sind deswegennicht motiviert, mehr zu investieren. [Die Lehrerin] spricht vomnegativen Blick: ‚[…] ablehnend die Einstellung, das kann man mitunseren Schülern nicht machen, die können das nicht. Ich habeihnen aber einfach gesagt, wenn man das richtig vorbereitet, kannman mit unseren Schülern sehr viel machen.’“ 43In Einzelfällen kam es bei Realisierung einer Zusammenarbeitzu Korrekturen seitens der Lehrer/innen, die den Kindern oderJugendlichen zu viel zugemutet sahen. Dieses Einschreitenkonnte sich auf länger andauernde konzentrierte Arbeitsphasenwie auch auf bestimmte Inhalte beziehen. Die Gewöhnungan didaktische Reduktionen, pädagogische Kleinschrittigkeitund den Lernrhythmus von Schulstunden ließ manchenLehrer/innen die Unterstützung der um solche Methodenunbekümmerten Künstler/innen zuweilen nicht leicht fallen,wenn diese von den Schüler/innen Ernsthaftigkeit, Ausdauer,Entschiedenheit und das Erfassen von nicht oder wenig didaktisiertenInhalten einforderten. Doch hat sich das Durchlaufensolcher Arbeitsprozesse am Ende fast immer gelohnt undzeigten die Schüler/innen nicht selten zur Überraschung ihrerLehrer/innen und auch ihrer Mitschüler/innen, dass sie diegestellten Aufgaben zu lösen im Stande waren.„Für die Schüler/innen wie auch für die Lehrer/innen war es eineganz wichtige Erfahrung zu beobachten, wie aus vielen kleinen42 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009/10.43 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009/10.49


Einzelszenen zum Schluss ein ‚Ganzes’ entsteht. Ich denke, das warfür die Schüler genau so überraschend wie für die Lehrer.“ 44„Inzwischen hat sich die Meinung geändert, nachdem die Schülerso großen Erfolg hatten bei ihren Auftritten: Gerade auch die Klassenlehrer[…], die dann nach der Vorführung […] zu mir sagten,‚Waren die wirklich gut?’ Ich sagte, ‚Du kannst beruhigt sein, siewaren die Besten! Sie waren super.’ Es dauert für manche Lehrer, zubegreifen, von ihren Schülern, von denen sie sonst nur Schlechteshören, so viel Gutes zu hören.“ 45Zu beobachten war auch, dass sich die Lehrer/innen mit denpädagogischen Mitarbeiter/innen der Kulturinstitutionenleichter über Methoden der Vermittlung und Prozessstrukturierungenverständigen konnten, als mit den externenKünstler/innen. Dies konnte allerdings nicht überraschen undbedeutete zugleich in einigen Fällen, dass eine unmittelbareAuseinandersetzung mit den Kunstproduzent/innen nichtstattfand.Insgesamt kann jedoch festgehalten werden, dass die Kooperationenzwischen Lehrer/innen und Künstler/innen fast immererfolgreich waren und zu einem Gewinn an Kompetenz aufbeiden Seiten führte. Allerdings blieb dieser Zugewinn ehervom Zufall bestimmt als systematisch erreicht. So wurde voneinigen Beteiligten angeregt, professionelle Unterstützung zu<strong>org</strong>anisieren. In einigen der stabilen, nun über drei Jahre ingleicher oder zumeist ähnlicher Besetzung arbeiteten Patenschaftenhat sich für die meisten darin involvierten Erwachsenender Vorteil ergeben, dass sie in den verantwortlichenPersonen der je anderen Institution ein wertvolles fachliches44 !C(+!$#/$1!A1>X$G,1$=$[#>/!$#/$1!\$'1$1#/!#3!R$@1(51!677]45 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009/10.50


Gegenüber gefunden haben. Ist man über erste Rollenkonfliktehinweg, scheint sich eine gegenseitige Anerkennung der spezifischenKompetenzen einzustellen. So war in allen gelungenenKooperationen zwischen Erwachsenen zu beobachten, dass dasgegenseitige fachliche Interesse eine wesentliche Motivationfür die Kooperation darstellte. Beide Seiten lernten so voneinanderund machten als bereichernd bezeichnete Erfahrungen.Dabei scheinen die Lehrer/innen eher als die Mitarbeiter/innen der Kulturinstitutionen von der Arbeit in Patenschaftenprofitiert zu haben, jedenfalls nahmen sie einige als Chancewahr, sich selbst weiter zu qualifizieren, ihr Arbeitsfeld kritischzu überprüfen, zu modifizieren und zu erweitern und an derEntwicklung des (vermittelten) Berufsbilds „Lehrer“ zu arbeiten.Die Begegnung mit Jugendlichen, die sich über die Zeiteinstellende Erfahrung für deren Perspektiven, Fragen undBedürfnissen haben insbesondere jene Mitarbeiter/innen ausKulturinstitutionen, zum Beispiel Kurator/innen, als überausbereichernd dargestellt, die den Umgang mit jungen Menschenim Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht gewohnt waren.Die Begegnungen und auch das allmähliche Vertrauenfassenzu den Jugendlichen scheinen zum einen eine Erweiterung dereigenen Aufgabenbereiche und darüber hinaus zuweilen einenselbstreflexiven Blick zu unterstützen.„In der Sprache [verändert] sich etwas auf jeden Fall. Man redetschon anders. Man reflektiert auch die Texte anders, die imMuseum hängen, oder die man ja da hingehängt oder geschriebenhat. Man nimmt das Museum auch anders wahr. Es ist eine Mengepassiert. Wie überhaupt auch die Vermittlung mit Jugendlichenfunktioniert. Ich habe da auch ganz viel daraus gelernt.“ 4646 Aus einem Interview mit einer Kuratorin im Frühjahr 2010.51


Im Fall einer Kuratorin wurden die Fragen und Bedürfnisse derJugendlichen als Motivation genannt, die im Museum vorhandenenTexte (einführende Texttafeln und Pressemitteilungen),im Hinblick auf deren Vorkenntnisse zu überprüfen. In einemanderen Fall übernahmen die Schüler/innen diese Aufgabeselbst. 47Die Schülerinnen und Schüler 48Die Aktivitäten im Rahmen der Patenschaften waren in derRegel Teil des Unterrichts oder schulischer Projektwochen.Auch wenn die Mitarbeit in Kursen und Schulklassen verpflichtendwar, so ging die Patenschaftsaktivität oft weit über dieUnterrichtszeit hinaus: Engagement von Seiten der Schüler/innen auch in ihrer Freizeit wurde erwartet und zuweilen auchgezeigt:„Während die Schüler bei einer ersten Nachfrage, ob sie bereit seien,eventuell Freizeit für ein gemeinsames Musikprojekt einzusetzen, keineNeigung erkennen ließen, waren sie kurz später, bei der Vorstellung desPercussions-Projektes, von sich aus bereit, eine Schulstunde an den regulärenUnterricht heranzuhängen.“ 4947 Die Pressemitteilung für eine umfassende Werkschau einer zeitgenössischenKünstlerin wurde von den Schüler/innen zwar geschrieben, kamjedoch nicht zur Veröffentlichung. Die Kritik am konventionellen Fachvokabularwar allerdings geleistet.48 Selbstkritisch möchten wir an dieser Stelle festhalten, dass es uns nichtgelungen ist, so viel über die Reaktionen der Schülerinnen und Schülerzu erfahren, wie wir uns dies erhofft und als Aufgabe für das dritte Untersuchungsjahrgestellt hatten. Dies wäre wahrscheinlich nur auf der Grundlageeiner wesentlich intensiveren und methodisch anders angelegtenteilnehmenden Beobachtung der Patenschaften möglich gewesen, die imgegebenen Rahmen nicht geleistet werden konnte.49 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.52


Für Kulturinstitutionen stellt das junge Publikum eine Herausforderungdar. Das junge Publikum verhält sich anders alsgewohnt, stellt andere Fragen, erwartet andere Antworten.Wo es gelang, dies nicht als unangenehme Störung wahrzunehmen,ergaben sich neue Interaktionsmöglichkeitenund Erkenntnisse. Innerhalb des derzeitig vieldiskutiertenDiskurses um das aktive Publikum bietet das junge Publikumden Theaterschaffenden möglicherweise jenes Gegenüber,das sich eher von Vorbehalten und Distinktionsbedürfnissenzu befreien weiß und direkt auf das Gesehene und Erlebtereagiert, wenn es dazu den Freiraum erhält. 50„Die Aufführung selbst war gekennzeichnet durch die unmittelbareund deutlich hörbare Anwesenheit der Jugendlichen. EineTatsache, die den hochkonzentriert und hoch sensibel spielenden[Schauspieler] – wie wir später durch [die Theaterpädagogin]erfahren und wie wir auch während der Vorstellung bei seinenfeinen Ebenenwechsel verfolgen konnten – offenbar sehr irritierthat.“ 51„Und dann war einer dabei, der ist v<strong>org</strong>eschossen auf die Bühneund ich hinterher – in der Pause. Ich fragte ihn, ‚Was machstdu denn?’ Er meinte, ‚Ich will mir das mal ansehen!’ Ich sagte,‚Das kannst du jetzt nicht machen, da einfach hochgehen’ –‚Aber warum kann ich das nicht einfach’, fragte er. Da habe ichihm das erklärt. Eigentlich war es kein Störfaktor, er fand das sotoll, er wollte einfach wissen, was da oben auf der Bühne losist.“ 5250 Vgl. Jacques Rancière: The emancipated spectator / Ein Vortrag zur^(+&'5($1


Doch waren für viele Schüler erst einmal lebenspraktischeAufgaben zu bewältigen, bevor sie Erfahrungen in den Kulturinstitutionenmachen konnten:„Auf der Rückseite desselben Zettels [mit den Fragen an einenWerkstattmeister der Kulturinstitution] ist eine Fahrplanauskunftder BVG mit den Infos abgedruckt, wie sie vom Ernst Reuter Platzwieder zurück zum Herrmannplatz kommen. Dieser Ausflug istwahrscheinlich für die meisten Schüler/innen, die ihren Kiez seltenverlassen, eine Reise ins Unbekannte.“ 53„Es ist [für unsere Schüler] immer dann ein Problem, wenn manGelder ausgeben muss, z.B. Fahrgelder. Ich bin deshalb schonanfangs mit den Schülern [zum Kunstraum] hingelaufen. Das istmachbar. Wer `ne Karte hatte, der durfte fahren. Anfangs jammernsie zwar, aber im Nachhinein finden sie das sogar ganz toll.“ 54Waren solche Probleme gelöst, kam es häufig zu sprunghaftgesteigertem Selbstbewusstsein:„Gehen die Teilnehmer/innen zunächst noch in Begleitung [derMuseumspädagogin oder der Künstlerin] dorthin [ins Museum], sosind sie nach einer Weile so selbstständig und kennen sich so gutaus, dass sie diese Wege alleine machen. Das Wachpersonal istnach einer Weile auch informiert – man kennt sich eben.“ 55„Mir gefällt gut, wie die Ausstellungsräume plötzlich ganz selbstverständlichbenutzt werden – wie eine Bibliothek, die man immerwieder aufsucht, um etwas nachzuschlagen.“ 5653 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.54 Aus dem Gespräch mit einem Lehrer am 22.01.2009.55 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009.56 Ebenda, a.a.O.54


Das Selbstverständnis, sich in Kulturinstitutionen zu bewegen,entstand bei den Schüler/innen ganz einfach: mit der Häufigkeitund Regelmäßigkeit der Besuche und der Gewöhnung andort gegebene Abläufe. Dies galt nicht nur für Museen, vielmehrfanden auch die Theater Formen, das Dabei- und Anwesendseinals selbstverständlich erleben zu lassen, wie dieseGeste:„Zum anschließenden Waffelessen an langen Tischen – eine Formdes Nachgesprächs, das [das Theater] für viele Inszenierungenjeweils an einem Aufführungs-Abend eingeführt hat – bliebenetwa die Hälfte der Schüler/innen und fühlten sich während desinformellen Austauschs auch sichtlich wohl.“ 57Immer wieder zu beobachten war, dass die Schüler/innen vonMenschen beeindruckt waren, die ihnen erklärten, nicht einenJob, sondern einen Beruf auszuüben.„Die Schüler/innen haben betont: ‚[dass] es etwas besonderes ist,mit Menschen in Verbindung zu sein, die sich kreativ beschäftigen,man so etwas vorher nie erlebt hat, es interessant findet zu sehen,wie Leute arbeiten, andere Berufe kennen lernt, neugierig ist, erlebt,wie Konzerte vorbereitet werden, wenn man doch sonst nur dasErgebnis zu hören und zu sehen bekommt.’“ 58Künstlerisch-edukative Projekte bieten den Schüler/innendie Möglichkeit, andere als im Unterricht nachgefragte Fähigkeitenzu zeigen. Infolgedessen überraschen sie ihre Lehrer/innen und Mitschüler, die ihnen diese Fähigkeiten nicht zugetrauthätten, und nicht zuletzt sich selbst.57 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2009.58 Aus einem ZOOM­Jahresbericht 2008.55


„Aus der Sicht der betreuenden Lehrerin ist das Hauptergebnisdes Projekts eine sprunghaft gesteigerte Selbständigkeit, Reflexionsfähigkeitund Selbstsicherheit bei allen am Projekt beteiligtenJugendlichen. Bestehende Hierarchien innerhalb der Klassenverbändehätten sich verschoben und einzelne Schüler unerwarteteLeistungen und bis dahin verdeckte Kompetenzen gezeigt.Das Grundgefühl bei allen Jugendlichen sei, ‚Stolz, die gestellteAufgabe gut gelöst zu haben’ und in Folge ein stark gewachsenesSelbstbewusstsein. Auch seien bestehende Vorurteile (‚Museum istvoll schwul’; ‚Ausstellungsmachen ist unmännlich’) abgebaut unddas Museum als ein Produktionsort erkannt worden.“ 59In einem Zusammenhang ließ sich beobachten, dass auchSelbstzuschreibungen von Schüler/innen, etwas nicht zu können,oder aufgrund der gesellschaftlichen Positionierung (Stichworte:Migrationshintergrund, Schule in Neukölln usw.) anstatt nachden Fähigkeiten beurteilt zu werden, manchen künstlerischenund persönlichen Erfolg wie auch die Offenheit beim gemeinsamenArbeiten verhindert haben.In einem anderen Projekt war wiederum bei Schüler/innen einBewusstsein dafür entstanden, wie gesellschaftliche Zuschreibungen– von denen sie betroffen waren – genutzt und umgeschriebenwerden können:„Dass der Kooperation eine gewisse Instrumentalisierung Neuköllnszugrunde läge, sei den Schüler/innen bewusst, [so die Lehrerin]. Siewürden das im Projektalltag sehr wohl umsetzen, wie [zum Beispielder] Ausstellungstitel ‚Nordneuköllner Schülergalaxien’ [zeigt].[Ein Schüler] bestätigte dies indirekt, indem er auf das‚ Bild in denMedien über Neukölln verwies, und dem entgegensetzte, dass sie[die Schüler/innen] gern hier [im multikulturellen Neukölln] leben59 Aus einem Projektbericht 2007 von M. Fehr.56


würden mit ihren ’kulturellen Unterschieden’, und dass sie diesemBild nicht zustimmen. Und letztlich sei so ein Projekt für sie eineChance, sich ’anders’ darzustellen.“ 60Unbekannte Dritte: die Eltern„Ich meine es zu wissen, aber sicher bin ich mir nicht: wie weit dieKommunikation zwischen Eltern und Kindern geht. Über wasreden sie? Reden sie jeden Tag beim Abendbrot über Schule?Reden sie über das, was ihre Kinder angeht? Ich glaube das nicht.Weil manche sagen: ‚Wir sind nach Hause gelaufen...’ ‚Ja und hatniemand was gesagt? War schön, oder war gut gemacht?’ Ganzwenig. Also selbst nach der Vorstellung wo es noch frisch ist, mangeht da raus und da denkt man sich, man redet vielleicht noch fünfMinuten darüber, aber nicht mal das findet statt. Und das ist dannhalt die traurige Seite von der Medaille.“ 61Was die Eltern der Kinder und Jugendlichen über die Arbeitihrer Zöglinge in den Patenschaften denken, haben wir nur inEinzelfällen und zufällig erfahren können. Auch hier waren dieGrenzen unserer Untersuchungsmöglichkeiten bald erreicht,zumal die Eltern für uns nur im Zusammenhang mit Veranstaltungensichtbar wurden und in diesen Zusammenhängenschlecht befragt werden konnten. Es bleibt einer weiterenUntersuchung vorbehalten, hier genauere Daten zu gewinnen.60 Aus einem ZOOM­Bericht 2009.61 Künstlerin in einem Interview im Frühjahr 2010.57


Siebzehn Empfehlungen1. Wir empfehlen den Paten, sich vor Beginn der Patenschaftund während ihres Verlaufs, ab und zu ohne besonderen Anlasswechselseitig zu besuchen, sich dabei gegenseitig die institutionseigenenStrukturen, Regeln und Bedingungen zu erklärenund auf dieser Grundlage die Möglichkeiten zur Zusammenarbeitgemeinsam auszuloten. Dies könnte Verständnis undRealismus mit Bezug auf die wechselseitigen Erwartungenfördern.2. Wir empfehlen einer Patenschaft zu Beginn und auch imRahmen von Zwischenstandsreflexionen eine spielerischeAuslegung und Überprüfung der Patenverhältnisse. Möglicherweiselassen sich so unreflektierte Vorannahmen unddamit verbundene Hierarchien, wer wem Pate sei, bewusstwerden und möglicherweise in einer reflektierten Zusammenarbeitauflösen. Auch können so Spielräume sichtbar werden,die während der gemeinsamen Arbeit nicht erkennbar waren.3. Damit die Chance auf eine längerfristige inhaltliche Zusammenarbeitentstehen kann, empfehlen wir den Patenschaften,auf der Leitungsebene Absprachen im Sinne eines Mission-Statements zu treffen. In diesen sollten auch die ökonomischenBedingungen, personellen Kapazitäten, <strong>org</strong>anisatorischenMöglichkeiten und sonstigen Bedingungen geklärt undfestgelegt werden. Das Mission-Statement sollte einmal jährlichüberprüft und gegebenenfalls der Entwicklung der Patenschaftangepasst werden.4. Wir empfehlen, die Verantwortung für eine Patenschaft indie Hände festangestellter Kolleg/innen zu geben, die mit denLeitungen ihrer Häuser verbindliche Abmachung über die Patenschaftals integralen Anteil des Alltagsgeschäfts treffen können.58


5. Wir empfehlen, die Aktivitäten für eine Patenschaft in diejeweils vorhandenen Zeitbudgets der Kulturinstitutionenbzw. Schulen zu integrieren oder zusätzliche Stunden zurVerfügung zu stellen. Bei den Schulen könnten die Patenschaftsaktivitätenentweder ganz in den Unterricht integriertwerden, über Freistellungen erleichtert oder mit Poolstundenausgestattet werden. Denkbar sind auch die Einrichtung vonPatenschafts-AGs.6. Wir empfehlen, den Arbeitsaufwand für eine Kooperationwie die Patenschaft, mit zwei Unterrichtsstunden pro Woche(bei großen Projektvorhaben bis zu vier Stunden) anzusetzen.7. Wir empfehlen, von Beginn einer Patenschaft an Wege undMittel zu suchen, wie die Schülerinnen und Schüler an der Definition,Gestaltung und Reflexion von patenschaftlichen Aktivitätenbeteiligt werden können. Dazu gehört auch, die Eltern zumotivieren, die patenschaftlichen Aktivitäten zu unterstützen.8. Wir empfehlen, die patenschaftlichen Aktivitäten nichtnur auf Ereignisse zu fokussieren, sondern kontinuierlicheProzesse zu initiieren, die Elemente des kulturellen Alltagsaufnehmen und deren Reflexion und Entwicklung zum Themamachen. Auch in diesem Zusammenhang empfehlen wir, diepatenschaftlichen Aktivitäten nicht unter Produktionsdruckzu stellen, sondern dazu zu nutzen, die Interessen, Fragestellungenund Wünsche der Kinder und Jugendlichen zu erforschenund auf dieser Grundlage Programme und Projekte zuentwickeln. Möglicherweise könnten künstlerische Technikenund Methoden, wie sie in den Kulturinstitutionen entwickeltoder v<strong>org</strong>ezeigt werden, hilfreich sein, mehr als das Üblicheüber die Lage der Dinge zu erfahren.59


9. Wir empfehlen, die Aktivitäten sowohl in den Räumen derSchulen als auch in dafür geeigneten Räumen der Kultureinrichtungendurchzuführen. Wenn Kunst- und Kulturinstitutionennoch über keine solchen Räume verfügen, empfehlenwir, diese einzurichten.10. Wir empfehlen, die patenschaftlichen Formen der Zusammenarbeitauf einer Website zu dokumentieren. Diese <strong>Dokumentation</strong>kann für Schüler/innen, Lehrer/innen und Künstler/innen die Wertschätzung ihrer Arbeit zum Ausdruck bringen.Sie sollte weniger eine Projektdatenbank sein, um Angeboteeinzuholen, als eine Darstellung und Beschreibung für eineerweiterte Öffentlichkeit: für Eltern, die überzeugt werdenmüssen, für Schüler/innen, die sich Schulen aussuchen, fürLehrer/innen und Mitarbeiter/innen von Kulturinstitutionen,die es wagen wollen, eine eigene Patenschaft einzurichtenund für Entscheidungsträger/innen in Bildungs- und Kulturpolitik,wenn es an die nächsten Reformen geht.11. Von Schulleiter/innen und Direktor/innen von Kultureinrichtungenwünschen wir uns die Bereitschaft, sich aktiv für dieWeiterentwicklung des Feldes der Kulturellen Bildung einzusetzen,beziehungsweise Mitarbeiter/innen und Kolleg/innenden Raum dafür zu geben. Die entsprechenden Rahmenbedingungenmüssten von Verwaltung und Politik geschaffenwerden.12. Wir empfehlen den Lehrer/innen, Künstler/innen und Mitarbeiter/innender kulturellen Institutionen, an Veranstaltungenzur Weiterbildung teilzunehmen, die sich auf kooperativeArbeitsweisen konzentrieren. Innerhalb dieser Weiterbildungwird sich Verständnis für die jeweiligen Erwartungen, Wünscheund Bedingungen entwickeln und könnte ein Netzwerkentstehen, das sich sowohl für den Austausch von Alltagspro-60


lemen, für das Knüpfen neuer Arbeitsbeziehungen und fürdie Herausbildung von Qualitätsmaßstäben eignet. Wichtigist in diesem Zusammenhang, dass Akteur/innen im Feld derKulturellen Bildung erfahren, dass sie nicht alleine sind mitihren Problemen, dass auch nicht sie mit ihren Wünschender Weiterentwicklung von Schule oder auch Arbeit mit demPublikum das Problem sind, sondern dass viele Probleme derZusammenarbeit strukturell verankert sind – was auch diesePublikation, als „Lehrmittel“ resultierend aus in drei JahrenGelerntem, aufzeigen will.13. Um die Kooperationen mit Kulturinstitutionen undKünstler/innen zu initiieren und koordinieren empfehlenwir, an allen Schulen so genannte Kulturbeauftragte einzusetzen(vgl. Rahmenkonzept kulturelle Bildung S. 11). Dieminimale Lösung wäre, eine Lehrerin oder einen Lehrer nach§ 73.2 (Schulgesetz) zu beauftragen, entlastet mit einer demAufwand entsprechenden Anzahl von Abminderungsstunden.Besser wäre es, hierfür Funktionsstellen für Kulturelle Bildungzu schaffen, im Umfang vergleichbar zu Stellen von Fachbereichsleiter/innenoder Pädagogischen Koordinator/innen. Einweiterer Vorteil, der sich dadurch ergeben könnte, wäre dieMöglichkeit der gezielten Kommunikation zwischen Schulenund externen Künstler/innen, Kultureinrichtungen oder auchder Kulturprojekte GmbH.14. Wir empfehlen, ein Patenschafts-Vermittlungs- und Beratungsteameinzurichten, damit Interessierte über dieseVermittlungsstelle – so wie zu Beginn der Bewegung der Patenschaften– an geeignete Partnerinstitutionen vermittelt werden.Auch bestehende Patenschaften sollten die Möglichkeithaben, bei Bedarf an neuen Ideen oder externen Mitarbeiter/innen (Künstler/innen), der Beratung zur Finanzierung vonVorhaben, der Moderation und auch der Konfliktvermittlung,61


sich an Patenschaftsberater/innen zu wenden. Jene solltendiese spezifische Kooperationsform gut kennen. Die (nunehemaligen) begleitenden Beobachter/innen der ZOOM-Patenschaften sind dafür überaus geeignet.15. Zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Kommunikationunter den Patenschaften empfehlen wir, regelmäßigeTreffen einzurichten (ein- bis zweimal pro Jahr), an welchenpatenschaftliche Arbeitsweisen mit der Möglichkeit zur Diskussionund Reflexion v<strong>org</strong>estellt werden. Diese Treffen solltendem Austausch über Alltagsfragen und -problemen und soder gegenseitigen Qualifikation der Patenschaftsakteur/innendienen und nicht Repräsentationszwecken gegenüber derÖffentlichkeit. Moderiert werden könnten diese Treffen durchdas Patenteam. Wichtig erscheint uns in diesem Zusammenhang,eine Diskussion über die Qualität Kultureller Bildungsprojektezu initiieren. Ebenso sollte die Funktion kulturellerBildungsprojekte im Kontext von Bildungs- und Kulturpolitikimmer wieder neu überprüft werden, damit sie nicht derKompensation wegfallender Kunst- und Musikstunden dienen,sondern sich zu einem selbständigen Arbeitsfeld und bestenfallszu einer stadtübergreifenden, institutionell verankertenWerkstatt für Kulturtechniken entwickeln.16. Wir empfehlen, den Patenschaften eine kontinuierlicheBasisfinanzierung von 5.000 Euro pro Jahr zu gewähren.17. Wir empfehlen allen an den Patenschaften Beteiligten, sichim positiven Sinne Einiges zuzumuten. Der neue Erfahrungsraumbefindet sich immer hinter der Grenze des alten.Michael Fehr und Claudia Hummelim Dezember 201062


III. KURZPORTRAITS: ARBEITSWEISEN UNDPROJEKTFORMEN DER ZOOM-PATENSCHAFTENDrei Jahre sind eine lange Zeit. Eine Vielzahl von Arbeitsweisenund Projektformen wurden von den Patenschaften in diesemZeitraum getestet und durchgeführt. Alles, was geschehenist, darzustellen, sprengt den Rahmen dieser Publikation. Umeinen Eindruck von den unterschiedlichen Themen, Methodenund V<strong>org</strong>ehensweisen zu geben, wird hier von den Pat/innenjeweils ein Beispiel einer erprobten Arbeitsweise v<strong>org</strong>estellt.KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 1Leonardo-da-Vinci Gymnasium, Neukölln (ab 2010) undHaus der Kulturen der Welt (Bund), TiergartenTitel:Vom Fliegen – Begleitprojekt zur Ausstellung„Der Traum vom Fliegen“ (Frühjahr 2011)Beteiligte Personen: Stefan Neuhaus, Fachleiter Kunst Frau Schipper, Deutsch, Darstellendes Spiel Frau Benandi, Musik Peter Winkels, Next Interkulturelle Projekte, Leiter Vermittlungsprogramm„Lernen und Erleben“ im Haus der Kulturender Welt Dr. Britta Heinrich, Kuratorin „Der Traum vom Fliegen“ Prof. Dr. Thomas Hauschild, Kurator „Der Traum vom Fliegen“ Schülerinnen und Schüler des Wahlpflichtfaches „Kulturwerkstatt“(Jg. 9)64


Was wurde gemacht:Die Schülerinnen und Schüler des neu geschaffenen WahlpflichtfachesKulturwerkstatt erarbeiten bis zum März 2011eine Performance zum Thema Fliegen, die im Haus derKulturen der Welt während der Ausstellung „Der Traum vomFliegen“ (4.3. bis 2.5.2011) zu sehen sein wird. Die Schüler/innen werden angeleitet durch Fachlehrer/innen der BereicheKunst, Musik und Darstellendes Spiel. Zusätzlich werdenAnfang Januar Künstler/innen, die in der Ausstellung ein „Fluglabor“einrichten, mit dem Kurs Ideensammlungen erstellen.Dazu kommt eine umfassende Videodokumentation. DieKulturwerkstatt ist prinzipiell fächerübergreifend angelegt.Durch Kuratorenbesuche (der erste fand bereits zu Beginn desSchuljahres statt) wird der interdisziplinäre Aspekt der Ausstellung(Kunst, Ethnologie, Technik, Aktion), auf die sich die Schüleraktionbezieht, unterstrichen.Zeitdauer: 15 mal 2 Stunden wöchentlicher Wahlpflichtkurs. Besuche im Haus der Kulturen der Welt im Januar 2011 undEnde Februar 2011.Orte:Das Projekt findet innerhalb des regulären Unterrichts statt;weitere Ausflüge über je einen Vormittag sind in PlanungZiele: Das neue Wahlpflichtfach Kulturwerkstatt in einen Praxisbezugzu einer Kunstproduktion in einer Kunstinstitution zubringen. Eigenständiges und forschendes Arbeiten der Schüler/innenfördern durch die Einführung eines „anderen“ Bildungsortes. Den fächerübergreifenden Ansatz des Faches in der Kooperationmit einem ebenfalls interdisziplinär arbeitenden Kunst-65


projekts zusammen zu bringen. Das Haus der Kulturen der Welt für junge Menschen vomBerliner Stadtrand zugänglich machen. Das Kennenlernen der unterschiedlichen Institutionslogikenund Bildungsmodelle von Kunstinstitution und Schule.Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Interessant aus der Perspektive der Kulturinstitution istder Genderaspekt. Das neue Wahlpflichtfach Kulturwerkstatthat zwei männliche Schüler und rund 25 Schülerinnen.Besonders wichtig war die Initiierung des Fachs durch einenBesuch der Kuratoren – Professor Hauschild und Dr. Heinrichs –in der Schule. Die 90 Minuten ‚Input’ und Diskussion durch zweiWissenschaftler und professionelle Ausstellungsmacher warenfür die Schüler/innen eine Kraftanstrengung. Zugleich löstedie Aktion das Fach aus dem Kontext ‚normalen’ Unterrichts.“(Peter Winkels, Next Interkulturelle Projekte, Leiter Vermittlungsprogramm„Lernen und Erleben“)Weiterführende Informationen:www.leonardo-da-vinci-gymnasium.dewww.next-kultur.<strong>org</strong>www.hkw.deKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 2:Johann-Gottfried-Herder-Schule (Gymnasium), Lichtenbergund Konzerthaus Berlin, (Land Berlin) in MitteTitel:Einführung in die Welt der Schlaginstrumente und in verschiedenemusikalische Genres mit Konzertprogrammen, mode-66


ierten Instrumentenvorstellungen und einem mehrmonatigenWorkshop-ProjektBeteiligte Personen: Zwei Schlagzeuger des Konzerthausorchesters, zwei Schlagzeugervom Jazzinstitut Berlin sowie eine Perkussionistin ausdem Bereich der so genannten Weltmusik Gabriele Nellessen (Produktionsleiterin des Bereiches Jugend,Dramaturgin) Fred Rösler (Lehrer) 24 Schüler/innen einer 9. KlasseWas wurde gemacht:Den Einstieg in das Projekt bildete ein Konzert mit anschließendemWorkshop und gemütlichem Beisammensein imMusikclub des Konzerthauses. Das klassische Schlaginstrumentariumdes Sinfonieorchesters wurde v<strong>org</strong>estellt underprobt. Danach erfolgte in der Schule eine Einführung in dieTradition der Schlaginstrumente aus verschiedenen Kulturender Welt durch eine freie Perkussionistin, die dann über einenZeitraum von drei Monaten diverse Samba-Stücke mit denSchülern einstudierte. Die Instrumente im Wert von 3.000Euro wurden durch Fördergelder angeschafft und sind inder Schule verblieben. Den Abschluss der Workshop-Phasebildete je ein Konzert am Tag der Offenen Tür im Großen Saaldes Konzerthauses sowie beim Schulabschlussfest im Gymnasium.Im darauffolgenden Schuljahr fand dann zum Abschlussdes Gesamt-Projekts wieder ein Konzert mit anschließendemWorkshop und gemütlichem Beisammensein im Musikclub desKonzerthauses statt, bei dem die Entwicklung des Jazz anhanddes Perkussionsinstrumentariums im Jazz und Pop v<strong>org</strong>eführtund erläutert wurde.67


Zeitdauer: Vorbereitung: Erstellung des pädagogischen Gesamtkonzeptsund Akquise der Musiker (Konzerthaus); inhaltliche Vorbereitungim Rahmen des Musikunterrichts (Schule) Durchführung: zwei Vormittage im Konzerthaus Berlin sowieüber drei Monate jeweils eine Unterrichtsstunde Musik undeine zusätzliche Stunde (freiwillige Initiative der Schüler/-innen und des Lehrers); Mitwirkung beim Tag der offenen Türinklusive Probe – ein WochenendtagOrt:Konzerthaus Berlin – Musikclub, Großer Saal, Klassenzimmer,Probenraum in der Schule (Speisesaal)Ziele: Die im Curriculum v<strong>org</strong>esehene Instrumentenkunde durcheigene praktische Erfahrungen der Schüler/innen so anschaulichwie möglich gestalten. Schüler/innen und Musiker/innen in eine Begegnung bringen;Einblicke in die Berufsbilder von Musiker/innen verschiedenerGenres, Erfahren von Abläufen im Zusammenhang mit demprofessionellen MusikbetriebBeobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Die Schüler haben nach eigener Aussage einen erheblichenErkenntnisgewinn im Punkt ‚Rhythmus und Schlagwerk alsBasis aller Musik’ erhalten und konnten eigene Fertigkeitenentwickeln, was auch mit Freude und Spaß verbunden war. DieErfahrung der Präsentationssituation im Großen Konzertsaalwar ein beeindruckendes Erlebnis, wie die Schüler betonten.“(Gabriele Nellessen, Produktionsleiterin des Bereiches Jugend,Dramaturgin)68


Weiterführende Informationen:www.junior-konzerthaus.dewww.jgherder.deKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 3:Nürtingen-Grundschule, Kreuzberg undBallhaus Naunynstraße, KreuzbergTitel:KlassenfahrtBeteiligte Personen: Canan Erek (Künstlerin, Choreografin) Nazli Cevik (Assistentin von Canan Erek, Theaterpädagogin) Jette Ahrens / Veronika Gerhard (Kulturelle Bildung / Akademieder Autodidakten, Ballhaus Naunynstraße) Doris Jokisch (Klassenlehrerin) Idil Baydar (Lehrkraft) eine 5. Klasse mit 23 Schüler/innen (circa 11 Jahre)Was wurde gemacht:Erarbeitung eines Tanzstücks zum Thema Klassenfahrt, dietatsächlich als erste „Klassenfahrt“ der Schüler/innen im Herbststattgefunden hatte. Die Vorbereitung beinhaltete die Diskussiondes Themas und darin enthaltene Momente (Freundschaft,Reise, Zukunft, …). Das anschließende Tanztraining umfassteBewegungserfindungen und -übungen, Szenenerarbeitungenund Proben. Zusätzlich wurde ein Rap-Text zum Thema Klassenfahrtmit Hilfe von Idil Baydar entwickelt.69


Zeitdauer: Erarbeitung des Themas mit der Klassenlehrerin Erarbeitung der Choreographie und Tanztraining: achtWochen (zwei Schulstunden pro Woche) Einstudieren und Probe des Tanzstücks: acht Wochen (zweiSchulstunden pro Woche) Generalprobe und AufführungOrt:Proben im Turnsaal der Schule, Generalprobe und Aufführungauf der Bühne im Ballhaus NaunynstraßeZiele:Umsetzen eigener Erfahrungen und Ideen in Bewegung,Bewegungserfindungen, Szenenerfindungen, Gruppenbildung,Auflösung geschlechtsspezifischer Vorbehalte, Kennenlerneneiner Tanzform, der man im Alltag (auch im Fernsehen)so nicht begegnet.Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Die thematische Anbindung des Tanzstücks an die Lebenserfahrungder Schüler/innen (es ging um ihre Klassenfahrt)sowie die Möglichkeit der Aufführung in einem professionellenTheater stellten einen wichtigen Motivations- undIdentifikationsrahmen für die Gruppe dar. Innerhalb diesesRahmens wurden Tanzübungen entwickelt, die gewohnteindividuelle und soziale Bewegungsabläufe irritieren. EinBeispiel dafür ist die ‚Loch-Kette-Übung’, bei der eine Schüler/in eine Haltung einnimmt und sich eine andere Schüler/in sobei ihm/ihr einhakt, dass eine menschliche Kette entsteht. ImVerlauf des Trainings lernten die Schüler/innen, ihren Körperin Relation zur Gruppe kreativ und verantwortungsvoll einzusetzen.Zur impliziten, praktischen Verhandlung kamen dabeiunter anderem geschlechtsspezifische Rollenmuster sowie70


Berührungsängste zwischen Jungen und Mädchen.“ (AngelikaBartl, begleitende Forscherin ZOOM 3)Weiterführende Informationen:www.nuertingen-grundschule.dewww.ballhausnaunynstrasse.dewww.ballhausnaunynstrasse.de/index.php?id=21&evt=167&L=KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 4 (1):Fichtelgebirge-Grundschule, Kreuzbergund Kunstraum Kreuzberg/Bethanien (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) in KreuzbergTitel:Museumsshop KairoBeteiligte Personen: Kurt Menard (Lehrer Fichtelgebirge-Grundschule, † 2010) Mona Jas (Künstlerin) Klasse 6a (in 2008) der Fichtelgebirge-GrundschuleWas wurde gemacht:Im Rahmen eines Workshops mit der Künstlerin Mona Jasbeschäftigten sich Schüler/innen der Klasse 6a der Fichtelgebirge-Grundschulemit dem Thema Ägypten. Sie gestaltetenFiguren, Gegenstände und Masken, die unter dem Arbeitstitel„Museumsshop Kairo“ zusammengefasst wurden. Die Ergebnissekonnten im Rahmen der Ausstellung „Cairoscape“ (30.8.-12.10.2008) – einer Schau über die unabhängige Kunst- undKulturszene Ägyptens –, betrachtet werden. Sie wurden imSeptember und Oktober 2008 im Patenschaftsraum präsentiert,71


der sich unmittelbar vor dem Eingang zum Kunstraum Kreuzberg/Bethanienbefindet. Der Ausstellung folgte eine Versteigerungder Souvenirs. Die Versteigerung bot so Anlass, dieEltern zu animieren, die Arbeiten ihrer Kinder in einem Ausstellungskontextanzuschauen. Parallel hatten sie die Möglichkeit,die Ausstellung „Cairoscape“ im Rahmen einer Führung zubesuchen.Zeitdauer: Vorbereitung: Erstellung des pädagogischen Konzepts,Besuch des Ägyptischen Museums auf der Museumsinselund des dortigen Museumsshops; inhaltliche Vorbereitungim Rahmen des Kunstunterrichts Ausstellungsdauer: vom 30.08. - 12.10. 2008 täglichOrte:Kunstraum der Schule, Ausstellung „Cairoscape“, Patenschaftsraumauf dem Weg zum Kunstraum Kreuzberg/Bethanien imKunstquartier BethanienZiele: Etwas Künstlerisches im Kontext eines Ausstellungsthemasselbst machen, Reflektion über die Orte und Kontexte„Museum“, „Kunstausstellung“ und „Museumsshop“. Irritation in der Kunstinstitution: in einen Raum für zeitgenössischeKunst einen Museumsshop bauen. Versuch, die Eltern zu motivieren, den Kunstraum kennenzulernen,um die Arbeiten Ihrer Kinder zu sehen.Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Der Workshop selber kann als Erfolg bewertet werden, weil erkreative Tätigkeiten der Schüler/innen, mit einem Museumsbesuchund dem Besuch einer Ausstellung zeitgenössischerKunst verbunden hat. Der Versuch, die Eltern zu animieren72


mit Ihren Kindern zur „Versteigerung“ zu kommen – also eineweitere Ebene des „Betriebssystems Kunst“ –, ist leider nur sehrpunktuell gelungen (zwei Eltern mit ihren Kindern kamen).“(Stéphane Bauer, Leiter des Kunstraum Kreuzberg/Bethanien)Weiterführende Informationen:www.kunstraumkreuzberg.dewww.fichtelgebirge-gs.cidsnet.deKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 4 (2):Kurt Löwenstein Schule, Neukölln und Kunstraum Kreuzberg/Bethanien (Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg) in KreuzbergTitel:Die Geschichte der unglaublichen ION /Was bedeutet es, Roma zu sein?Beteiligte Personen: Michael Markovicz (Lehrer der Kurt-Löwenstein-Schule) Ina Volmer (Kulturmanagement, Kurt-Löwenstein-Schule) Andre Jeno Raatzsch (Künstler, Kunstvermittler) und EmeseBenkö (Mentorin) Schüler/innen aus mehreren Klassen (in 2009) der Kurt-Löwenstein-SchuleWas wurde gemacht:An fünf Projekttagen zwischen dem 4. und 11. November 2009wurden zwölf Schüler/innen, darunter auch gezielt Zugehörigeder Roma Minderheit (in Mehrzahl Kriegsflüchtlingskinderaus Ex-Jugoslawien, die ihre Roma Herkunft oft verleugnen),eingeladen, eine Hörskulptur zu gestalten und der Frage nach-73


zugehen: „Was bedeutet es, Roma zu sein“. Eine Schaufensterpuppewurde von den Schüler/innen dazu bestimmt, einefiktive Person – eine Superheldin mit dem Namen „ION“ – zuverkörpern.Der Workshop bestand aus folgenden vier Arbeitsphasen:1) einer künstlerischen Annäherung zur Frage: „Was bedeutetes, Roma zu sein“ mit „Warm-Up“ Spielen und Animation sowieScreening, wodurch die Schüler/innen Informationen undAnregungen zum weiteren Arbeitsprozess gewinnen konnten.Arbeitsgruppen entstanden, um das Outfit des Charakters zugestalten (Zeichnen, Malen und Applikation), einen Kurztextzu schreiben (die Geschichte zum Hörspiel) sowie eine Audioaufnahmezu produzieren.2) Übersetzung des Textes in die Sprache der Beásch (Roma)mit Einbezug der Familie einer Schülerin.3) Feedback: Diskussion um die Kernfrage; dabei wurden offendie existierenden Vorurteile gegen die Roma in der Schulevon den Schüler/innen selbst ausgesprochen und kritischhinterfragt.4) Ausstellungsfeedback für die Schüler/innen: Berichte ausBelgrad und Trondheim, wo das Projekt im Rahmen der internationalenTagung „Imagine! – Der Gebrauchswert von Kunst“präsentiert wurde, kuratiert von Rena Rädle.Zeitdauer:Eine ProjektwocheOrte:Kunstraum der Schule, Ausstellungen in Belgrad und in Trondheim74


Ziele: Förderung der Kritik- und Handlungsfähigkeit der Schüler/-innen unter Bezug auf die Kernfrage. Förderung des Austausches und des kreativen Schaffenszwischen den Workshopteilnehmer/innen und der Entstehungeines kritischen Bewusstseins unter den Ausstellungsbesucher/innen.Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Die entstandene Hörskulptur war ein bewusster Vorwand, umdas Thema: Was bedeutet es, Roma zu sein? so anzusprechen,dass die beteiligten Roma Schüler/innen eine geschütztePosition einnehmen – und selbst argumentieren konnten. ImVerlauf kam es zu kritischen Gesprächen, trotzdem konntedie Fragestellung in der kurzen Zeit nur teilweise beantwortetwerden. In Zukunft müssen langfristige Initiativen, außerschulischeBildungsmodelle, entstehen, um die Schule gemeinsammit Lehrenden und Lernenden in einen emanzipatorischenBildungsort transformieren zu können.“ (Andre Jeno Raatzsch,Künstler).Weiterführende Informationen:www.loewe.cidsnet.dewww.birobeograd.infowww.babelkunst.nowww.youtube.com/watch?v=B2_kHW1hBII75


KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 5:Kurt-Tucholsky-Schule (Integrierte Sekundarschule), Pankowund Hamburger Bahnhof - Museum für Gegenwart - Berlin(Staatliche Museen zu Berlin) in TiergartenTitel:Rollentausch – aus Lehrer/innen werden Schüler/innenBeteiligte Personen: Grit Wöhlert (Lehrerin, Unterrichtsfach Bildende Kunst) Daniela Bystron, Leitung Kunstvermittlung am HamburgerBahnhof, Anne Fäser und Kolja Kohlhoff (freie Kunstvermittlerinnendes Museums) Karen Winzer (Künstlerin) 21 Schüler/innen des Wahlpflichtkurses Kunst (WPK), Klassenstufe7 68 Lehrer/innen der Kurt-Tucholsky-SchuleWas wurde gemacht:Schüler/innen der Patenschaft gestalteten einen Studientagfür das gesamte Lehrerkollegium ihrer Schule und empfingensie als Expert/innen im Museum. Dazu wurden zunächst imUnterricht Wissensinhalte zu den Themenfeldern „Museumund Ausstellung“ sowie Zugänge zur aktuellen Ausstellung„Weggefährten. Ayse Erkmen“ erarbeitet und auch praktischbildnerischumgesetzt. So wurden zum Beispiel Museumsmodellegebaut und die offizielle Presseerklärung der Ausstellungvon den Schüler/innen in ihren eigenen Worten – und damit fürsie verständlicher – umgeschrieben. Die Gruppe entwickelteausgehend von den eigenen Arbeiten und FragestellungenIdeen zur Gestaltung des Studientages (Art der Begrüßung,Gruppenbildung, Workshops) und <strong>org</strong>anisierte selbstständigden zeitlichen Ablauf. Dazu gehörte unter anderem das76


Verschicken von Einladungskarten und das Entwickeln vonMethoden und Übungen für die praktischen Workshops mitden Lehrer/innen. Die Schüler/innen bereiteten dafür Materialkistenfür die einzelnen Vermittlungsstationen in der Ausstellungvor und betreuten am Studientag ihre Gruppen, indemsie Aufgaben anleiteten, bei der abschließenden Präsentationder Arbeitsergebnisse halfen und diese anschließend kritischin ihrer veränderten Rolle beurteilten. Es wurde gezeichnet,musiziert, performt, diskutiert und präsentiert.Zeitdauer: drei Monate Vorbereitung, (Unterrichtszeit vier Stunden proWoche und drei Exkursionen ins Museum) Höhepunkt: ein Studientag von 10.00 – 15.00 UhrOrte:Hamburger Bahnhof, Ausstellungsräume zu Ayse Erkmen,Depot, Restauratorenwerkstatt im Hamburger Bahnhof, SchuleZiele:Der „Rollentausch“ sollte beide Institutionen intensiver miteinanderin Kontakt bringen und bisher unbeteiligte Lehrer/innen für die Kooperation begeistern. Gerade fachfremdeLehrer/innen sollte dieser Tag zum Einstieg in die interdisziplinäreZusammenarbeit motivieren und ihnen Möglichkeitender Arbeit im Museum mit Schüler/innen aufzeigen. Idee desProjekts war der Rollentausch der Positionen, der Wissensautoritäten,der Kompetenzen. Inhalte und Methoden der Vermittlungoblagen der Verantwortung der Schüler/innen. DasMuseum als außerschulischer Lernort bot mit diesem Projektdie Möglichkeit, die übliche Rollenverteilung von Lehrendenund Lernenden auf spielerische Weise umzukehren und so zureflektieren.77


Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Alle Beteiligten überraschte der schnelle und ‚gelungene’Wechsel der Rollen: So berichteten die Schüler/innen erstaunt:‚Unsere Lehrer sind ja wie wir – die tauschen die Lose, damit siein einer Gruppe sind!’ ‚Sie benehmen sich wie Schüler – sindalbern und hören nicht zu!’Eine Lehrerin bemerkte: ‚Auf die Schnelle Ideen zu produzierenund diese dann auch noch zu präsentieren, ist gar nicht soeinfach.’ – Aber etwas, das Lehrer/innen von ihren Schüler/innen täglich verlangen. Die Rollen, die ich während der Vorbereitungunter den Schüler/innen meine ausmachen zu können,finden ihre Entsprechungen in den einzelnen Lehrer/innengruppen:Auch dort gibt es (über-)engagierte Wortführer/innen und ihre Assistent/innen, Gelangweilte, die versuchen,das Gelangweiltsein zu überspielen und andere, die es richtig‚ausstellen’, Vermittler/innen, selbstständig Denkende undBes<strong>org</strong>te, die alles richtig machen möchten etc. (…)“„In der Präsentation der Arbeitsergebnisse haben auch dieLehrer/innen Schwierigkeiten, das, was sie getan haben, zubeschreiben. Über Kunst Reden wird oft noch als Synonymfür ein ‚Ich rede über meine Gefühle’-Klischee verstanden:‚Und, was hast du so gefühlt?’ höre ich als Kommentar einerPräsentation aus dem Publikum.“ (Anne Krause, begleitendeForscherin ZOOM 5)Weiterführende Informationen:www.hamburgerbahnhof.dewww.kto.be.schule.de/faecher/musik-kunst-ds/kunst/projekte/Schulpatenschaft78


KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 6:Albert-Schweitzer-Schule (Gymnasium), Neukölln und EthnologischesMuseum (Staatliche Museen zu Berlin) in DahlemTitel:Das TutorenmodellBeteiligte Personen: Manja Czwerwinsky (Lehrerin) Monika Zessnik, Leitung Kunstvermittlung am EthnologischenMuseum Regina Knapp, Ethnologin, Kunstvermittlerin 13 Schüler/innen des Leistungskurses Kunst 7 Tutor/innen (Ethnolog/innen, (Kunst-)Historiker/innen, alleVermittler/innen / Guides in Berliner Museen)Was wurde gemacht:Schüler/innen des Leistungskurses Kunst haben sich mitdem Thema Skulptur und Plastik beschäftigt. Anstoß gab einBesuch im Alten Museum und der dortigen Antikensammlung.Das Interesse reichte von der Antike bis zur Moderne, das Zielwar eine praxisbezogene Recherche zu Skulpturauffassungenin verschiedenen Epochen. Um den heterogenen Wünschender Schüler/innen gerecht zu werden, wurde ein Tutor/innenmodellentwickelt, und die Patenschaft um den Verbund derStaatlichen Museen zu Berlin erweitert. Sieben Tutor/innen(Ethnolog/innen, (Kunst-)Historiker/innen, alle Vermittler/innen / Guides in Berliner Museen) standen den Schüler/innen bei ihren individuellen Recherchen zur Seite. Diesemündeten in die Präsentation einer eigenen skulpturalenArbeit, zusammen mit einem Kurzvortrag/Essay zur jeweiligenEpoche und dem selbstgestellten Thema/Fokus, der im Kursgehalten wurde.79


Zeitdauer:Ein SchulhalbjahrOrte:Verschiedene Museen Berlins, Kunstraum in der Schule, Arbeitzuhause, Präsentation der Arbeiten in der Schule, Vorführungdes Präsentationsfilms in der SchuleZiele:Durchführung einer Recherche, die einer eigenen Fragestellunginnerhalb des Rahmens Skulptur folgt. Begegnung undKommunikation mit „Profis“, selbstkoordiniertes, forschendesLernen als Vorbereitung auf universitäre Lernformen.Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Die Herausforderung in diesem Projekt lag für die Lehrerinin einem neuen Rollenverständnis: ‚Die richtigen Fragen zustellen, anstelle die richtigen Antworten parat zu haben.’Damit rückt die Lehrerin stärker in die Rolle einer Vermittlerinzwischen innen (Schule) und außen (Museum), in die Rolleeines Facilitators statt einer Lehrerin.“ (Sophie Goltz, begleitendeForscherin ZOOM 6)„Die Kooperation mit Fachkräften hat die Schüler/innenmit wissenschaftlichen Arbeitsweisen konfrontiert und siedabei zum selbständigen und selbstkoordinierten Recherchierenund Lernen ermutigt.“ (Regina Knapp, Ethnologin,Kunstvermittlerin)Weiterführende Informationen:www.smb.museum/smb/sammlungen/details.php?lang=de&objID=5680


KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 7:Carlo-Schmid-Oberschule, Spandau und Sophiensaele, (freierTräger) in Berlin MitteTitel:„Rhythmus Labor“; eingebunden in das Konzert „DinosaurDances“ von Robyn SchulkowskyBeteiligte Personen: Barbara Lattenkamp-Lensing, (Lehrerin) Franziska Werner, Dramaturgie, Leitung Jugendprogramm Robyn Schulkowsky, Musikerin, Percussionistin 26 Schüler/innen einer 7. Klasse (Musik)Was wurde gemacht:Im Frühjahr 2010 erarbeitete die Percussionistin Robyn Schulkowskyzusammen mit Schüler/innen der Klassenstufe 7 eineReihe von Percussionsstücken, die am 24.03.2010 in denSophiensaelen innerhalb eines Konzerts der Musikerin zurAufführung kamen. Am 19.03.2010 fand eine Kurzpräsentationder gemeinsam mit Robyn Schulkowsky erarbeiteten Improvisationenin der Carlo-Schmid-Oberschule statt.Die ständige experimentelle Erforschung neuer Klangdimensionen,die sie auch mit der Entwicklung von ungewöhnlichenInstrumenten verbindet, zählt zu den Hauptinteressen derPercussionskünstlerin. So waren die gigantischen Marimbas,auf welchen auch von den Schülern gespielt wurde, von RobynSchulkowsky selbst gebaut. Seit den 1980er-Jahren zählt siezu den bekanntesten Interpretinnen Neuer Musik und arbeitetebereits mit Komponisten wie Karlheinz Stockhausen oderJohn Cage und Choreograf/innen wie Merce Cunninghamoder Sasha Waltz. Dass sie – trotz ihres vollen Terminkalenders– für ein Projekt mit den Schüler/innen zu gewinnen war, liegt81


neben ihrer eigenen Offenheit und ihrem wachen Interessesicherlich auch an der Hartnäckigkeit, mit der das ZOOM-Teamden Wunsch nach einer Zusammenarbeit verfolgte.Orte:Sophiensaele und Carlo-Schmid-OberschuleBeobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Die Künstlerin nimmt die Jugendlichen in ihre Weise desMusikmachens und auch in ihr Konzert mit auf. Es entstehtdadurch die Möglichkeit das gemeinsame künstlerischeArbeiten unmittelbar neben der Solo-Arbeit der Künstlerinzu hören und auch zu reflektieren. Auch wenn der eigeneGestaltungsanteil möglicherweise dadurch kleiner wird, sosind die Jugendlichen doch Teil eines ‚Profikonzertes’ und dieunterschiedlichen Wertigkeiten von produktiven Outputs imKontext Kultureller Bildung und im Kontext Kunst heben sichdadurch auf.“ (Claudia Hummel, Co-Leitung ZOOM-Forschung)Weiterführende Informationen:www.sophiensaele.comwww.csoonline.deKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 8:1. Gemeinschaftsschule Neukölln (Campus Rütli), Neuköllnund Maxim Gorki Theater Berlin (Land Berlin) in MitteTitel:Romeo und Julia82


Beteiligte Personen: Ulrike Baade (Lehrerin) Janka Panskus (Leiterin der Theaterpädagogik) 9. und 10. Klassen (6 Schüler/innen der 9. Klasse plus Schülerder 10. Klasse)Was wurde gemacht:Der Regisseur Nuran David Calis inszeniert im Frühjahr 2009das Stück „Romeo und Julia“, übersetzt in das zeitgenössischeMilieu der HipHop-Szene. Schüler/innen der 9. Klassenstufeder Rütli-Schule (Hauptschule) werden eingeladen, im Stückmitzuwirken. Zunächst werden die Schnittstellen für „Romeound Julia“ und den Unterricht definiert. Die Schüler/innenerhalten HipHop-Tanzunterricht. Schauspieler aus der Inszenierung„Romeo und Julia“ besuchen die 9. und 10. Klassen inder Schule. Parallel dazu inszenieren 10. Klassen ihr eigenes„Romeo und Julia“ und treten damit mehrmals in der Öffentlichkeitauf. Aus der 9. Klasse hat sich eine Gruppe von Schüler/innen herausgebildet, die nun verbindlich im Maxim GorkiTheater Berlin in „Romeo und Julia“ mitspielen werden. Lehrer/innen wie Konrektor/innen sowie auch eine Gruppe vonSchüler/innen und Lehrer/innen der Rütli-Hauptschule besuchendas Stück.Orte:Rütli Campus, Maxim Gorki Theater BerlinZiele: Anwendung und Reflexion des Stoffes von „Romeo und Julia“auf lebensweltliche Fragestellungen der Schüler/innen. Teilhabe von Schüler/innen an einer Theaterproduktion. Kennenlernen von theaterspezifischen Berufen.83


Beobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Im zweiten Jahr fand an der Schule ein Besuch von sechsSchauspielern statt, die in ‚Romeo und Julia’ mitspielten. DieSchüler der 9. wie 10. Klassen machten große Augen, dass siewirklich zu ihnen in die Schule gekommen waren.“ (AndreaPlamper). „Eine wichtige Erfahrung in diesem Prozess wurdereflektiert, als gleichwertig für voll genommen zu werden.Erst schon einmal das Gefühl: ‚Wir wollen genau dieses Projektmit euch machen’; und dann für die Schüler im Einzelnen:‚Wir wollen euch und zwar genau so wie ihr seid. Du bist wie dubist und so wollen wir dich mitnehmen!’“ (Ulrike Baade)„Durch das Ausstrahlen des Erfolges des Stückes ‚Romeo undJulia’ am MGT, in dem Rütli-Schüler mitspielen, wie auch durchdie Aufführungen der zehnten Klassen in der Schule wiebei der Tusch-Theaterwoche, hat das Image von Theater ander Schule (TUSCH) an Breitenwirkung gewonnen.“ (AndreaPlamper, begleitende Forscherin ZOOM 8)Weiterführende Informationen:www.ruetli-oberschule.dewww.gorki.dewww.gorki.de/de_DE/calendar/repertoire/457033www.welt.de/kultur/theater/ar ticle3585792/Romeound-Julia-mit-Ruetli-Schuelern-und-Rap.htmlKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 9:Friedensburg-Oberschule, Charlottenburg und Museum fürKommunikation Berlin in MitteTitel:New Kids on the Blog84


Beteiligte Personen: Tina Küchenmeister, (Lehrerin für Medien & Kommunikation) Jutta Scherm, Leitung Museumspädagogik Schüler/innen unterschiedlicher Jahrgangsstufen (Kurs Medien& Kommunikation)Was wurde gemacht:Inspiriert durch die Ausstellung „@bsolut privat!? Vom Tagebuchzum Weblog“ erstellen Schülerinnen und Schüler derFriedensburg Oberschule völlig unterschiedliche Weblogs zuselbst gewählten Themen. Die Ergebnisse wurden im Museumfür Kommunikation v<strong>org</strong>estellt, flankiert von einer Expert/-innendiskussion mit dem Titel „chatten, gruscheln, zocken,mobben? – der digitale alltag der generation 2.0“, die von denSchüler/innen moderiert wurde.Verschiedene Gäste, von der Tagebuch-Bloggerin über einenReferenten zur politischen Bildung, einem Mitarbeiter vonSchüler VZ und einem Mitglied des Bundesvorstands derGrünen, diskutierten zusammen mit vier Schüler/innen derFriedensburg Oberschule auf dem Podium über Nutzen undGefahren des Internets für Schüler/innen heutzutage.Zeitdauer: Vorbereitung im Unterricht: zwei Monate Präsentation: ein TagOrte:Schule, Arbeit zuhause, Museum für KommunikationBeobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:Konkretes und anwendbares Resultat der Projektarbeit sindzwei lebendig gestaltete Blogs, die fester Bestandteil des Schulalltagesgeworden sind beziehungsweise diesen abbilden:85


1. Das „Friedensburg Magazin“Eine digitale Schülerzeitung auf der über kleine und großeEreignisse aus dem Schulalltag berichtet wird.www.friedensburg.cidsnet.de/blogs/sz/2. Der Blog „Medien & Kommunikation“Eine Hausaufgaben- und Präsentationsplattform der Aktivitätender Kurse Medien & Kommunikation.www.friedensburg.cidsnet.de/blogs/muk/„Zudem versetzte das Projekt die Schüler/innen in die Lage, ineinem öffentlichen Rahmen ihre Präsentationsfähigkeiten zutrainieren und zu festigen, und stärkte dabei gleichzeitig ihresoziale Kompetenz und Verantwortungsbewusstsein.“ (TinaKüchenmeister, Lehrerin)Weiterführende Informationen:www.fosbe.dewww.mfk-berlin.dewww.fosbe.de/197.htmlwww.mfk-berlin.de/nc/ausstellung/rueckblick.htmlKURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 10:Max-Planck-Gymnasium, Mitte und Theater an der Parkaue,Junges Staatstheater Berlin in LichtenbergTitel:Flieh, wenn du kannst.Beteiligte Personen: Amelie Mallmann (Dramaturgin und Theaterpädagogin) Karola Marsch (Leiterin der Abteilung Theaterpädagogik /Dramaturgie)86


Annette Melzer (Lehrerin) Annett Gröschner (Autorin) Dorothea Schroeder (Regisseurin) Weitere beteiligte Lehrer/innen: Herr Pohl, Frau Stelzer, Frau Eifert Schüler/innen aller 11. KlassenWas wurde gemacht:Ausgangspunkt für die Zusammenarbeit ist (von Beginn an)der Roman „Friedrichstraße 20.53“, der beschreibt, wie achtSchüler/innen der ehemaligen DDR im Jahr 1963 versuchen,nach Westdeutschland zu flüchten, indem sie am BahnhofFriedrichstraße auf den Zug nach Paris aufspringen. DieGeschichte beruht auf Tatsachen. Die darin beschriebenenPersonen waren damals Schüler/innen der Schule, die heuteMax-Planck-Gymnasium heißt.Den Auftakt des ZOOM-Projektes bildete ein Projekttag, dersich mit dem Leben in der ehemaligen DDR beschäftigte.Vier Klassen nahmen in vier Gruppen, die jeweils von einemExperten geleitet wurden, daran teil. In einer zweiten Phaselernten die 11. Klassen die Werkstätten des Theaters kennenund nahmen das Angebot eines Schauspielworkshops wahr.Nach dieser Phase konzentrierten wir uns auf die 11. Klassevon Frau Melzer, die letztendlich auch die Inszenierung erarbeitethat.Die Schüler/innen führten Interviews mit Zeitzeugen, schriebeneigene Texte, filmten Orte in Berlin, die Bezug zu der Fluchtgeschichteehemaliger Max-Planckschüler haben und untersuchtenOst-West- Klischees. In den Proben und gemeinsamenTreffen der Klasse wurden mit der Autorin Annett GröschnerTexte selbst verfasst, die wesentlicher Bestandteil der Inszenierungwaren. Die Regisseurin Dorothea Schröder entwickelte87


daraus mit den Schülern Rollen und Szenen. Die aus verschiedenenSzenen und auch filmischen Sequenzen bestehendeInszenierung „Flieh, wenn du kannst“ wurde im Theater an derParkaue und in der Schule zur Aufführung gebracht.Zeitdauer:Drei JahreOrte:Theater an der ParkaueRecherchen vor Ort (unter anderem Bahnhof Friedrichstraße)SchuleZiele: Durchführung einer ortspezifischen, künstlerischen Arbeitin der Form des Recherchetheaters unter Mitwirkung derSchüler/-innen bei Text- und Szenengestaltung. Anbindung eines historischen Stoffes an die Lebenswelt derSchüler/innen. Vermittlung einer zeitgenössischen TheaterformBeobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse:„Eine Herausforderung ist es, das ‚Schulische’ (jemand sagtvon ‚oben’, wie es weitergeht) aus dem Projekt heraus zubekommen, sich als Gruppe zu konstituieren, Verantwortungfüreinander zu übernehmen, tatsächliches Interesse an Lebenund Arbeiten der anderen Beteiligten zu entwickeln.Dass die gesamte Klasse eingebunden war hatte Vor- undNachteile. Einzelnen hat es die Chance gegeben etwas auszuprobieren,was sie freiwillig nicht probiert hätten und festzustellen,dass es auf sie ankommt. Eine hohe freiwillige Motivationwar jedoch nicht von allen erwartbar.Strukturell ist es schwierig, gemeinsame Arbeitstermine fürunflexible und komplex arbeitende Institutionen wie Schulen88


und Theater zu finden. Für das Projekt engagierte Künstler/innen passen sich an, obwohl ihre Arbeitsweisen andere sind.Wünschenswert wäre eine Erneuerung des Lehrplans in Richtungeines professionell gestalteten Schulfachs DarstellendeKünste mit Theorie und Praxis statt ausgelagerter Projekte.“(Stella Cristofolini, begleitende Forscherin ZOOM 10)„Das Vermitteln von Geschichte fand ich oft schwer, denn eshatte – trotz aller Bemühungen, es davon zu befreien – einenschulischen Anstrich. Dass es nicht um trockenes Faktenlernen,sondern um die eigene Auseinandersetzung mit einem historischenThema ging, wurde nur von wenigen Schüler/innenverstanden und genutzt. Ich weiß, dass wir einige wenige fürdas Theater aufschließen und begeistern konnten.Wünschenswert gewesen wäre eine Gruppe von Schüler/-innen, die man außerhalb des Klassenverbands zu einer freiwilligenTheatergruppe hätte zusammenschließen können.Ich hätte mir ebenso mehr Theaterbesuche der Schüler/innengewünscht. Dann hätte es eher den Anschein einer echtenPartnerschaft, die sich auf gegenseitigem Interesse gründet,gegeben. Mir kam es manchmal so vor, als wären wir denSchüler/innen lästig, weil wir – zusätzlich zu den Lehrer/-innen – auch noch etwas von ihnen wollen.“ (Amelie Mallmann,Theaterpädagogin und Dramaturgin, Leiterin des Projekts)Weiterführende Informationen:www.parkaue.dewww.parkaue.de/index.php?topic=22&eventId=2980www.schule.mpg-berlin.dewww.ds.mpg-berlin.de/content5.html89


KURZPORTRAIT ZOOM-PATENSCHAFT 11:marcel-breuer-schule, Oberstufenzentrum für Holztechnik,Glastechnik und Design, Pankow und Werkbundarchiv e.V. –Museum der Dinge (freier Träger) in MitteTitel:Das Museum – eine Schule der DingeBeteiligte Personen: 20 Schüler/innen der PDA 74 Frau Leue, für das Projekt hauptverantwortliche Lehrerin derPDA 74 Frau Flagmeier, leitende Kuratorin Frau Volkers, Kuratorin Frau Oldenburg, Klassenlehrerin der PDA 74 Herr Kryger, Fachpraxislehrer Modellbau Frau Weiß, Lehrerin der PDA 92 Frau Mothes, Lehrerin der PDA 93 die 3 PC-Lehrer der PDA 91, 92 und 93 Carolina Kecskemethy (Freihandzeichnen, Farbe, Raum, Projektpräsentation, Mappengestaltung) Regelindis Westphal (Grafik und Leitsystem) Nina Trobisch (Präsentation) Annett Gröschner (Texte schreiben) Simone Schöler (Grafik) Angelika Mende (Modellbau [zur Ausstellung„Böse Dinge“ des MDD]) Fabian Hickethier (Grafik [für die <strong>Dokumentation</strong>])Was wurde gemacht:In der Kooperation zwischen der marcel-breuer-schule unddem Museum der Dinge sollten die konkreten gemeinsamenArbeitsvorhaben nicht nur Projektcharakter haben, sondern90


in die schulische und museale Struktur und den jeweiligenAlltag eingebettet werden. Das bedeutet, dass sie von beidenEinrichtungen konzeptionell vorbereitet und betreut sowiezum Bestandteil des schulischen Lehrplans werden. Die für dasProjekt zusätzlich relevanten Lerninhalte werden in Workshopsdurch externe Künstler, Grafiker und andere kulturelle Akteurevermittelt. Im Verlauf der drei unten genannten Phasen wurdedie Kooperationsarbeit ständig erweitert – von einer Klassevon auszubildenden Produktdesign-Assistenten im erstenProjekt bis zur Einbindung von inzwischen sieben Klassenaus mehreren Ausbildungsjahrgängen. Bestimmte Inhalte derKooperationsarbeit sind nun dauerhaft im schulinternen Curriculumund im Selbstverständnis des Museums als Lern- undArbeitsplattform verankert.Die konkrete Kooperationsarbeit hat mit einer Projektphase imSchuljahr 2008/2009 unter oben genannten Titel begonnen.Eine Klasse von auszubildenden Produktdesign-Assistentender marcel-breuer-schule analysierte vorhandene und erarbeiteteeigene Vermittlungs- und Ausstellungskonzepte aufder Basis ausgewählter Sammlungsbereiche des Museums(öffentliche Präsentation im Museum vom 26. März bis 20.April 2009 sowie auf schulischen Veranstaltungen). Im Rahmeneines „Jour fixe“ im Museum wurde die Kooperation von denBeteiligten reflektiert und diskutiert und abschließend in einer<strong>Dokumentation</strong> „Das Museum – eine Schule der Dinge“ festgehalten,die nun im Museum und in der Schule erhältlich ist (alspdf auf den websites).(Zeit: Ein Schuljahr, circa 18 Stunden pro Woche, 11 Workshops)In der zweiten Phase im Schuljahr 2009/2010 sollte die Kooperationsarbeitauf mehr Schüler/innen erweitert und nochstärker in die alltägliche Arbeit beider Institutionen integriertwerden. In Anlehnung an den Rahmenlehrplan mit denSchwerpunktthemen „Grundlagen der Gestaltung“, „Kunststoff“91


und „Sammeln“ erhielten die Schüler/innen einen fundiertenEinblick in die museale Arbeit des Sammelns. Hierzu wurdenvon externen Gestalter/innen und Künstler/innen Workshopszu den Themengebieten „Design“, „Sammeln“, „Funktionsprinzipien“und „Zeichnen“ durchgeführt. Die Übertragungdes Workshop-Modells aus der ersten Projektphase auf dreiKlassen wurde versucht, erwies sich aber als zu aufwendig undwurde für das folgende Schuljahr verändert.(Zeit: Ein Schuljahr, pro Klasse circa 10 Stunden pro Woche, 4Workshops pro Klasse)Mit Beginn des Schuljahres 2010/2011 wurde die Kooperationsarbeitin der dritten Phase ausgedehnt und die Herangehensweisewurde dadurch verändert, dass den ersten Klassenjeweils ein Grundthema als jeweiliger Ausgangspunkt für alleweiteren Workshops zugewiesen wurde, das mit dem Museumsauftrag„Produktkultur“ eng verbunden ist:1. Form, 2. Farbe, 3. Material und 4. Funktion der Dinge.Um eine andere (auch emotionale) Verbindung der Schüler/innen zum Museum zu erreichen, haben die Klassen des erstenAusbildungsjahres jeweils eine „Dingpflegschaft“ für ein vonihnen ausgewähltes Objekt aus der Museumssammlung übernommen.Im ersten Halbjahr werden die Unterrichtsinhaltedes Lernfeld- und des PC-Unterrichts wie zum Beispiel Designprozess,Designfunktionen, Grundlagen der Gestaltung inVerbindung mit dem jeweiligen Pflege-Objekt erarbeitet.Parallel entwerfen die drei Klassen des zweiten Ausbildungsjahresim ersten Halbjahr Werbemittel für die „Dingpflegschaft“.(Zeit: 1. Ausbildungsjahr: drei Schuljahre, pro Klasse circa 10Stunden pro Woche, circa 3 - 4 Workshops pro Klasse undHalbjahr / 2. Ausbildungsjahr: ein Schuljahr, pro Klasse circa 10Stunden pro Woche)92


Ausblick:Schon im Schuljahr 2009/10 wurden ausgewählte mit demMuseum zu verknüpfende Inhalte in das schulinterne Curriculumeingearbeitet, als Grundlage für die kommendenAusbildungsjahrgänge. Für die vier Klassen des jetzigen erstenAusbildungsjahres ist für die gesamte dreijährige Ausbildungsdauergeplant, dass verschiedene Lernfelder wie beispielsweise„Entwerfen von Kunststoffprodukten“, „Planung einerPräsentationsfläche“, „Entwurf von Raummöbeln“, „Innenraumgestaltung“(„Erarbeitung einer Ausstellungskonzeption“) inKooperation mit dem Museum unterrichtet werden.Orte:Museum, Schule, WerkstättenBeobachtungen, Erfahrungen und Erkenntnisse„Die Kooperation zwischen einer Schule mit einem Ausbildungsschwerpunktim Bereich Produktdesign und einem Museumder Produktkultur hat sich als außerordentlich produktivsowohl auf der inhaltlichen als auch auf der strukturellen Ebeneerwiesen. Allerdings ist dies verbunden mit dem beiderseitigenInteresse das gemeinsame Dritte im Verhältnis vonBildung, Ausbildung und Kultureller Bildung immer wieder zudiskutieren und neu zu bestimmen.“ (Renate Flagmeier, KuratorinMuseum der Dinge)Weiterführende Informationen:www.museumderdinge.de/programm/kooperationenwww.marcel-breuer-schule.de93


GLOSSARBerliner Patenschaften Künste & SchuleBerliner Rahmenkonzept Kulturelle BildungBildungDiversity: Vielfalt und VerschiedenheitEvaluationganzheitlichIntegration, IntegrationsleistungInterdisziplinaritätInterkulturKompetenzKontinuität(kulturelle) IdentitätKulturvermittlungKunstvermittlungLernkulturmigrantischMigrationshintergrundMigrationspädagogikMission-StatementNachhaltigkeitPartizipationperformativ(Abschluss-)PräsentationprekärProjektProzessStrukturelle Kopplung(gesellschaftliche) Teilhabe / Teilnahmetransformativvorschulisch, außerschulischZugang (Zugangsmodalitäten)Zukunftsfähigkeit97


Berliner Patenschaften Künste & SchuleBerlin setzt auf experimentelle Tauschverhältnisse zwischenSchul- und Kulturbetrieb: im Kontext der Kampagne OFFEN-SIVE KULTURELLE BILDUNG IN BERLIN hatten im Herbst 2006die im „Rat für die Künste“ zusammengeschlossenen Kulturschaffendenaufgerufen, kontinuierliche, langfristige Kooperationenzwischen Kunst- und Kultureinrichtungen und BerlinerSchulen ins Leben zu rufen. Kulturelle Bildung sollte sich nichtlänger auf einseitige Kompetenzzuschreibungen in SachenBildung und Kultur stützen, vielmehr wollte man die unterschiedlichspezialisierten Partner und ihre Betriebe miteinanderin einen kontinuierlichen, systematischen Austauschbringen (Lehrer/innen, Kinder und Jugendliche, Sozialarbeiter/innen, Schulleiter/innen, Eltern treffen sich mit Künstler/innen,Mitarbeiter/innen in Verwaltung und Gewerken, Intendant/innen und Direktor/innen der Kunsthäuser).Seit Beginn der Initiative haben sich unter dem Dach derBerliner Patenschaften Künste & Schule rund 50 Kooperationspaarefür „familiäre“ Zusammenarbeit zusammengefunden.Jede Patenschaft gestaltet ihre Kooperation anders, trägtjedoch gleichbleibend die Verabredung für eine drei- bis fünfjährigeZusammenarbeit. Meistens verzichten die Paare aufKooperationsverträge. Im Zentrum stehen das Experimentierenmit neuen künstlerischen Produktionsformen, mitLernen in „versetzten“ Räumen sowie der Austausch von Atmosphärenund Wissen zwischen den beiden Betrieben. Dabeiwidmete sich ein Begleitforschungsteam insbesondere demVersuch, aus den konkreten Anlagen der „Paarbeziehungen“und ihren Rollenverschiebungen präzise Beschreibung vonTransferwissen für die verschiedenen Praxisfelder Künste undBildung zu extrahieren. Das Institut für Kunst im Kontext derUdK Berlin wurde 2008 durch die Kulturprojekte Berlin GmbH98


eauftragt, aus dem wachsenden Kooperationsfeld elf Patenschaften– die so genannten ZOOM-Patenschaften – zu fokussierenund sie kontinuierlich über drei Jahre zu begleiten. (BM)www.kulturprojekte-berlin.de/patenschaftenBerliner Rahmenkonzept Kulturelle BildungDas Berliner Rahmenkonzept Kulturelle Bildung ist ein23-seitiges, vom Berliner Abgeordnetenhaus im Jahr 2008verabschiedetes Planungspapier zum strukturellen Auf- undAusbau Kultureller Bildung in Berlin. Das Dokument gliedertsich 1.) in eine Präambel, die den Stellenwert kulturellerBildung ganz allgemein als emanzipatorisches, die Persönlichkeitstärkendes und die Sinne bildendes Lernfeld beschreibt,2.) in das Rahmenkonzept, welches strategische Ziele auf derGrundlage einer Bestandsaufnahme von Angeboten in ganzBerlin formuliert und 3.) in das Kapitel „Handlungsfelder“.Hier benennt das Rahmenkonzept fünf Kernbereiche mitdetaillierten Maßnahmen zur Umsetzung: Gefördert werdensollen erstens neue strukturelle Kooperationen – wie es zumBeispiel die Berliner Patenschaften Künste & Schule darstellen.Zweitens sollen erfolgreiche Angebote der Berliner Bildungs-,Jugend- und Kultureinrichtungen (… an Schulen, Volks- undMusikschulen, in Jugendkulturzentren und Kunsthäusern)ausgebaut und weiterentwickelt werden. Das dritte Handlungsfeldwidmet sich Maßnahmen, die neue Zielgruppen involvierensollen. Vor allem hier spricht das Konzept migrantischeGruppen an, aber auch Eltern von Schulkindern oder Betreuervon Kita- und Hortkindern. Es sollen spezifische Projekte undProgramme entwickelt werden, die den besonderen Bedürfnissenvon Gruppen entgegenkommen, die ihre Interessen99


isher kaum in den Rahmenbedingungen und Angeboten vonKultureinrichtungen berücksichtigt fanden. In Ergänzung zuöffentlichen Programmen sollen private Unterstützer und Stiftungengewonnen werden. Viertens werden gezielte Angebotezur Vernetzung und Weiterbildung der verschiedenen Akteurev<strong>org</strong>eschlagen (gemeinsame Programme für Pädagog/innenund Künstler/innen, wie zum Beispiel die Kontext-Schule desInstituts für Kunst im Kontext an der UdK) und schließlich, imfünften Handlungsfeld, wird auf das Thema Transparenz undQualitätssicherung in der kulturellen Bildungsarbeit gelenkt.Das Berliner Rahmenkonzept Kulturelle Bildung stellt einenmarkanten Meilenstein in der langwierigen Debatte um KulturelleBildung in Berlin dar: zum ersten Mal gelang es, dass sichVertreterinnen und Vertreter aus den beiden SenatsverwaltungenKultur und Bildung zusammen an den Tisch setztenund ein gemeinsames Bildungskonzept entwarfen. (BM)Rahmenkonzept (<strong>Download</strong> als <strong>PDF</strong> unter):www.datenbankkulturellebildung.de/service/infos-zur-datenbank.htmlBildungDer Begriff Bildung (ahdt. bildunga: Schöpfung, Bildnis,Gestalt) hat sich im 18. Jahrhundert im deutschen Sprachgebrauchdurchgesetzt und ist stark mit den Philosophien desdeutschen Idealismus und an die Ideale des europäischenNeuhumanismus verknüpft. Mit Bildung wird seither ideengeschichtlichdas „Sich-Bilden“ wie das „Gebildet-Werden“ (auch„Aufgeklärt-Sein“) des Individuums gleichermaßen benannt.Heute ist die öffentliche Diskussion um den Begriff Bildungkaum mehr ideengeschichtlich (auch im Sinne von herzustel-100


lenden Verhältnissen zum „Selbst“, zur „Welt“, zu „Gott“ undspäter zum „Staat“) verortet. Im Wortsinn (Wortkörper) bleibtder Prozess der (Selbst-)Formung des Menschen wie auchseiner Bestimmung gemeint (vgl. Historisches Wörterbuchder Pädagogik), der inzwischen mit lebenslangem Lernenbeschrieben wird. Aktuelle Debatten sind vor allem vonökonomischen und standortpolitischen Interessen geleitet.Mit Bildung wird in der politischen Öffentlichkeit vor allem eininteressengeleitetes ökonomisierbares Wissen im DigitalenZeitalter anvisiert. Oft wird der Begriff der Bildung vom Begriffder Erziehung unterschieden (anders als beim englischeneducation); Erziehung wird als normativ verstanden und alsäußerlich, Bildung als vom Individuum selbst gesteuert undbeeinflusst. In der kritischen Diskursanalyse ist mit Selbsts<strong>org</strong>e(„S<strong>org</strong>e um sich“, Michael Foucault) ein (philosophischer)Gegenbegriff eingeführt: Mithilfe von Selbsttransformationkönnen Subjektivierungen durch zum Beispiel dominanteErziehungs- und Bildungsmodelle neue Existenzweisen entgegengesetztwerden. Sie entziehen sich dem vorherrschendenMacht-Wissens-Komplex und unterscheiden sich damit vomaufklärerischen Bildungsideal – das nach geistiger Freiheitstrebende Individuum – in dem der Kultur eine besondereRolle beikommt. In der deutschen Geschichte ist Bildung einhistorisches Begriffspaar mit Kultur: Da wo Kultur ist, ist auchBildung (und Nation) und vice versa. „Sprache, Literatur undKunst dienen als Berechtigungstitel für die erhoffte nationaleErneuerung [im 19. Jahrhundert, SG]. Als ‚Kultur’ zusammengefasst,erlangen sie in Deutschland gerade infolge der nichtvorhandenenstaatlichen Einigung eine hohe kompensatorischeBedeutung.“ (Ge<strong>org</strong> Bollenbeck)Sprache, Literatur und Kunst dienen zur Identitätsstiftung desgedachten Volkes: Wie die aktuellen Integrationsdebatten inDeutschland zeigen, hält diese Verbindung bis heute an und101


estimmt maßgeblich die Diskussion. Doch in dieser hartnäckigenVerbindung zeigen sich gegenwärtig der zutiefstneuhumanistische Kern des Bildungsbegriffs und damit dessenbürgerlich liberaler Gebrauch im Alltag zugunsten einer kapitalistischenWeltordnung mit ihren Gewaltverhältnissen. Neuerebildungstheoretische Reflexionen setzen sich zwar von derIdee einer universalen praktischen Vernunft ab und erprobennicht-hierarchisierende Verständigungs- und Beratungsformen,bleiben im Kern jedoch einem eurozentrischen Weltbildverhaftet, sofern die Erfahrungen der Migration und derPostkolonialität unberücksichtigt bleiben, beziehungsweisesofern nicht von diesen aus auf hiesige Bildungsdebatten unddamit auf die in ihr wirksamen sozialen Verhältnisse geschautwird. (SG)Weiterführende Literatur:Benner, Dietrich; Brüggen, Friedhelm: Bildsamkeit / Bildung, in: Benner,Dietrich; Oelkers, Jürgen: Historisches Wörterbuch der Pädagogik,Wertheim 2010.Bernhardt, Armin: Bildung., in: Handbuch Kritische Pädagogik,Weinheim, Basel 2001.Bollenbeck, Ge<strong>org</strong>: Bildung und Kultur. Glanz und Elend einesdeutschen Deutungsmusters, Frankfurt/Main 1996.Ha, Kien Nghi: Ethnizität und Migration Reloaded. Kulturelle Identität,Differenz und Hybridität im postkolonialen Diskurs, Berlin 2004.do Mar Castro Varela, Maria; Dhawan, Nikita: Postkoloniale Theorie.Eine kritische Einführung, Bielefeld 2010.Sternfeld, Nora: Das pädagogische Unverhältnis. Lehren und Lernenbei Rancière, Foucault und Gramsci, Wien 2008.102


Diversity: Vielfalt und VerschiedenheitSeit der UNESCO-Deklaration zu Diversity im Jahr 2001 kommtdem Konzept der Diversity auch im Kontext der (deutschen)Integrationsdebatte eine zunehmend politische Bedeutungzu. Ging es der UNESCO zunächst „nur“ um den Schutz nationalerMinderheiten, so kamen zunehmend Fragen der Interdependenzvon Menschenrechten und multikulturellen Gesellschaftenin den Blick. Cultural Diversity, das kaum ins deutscheübersetzbare originale Wort der Konvention, bedeutet mehrals „Vielfalt“, und dieses „mehr“ ist außerordentlich wichtig: Esbedeutet Mannigfaltigkeit, aber auch Differenz und Verschiedenheit.Deren Erkenntnis macht den potentiellen Reichtumaus, den Migration mit sich bringt. Dieser Zugewinn kannaber nur dann fruchtbar werden, wenn die differierendenWerte, Traditionen, Erfahrungen, Lebenspraxen erkannt,zueinander in Bezug gesetzt, in der gesellschaftlichen Interaktionerprobt sowie gemeinsame Regeln des Konfliktaustragsentwickelt werden und alle sich einvernehmlich den indiesem Prozess entstandenen Regeln unterwerfen. Daraufberuht Integration, deren wichtigste Instrumente Respekt undKommunikation sind und nicht Assimilation oder Anpassung.In diesem Sinne hat das Konzept von kultureller Vielfalt mitallen Feldern von Politik zu tun, die gesellschaftliche Interaktionin modernen multiethnischen Kontexten bearbeiten.Für Kulturpolitik folgert draus ein breites Aufgabenspektrum.Kulturelles Handeln hat in seinen Möglichkeiten der Arbeit mitDiversity, mit Vielfalt wie Differenz, eine Avantgardefunktionim Erproben und Erarbeiten eines demokratischen, partizipativenGemeinwesens. Deshalb kommt dem Konzept Diversitygerade im Kontext Kultureller Bildung eine besonders großeBedeutung zu. Jenseits von gesellschaftspolitischen Zielen istes als ästhetisches und künstlerisches Arbeitsprinzip ebensowie in seinen psychologischen Konsequenzen in der Debatte103


über Hybridisierung und postmigrantische Kultur grundlegend.(DK)Weiterführende Literatur:Keitner, Chimène: UNESCO and the Issue of Cultural Diversity. Reviewand Strategy, 1946 – 2004, Paris 2004.Kolland, Dorothea: Kulturelle Vielfalt und Differenz, in: Jahrbuch fürKulturpolitik 2006, Essen 2006.Parekh, Bhikhu: Rethinking Multiculturalis. Cultural Diversity and PoliticalTheory, London 2000.EvaluationZu evaluieren bedeutet, definierte Prozesse oder deren Ergebnissesystematisch und nachvollziehbar zu bewerten. EineEvaluation soll helfen, die Wirkung bestimmter Maßnahmen zureflektieren und zu überprüfen, ob gesetzte Ziele durch dieseerreicht werden können bzw. konnten. Die Durchführung einerEvaluation kann extern, intern oder in einer Mischform ausdiesen beiden Ansätzen erfolgen. In jedem Fall wird versucht,anhand von Befragungen (Fragebögen), Beobachtungen,Tests oder der Analyse einschlägiger Materialien qualitativeund/oder quantitative Daten zu gewinnen, aufgrund derereine begründete Einschätzung des untersuchten Prozessesoder dessen Ergebnissen möglich wird. An der Basis oft als„von oben“ verordnetes Steuerungsinstrument verstanden,dessen Anwendung die Evaluierten unter Legitimationsdrucksetzt, haben Evaluationen meist kein gutes Image, sondernwerden als ein Ausdruck von effizienzgetriebenem Kontroll-und Optimierungseifer empfunden. Der Soziologe UlrichBröckling spricht in diesem Zusammenhang von einer um sichgreifenden „Evaluationitis“, die die Bundesrepublik nach dem„PISA-Schock“ befallen habe.104


Doch schlechtes Image hin oder her: Im Bereich KulturellerBildung gibt es noch eine Menge im Bereich der Wirkungsforschungzu tun. Um Argumente zu finden, die in einem spezifischenTun begründet sind, müssen Schnittstellen zwischenTheorie und Praxis mit Evaluierungsdesigns besetzt werden,die dem prozessualen und partizipativen Charakter der dortstattfindenden Projekte gerecht werden. Denn wenn auchallerorten „systematische Methoden“ und „objektive Kriterien“gefordert werden, bestehen doch methodologischeHerausforderungen darin, zu entscheiden, welche Ansätzefür welchen Gegenstand angemessen sind und welche Ergebnissewie bewertet werden sollen. Hier bleibt festzuhalten,dass ein naturgegebener „objektiver“ Standpunkt, von demaus beurteilt werden kann, nicht existiert – egal, ob es sich uminterne oder externe Evaluierende handelt. Dies spricht aberkeinesfalls gegen die Evaluation an sich, sondern fordert diean Kultureller Bildung Beteiligten auf, über adäquate Formennachzudenken und diese umzusetzen, um ihr eigenes Feldnachhaltig zu stärken. (AK)Weiterführende Literatur:Bröckling, Ulrich: Evaluation, in: Bröckling, Ulrich; Krasmann, Susanne;Lemke, Thomas (Hg.): Glossar der Gegenwart, Frankfurt am Main: 2004,S. 76–81.de Perrot, Anne-Catherine; Wodiunig, Tina: Evaluieren in der Kultur:Warum, was, wann und wie? Ein Leitfaden für die Evalution von kulturellenProjekten, Programmen, Strategien und Institutionen. Herausgegebenvon Migros-Kulturprozent und Pro Helvetia, Zürich 2008, abrufbarunter: www.prohelvetia.ch/Leitfaden-Evaluieren.49.0.html?&L=0;https://www.zora.uzh.ch/13816/Pringle, Emily: Revisiting Evaluation, in: Mörsch, Carmen (Hg.): Art EducationResearch. eJournal des Institute for Art Education der Zürcher Hochschuleder Künste, No. 1/2010, abrufbar unter:www.iae-journal.zhdk.ch/no-1/texte/105


FörderungDie staatliche Förderpraxis im Bereich Kultureller Bildung/Soziokultur ist in Berlin nach wie vor unübersichtlich und hatim Vergleich zur Förderung der großen Häuser und Repräsentationsprojektenur ein geringes Volumen. Mittel können beiden Bundesstiftungen, in den Bezirken und seit 2008 beimBerliner Projektfonds Kulturelle Bildung beantragt werden.Während in den meisten westdeutschen Bundesländernbereits in den achtziger Jahren ein Haushaltstitel Soziokulturoder Stadtteilkultur (Hamburg) eingerichtet wurde, hat es eineso bezeichnete staatliche Förderung in Berlin nie gegeben. DieBerliner Kulturzentren konnten sich aufgrund ihrer überwiegendkünstlerischen Entstehungsgeschichte mit der Bezeichnungder „soziokulturellen Zentren“ schwer anfreunden undsind wenn überhaupt, erst spät Mitglieder der Bundesvereinigungsoziokultureller Zentren geworden, die mittlerweileihren Sitz auch in Berlin hat.Lange Zeit war es für Berliner Antragsteller schwer, bei bundesweitenAusschreibungen wie zum Beispiel dem Fonds Soziokulturin die engere Auswahl zu gelangen. Die Berliner Kulturgalt in „Westdeutschland“ als hoch subventioniert. Diese Situationhat sich erst in den letzten Jahren geändert. Deshalbhatten spezielle Berliner Fördereinrichtungen einen besonderenStellenwert, so zum Beispiel die Jugend- und Familienstiftung,die 1993 aufgrund einer parlamentarischen Initiativeerrichtet worden war, um der Jugend- und Familienarbeit inBerlin zusätzliche, neue Impulse zu geben.Vor der Einrichtung des Berliner Projektfonds Kulturelle Bildungim Jahr 2008 wurden hin und wieder auch vom Hauptstadtkulturfonds,der Stiftung Deutsche Klassenlotterie sowie der106


Bundeszentrale für Politische Bildung Anträge für KulturelleBildung gefördert. So begannen zum Beispiel die ersten Tanzprojektean Schulen mit Mitteln des HKF.Ein Schwerpunkt der Förderung lag und liegt jedoch in denBezirken. Im Frühjahr 1989 wurde den Bezirken von der damaligenrot-grünen Stadtregierung zusätzliches Geld für sogenannte Dezentrale Kulturarbeit zur Verfügung gestellt, dasvon gewählten Kulturbeiräten in den Bezirken vergeben wird.Nach der Wende wurde das Modell auch von den OstberlinerBezirken übernommen. Es existiert bis heute, allerdings mitweniger Mitteln. Nach wie vor hat jeder Bezirk seine eigenenVergaberichtlinien und Schwerpunktsetzungen. Zuständig fürdie Verwaltung und Organisation sind die jeweiligen Kulturämterin den Bezirken. Darüber hinaus wurden Projekte inmanchen Bezirken über das Quartiersmanagement oder dasLOS-Programm (Lokales Kapital für soziale Zwecke) finanziert,wobei die Antragsteller sehr darauf zu achten hatten, dassihr Antrag den meist sozial ausgerichteten Förderrichtlinienentsprach.Wer Förderung sucht, findet auf der Web-Site www.kulturfoerderung.<strong>org</strong>/deden umfassendsten Überblick, auch überprivate Stiftungen, auch wenn hier – wie wohl typisch für denganzen Bereich – die Begriffe etwas merkwürdig sortiert sind.Unter dem Begriff Soziokultur finden sich 75 Eintragungen, 39davon zum Unterbegriff Interkultur und 11 unter der BezeichnungMultikultur. (KJ)(siehe auch die Liste der Stiftungen ab Seite 178)107


ganzheitlichGanzheitlichkeit wird mit -heit und -keit gleich zweifach substantiviert,bedeutet heil, unverletzt, vollständig und bezeichnetdas Ganze, dem kein Teil fehlt oder die „gefügehafte Totalitätaller Teile sowie die Gesamtheit ihrer Eigenschaften und Beziehungen“.Mit der Ganzheit entsteht etwas Neues durch dieIntegration der Teile auf einem anderen Niveau.Das „Potsdamer Manifest“ schlägt – vor dem Hintergrund derErkenntnisse der Quantenphysik – vor, von der Welt nicht alsmaterialistisch-mechanische, zeitlich determinierte „Realität“auszugehen, sondern als „Potenzialität“: als ein nicht-auftrennbares,immaterielles, zeitlich wesentlich indeterminiertes undgenuin kreatives Beziehungsgefüge, das sich als Wirklichkeit(eine Welt, die wirkt) entpuppe. (Hans Peter Dürr et. al.) Etwasganzheitlich zu denken, meint dann auch die Berücksichtigungvon Realitäten, die nicht auf Stofflich-Dingliches reduzierbarsind, die sich der herkömmlichen Analyse entziehen. Eine Weltalso, in der sich unser Wissen mit unserem Ahnen und Fühlenverbindet und in der wir ganz(heitlich) Mensch sein dürfenund als geistig-schöpferische Wesen zu Zufriedenheit finden.Die Künstlerin, Kuratorin und Professorin für MedienkunstChristin Lahr forderte in einem Gespräch über „Wohlstandohne Wachstum“ zur Ganzheitlichkeit auf: nämlich nicht nurdie Wirkungen unseres Handelns zu bedenken, sondern auchdie Gegen- und Mitwirkungen.Ganzheitliches Denken und Handeln löst Dichotomien undHierarchien zu Gunsten eines vielwurzelig verflochtenenSystems auf: dem Rhizom Deleuze-Guattaris, das offen undflexibel bleibt für mögliche Veränderungen der Sichtweise.108


Der Deutsche Kulturrat weist darauf hin, dass Kinder ganzheitlichesLernen mit allen Sinnen brauchen. Speziellen Wert misster hierbei der Kulturellen Bildung bei, die kognitive, emotionaleund gestalterische Handlungsprozesse [verbinde]. Abschließendstellt er fest, dass Kulturelle Bildung der Ganzheitlichkeit,Kontinuität und Nachhaltigkeit bedürfe. Ganzheitliche Bildungist es demnach, was es braucht, um den Menschen in seiner„Potenzialität“ (wieder) zu entdecken. (MA)Weiterführende Literatur:Deleuze, Gilles; Guattari, Félix: Rhizom, Berlin 1977.Deutscher Kulturrat: Kulturelle Bildung in der Schule. Stellungnahmevom 07.01.2009. www.kulturrat.de/detail.php?detail=1466&rubrik=4Dürr, Hans-Peter; Dahm, Daniel; zur Lippe, Rudolf: Potsdamer Manifest2005. We have to learn to think in a new way, München 2006.Majer, Helge: Ganzheitliche Sicht von sozialer Nachhaltigkeit,Stuttgart (unveröffentlicht).www.unw-ulm.de/pdf/pdf_doc_neu/Helge_Majer2/Soziale%20Nachhaltigkeit.pdfIntegration, IntegrationsleistungDer aus dem Lateinischen stammende Begriff Integrationbedeutet Vereinheitlichung und Zusammenschluss zu einemGanzen. In soziologischer Hinsicht beschreibt er die Etablierungeiner Gemeinschaft unter Einbeziehung zuvor ausgeschlossenerGruppen.Gegenwärtig wird der Begriff vor allem im Zusammenhangmit dem Begriff Migration verwendet – als Aufforderung anMigrant/innen, sich in die deutsche Mehrheitsgesellschaft zuintegrieren. Diese Aufforderung ist aus zwei Gründen problematisch:Zum einen impliziert sie eine einseitige Bring-109


schuld, die einer gleichberechtigten Gemeinschaftsbildungwesentlich entgegensteht; und zum anderen schwingendarin Vorstellungen einer ursprünglichen nationalen Einheitmit, deren vermeintliche Wiederherstellung zum Ziel vonIntegration gemacht wird. Als Integrationsleistung wird somiteine möglicht umfassende und unauffällige Assimilation der„Fremden“ gesetzt. Der Begriff Integration ist hier eigentlichfalsch verwendet. Er dient vor allem zur euphemistischenUmschreibung einer Praxis, die tatsächlich darauf hinaus läuft,den Abstand zwischen Migrant/innen und Normgesellschaftweiter zu reproduzieren.Entgegen der nationalstaatlichen Doktrin zeichnen sich Gesellschaftenjedoch immer schon durch vielfältige Differenzenund Bruchstellen aus. Integration kann daher mitnichten aufein festgelegtes Ergebnis gerichtet sein. Vielmehr muss sie alsein ergebnisoffener Prozess gedacht werden, bei dem sich allebeteiligten Akteur/innen und Institutionen bewegen müssen.Dass diese Anstrengungen dabei unabdingbar von Machtstrukturendurchsetzt sind, sollte nicht verleugnet, sondernoffensiv zum Thema gemacht werden. (AB)Weiterführende Literatur:Anderson, Benedict: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere einesfolgenreichen Konzepts, Berlin 1998.Ha, Kien Nghi: Ethnizität und Migration Reloaded: Kulturelle Identität,Differenz und Hybridität im postkolonialen Diskurs, Berlin 2004.Pautz, Hartwig: Die deutsche Leitkultur. Eine Identitätsdebatte:Neue Rechte, Neorassismus und Normalisierungsbemühungen,Stuttgart 2005.Süssmuth, Rita: Migration und Integration. Testfall für unsere Gesellschaft,München 2006.110


InterdisziplinaritätDer Begriff Interdisziplinarität beschreibt einen methodischenAnsatz, der davon ausgeht, dass Fragestellungen unsererLebenswirklichkeit nicht durch streng isolierte Wissenschaftsdisziplinenerfasst werden können. Da die Gegenstände meistquer zu bestehenden Disziplingrenzen liegen, ist es nachdiesem Konzept nötig, für ihre Erforschung mehrere disziplinäreAnsätze zusammenzuschließen. Dieses Verknüpfenwird dabei jedoch nicht als nachträgliches Addieren einzelnerErgebnisse gedacht. (Dies wäre ein multidisziplinäresV<strong>org</strong>ehen.) Vielmehr soll Interdisziplinarität den gesamtenForschungsprozess umfassen, das bedeutet auch das Entwickelneiner gemeinsamen Forschungsfrage sowie die Arbeit anentsprechenden interdisziplinären Untersuchungsmethoden.Während der interdisziplinäre Ansatz dabei weiterhin denDisziplinen des akademischen Felds verpflichtet bleibt, die ergegenstandsbezogen temporär verknüpft, gehen Konzepteder Transdisziplinarität noch einen Schritt weiter. Sie zeigen,dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit gesellschaftlichenPhänomenen letztlich auch bedeutet, deren spezifische,soziale Wissensformen einzubeziehen. Die transdisziplinäreForschung wendet sich damit auch gegen eine rigoroseTrennung von Wissenschaft und sozialem Alltagsleben. Sieverabschiedet die Fiktion wissenschaftlicher Objektivität, dieüber einen Gegenstand erlangt werden könne, und zielt stattdessendarauf ab, praktische und (selbst-)kritische Lernprozessein Gang zu setzen, die sowohl die Gesellschaft als auchdie wissenschaftliche Perspektive selbst (als Teil der Gesellschaft)betreffen. (AB)111


Weiterführende Literatur:Bergmann, Matthias; Schramm, Engelbert (Hg.): TransdisziplinäreForschung. Integrative Forschungsprozesse verstehen und bewerten.Frankfurt am Main 2008.Hark, Sabine: Inter/Disziplinarität, in: dies.: Dissidente Partizipation.Eine Diskursgeschichte des Feminismus, Frankfurt am Main 2005.Wenk, Silke: Transdisziplinarität als hochschulpolitisches Programm.Neue Perspektiven für Frauen- und Geschlechterstudien in Forschungund Lehre. In: Batisweiler, Claudia (Hg.): Geschlechterpolitik an Hochschulen:Perspektivenwechsel zwischen Frauenförderung und GenderMainstreaming. Opladen 2001.InterkulturDie Vorsilbe inter- mit der Bedeutung zwischen, unter (örtlichund zeitlich) stammt ab vom Französischen entre und dieswiederum vom Lateinischen in, hinein. Wörtlich übersetztheißt Interkultur „Zwischen-Kultur“ und „in Kultur hinein“.Unter dem Titel „Interkultur“ fanden 2006 in Stuttgart und2008 in Nürnberg zwei Bundesfachkongresse mit dem Untertitel„Kulturelle Vielfalt und Teilhabe“ statt. Ziel war die Diskussionum kulturelle Teilhabe von Migrant/innen und einerumfassenden interkulturellen Öffnung von Institutionen inverschiedenen kommunalen Handlungsfeldern.Interkultur als Begriff und gleichnamiges Buch (2010) wurdeauch vom Autor, Journalisten und Migrationsforscher MarkTerkessidis entworfen als „Kultur im Zwischen“ (und nichtzwischen den Kulturen), als Struktur im Wandel, als etwas, dasnicht ganz ist oder noch nicht – ein „Werden“ im Sinne vonDeleuze und Guattari. Der dem Begriff Interkultur zugrundeliegende Kulturbegriff stammt hierbei aus den Cultural Studies.112


Terkessidis bezieht sich auf den marxistischen Wissenschaftler,Autor und Kritiker Raymond Williams, der Kultur als „gesamteLebensweise“, die sich ebenso im Alltagsverhalten wie inKunst und Literatur ausdrückt, begreift, und auf den SoziologenStuart Hall, der Kultur als „Landkarte von Bedeutungen“beschreibt. Terkessidis entwirft das Programm „Interkultur“ alseine Alternative zum Multikulturalismus, in dem es in ersterLinie um die Anerkennung von kulturellen Identitäten, dieRelativität unterschiedlicher Perspektiven oder das Zusammenlebender Kulturen geht. Interkultur unterscheidet dieMenschen nicht nach Kulturen, sondern zielt auf eine Veränderungder charakteristischen Muster unserer Gesellschaft,die mit der Vielheit in unserer Gesellschaft nicht mehr übereinstimmen,(zum Beispiel dass Menschen simplifizierendnach Kulturen unterschieden werden). Ansatzpunkt, um dieMuster unserer Gesellschaft in Bewegung zu bringen, sind beiTerkessidis wie auch bei den Bundesfachkongressen die Institutionen.Er fordert hierfür Transformationen unter anderemin den Kulturinstitutionen zum Beispiel in Bezug auf Programmatikund auch Personalpolitik (zum Beispiel Quotierungsregelungen).(CH)Weiterführende Literatur:Hörning, Karl H; Winter, Rainer (Hg): Widerspenstige Kulturen.Cultural Studies als Herausforderung, Frankfurt am Main 1999.Terkessidis, Mark: Interkultur, Frankfurt am Main 2010.KompetenzDer Entwicklungs- und Lernpsychologie Franz Weinert definiertKompetenz als „… die bei Individuen verfügbaren oderdurch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten,um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbun-113


denen motivationalen, volitionalen [an den Willen gebundenen/willentlichen,UR] und sozialen Bereitschaften undFähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationenerfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können.“Mit der Entwicklung zur Informations- und Wissensgesellschaftgerieten die herkömmlichen, von der frühindustriellen Zeitgeprägten Ziele unserer Bildungseinrichtungen zunehmendunter Druck: Wie konnte man beispielsweise eine Hochschulreifeattestieren ohne sich auf einen tradierten Bildungskanonzu berufen? Wer wollte und konnte noch unverzichtbaresWissen definieren ohne unzählige Neuerkenntnisse, Gegendarstellungenund Querverweise? Wie wäre also heute Reife,Wissen, Können zu definieren, wenn der Umfang relevantenWissens – und auch seine Verfügbarkeit derart komplex undunübersichtlich geworden ist, dass er nicht mehr erlerntwerden kann? Es wurde klar, dass der Lernstoff der MethodePlatz machen musste. „Lernen lernen!“ hieß also die neueDevise und ihr verdankt die Kompetenz ihre kurze, aber steileKarriere.Das pädagogische Ziel von Kompetenzvermittlung bestehtdemnach nicht in einem möglichst hohen Maß an Wissenserwerb,sondern im selbstständigen und selbstverantwortlichenHandeln. Im Kontext der europäischen Bildungspolitikumfassen Kompetenzen im weiteren Sinne neben Selbständigkeitund Verantwortlichkeit die Lern- und Selbstlernkompetenz,die kommunikative und soziale Kompetenz sowie dieprofessionelle und fachliche Kompetenz. Informationskompetenzwird gemeinhin als die Verknüpfung von Fach- undMethodenkompetenz verstanden. Im Kontext kultureller Bildungwird von vier Kernkompetenzen ausgegangen, wobeineben den personalen (= Selbstkompetenzen), den sozialenund Methodenkompetenzen die künstlerischen und kultu-114


ellen Kompetenzen an Stelle der fachlichen Kompetenzengesetzt wurden. Beim Erwerb von Schlüsselkompetenzen(gleichzustellen mit Kompetenzen) erwirbt man gleichzeitigdas Potential der bewussten und kreativen Gestaltung deseigenen und des gesellschaftlichen Lebens: „Schlüsselkompetenzensind mehr als Wissen und Fähigkeiten. Sie sind wichtigfür den beruflichen Erfolg, für die Entfaltung der Persönlichkeitund die Mitgestaltung der Gesellschaft.“ Seit 2010 kann bei derBKJ Remscheid von Jugendlichen ab 12 ein „KompetenznachweisKultur“ erworben werden. Bei einer Zertifizierung kulturellerBildung taucht jedoch die Gefahr auf, dass Kunst undkünstlerische Erfahrungen instrumentalisiert werden und ineine Nützlichkeitspflicht geraten, in Bezug auf die Verwertbarkeitder entwickelten Kompetenzen (zum Beispiel bei Bewerbungen).(UR)Weiterführende LiteraturBKJ, Bundesvereinigung Kulturelle Bildung, e.V, www.ash-berlin.eu/hsl/freedocs/189/Kompetenznachweis_Kultur_Praesentation.pdfWeinert, Franz E., (Hrsg.): Leistungsmessung in Schulen, Weinheim undBasel 2001.KontinuitätMit der Industriemoderne und dem analytischen Zeitalter des„Entweder-oder“, wird Welt fragmentiert, analysiert und seinenZusammenhängen entrissen. Kontinuität bedeutet Ganzheitlichkeitin Raum und Zeit und ist konstitutiver Faktor vonNachhaltigkeit.Sind (dem 3-Säulen-Modell folgend) der Schutz der Ökosphäre,eine stabile wirtschaftliche Entwicklung und eine gerechteVerteilung der Lebenschancen in einem Raum erreicht, ist eine115


kontinuierliche Entwicklung auf Dauer sichergestellt. FundamentalesProblem ist hierbei, dass die drei Säulen selbst nichtauf Langfristigkeit, Gerechtigkeit und Ganzheitlichkeit ausgerichtetsind. Wie sollte das darauf Aufbauende also über ebengenannte Qualitäten verfügen?Der Deutsche Kulturrat verweist darauf, dass Kulturelle Bildungder Ganzheitlichkeit, Kontinuität und Nachhaltigkeitbedarf: „Diese sind nur zu erzielen, wenn den ästhetischenFächern auch in der schulischen Praxis sowie in der praktischenBildungs- und Hochschulpolitik die Wertschätzung gegebenwird, die sie aufgrund ihres ganzheitlichen Ansatzes verdienen.“Um diese Kontinuität herzustellen, muss Kulturelle Bildungdeshalb den derzeitigen Duktus des Projekte-Aneinanderreihensverlassen und zu einem strukturell verankerten Instrumentin der schulischen Bildung werden. Dafür bedarfes kontinuierliche Förderung. Bei Projekten wie den PatenschaftenKünste & Schule hat es sich sehr deutlich gezeigt, wiewichtig strukturelle, finanzielle und personelle Kontinuität fürdas Gelingen einer Patenschaft ist. (MA)Weiterführende Literatur:Deutscher Kulturrat: Kulturelle Bildung in der Schule. Stellungnahmevom 07.01.2009:www.kulturrat.de/detail.php?detail=1466&rubrik=4Hartard, Susanne: Kultureller Wandel und Nachhaltigkeit. Bericht vom9. Weimarer Kolloquium, in: Technikfolgenabschätzung – Theorie undPraxis. Nr. 1, 18. Jahrgang - Mai 2009.116


k/Kulturelle BildungDie k/Kulturelle Bildung kann sich nicht entscheiden, ob sieihr Adjektiv groß oder klein schreiben mag. Wolfgang Zacharias,bundesweiter Beobachter von k/Kultureller Bildung, hatsich dieses Konflikts angenommen und kürzlich festgestellt,dass, mit kleinem k geschrieben, kulturelle Bildung einen aufein Subjekt bezogenen, individuellen Bildungsprozess meint.Die Veränderungen, die sich nach der „Einwirkzeit“ kulturellerBildung abzeichnen, sind mannigfaltig und lassen sichvielleicht unter dem Stichwort „ästhetische Aufmerksamkeit“zusammenfassen: mit allen Sinnen wach sein, aktiv kommunizieren,sich mit Bedingungen der eigenen Wahrnehmungauseinandersetzen und sie ins Verhältnis setzen können zuästhetischen Äußerungen und Urteilen anderer: sinnlich undauf die Wahrnehmung bezogen argumentativ unterscheidenkönnen.Im Gegensatz dazu die Kulturelle Bildung mit großem K, deretwas Strukturelles oder Systemisches anhaftet – ein elastischerVerbund von Beziehungen zwischen handelndenMenschen und gemeinschaftlich gesetzten Determinanten,die innerhalb eines Kulturraumes gelten: Tradition, Erbeund die daraus wachsenden Gestaltungsoptionen, Visionen.Hierbei kann der Kulturraum territorial verstanden werden,wie bei ethnischen oder religiösen Gemeinschaften, oderideell, wie etwa bei virtuellen, sozialen Netzgemeinschaften,Lifestyle- und politischen Gruppen. Die Gleichzeitigkeit unddas Ineinandergreifen von klassisch kulturräumlicher Orientierungund ideeller, sozialer Zugehörigkeit zu verschiedenenInteressensgruppen schüttelt uns alle durch, und permanentmüssten wir den Kulturbegriff neu verhandeln, um schließlichAussagen zu Kultureller Bildung treffen zu können. Aus diesemGrund scheint es sinnvoll, den jeweiligen Deutungsrahmen für117


zentrale, <strong>org</strong>anisierende Ideen der verwurzelten und gleichzeitigsich im Umbruch befindenden Kulturen zu untersuchen,die sich beispielsweise in urbanen Räumen treffen undverweben. Gleichbleibend bedeutend für alle, die sich hierbewegen, ist die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Kommunikationsritualenund Codes eine eigene, authentische „Sprache“zu entwickeln, die in der Lage ist, aktiv und gestaltend indas gemeinschaftliche Leben einzugreifen. Die KulturelleBildung fokussiert insbesondere die Möglichkeiten, die sichdurch Verschiebung auf symbolische Handlung ergeben. Siewählt für ihre ganzheitlichen Analysen und für ihre visionärenEntwürfe oft künstlerische Prozess- und Produktionsformen,da diese – wenn sie gelingen – an kreativer Komplexität undErlebnisdichte nicht zu überbieten sind. (BM)(kulturelle) IdentitätDer Begriff der kulturellen Identität unterlag im Laufe der Jahrevielen Wandlungen und kann nur in Abhängigkeit zum jeweiligvorherrschenden Kulturbegriff gedeutet werden. Das Konzepttauchte zum ersten Mal in den 1940er-Jahren in den Studiender Culture and Personality School auf. Zu diesem Zeitpunktging man noch davon aus, Kulturen seien homogene, in sichgeschlossene Einheiten. Jede Kultur setze sich aus einem Setan kulturellen Praktiken, Traditionen, Werten, einer gemeinsamenGeschichte und Weltsicht zusammen, welches jedesMitglied im Laufe seiner Sozialisation verinnerliche. Auf dieseWeise formiere sich die kulturelle Identität des Individuums.Vertreter postmoderner Ansätze in Ethnologie und Kulturwissenschaftenhaben seit den 1960er Jahren darauf aufmerksamgemacht, dass Kulturen in sich brüchig sind und sich immerwieder neu erfinden. Dementsprechend sei die kulturelle Iden-118


tität nichts, was man von Geburt an habe, sondern etwas, dasder Einzelne oder die jeweilige Gruppe kontextbezogen und inAbhängigkeit zu den historischen Verhältnissen immer wiederneu artikulieren müsse. Stuart Hall, Homi Bhabha und andereVertreter der Postcolonial Studies entlarvten die Idee der kulturellenIdentität als eine Konstruktion des Zeitalters des Kolonialismus.Sie habe in erster Linie dazu gedient, Differenz beziehungsweisestereotypische Vorstellungen von Kulturen undderen Mitgliedern festzuschreiben. Die Sensibilisierung fürdie Pluralität innerhalb von Kulturen und die Wahrnehmungder zunehmenden Vermischungen von Nationalstaaten durchGlobalisierungsprozesse haben schließlich das Konzept derhybriden (kulturellen) Identität herv<strong>org</strong>ebracht. Dieses rücktdie Existenz von Mehrfachidentitäten und -zugehörigkeiten inden Blickpunkt. (BL)Weiterführende Literatur:Appaduraj, Arjun: Modernity at Large. Cultural Dimensions of Globalization,Minneapolis 2005.Benedict, Ruth: Chrysantheme und Schwert. Formen der JapanischenKultur, Frankfurt am Main 2006 (original 1946).Bhaba, Homi K.: Die Verortung der Kultur, Tübingen 2000.Erikson, Erik H.: Identität und Lebenszyklus, Frankfurt am Main 1973.Eickelpasch, Rolf und Rademacher, Claudia: Identität, Bielefeld 2004.Hall, Stuart: Questions of Cultural Identity, London 1996.Ha, Kien Nghị: Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durchdie Kulturgeschichte der Hybridität und der Kolonialen „Rassenbastarde“,Bielefeld 2010.KulturvermittlungKulturvermittlung ist ein übergeordneter Begriff der Mehrheitsgesellschaft,der verschiedene Aspekte kulturellen119


Handelns und Wirtschaftens umfasst, wie etwa KulturelleBildung, Kunstvermittlung, Audience Development, Kulturnutzung,Kulturmarketing, Kulturwirtschaft, Kreativstandort.Während im anglophonen Raum und dessen neoliberaler Wirtschaftspolitikeher von Creative Industries gesprochen wird,in denen der Hochkultur nur ein geringer prozentualer Anteilzukommt, fällt besonders im deutschsprachigen Raum dieKonstitution über das Wort Kultur auf: Doch wie / wo ist Kultur,wer / wo sind ihre Akteure? Kulturvermittlung geht von einemzu (pädagogisch, sozial, ökonomisch, politisch) vermittelndenGegenstand „Kultur“ aus. Kultur kann als solche weder erfasstnoch vermittelt werden, ist sie selbst immer schon Anwendunghandelnder Subjekte. Daher werden hier mit diesem Begriffund demzufolge auch mit Kulturvermittlung „Produkte“ künstlerischenund kulturellen Schaffens einer (national-identitären)Hochkultur zusammengefasst, die auf einen nationalen Wertekanonzielen und als solcher zu vermitteln sind (und das mitaller Aggressivität, wie zum Beispiel in der aktuellen Integrationsdebattedeutlich wird). Kanonisierte Literatur und Kunst,Burgen und Schlösser, Denkmäler sind zum Beispiel Trägereiner nationalen Pädagogik, die dem Subjekt der Vermittlungermöglichen sollen, sich mit der großen „vaterländischen“Geschichte nicht nur zu identifizieren, vielmehr diese auch zubewahren und fortzuschreiben. Sprache, Sitten und Künstesind Teil des gesellschaftlichen Paradigmas und zugleich nationalerStandortfaktor im „Land der Dichter und Denker“. SolcheAuffassungen von Kultur stehen in der Tradition des Eurozentrismusund werden im Zuge des Europäismus als kulturpolitischeStandards gesetzt. Kulturvermittlung ist im Alltagsdiskursein Kräftefeld aus unterschiedlichen Interessen und als solchesnicht definitorisch eingrenzbar, vielmehr unterschiedlich zuperspektivieren. (SG)120


Weiterführende Literatur:Ha, Kien Nghi: Postkoloniale Migration, Rassismus und die Frage der Hybridität,in: Steyerl, Hito und Gutiérrez Rodríguez, Encarnación (Hg.): Sprichtdie Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik, Münster 2003.Ha, Kien Nghi, Macht(t)raum(a) Berlin – Deutschland als Kolonialgesellschaft,in: Eggers, Maureen Maisha; Kilomba, Grada; Piesche, Peggyund Arndt, Susan (Hg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschungin Deutschland, Münster 2005.Hartwig, Helmut: Kulturarbeit – Kulturpädagogik, in: Handbuch KritischePädagogik. Eine Einführung in die Erziehungs- und Bildungswissenschaft,Weinheim und Basel 2001.Mandel, Birgit (Hg.), Audience Development, Kulturmanagement,Kulturelle Bildung. Konzeptionen und Handlungsfelder der Kulturvermittlung,München 2008.www.kulturvermittlung-online.deKunstvermittlungKunstvermittlung ist ein Begriff, der sich im deutschen Sprachraumin den letzten zehn Jahren herausgebildet und in weitenBereichen den Begriff der Museumspädagogik abgelöst hat. Erbeschreibt das Feld der Arbeit mit dem Publikum im Kontextvon Museen und Ausstellungen und umfasst Formate vonder Führung durch eine Ausstellung bis zu eigenständigenkünstlerischen Projekten in Zusammenarbeit mit Publikumsgruppen.Auch wenn vor allem im Betriebssystem Kunst häufigdie Haltung vertreten wird, Kunst vermittle sich von selbst, hatKunstvermittlung heute zum Ziel, Situationen herzustellen,in welchen es zu einer Begegnung von Kunst, Museum undPublikum überhaupt erst kommen kann, da die InstitutionMuseum häufig nur ein bestimmtes Publikum anzusprechenvermag und sein Publikum durch civilizing rituals – einem Setan Geboten, Verboten und Wissenshierarchien rund um die121


Rezeption von Kunst und Ausstellungen an einer vorbehaltslosenBegegnung mit Kunst zu hindern vermag. Vielfach gehtes deshalb in der Kunstvermittlung darum, Kunst nicht alsLehrstoff an ein Publikum zu vermitteln, sondern Räume desSprechens anhand von Kunst zu eröffnen.Gearbeitet wird hierbei an der konventionellen Vorstellung,wie Vermittlung (beziehungsweise Lehren und Lernen) funktioniert.Dazu gehört unter anderem die Reflexion und Dekonstruktionder Position der durch die Institution autorisiertenSprecher/innen, zum Beispiel jener Person, die durch dieAusstellung führt. Kunstvermittlung kann auch künstlerischeArbeitsweisen beinhalten und in der Institution in Form eigenständigerkünstlerisch-edukativer Projekte sichtbar werden.In Bezug auf das Verhältnis von Kunstvermittlung und Kunstinstitutionhat Carmen Mörsch vier Funktionen und damitverbundene Diskurse herausgearbeitet, die derzeit einanderüberschneidend existieren.Kunstvermittlung mit affirmativer Funktion dient dem Museumseine durch die ICOM festgelegten Aufgaben – Sammeln,Bewahren, Ausstellen – effektiv nach außen zu kommunizieren.Kunstvermittlung mit reproduktiver Funktion wirbt um einPublikum und bemüht sich zielgruppenorientiert auch Öffentlichkeitenan Kunst heranzuführen, die nicht von alleine insMuseum gehen. Sie richtet sich oft auch an junge Menschen,die als das Publikum von m<strong>org</strong>en verstanden werden. Kunstvermittlungmit dekonstruktiver, institutionskritischer Funktionversucht die Konstruktion der Mythen Kunst und Museumin den Blick zu bekommen und zu zeigen, dass Dinge (Kunst),Wissensordnungen (Museen) und hierarchische Strukturen(Personalpolitik, Raumordnungen, …) von Menschen gemachtsind. Kunstvermittlung mit transformativer Funktion versucht,die Institution selbst zu verändern, indem sie lokal relevante122


Fragestellungen an die Inhalte eines Museums anknüpft unddarüber dem Publikum (bestimmten Interessensgruppen)Möglichkeiten der Interaktion, Partizipation und Selbstbildungeröffnen will. (CH)Weiterführende Literatur:Jaschke, Beatrice; Martinez-Turek, Charlotte und Sternfeld, Nora (Hg.):Wer spricht? Autorität und Autorschaft in Ausstellungen, Wien 2005.Mörsch, Carmen: Am Kreuzungspunkt von vier Diskursen: Die documenta12. Vermittlung zwischen Affirmation, Reproduktion, Dekonstruktionund Transformation, in: Mörsch Carmen (Hg): Kunstvermittlung2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta12. Ergebnisse eines Forschungsprojekts, Berlin, Zürich 2009.Sturm, Eva: Vom Schiessen und vom Getroffen-Werden. Kunstpädagogikund Kunstvermittlung ‚Von Kunst aus’, in: Pazzini,Karl-Josef u.a. (Hg.): Kunstpädagogische Positionen 7, Hamburg 2005Sturm, Eva: Woher kommen die KunstvermittlerInnen? in: Rollig, Stellaund Sturm, Eva (Hg.): Dürfen die das? Kunst als sozialer Raum. Art/Education/Cultural Work/Communities, Wien 2002.Wieczorek, Wanda; Hummel, Claudia u.a. (Hg.): Kunstvermittlung 1.Arbeit mit dem Publikum, Öffnung der Institution, Formate undMethoden der Kunstvermittlung auf der documenta 12, Berlin, Zürich2009.LernkulturLernkultur wird nach dem Psychologen Franz E. Weinert als„die Gesamtheit der für eine bestimmten Zeit typischen Lernformenund Lehrstile sowie die ihnen zugrundeliegendenanthropologischen, psychologischen, gesellschaftlichen undpädagogischen Orientierungen“ beschrieben. Im Begriff selbstist das Dilemma aktueller Diskussionen um Lernen jedochbereits angelegt: Lernen wird zum Gegenstand von Essen-123


tialisierung und Kulturalisierung. Zudem setzt der Begriff dasUmfeld des lernenden Subjekts ins Zentrum der Auseinandersetzungund vereinfacht damit die Subjektposition, die imkomplexen Geflecht aus Macht und Wissen (zum Beispiel inder Institution Schule) entsteht. In neueren Definitionen (zumBeispiel Weinberg) wird auf die Konstruktion von Lernkulturhingewiesen, und damit auf die Wandelbarkeit derselben undweiter auch auf die oben beschriebene Zeitlichkeit, doch diegrundsätzliche gesellschaftlich-hegemoniale Dimension desBegriffs bleibt unerfasst. Zwar legt zum Beispiel Weinert einegesellschaftliche Perspektive nahe, die jedoch zugleich in einekulturelle überführt wird – und damit für die Gesellschaft einnotwendiges Wissen attestiert, welches das Lern-Setting mitbestimmt.Die (mitgedachte) Vorstellung der lernenden Subjekteist rational; sie sind passive Empfänger einer (Prä-)Normierung.Zwar wird von Wechselverhältnissen gesprochen, doch Prozesseder Aneignung und Verweigerung von sogenannten Lernkulturenwerden ex negativo als gelingende Kommunikation undInteraktion beschrieben. Jede Form von Differenz wird in derLernkultur und damit in der Leitkultur „eingemeindet“ respektiveals Vielfalt mit aufgenommen (subjektiviert). Lernen ist einumkämpfter ökonomischer Raum im Macht-Wissen-Komplexund kann mit dem Begriff der Lernkultur, der immer schonkulturell definiert ist, nicht erfasst werden. (SG)Weiterführende Literatur:Jäger, Siegfried; Zimmermann, Jens, Lexikon Kritische Diskursanalyse –Eine Werkzeugkiste, Münster 2010.Weinert, Franz E.: Lernkultur im Wandel, in: Beck, Erwin; Guldimann, Titus;Zutavern, Michael: Lernkultur im Wandel. Tagungsband der SchweizerischenGesellschaft für Lehrerinnen- und Lehrerbildung und derSchweizerischen Gesellschaft für Bildungsforschung, St. Gallen 1997.Weinberg, Johannes: Lernkultur – Begriff, Geschichte, Perspektiven, in:Arbeitsgemeinschaft für Qualifikations-Entwicklungs-Management,124


Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Betriebliche Weiterbildungsforschung(Hg.): Kompetenzentwicklung‚ 99. Aspekte einer neuenLernkultur. Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen. Münster 1999.migrantischDas Wort – vielmehr den Neologismus – migrantisch sucht manvergeblich in Enzyklopädien oder Wörterbüchern. Eine Eingabedes Begriffes bei Google oder ein Blick in die Tageszeitungzeigt jedoch, dass man ihm kaum mehr entkommen kann: Daist die Rede von „migrantischen Communities“, „migrantischenLebenswelten“, „migrantischen Räumen“, oder „migrantischenSubjekten“. Zuweilen scheint der Begriff schlicht gleichbedeutendmit Migrationshintergrund verwendet zu werden. InAbgrenzung dazu und vor allem ganz im Gegensatz zum Wort„Migrant“, taucht das Attribut allerdings in jenen Debatten, indenen behauptet wird, von „den Migranten“ gehe eine Gefahrfür die kulturelle Integrität des National- und Rechtsstaates aus,nie auf. Vielmehr entstammt das Wort liberalen Diskursen undZirkeln, die kulturelle und ethnische Vielfalt als essentiellenBestandteil der modernen Gesellschaft betrachten.Kritische Migrationforscher sehen dennoch eine Vereinnahmungsgefahr.Der Terminus fände zunehmend Verwendung inZusammenhängen, in denen die positiven Effekte von Diversityfür die wirtschaftliche Attraktivität von Städten betont, dieprekäre rechtliche Situation von vielen Menschen mit Migrationshintergrundaber vollkommen außer Acht gelassen werde.Im Sinne einer kritischen Migrationsforschung, die sichdagegen sträubt, Menschen in Kategorien einzuordnen undinnerhalb dieser zu fixieren, entzieht sich das Attribut „migrantisch“einer einheitlichen Definition. Es lädt jedoch dazu ein,sich die diversen Prägungen und Erfahrungen, die Kulturen-125


und Grenzenüberschreitende Praktiken und/oder den rechtlichenoder ökonomischen Status von Menschen mit Migrationshintergrundgenauer zu betrachten. (BL)Weiterführende Literatur:Glick Schiller, Nina; Basch, Linda und Blanc-Szanton, Christina: Transnationalismus:Ein neuer analytischer Rahmen zum Verständnis vonMigration, in: Pries, Ludger (Hg): Transnationale Migration, Soziale Welt,Sonderband 12, Baden-Baden 1997.Hess, Sabine und Schwertl, Maria (Hg.): München migrantisch - migrantischesMünchen: Ethnographische Erkundungen in globalisiertenLebenswelten, München 2010.Wemheuer, Felix: Die Polizei studiert mit, in: Jungle World Nr. 18 vom06.05.2010.MigrationshintergrundDem Begriff Migrationshintergrund haftet beinahe etwasBedrohliches an. Wird zum Beispiel eine Schule zu 80 Prozentaus Schülern mit Migrationshintergrund besucht, gilt dieskeineswegs als Aushängeschild für ihre Internationalitätund ihren Kosmopolitismus, sondern als Makel. Der Begriffevoziert Probleme. Für mangelnde Deutschkenntnisse in etwa,mangelnde Disziplin, ein schlechtes Sozialverhalten oderGewaltbereitschaft. Amtlich eingeführt wurde der Terminusmit der Veröffentlichung des Mikrozensus 2005. Es sollteinsbesondere der Tatsache Rechnung tragen, dass viele „Gastarbeiter“inzwischen in der zweiten und dritten Generationin Deutschland lebten und eine Vielzahl davon die deutscheStaatsbürgerschaft angenommen hatte. Doch die Eingebürgerten(inklusive der Spätaussiedler) sollten nicht einfach inden Statistiken verschwinden. Sie sollten kenntlich bleiben,um zu signalisieren, „dass mit dem Erwerb der deutschen126


Staatsangehörigkeit Integration noch nicht unbedingt abgeschlossenist.“ (Böhmer, S. 21).Über den Mikrozensus fand der Begriff seinen Weg in denMainstream-Sprachgebrauch. Kritiker bemängeln zu Recht,dass (Un-)Wort sei diffamierend, weil es die tatsächlich sehrheterogenen Phänomene, die sich dahinter verbergen, außerAcht lasse und allzeit mit Problemen assoziiert werde. AlsUrsachen für diese werden in öffentlichen Diskussionen gerneauch pauschal kulturelle Disparitäten – in etwa die islamischenReligion und mit „dem“ Islam verbundene Wertevorstellungen– verantwortlich gemacht. Der Begriff „Migrationshintergrund“wird dann mit kultureller Andersheit gleichgesetzt. Die tatsächlichenDifferenzen innerhalb der Gruppe von Zugewandertenund Kindern aus Einwandererfamilien werden dabei meistausgeblendet. (BL)Weiterführende Literatur:Böhmer, Maria (Hg.): 8. Bericht über die Lage der Ausländerinnenund Ausländer in Deutschland, www.bundesregierung.de/Content/DE/__Anlagen/2010/2010-07-07-langfassung-lagebericht-ib,property=publicationFile.pdf.Esser Hartmut: Integration und ethnische Vielfalt, in: Bürgerrolle heute.Migrationshintergrund und politisches Lernen, Bundeszentrale fürpolitische Bildung, Bonn 2010.Ge<strong>org</strong>i, Viola B. und Ohliger, Rainer (Hg.): Crossover Geschichte.Historisches Bewusstsein Jugendlicher in der Einwanderungsgesellschaft,Hamburg 2009.Mattioli, Sandro: Die Deutschen erster und zweiter Klasse, StuttgarterZeitung vom 09. September 2006.Schiffauer, Werner: Parallelgesellschaften. Wie viel Wertekonsensbraucht unsere Gesellschaft? Für eine kluge Politik der Differenz,Bielefeld 2008.127


MigrationspädagogikMigrationspädagogik ist ein Fachterminus der Erziehungswissenschaftenund beschreibt Bildungsprozesse, die imRahmen der Einwanderungssituation in Deutschland stattfinden.Er geht von der Wahrnehmung aus, dass die besondereLebenswirklichkeit von Migrant/innen eine Herausforderungfür das Bildungssystem darstellt. Im Umgang mit dieserHerausforderung setzt sich die Migrationspädagogik vonzwei älteren Bildungskonzepten ab: Zum einen von kompensatorischenKonzepten, die im Sinn der „Ausländerpädagogik“den Migrant/innen einen Mangel unterstellen, der aufgeholtwerden müsse; und zum anderen von Konzepten des „InterkulturellenLernens“, die über die Aufwertung kultureller DifferenzenGefahr laufen, das Anderssein der Migrant/innen festzuschreiben.Um beide Essentialismen zu vermeiden, schlägtdie Migrationspädagogik vor, stärker auf die konkreten sozialenLebensbedingungen der Migrant/innen einzugehen undsie zur Grundlage von Bildungsansätzen zu machen. Dabeigeraten nicht nur die kulturellen Differenzen in den Blick,sondern auch ihre Verknüpfung mit den Kategorien Klasseund Geschlecht, sowie deren Einbindung in soziale Machtverhältnisse.Erst unter Berücksichtigung dieser Zusammenhängewerden pädagogische Konzepte denkbar, die sowohldie differenzierte Situation von Migrant/innen anerkennen,als auch gesamtgesellschaftliche Bildungsziele erarbeiten undverfolgen. Pädagogik erscheint aus dieser Perspektive wenigerals ein abstraktes Konzept, denn als pragmatischer Prozess,der zwischen Migrant/innen und Bildungsinstitutionen immerwieder neu ausgehandelt werden muss. (AB)Weiterführende Literatur:Bräu, Karin; Schwerdt, Ulrich (Hg.): Heterogenität als Chance. Vom produktivenUmgang mit Gleichheit und Differenz in der Schule. Münster 2005.128


Mecheril, Paul: Einführung in die Migrationspädagogik. Weinheim, Basel2004.Mecheril, Paul u. a.: Migrationspädagogik. Bachelor / Master. Weinheim,Basel 2010.Diehm, Isabell; Radtke, Frank-Olaf: Erziehung und Migration: eineEinführung, Stuttgart 1999.Mission-StatementWenn ein/e Mitarbeiter/in einer Institution einem Außenstehendenauf die Frage: „Was stellen Sie hier eigentlichher?“ antwortet: „Moment, da muss ich erst einmal den Cheffragen“, dann kann man relativ sicher sein, dass die entsprechendeInstitution über kein Mission-Statement verfügt.Denn ein Mission-Statement – der Begriff stammt aus demVokabular des Strategischen Marketings – soll sowohl für dieAngehörigen einer Institution wie Außenstehende klar formulieren,was der Sinn und Zweck der Institution ist und aufwelchen Wegen und mit welchen Mitteln sie ihre Ziele zu erreichenversucht. Ein Mission-Statement muss also nicht wenigerals die Existenz einer Einrichtung begründen und ihren Handlungsrahmenwie ihre Handlungsrichtung so zum Ausdruckbringen können, dass alle, die ihr angehören, es vollständigverstehen, verinnerlichen und gegenüber Dritten kommunizierenkönnen.Ein Mission-Statement ist also weder mit dem Auftrag, deneine Institution hat, noch mit einem Motto oder einemWerbespruch gleichzusetzen. Ziel eines Mission-Statementsist vielmehr, in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter/innen,den Auftraggebern und weiteren Partnern festzulegen, mitwelchen Ressourcen und Mitteln, mit wem und auf welcheWeise etwas erreicht werden soll. Das bedeutet, dass ein129


Mission-Statement sich nicht mit der Beschreibung des statusquo begnügen kann, sondern immer auch eine Vision für dieEntwicklung der Institution beschreiben muss.Ein Mission-Statement zu formulieren, macht gerade auchfür nicht-kommerziell ausgerichtete Unternehmungen, diekeine handelbaren Produkte produzieren (und ihren Erfolgüber deren Absatz am Markt messen können), Sinn. Denn ineinem Mission-Statement können im Prinzip beliebige, alsozum Beispiel auch kommunikative Ziele festgelegt werden:Seine Funktion besteht vor allem darin, für alle wie immer ander Arbeit der Unternehmung Beteiligten durchschaubar undüberprüfbar zu machen, ob diese Ziele durch die geleisteteArbeit erreicht werden (können).Mission-Statements sollten auch für Kooperationen wie diePatenschaften zwischen Schulen und Kultureinrichtungenformuliert werden. Dabei dürfte sich herausstellen, dass dafürwiederum die Mission-Statements der Partnerinstitutionen dieVoraussetzung sind. In jedem Fall werden sie immer nur füreinen begrenzten Zeitraum definiert, respektive nach einembestimmten, vorher festgelegten Zeitraum überprüft, um siemöglicherweise veränderten Voraussetzungen anpassen zukönnen. Denn ein Mission-Statement soll nicht der Kontrolle,sondern – im Sinne einer Rückkopplung – der Orientierung deran einer Unternehmung Beteiligten dienen. (MF)Weiterführende Literatur:Klein, Armin: Kulturmarketing. Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe,München 2005.130


NachhaltigkeitSperriger, normativer Begriff, der als Leitbild für die zukunftsfähigeLebensweise des Menschen dient. Bewegt sich imSpannungsfeld von Kontinuität und Wandel, beziehungsweiseEntwicklung. Ist immer ganzheitlich zu verstehen undbasiert auf intergenerativer und intragenerativer Gerechtigkeit.Als Verb „nachhalten“. Etwas, das man aktiv im Heutefür die Zukunft betreiben muss. Das, woran man sich hält,wenn sonst nichts mehr hält. Wenn nichts mehr hält, ist derKollaps eingetreten - per se das Gegenteil von Nachhaltigkeit.Im Notfall etwas zu haben, an das man sich halten kann,setzt Vors<strong>org</strong>e, Voraussicht und Genügsamkeit voraus. Wiesoaber für Zeiten vors<strong>org</strong>en, die man selbst nicht erleben wirdund für Menschen, die man nicht kennen lernen wird? Mitder UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ (BNE;2005-2014) soll Wissen über die globalen Zusammenhängeund Herausforderungen wie den Klimawandel oder globaleGerechtigkeit vermittelt werden. Gleichzeitig werden Kompetenzengeschult, dieses Wissen auf das eigene Denken undHandeln anzuwenden.Die oft bewusst vernachlässigte Diskussion über eine Kulturbeziehungsweise Ästhetik der Nachhaltigkeit ist mit allerDringlichkeit und Beharrlichkeit zu führen, sind hier doch dieerneuerbaren und immateriellen Ressourcen zu finden, die dendringend benötigten Kulturwandel herbeiführen können, derunsere Gesellschaften nachhaltig und zukunftsfähig werdenlässt. In einer solchen Welt kann „Mein eigenes Denken […] zueiner Keimzelle, einem Treibhaus, einer Werkstatt zukünftigenMenschseins werden.“ (Hildegard Kurt). Es wäre eine Welt, inder Entwicklung nicht das Synonym von (wirtschaftlichem)Wachstum wäre, sondern von Entfaltung. Was angelegt undin jedem Menschen „eingewickelt“ ist, kann sich entfalten. Die131


produktiven, kreativen Kräfte der Menschen können Lebennachhaltig gestalten und zu einem Plussummenspiel werdenlassen. (MA)Weiterführende Literatur:Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) (Hg.):Bericht der Bundesregierung zur Bildung für eine nachhaltigeEntwicklung, Bonn 2002.Deutscher Kulturrat: Kulturelle Bildung in der Schule.Stellungnahme vom 07.01.2009. www.kulturrat.de/detailphp?detail=1466&rubrik=4Goehler, Adrienne (Hg.): Zur Nachahmung empfohlen! Expeditionen inÄsthetik und Nachhaltigkeit, Ostfildern 2010.Kurt, Hildegard: Wachsen! Über das Geistige in der Nachhaltigkeit,Stuttgart 2010.PartizipationDer Begriff der Partizipation wird als Beteiligung, Teilhabe, Teilnahme,Mitwirkung, Mitbestimmung und Einbeziehung übersetzt.Das Gegenteil ist Fremdbestimmung. Dazwischen gibt esetliche Abstufungen über Mitwirkung, Mitbestimmung, Selbstbestimmungund Selbstverwaltung. Die zugrunde liegendeFrage lautet: wer beteiligt wen, wann, woran, in welcher Formund zu welchem Ziel?Partizipation ist Element des erweiterten Bildungsverständnisses.Sie lässt sich in einer Schule allerdings nicht als zusätzlicheBildungsaufgabe curricular verankern; ihre Prinzipienmüssen in die Leitbilder der Schul- und Alltagspraxis Einzughalten als „kulturelle Praxis der Teilhabe“. Dies setzt einengesellschaftlichen Paradigmenwechsel voraus. In Politik undPraxis findet die Partizipation von Kindern und Jugendlichen132


(noch) keine ungeteilte Akzeptanz. Hier spielt sicherlich dieAngst der Mehrheit vor der Minderheit eine Rolle, beziehungsweisedie Aggression der Mehrheit gegen die Minderheit.Partizipation geht von der Annahme des Schülers als Subjekt(nicht als ein sich Wissen aneignendes Objekt) aus, das inaktiver und maßgeblicher Weise die Planung, Gestaltung undReflexion seines eigenen (schulischen) Lebens übernimmt.Nebeneffekte können ein Zugewinn an Selbstwert und Selbstvertrauen,eine (stärkere) Identifizierung mit Projekten unddie Erfahrung der eigenen Veränderungspotenz und Gestaltungsmöglichkeitsein. Partizipation kann gelingen, wennsie auf Freiwilligkeit und Ernsthaftigkeit fußt (keine „Als-ob-Situationen“). Mit Partizipation als Methode beziehungsweisePrinzip kann die Akzeptanz, Qualität und Nachhaltigkeit vonEntscheidungen hergestellt beziehungsweise erhöht werden:Kinder und Jugendliche agieren als Experten ihres Alltags. Ausder Anwendung partizipativer Methoden lässt sich jedoch keinPartizipationsanspruch ableiten. Der Zugang zu Wissen, dieArtikulationsfähigkeiten der Menschen und das Verfügen überEntscheidungsbefugnisse sind wichtige Faktoren, die Partizipationermöglichen beziehungsweise verhindern können. Sowurde Partizipation lange Zeit in erster Linie als Mittel zurErreichung vorher von „Experten“ definierter Ziele verstanden(Alibi-Partizipation); wohingegen echte Partizipation Machtkonstellationenverändern kann. Partizipatorische Projekte imKunstbereich machen sich vor allem zur Aufgabe, Situationenvon Partizipation herzustellen: Wie kann ich auf verschiedenenEbenen teilhaben? Wann und wie wird ein Projekt zu meinem„eigenen“? Wie sieht eine gemeinsame Autor/innenschaft ausund wie gemeinsame Gestaltung? Hier soll das Prinzip derPartizipation in der Praxis erfahrbar werden. Dabei verliert dieoft angestrebte Präsentation eines Projektes beziehungsweise„Kunst“ als Ergebnis im Vergleich zum Prozess und zur gemeinsamenaber auch individuellen Erfahrung an Wichtigkeit. (MA)133


Weiterführende Literatur:Bishop, Claire: Participation, London, Cambridge 2006.Hartnuß, Birger; Maykus, Stephan: Mitbestimmen, mitmachen, mitgestalten,in: Edelstein, Wolfgang; Fauser, Peter (Hg.): Schriftenreihe desBLK-Programms Demokratie lernen & leben. Beiträge zur Demokratiepädagogik,Berlin 2006.Theater an der Parkaue (Hg.): Kunstvermittlung als künstlerische Praxis,Berlin Spielzeit 2009/2010.UN-Kinderrechtskonvention: Übereinkommen über die Rechte des Kindeswww.national-coalition.de/pdf/UN-Kinderrechtskonvention.pdfWildfeuer, Wolfgang: Partizipation in der Ganztagsschule – Bezüge, Anregungen,Beispiele. Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (Hg.), Berlin 2009.www.dkjs.de/uploads/tx_spdkjspublications/AH13-v21_klein.pdfperformativAls Eigenschaftswort beschreibt performativ eine spezifischeQualität von so genannten Sprechakten, wie sie zuerst durchJohn Austins Sprachphilosophie bekannt wurde. Seine Entdeckungbesteht im Wesentlichen darin, dass mit Hilfe sprachlicherÄußerungen reale Handlungen vollzogen werden können.Wer sich beispielsweise trauen lässt, vollzieht im Rahmen einerfestgelegten Zeremonie über sein Ja-Wort eine Handlung.Die Folge dieser Handlung ist der Stand der Ehe. Ein alltäglichesBeispiel ist der Satz „Ich danke Ihnen“. Dieser Satz besitztkeinen Aussagegehalt im Sinne von wahr oder falsch, sondernist im Moment des Aussprechens eine Handlung. Das Dankengeschieht über das Aussprechen der Worte und will darüberhinaus nichts bedeuten (wenn man von einer ironischen odersarkastischen Verwendung absieht). Die in Austins Vorlesung„How to do things with words“ (1955) entwickelten Ansätzewurden nach dessen frühen Tod im Jahre 1960 vor allemdurch John Searle zur Sprechakttheorie ausgebaut und in134


dessen Folge wiederum weiterentwickelt oder punktuell revidiert.Der performative turn führte zu weit reichenden Neuansätzenin den Kultur- und Sozialwissenschaften: Gesellschaftenerzeugen ihre Realität durch performative Handlungen. Nebender Wirklichkeit erzeugenden Kraft ist ein weiteres Kriteriumperformativer Handlungen deren Selbstreferenzialität, alsodie Deckungsgleichheit von Bedeutung und Tun. Auf dieserDeckungsgleichheit basiert die Performancekunst, die sich indiesem Punkt von repräsentativen Formen der Kunst unterscheidet.Allerdings ist Performancekunst nicht gleichzusetzenmit performativ, was ebenso für die Performance gilt. DerBegriff performativ dient dazu, solche Formen künstlerischerPraxis zu erfassen, in denen es nicht um die Repräsentationeines geprobten V<strong>org</strong>angs geht, sondern um die Herstellungeiner Realität durch den Vollzug von Handlungen im Hier undJetzt und den Verweis auf diese erzeugte Realität. Das Performativedes künstlerischen Akts/der szenischen Darstellung/derPerformance wird durch den gemeinsamen Prozess zwischenKünstler/Schauspieler/Performer und Zuschauer hergestellt.Demnach gibt es weder ein performatives noch ein nichtperformativesTheater. Der Begriff des Performativen eröffneteine andere Perspektive auf theatrale V<strong>org</strong>änge, auf Medienund auf Bereiche des öffentlichen Lebens (zum Beispiel Politik,Fußball). Im Zentrum stehen dabei Interaktionen und Prozesse,die zwischen den Beteiligten stattfinden und aufgrund einerstrukturellen Offenheit der Situation nicht gänzlich kalkulierbarsind. Durch diese Verschiebung der Perspektive auf Kultur undGesellschaft – von Institutionen und Werken hin zu Interaktionenund Prozessen – verändert sich auch die Rolle oder diePosition des Betrachters/Zuschauers, der selbst Teil der initiiertenProzesse ist. In künstlerischen Praktiken, die als performativbeschrieben werden können, geht es nicht um das, washerv<strong>org</strong>ebracht wird, sondern darum, wie etwas entsteht undum die Effekte, die aus dem Tun resultieren. (SW)135


Weiterführende Literatur:Austin, John Langshaw: How to do things with words. Oxford 1962 –deutsche Ausgabe: Zur Theorie der Sprechakte. Deutsche Bearbeitungvon Eike von Savigny, Stuttgart 1972.Carlson, Marvin: Performance, New York 1996.Matzke, Annemarie: Just Do It! Performativität, Material, Prozess. RedigierterVortrag in der <strong>Dokumentation</strong> zur Tagung ‚Kunstvermittlung alskünstlerische Praxis’ im THEATER AN DER PARKAUE (Berlin) unterwww.parkaue.de (17. Oktober 2010)(Abschluss-)PräsentationDie Abschlusspräsentation ist ein Begriff, dessen Bedeutungsich aus seinen Komponenten erschließt. Abschluss signalisiert:Ein Prozess ist zu Ende gegangen. „Präsentation“ ist abgeleitetvom Verb präsentieren und geht zurück auf das spätlateinischepraesentare (darbieten, gegenwärtig machen). In einerAbschlusspräsentation werden die Ergebnisse eines vorangegangenenArbeitsprozesses gegenwärtig gemacht. In diesemMoment der Gegenwart ist die Arbeit Vergangenheit, undspielt vor allem eine Rolle, was sie herv<strong>org</strong>ebracht hat. Workshopswerden oft mit einer Abschlusspräsentation beendet.Hier steht dann das momentane Stadium der gemeinsamenArbeit im Vordergrund und darf der Entstehungsprozessfühlbar werden – worin ein eigener Reiz bestehen kann.In die Schule hat die (Abschluss-) Präsentation in den letztenJahren parallel zur zunehmenden Ausrichtung der Bildungauf die „Wirtschaftskompabilität“ des heranwachsenden„Humankapitals“ Eingang gefunden. Wo Bildung als Sprungbrettfür die „Selbstvermarktung“ des jungen Menschen inder kapitalistischen Gesellschaft verstanden wird, müssenauch die Curricula entsprechend angepasst werden: In der136


so genannten 5. Prüfungskomponente, der „Präsentationsprüfung“,lernen Schüler/innen, sich und ihre Themen zupräsentieren – und sollen damit auf ihre zukünftige Rolleim Wirtschaftsleben vorbereitet werden. Positiv gesehenkönnte sich eine zunehmende Individualisierung und individuelleLeistungsförderung ausdrücken: die Schüler/innenkönnen eigenen Interessen nachforschen und die ErgebnisseZuschauern vorstellen. Jedenfalls sind die zahlreichen – inzwischenauch externen – Extraangebote an den Schulen ohnePräsentationen kaum mehr denkbar und werden als Bereicherungdes Schullebens auf den Websites der Schulen gerne alsbesonderes „Event“ angekündigt. (ACG)prekärPrekär bezeichnet eine Situation oder Lage, die unstabil,unsicher, schwierig oder heikel ist. Das Wort stammt vomfranzösischen précaire ab, das widerruflich, unsicher bedeutet.Der Begriff wird häufig im Zusammenhang von Arbeits- undLebenssituationen gebraucht und bezieht sich hier auf diezunehmende Gruppe von Menschen, die in keinem „Normalarbeitsverhältnis“stehen, sondern „atypischen“ Beschäftigungsformennachgehen. Zu dieser Gruppe gerechnet werdenZeitarbeiter/innen, die zusätzlich zu ihrem Lohn ArbeitslosengeldII beantragen müssen, um auf ein ExistenzsicherndesEinkommen zu kommen, des weiteren Studienabgänger/innen, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln, sowieTeilzeit- und Telearbeiter/innen, Minijobber, Scheinselbständige,freie Mitarbeiter/innen in Verlagen und Medienbetriebenund Künstler/innen.„Prekär beschäftigt sind all jene, deren Arbeitssituation brüchigund jederzeit widerrufbar ist. Der arbeitsrechtliche Schutz ist137


weitgehend reduziert, die Verträge sind befristet, die Arbeitsortewechseln rasch, die Entlohnung liegt unter tariflichenStandards, berufliche Weiterentwicklung und betrieblicherAufstieg spielen in diesen Erwerbsformen keine Rolle mehr.„Prekär Beschäftigte sind der Spielball einer neuen unsicherenArbeitswelt, die immer ungleicher wird,“ so Berthold Vogel,Projektleiter am Hamburger Institut für Sozialforschung. Dieseneue Arbeitswelt ist das Ergebnis einer neoliberalen Deregulierungpolitik,die seit den 1980er-Jahren von den verschiedenenRegierungen der Bundesrepublik in unterschiedlicherIntensität betrieben wird. Unter dem v<strong>org</strong>eblichen Zwangder Globalisierung zielt sie darauf ab, niedrigere Lohnkosten,einen flexibleren Arbeitsmarkt und verbesserte internationaleWettbewerbsfähigkeit zu schaffen.Für Pierre Bourdieu (1930-2002) bedeuteten diese unsicherenBeschäftigungen vor allem eines: den Verlust der Zukunftsperspektiveund dadurch auch, sein Leben planen und für seineInteressen eintreten zu können. Er sah darin Methode: dasStreben nach ökonomischer Flexibilität von Unternehmen seikein „Zwang“ im Zuge der Globalisierung, sondern ein Produktdes politischen Willens: das „flexible“ Unternehmen beute einevon Unsicherheit geprägte Situation aus, die von ihm nochweiter verschärft wird.In der prekären Lage, nicht planen zu können oder keineZukunftsperspektive zu haben, befinden sich nicht nur Einzelpersonen,sondern auch essentielle gesellschaftliche Felderwie die kulturelle Bildung. Aktuelle Haushaltsentscheidungenvon Ländern und Kommunen bedrohen die Existenz desMuseums in Altona, des Theaters in Wuppertal, des KinderundJugendtheaters in Halle und des Naturkundemuseums inLeipzig. Doch nicht nur die drohende Schließung von Kultureinrichtungengefährdet den Sektor Kulturelle Bildung, fatal ist138


auch das jährliche Hangeln von Zuwendung zu Zuwendungvieler Projekte und Einrichtungen, was längerfristige Planungund kontinuierliche Arbeit unmöglich macht. (HO)Weiterführende Literatur:Brinkmann, Ulrich et al.: Prekäre Arbeit, Bonn 2006.Bourdieu, Pierre: Gegenfeuer, Konstanz 2004.Castel, Robert; Dörre, Klaus: Prekarität, Abstieg, Ausgrenzung.Die soziale Frage am Beginn des 21. Jahrhunderts, Frankfurt a.M. 2009.Fünf Fragen zu: Prekärer Beschäftigung, Interview mit Berthold Vogel,in: Das Parlament Nr. 38 / 14.09.2009.ProjektIn vielen Kontexten (unter anderem Kunst, Politik, Technik,Wirtschaft) gebräuchlich, weist der Begriff Projekt eine Vielzahlan Bedeutungsmöglichkeiten und Definitionen auf. AllenBestimmungen gemeinsam ist jedoch die zeitliche Dimension,die auf den lateinischen Ursprung proiectus (Partizip Perfektvon proiacere: nach vorn geworfen) zurückgeht. Projekte sinddaher im Allgemeinen besondere Vorhaben mit Entwurfscharakter.Der Projekt-Begriff ist sowohl in der Didaktik/Pädagogikals auch in der Kunst eingeführt und tradiert. So arbeitetenim 16. Jahrhundert Architekturstudenten in Italien anso genannten progetti (selbstständig angefertigte Modelle).Besonderen Einfluss auf Pädagogik und Didaktik hatte die amEnde des 20. Jahrhundert von John Dewey (US-amerikanischerProfessor für Philosophie und Pädagogik) entwickelte Projektmethode.Lehr- und Lernprozesse sollen dabei so gestaltet sein,dass sich die Lernenden ihrer eigenen Fähigkeiten und Kenntnissebedienen. Im Zuge der Durchführung eines Projektswerden dann weitere Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben.Das traditionelle Rollenverständnis zwischen Lehrenden und139


Lernenden wird zugunsten von Mit- und zunehmender Selbstbestimmungder Lernenden überwunden. Lehrende undLernende arbeiten an einer „echten“ Aufgabe, einer realenFragestellung. Der umfassende Anspruch der Projektmethodefindet sich in verkleinerter Form in der so genannten Projektarbeitwieder. Sowohl die in der Folge von Dewey entwickeltenunterschiedlichen Modelle der Projektmethode (KarlFrey, Herbert Gudjons und andere) als auch die Projektarbeitweisen auf struktureller Ebene Analogien zum künstlerischenArbeiten auf. Dazu zählt zum Beispiel das Finden einer Fragestellungoder eines künstlerischen Interesses im Hinblick aufeine gesellschaftliche Praxisrelevanz. Dieses Interesse führtzur Auseinandersetzung mit einem Gegenstand und bedingterfahrungsbasierte Lernprozesse. Projekte sind sowohl in derKunst als auch in der Pädagogik zeitlich definierte Vorhaben,sie sind themen- und ergebnisorientiert und können kollaborativdurchgeführt werden. (SW)Weiterführende Literatur:Dewey, John: Kunst als Erfahrung, Frankfurt/Main 1988.Dewey, John und Kilpatrick, William Heard: Der Projektplan. Grundlegungund Praxis, Weimar 1935.Frey, Karl: Die Projektmethode. Weinheim, Basel 1996.Gudjons, Herbert: Handlungsorientiert lehren und lernen, Bad Heilbronn2008.Koch, Gerd und Streisand, Marianne (Hrsg.): Wörterbuch der Theaterpädagogik,Uckerland 2003.ProzessIm heutigen allgemeinen Sprachgebrauch wird mit demBegriff Prozess der Verlauf beziehungsweise das Fortschreiteneiner Abfolge von einzelnen oder simultanen Ereignissen140


ezeichnet, die in einer kausalen Verbindung zueinanderstehen. Prozesse unterliegen einer raum-zeitlichen Logik undhaben daher einen Anfangs- und einen Endpunkt, die beidein Bereichen liegen können, die sich der menschlichen Wahrnehmungentziehen. Entlehnt wurde das Wort aus dem Lateinischenprocessus = Fortgang, Fortschreiten und procedere= vorwärtsgehen, vorrücken, vortreten. Für die heutige, sehrbreite Verwendung des Begriffs s<strong>org</strong>te eine Verschiebung derBetrachtungsweise mit Beginn des 19. Jahrhunderts innerhalbder frühen Naturwissenschaften. Es handelt sich dabeium die Hinwendung von einer statisch-klassifikatorischenzu einer dynamisch-prozesshaften Betrachtung der natürlichenUmwelt. Am Beispiel der Arbeiten von Jean-Baptistede Lamarck und Charles Darwin über die Entstehung undEntwicklung der Arten, wird die Bedeutung dieser Wende sehrdeutlich. Ähnliches lässt sich auch in der Betrachtung der sozialenUmwelt seitens der Philosophie beschreiben. Auch hierlöste ein dynamisches Verständnis die zum damaligen Zeitpunktvorherrschende statische Auffassung von gesellschaftlichenZuständen ab. Hegel übernimmt den Prozessbegriff ausdem naturphilosophischen Diskurs seiner Zeit und identifiziertProzesse als Bewegung. Die Gegensetzung Stillstand versusBewegung prägt auch heute das Verständnis von Prozessen,sei es im Sinne eines geordneten, zielführenden Nacheinandersvon Einzelschritten in zum Beispiel Produktionsprozessenoder als nicht vorhersehbarer Zufallsprozess im Rahmen einerwissenschaftlichen Versuchsanordnung. Auch in der Kunst istder Prozessbegriff vornehmlich mit der Vorstellung von Bewegungassoziiert und verbindet sich hier mit dem Motiv derSuche, des Forschens oder des Experiments. Diese Aufladungerhielt der Prozessbegriff in den 60er- und 70er-Jahren des 20.Jahrhunderts und s<strong>org</strong>te im Zuge postmoderner und poststrukturalistischerTheorien für ein Aufbrechen des Werkcharakters,eine Offenlegung von Produktionsbedingungen, eine141


Emanzipierung des Betrachters/Zuschauers sowie eine Demokratisierungdes Kunstbegriffs. Die Betonung des Prozesshaftenist eine Strategie, die in Kulturinstitutionen wie Museenund Theater vorhandene Tendenz zur Verzweckung von Kunst(Bedienung einer Nachfrage, Bildungsauftrag, Deutungshoheit,Kontinuität etc.) zu unterlaufen. Prozesshaftes Arbeitenin der Kunst, möglicherweise auch in der Didaktik, ist derVersuch, das Denken und Arbeiten nicht auf ein angestrebtesErgebnis hin auszurichten. Vielmehr geht es um die Möglichkeit,Entscheidungen neu zu treffen und auf das Gegebene imHier und Jetzt eines Prozesses zu reagieren. Letztlich ist derBegriff Prozess – übertragen auf den sozialen, künstlerischenund pädagogischen Bereich – eine mentale Größe, welche dieEinheit der auftretenden Brüche und Unwägbarkeiten gewährleistet.(SW)Weiterführende Literatur:Holtwiesche, Noah: Prozess, in: Sagen wir wir – theaterpädagogischePublikation des THEATER AN DER PARKAUE, veröffentlicht als Beilageim April-Heft von Theater der Zeit, Berlin 2010.Koch, Gerd und Streisand, Marianne (Hg.): Wörterbuch der Theaterpädagogik,Lemma Prozess und Produkt, Uckerland 2003.Lemma Prozeß. 3. der allgemeine und geschichtsphilosophischeBegriff, in: Ritter, Joachim und Gründer, Karlfried (Hg.): HistorischesWörterbuch der Philosophie, Basel 1989.Tischer, Angelika (Hg.): KLIP. Prozesskunst in der Schule - eine Annäherungin Theorie und Praxis. Kunst und Lernen im Prozess 1, Berlin 2003.Tischer, Angelika (Hg.): KLIP. Prozesskunst in der Schule - eine Annäherungin Theorie und Praxis. Kunst und Lernen im Prozess 2, Berlin 2004.142


Strukturelle KopplungDen Begriff „strukturelle Koppelung“ hat der Wissenschaftstheoretikerund Soziologe Niklas Luhmann geprägt. Er verstehtdarunter die Beziehung zwischen zwei oder mehreren selbstreferentiellen(autopoietischen) Systemen.Nach den Annahmen der Systemtheorie können selbstreferentielleSysteme nicht in ihrer Umwelt, also auch nicht innerhalbanderer Systeme operieren, sondern deren Verhalten lediglichintern, in ihren jeweils eigenen „Codes“ errechnen, konstruierenund beschreiben. Damit entsteht die Frage, wie Systemedennoch eine vergleichbare Vorstellung von der Wirklichkeitentwickeln und anscheinend abgestimmt auf- oder miteinanderreagieren können.Strukturelle Koppelung beschreibt das Phänomen, dassSysteme aufgrund wechselseitiger Beobachtung in jeweilseigener Weise, doch vergleichbar sensibilisiert werden undaufgrund dessen ihr Verhalten verändern. In dem Maße,wie dies geschieht, entwickelt sich, was als „structural shift“bezeichnet wird: ein Verhalten, das so aussieht, als hätten dieSysteme unmittelbar miteinander reagiert oder sogar wechselseitigineinander eingegriffen. Tatsächlich bleibt die Autonomieder Systeme – ihre Identität – jedoch erhalten undhaben sie nur eine jeweils eigenständige Differenzierung ihrerOperationen in ihren jeweils eigenen Codes vollzogen.Am Beispiel der Patenschaft zwischen der marcel-breuerschuleund dem Museum der Dinge war dieser Prozess klar zubeobachten: Weder wurde die Schule zum Museum noch dasMuseum zur Schule und weder begannen die Kuratorinnenzu unterrichten noch die Lehrer/innen zu kuratieren. Vielmehrstellte sich jedes der beiden Systeme auf seine eigene Weise143


um: die Schule, indem sie den Unterricht mit und im Museumin seine Lehrpläne aufnahm, und das Museum, indem es sichals Arbeitsplatz neu definierte. (MF)Weiterführende Literatur:Luhmann, Niklas: Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt am Main1998.Maturana, Humberto: Erkennen: Die Organisation und Verkörperungvon Wirklichkeit. Ausgewählte Arbeiten zur biologischen Epistemologie,Braunschweig 1982.(gesellschaftliche) Teilhabe / TeilnahmeTeilhabe und Teilnahme sind Formen von Partizipation, beidenen der Grad der (Mitsprache- und Gestaltungs-)Rechtevariiert. Ein Teilhaber ist ein Mitberechtigter; die Ausübungder Rechte setzt eine gewisse Übernahme von Verantwortungvoraus. Die aktive Teilhabe schließt den Aspekt des tatsächlichenDabeiseins (die Teilnahme) ein. Teilhabe kann Entscheidungsprozesseim Vorfeld (zum Beispiel eines Projekts)umfassen, bis hin zu der Entwicklung von Lösungsstrategienund der Übernahme von Verantwortung für Ergebnisse, beziehungsweisederen Auswertung.Teilnahme zeichnet sich durch einen starken physischen Aspektaus und ist oft im Heute / Hier & Jetzt verankert. BestimmteAspekte des praktischen (lokalen) Wissens wie zum Beispieldas Schuhe binden sind am einfachsten über aktive Teilnahmezu erlernen. Dieses Wissen ist anders abrufbar als kognitivesWissen, es ist inkorporiert und entsteht durch selbstbeobachtendeTeilnahme.144


Erfolgreiche Teilhabe und Teilnahme setzt die Möglichkeit unddie Befähigung dazu voraus. Nicht vorhandene Möglichkeitenzur Teilhabe schließen vom politischen, kulturellen und sozialenLeben aus und vergrößern gesellschaftliche Probleme.Wo bei Teilnahme die Befähigung allein darin liegen kann, ineinem bestimmten Alter zu sein, kann die Befähigung zur Teilhabeviel mehr umfassen: Geht man von kultureller Teilhabeals „Partizipation am künstlerisch kulturellen Geschehen einerGesellschaft im Besonderen und an ihren Lebens- und Handlungsvollzügenim Allgemeinen“ aus, dann müssen die Fähigkeitendazu als eine Art Technik erlernt werden. KulturelleBildung ist somit Voraussetzung für eine Teilhabe an Kunst.Teilhaberechte sind Menschenrechte. Bevor (gesellschaftliche)Teilhabe allerdings wahrgenommen werden kann, müssen außerBildung (die sowohl als Voraussetzung, als auch als Folge von Teilhabegesehen werden kann) noch weitere Bedingungen erfülltsein, wie zum Beispiel rechtliche (Gewährleistung des Zugangs),geographische und ökonomische. Des Weiteren muss im Sinneder Teilhabegerechtigkeit Ausschluss vermieden werden. DasPotsdamer Manifest fordert eine intensive Teilhabe, durch die „dasIndividuum eine übergreifende Einbettung in die es umgebendeMitwelt und den Lebensverbund der Erde [erfährt].“ (MA)Weiterführende Literatur:Duerr, Hans-Peter; Dahm, Daniel; zur Lippe, Rudolf: PotsdamerManifest 2005. We have to learn to think in a new way, München 2006.Fuchs, Max: Kulturelle Teilhabe und kulturelle Bildung. Fonds Soziokulture.V. am 17.02.2010: www.fonds-soziokultur.de/shortcut/02/news/kulturelle-teilhabe-und-kulturelle-bildung/Wilkinson, Richard; Pickett, Kate: Gleichheit ist Glück. Warum gerechteGesellschaften für alle besser sind, Berlin 2009.145


transformativtrans-, Trans-: „hindurch, hinüber, durch; über – hinaus“ ist ausdem Lateinischen entlehnt. Das lateinische trans-formare heißtumformen, umwandeln. Das Adjektiv transformativ bezeichnetdemzufolge eine umformende oder umwandelnde Weise.Im Kontext der Politikwissenschaft ist eine Transformationder grundlegende Wechsel oder Austausch eines politischenRegimes. Im Kontext der Kunstvermittlung wird derzeit dietransformative Funktion der Kunstvermittlung in Bezug aufdie Kunstinstitution diskutiert. Kunstvermittlung übernimmthierbei die Aufgabe, Museen und Ausstellungsinstitutionenzu erweitern und als Akteur gesellschaftlicher Mitgestaltung(auch politisch) zu positionieren. „Kunst und das Museumwerden als lernende, in Veränderung befindliche Organisationenbegriffen, bei denen es weniger darum geht, Gruppenan sie heranzuführen, als dass sie selbst an die sie umgebendeWelt – zum Beispiel an ihr lokales Umfeld – herangeführtwerden müssen und sich fragen müssen, inwieweit die Mitgestaltungunterschiedlichster Öffentlichkeiten langfristig fürihren Erhalt notwendig sind“. (Carmen Mörsch)Weil Institutionen in der Regel dazu neigen, sich in erster Linieselbst zu erhalten, haben es sich ein Teil der zeitgenössischenKunstvermittler/innen zur Aufgabe gemacht, Kunstvermittlungspraxenzu entwickeln, die die Institution in ihren klassischenAufgabenfelder erweitern, den Bildungsauftrag samtdem verbundenen Bildungsbegriff einer Institution kritischreflektieren, Wissenshierarchien und auch die Positionen vonLehrenden und Lernenden hinterfragen und damit auf dasSelbstverständnis und die Struktur der Institution transformativzu wirken versuchen.146


Aber auch die Aufgaben und Haltungen von institutionellenMitarbeiterinnen und Mitarbeitern stehen dabei zur Debatte.Insofern ist es wenig verwunderlich, wenn die Transformationhier und da zu Wechselspannungen führt. Bei den Patenschaftenkönnen sich Transformationen aufgrund einer strukturellenKoppelung ergeben. (CH)Weiterführende Literatur:www.iae.zhdk.ch/iae/deutsch/forschung/forschungsschwerpunkte/kunstvermittlung-in-transformation/vorschulisch, außerschulischUnter Vorschule wird eine an eine Grundschule oder an einenKindergarten integrierte Einrichtung oder auch Situation, inder die Kinder auf das schulische Lernen vorbereitet werden,verstanden. Verlangt wird von den Einrichtungen, systematischBildungssituationen und Lernprozesse zu initiieren, dieden Kindern vorbereitende Impulse für die schulischen Erfordernissebringen. Das vorschulische Lernen ist freier als dasschulische Lernen, da es offenere Bildungspläne gibt und vorallem anschauliches, erkundendes und praxisnahes Lernenermöglicht wird.Dies gilt auch für die außerschulischen Einrichtungen, beidenen zwischen zwei Arten von Lernorten unterschieden wird:den pädagogisch vorbereiteten Orten wie zum Beispiel einemScience Center oder einem Jugendclub und den nicht pädagogischvorstrukturierten Orten wie zum Beispiel der Feuerwehroder der Bibliothek. Die Idee, außerschulische Einrichtungenals mögliche Lernorte zu verstehen und in den pädagogischenProzess einzubeziehen, stammt aus der Reformpädagogik.Die Themen des schulischen Unterrichts sollen an den Eindrü-147


cken der Lebenswelt der Kinder anknüpfen wie auch eineVerbindung zu gesellschaftlich relevantem Wissen herstellen.Das heißt, auch das vorschulische oder das außerschulischeLernen sind sinn- und zweckgerichtet; selten werden damitfreie Bildungsprozesse, so genannte informelle Lernsituationen,gemeint.Der Begriffskomplex impliziert automatisch ein „um etwaskreisen“ oder „auf etwas bezogen sein“, die Schule als zentralerMittelpunkt für Kinder, Jugendliche und zum Teil auch Erwachsene.Letztendlich geht es darum, sicher zu stellen, dass dieLerninhalte der Schule draußen ihren Widerhall finden wieumgekehrt, dass kulturelle Situationen reflektiert werden.An diesen außerschulischen Lernorten werden in einembestimmten Rahmen freiere Bildungsprozesse ermöglicht, diemeist nicht kontrolliert werden hinsichtlich eines Resultates.Dennoch bleibt im Rahmen dieser Definition die Frage, ob wirimmer „beschult“ werden müssen. (AP)Weiterführende Literatur:Eschenbroich, Donata: Weltwissen der Siebenjährigen, München 2001.Zugang (Zugangsmodalitäten)Das Kernstück des Wortes heißt „Gang“. Das Präfix „zu“ zeigtdie Bewegung in Richtung von etwas oder jemandem an.Gang ist der Ort, den man durchschreitet, um irgendwo hinzu gelangen. Oder der Ort, an dem man wartet, um irgendwoZugang zu erhalten. Ein Teil des Zugangs liegt beim aktivenSubjekt: es möchte irgendwo hineinkommen, dabei sein,teilhaben. Der andere Teil des Zugangs wird von jemandemgewährt, gestattet, verwehrt, etc. (weshalb die Wendungenmit Zugang „Machtwörter“ sind). Zugang haben ist keine148


Selbstverständlichkeit, sondern Privileg. Eine Herstellung derChancengleichheit, das heißt dem Recht auf eine gerechteVerteilung von Zugangs- und Lebenschancen, wird oft demBildungssystem zugesprochen. Studien wie zum Beispiel PISA2010 (bei der nur bestimmte Kompetenzen untersucht werden,andere hingegen wertlos sind) belegen allerdings eindrücklich,dass schulische Bildung (weiterhin) bereits bestehendeAusgrenzungen fortschreibt. Es besteht eine direkte Verbindungzwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg: sozialeSegregation verhindert den Zugang zu Schulen.Im postindustriellen Zeitalter wird Zugang (zu Ideen, Güternoder Dienstleistungen) von immer größerer Bedeutung.Obwohl (globale) öffentliche Güter ohne Ausnahme jedem zurVerfügung stehen (Prinzip der Nicht-Ausschließbarkeit) undvon unterschiedlichen Nutzer/innen parallel genutzt werdenkönnen sollen (Prinzip der Nicht-Rivalität), bestehen faktischoft unzureichende oder ungleiche Zugangsmöglichkeiten und-modalitäten.Steht das (globale) öffentliche Gut in begrenzter Quantitätoder Qualität zur Verfügung, müssen sowohl intergenerativ alsauch intragenerativ gerechte Zugangsregelungen gefundenwerden, damit alle Zugang haben (wie zum Beispiel beiWasser, bei der Atmosphäre, …). Entfällt die gerechte Klärungder Frage, wer wo in welcher Form Zugang hat, bleibt beiden Verteilungskämpfen (denn darum geht es beim Zugang)Gewalt als eine Möglichkeit sozialen Handelns nicht aus. (MA)Weiterführende Literatur:Becker, R.; Lauterbach, W. (Hg.): Bildung als Privileg. Erklärungen undBefunde zu den Ursachen der Bildungsungleichheit, Wiesbaden 2007.Rifkin, Jeremy: Access. Das Verschwinden des Eigentums. Warum wirweniger besitzen und mehr ausgeben werden, Frankfurt, New York 2000.149


ZukunftsfähigkeitZukunftsfähigkeit wird häufig als Synonym für Nachhaltigkeitbenutzt. Sie verweist auf die Fähigkeit des Menschen, Phänomenenicht nur auf der Grundlage bisheriger Erfahrungen undvon bislang Gewesenem wahrzunehmen, sondern auch inihren Potenzialen. Wir können auf die Zukunft hin denken und,bedeutsamer noch, von der Zukunft her, formuliert HildegardKurt in „Kunst als sensibler Seismograph der Menschheitskrise“.Nachhaltigkeit beziehungsweise Zukunftsfähigkeit sind vonMenschen zu definieren, die darin einen neuen Humanismusverstehen und bereit sind, ihn ins Werk zu setzen. Das alles,um am Ende mit Beuys festzustellen: „Schön ist, wenn dieMenschen sich anstrengen, auch von ihren inneren Bezirken,davon, was ich Kreativität genannt habe, Gebrauch zumachen. […] Wenn sie also von ihrem Grundkatalog der Kreativitätallmählich Gebrauch machen, dann wird sich die Welt,nachdem sie verwelkt ist, auch wieder erheben können.“ (MA)Weiterführende Literatur:Altenberg, Theo; Oberhuber, Oswald (Hg.): Gespräche mit Beuys.Joseph Beuys in Wien und am Friedrichshof, Klagenfurt 1988.Kurt, Hildegard: Kunst als sensibler Seismograph der Menschheitskrise.Interview in: kulturkontakt autumn 2009.150


ANHANGKulturelle Bildung – ein Rahmenkonzept für Berlin!Mitteilung des Senats an das Abgeordnetenhaus vom 09. März2008 (Auszug)1. PräambelDas Recht auf und die Möglichkeit zur kulturellen Bildung gilt für alleMitglieder der Gesellschaft. Die nachfolgenden Ausführungen undVorschläge für ein Rahmenkonzept konzentrieren sich exklusiv aufKinder und Jugendliche. Diese Konzentration entspricht dem Auftragdes Abgeordnetenhauses. Ein Ausschluss anderer Zielgruppen wiez.B. Erwachsene oder Rentnerinnen und Rentner ist damit ausdrücklichnicht intendiert. Gleichwohl ist damit auf die Grenzen des vorliegendenRahmenkonzeptes verwiesen.Aufgabe kultureller Bildung in diesem Sinne ist es, Kinder und Jugendlichezu befähigen, am kulturellen Leben der Gesellschaft, in der sieleben, aktiv und selbstverantwortlich teilnehmen zu können. Siesollen in die Lage versetzt werden, sich die Welt anzueignen und sieneu zu gestalten, indem ihre Phantasie angeregt, ihr Selbstbewusstseingestärkt und ihre Sinne geschärft werden. Kulturelle Bildungfindet nicht losgelöst von ihrer Umgebung und von gesellschaftlichenVeränderungen statt. Sie wird von der Gesellschaft beeinflusst undnimmt auf sie Einfluss.Jungen Menschen ein gelingendes Aufwachsen in Berlin zu ermöglichenheißt, sie beim Erwerb der notwendigen Kompetenzen füreine eigene Lebensgestaltung zu unterstützen, ihnen ihre Rechteauf entwicklungsfördernde Lebensbedingungen und Beteiligungam kulturellen und künstlerischen Leben nicht vorzuenthalten.Durch kulturelle Bildung werden Neugier und die Bereitschaft, sichauf andere einzulassen, gefördert, die Phantasie angeregt, Poten-151


ziale geweckt, die Fähigkeit zur Auseinandersetzung mit der Umweltgestärkt. Kulturelle Bildung trägt erheblich dazu bei, dass sich Kinderund Jugendliche in einer sich ständig verändernden Welt zurechtfindenund Verantwortung übernehmen.In einer so vielfältigen Gesellschaft wie Berlin, in der Menschen ausunterschiedlichen Kulturen und mit unterschiedlichen sozialen undBildungshintergründen zusammen leben, besteht die besondereHerausforderung eines Rahmenkonzepts Kulturelle Bildung darin,allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu den Angeboten zuermöglichen. Dabei sind Integration und interkulturelle Kompetenzwichtige Bestandteile von kultureller Bildung in Berlin.Kulturelle Bildung kann daher auch nicht die alleinige Aufgabe einzelnerEinrichtungen oder Träger sein. Sie ist vielmehr Bestandteil aller mitder kulturellen Bildung und Erziehung von Kindern und Jugendlichenbefassten Institutionen. Die besondere Herausforderung eines Rahmenkonzepteskulturelle Bildung besteht darin, die spezifischen Angeboteund Zugänge, die in den Bereichen Schule, Jugend und Kultur existieren,auszubauen und die an kultureller Bildung beteiligten Akteure unterBeachtung ihrer jeweiligen Verankerung und Verortung innerhalb derStadt stärker miteinander zu vernetzen.2. Rahmenkonzept Kulturelle Bildung2.1 Grundlagen, Ziele InhalteWie im 5. Zwischenbericht (Drucksache. 16/0731) dargestellt, gibt esin Berlin eine Vielzahl von Angeboten zur kulturellen Bildung speziellfür Kinder und Jugendliche, die sich unmittelbar aus dem gesetzlichenAuftrag und den Tätigkeitsfeldern der den beteiligten Senatsverwaltungenunterstellten bzw. von ihnen betreuten Institutionen, Einrichtungenund Trägern ableiten.152


Die Schule ist der Ort, an dem alle Kinder zwischen fünf und sechzehnJahren erreicht werden können. Kulturelle Bildung von und fürKinder und Jugendliche ist integraler Bestandteil des Erziehungs- undBildungsauftrags der Schulen. Explizit heißt es dazu in § 3 Abs. 3 Nr.3 des Schulgesetzes, dass schulische Bildung und Erziehung Schülerinnenund Schüler insbesondere befähigen soll, „die eigene Kultursowie andere Kulturen kennen zu lernen und zu verstehen, Menschenanderer Herkunft, Religion und Weltanschauung vorurteilsfrei zubegegnen, zum friedlichen Zusammenleben der Kulturen durch dieEntwicklung von interkultureller Kompetenz beizutragen und für dasLebensrecht und die Würde aller Menschen einzutreten“.Für die freien und öffentlichen Träger der Jugendarbeit formuliertdas SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe (Achtes Sozialgesetzbuch) in §11 Abs. 3 Nr. 1, dass „außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner,politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller, naturkundlicher undtechnischer Bildung“ zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehört.Jugendarbeit soll „an den Interessen junger Menschen anknüpfenund von ihnen mitbestimmt und mit gestaltet werden, sie zur Selbstbestimmungbefähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortungund zu sozialem Engagement anregen und hinführen.“ (§ 11 Abs. 1)Für die öffentlichen und privaten Akteure des Berliner Kulturbetriebesist kulturelle Bildung gleichermaßen Voraussetzung, Bestandteil undErgebnis ihres gesellschaftlichen Auftrages - der Produktion undDistribution von Kunst in all ihren Genres und Formen. Darüber hinauserfüllen insbesondere öffentliche und öffentlich geförderte Kultureinrichtungenmit ihren kunst-, musik-, museums- und theaterpädagogischenEinrichtungen einen spezifischen kulturellen Bildungsauftrag.Gleichzeitig gibt es öffentliche, öffentlich geförderte und privateKultureinrichtungen, deren Zielgruppe primär Kinder und Jugendlichesind und die daraus einen besonderen kulturellen Bildungsauftrag fürdiese Zielgruppe ableiten.153


Vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Zugänge, Sichtweisen undAufgabenstellungen der beteiligten Bereiche Schule, Jugend undKultur erfordert ein ressortübergreifendes „Rahmenkonzept kulturelleBildung“ zunächst das übereinstimmende Verständnis von KulturellerBildung als gemeinsamem Auftrag. Kulturelle Bildung macht einenwichtigen Teil des Fundaments aus, von dem aus Kinder und Jugendlicheihre Lebensperspektiven erkunden und ausbauen können. Überdie Auseinandersetzung mit Kunst und Kultur erwerben sie ästhetischeund künstlerische Fähigkeiten, sie entwickeln ihr sprachliches undbildhaftes Ausdrucksvermögen, schulen ihre Sinne, lernen sich selbstund ihre Stärken und Schwächen besser kennen, erwerben ein stabilesBewusstsein von den eigenen Potenzialen, entwickeln Kreativität undprägen soziale Kompetenzen aus. In einer zunehmend globalisiertenWelt, die zugleich eine Welt der digitalisierten Bilder und Töne ist, sinddas wesentliche Schlüsselkompetenzen zur Bewältigung und selbstbestimmtenGestaltung zunehmend diskontinuierlicher Lebensläufe.Ziel kultureller Bildung ist es daher, Kinder und Jugendliche zu befähigen,am kulturellen Leben der Gesellschaft aktiv und selbstverantwortlichteilnehmen zu können.Dazu gehören das Vertrautwerden mit der Kunst als Sprache, die Sensibilisierungauf Kunst hin ebenso wie das Verständnis für den Eigenwertvon Kunst, die sich jeglicher Verzweckung verweigert, die Freisetzungschöpferischer Kräfte und Phantasien durch die Ausbildung künstlerisch-ästhetischerAusdrucksformen. Ein ganzheitliches Verständniskultureller Bildung begreift den Menschen daher immer im Zusammenspielseiner kognitiven, sinnlichen, emotionalen und ästhetischenAneignungsweisen und zielt darauf, diese individuell zu fördern undauszuprägen.Kulturelle Bildung umfasst auch die Auseinandersetzung mit historischenund zeitgenössischen künstlerisch-ästhetischen Phänomenen,deren Aneignung und kreativen Weiterentwicklung sowie mit dem154


gesamten Spektrum des Kunstprozesses in all seinen Sparten undStadien von der Produktion bis zur Rezeption. Die Förderung vonEigeninitiative und Partizipation sowie die Überwindung von Benachteiligungensind dabei Leitlinien der kulturellen Bildungsarbeit. Teilhabeam kulturellen Leben ermöglichen bedeutet, die Kinder undJugendlichen in ihren Sozialräumen und Lebenszusammenhängenzu stärken, jugendkulturellen Szenen Raum zu ihrer eigenständigenEntfaltung zu bieten sowie Kindern und Jugendlichen neue Orte undInhalte kulturellen Lebens zu erschließen und sie zu künstlerischenExperimenten und grenzüberschreitenden Begegnungen anzuregen.Genau über diese Ermutigung und Befähigung zur künstlerischästhetischenAktivität und Teilhabe leistet kulturelle Bildung eineneigenständigen und unverzichtbaren Beitrag zur Persönlichkeits- undIdentitätsbildung, zur spezifischen Wahrnehmung und aktiven Auseinandersetzungmit gesellschaftlichen Wirklichkeiten. In diesem Sinnevermittelt kulturelle Bildung Schlüsselqualifikationen für eine gelungeneLebensführung.Neben sozial befähigenden Schlüsselkompetenzen, die entlang vonkünstlerischem Handeln entwickelt werden können, gewinnen Kinderund Jugendliche so in der Reibung mit künstlerischen Prozesseneinen wichtigen Bewegungsraum für ungesichertes, offenesExperimentieren.In einer multikulturellen Stadtgesellschaft wie Berlin steht kulturelleBildung vor der besonderen Aufgabe, Zugänge zur produktiven Auseinandersetzungmit den vielfältigen und unterschiedlichen kulturellenPrägungen, Traditionen und Erfahrungshorizonten als Potenzial zubegreifen und Möglichkeiten zur produktiven Auseinandersetzungmit der Verschiedenheit zu schaffen. Kinder und Jugendliche mitund ohne Migrationshintergrund bewegen sich zeitgleich in unterschiedlichenkulturellen Zusammenhängen und können als kulturelleGrenzgänger den Blick für das Verbindende schärfen. Vor diesem155


Hintergrund kommt der Organisation von transkulturellen Begegnungsräumen,künstlerischen Projekten und entsprechenden Veranstaltungenbesondere Bedeutung zu.Dies entspricht auch der Intention des Abgeordnetenhauses, das inder Begründung zum Auftrag formuliert: „Nicht zuletzt sind Kinderund Jugendliche die Akteure und das Publikum von m<strong>org</strong>en. Siemüssen die Chance haben, die Vielfalt der Kulturen in Berlin kennen zulernen und ihre eigene kulturell-künstlerische Kreativität unabhängigvon der sozialen Lage und dem Bildungshintergrund ihrer Eltern zuentwickeln.“Der vollständige Text findet sich im Internet unter:www.parlament-berlin.de/IIIplen.nsf/VGEX/6279F919134DEC33C125741D002D3C1E?OpenDocumentErgänzend dazu die Antwort der Senatsverwaltung auf die KleineAnfrage zu Agenten zwischen Schule und Kultur (31.08.2010):www.parlament-berlin.de:8080/starweb/adis/citat/VT/16/KlAnfr/ka16-14587.pdf156


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Zum MuseumDas Wort „Museum“ ([alt]griechisch μουσείο[ν], musío – ursprünglichdas Heiligtum der Musen, welche Schutzgöttinnen der Künste, Kulturund Wissenschaften waren) ist zum ersten Mal für die hellenistischeAntike des 4. Jahrhundert v. Chr. in Alexandria dokumentiert undbezeichnete dort einen ganzen Stadtteil, der den Musen und vor allemder Bibliothek gewidmet war. Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts dientedas Wort der Bezeichnung verschiedener Sammlungen. Das moderneMuseum ist eine Erfindung der Aufklärung und geht aus der Auflösungder „Schatz- und Wunderkammern“ hervor, die ab der 2. Hälfte des 14.Jahrhunderts entstanden.Vom wissenschaftlichen, künstlerischen und praktischen Arbeitenunterscheidet sich der museale Umgang mit wie immer erworbenenund in Sammlungen zusammengetragenen Gegenständen vor allemdadurch, dass sie als Fragmente aus der Wirklichkeit erhalten und materielleVeränderungen an ihnen ausgeschlossen werden. Die Musealisierungvon Gegenständen umfasst einige typische Phasen: Zunächstwerden sie inventarisiert, konserviert und magaziniert, also im Prinzipein für alle Mal aus dem lebensweltlichen Kontext (zum Beispieldem Wirtschaftskreislauf) herausgenommen und als Gemeingüterbewahrt (letzteres gilt nur für die öffentlichen Museen). Im nächstenSchritt werden die Gegenstände ästhetisiert, was bedeutet, dass sieohne lebensweltlichen Bezug (also zum Beispiel auch nicht als Waren)betrachtet und nur noch symbolisch bearbeitet werden. Diese Ästhetisierungist die Voraussetzung für den letzten Schritt der Musealisierung,bei der mit den Gegenständen den Zielsetzungen des Museumsentsprechende Zusammenhänge konstruiert und in der Schausammlungveröffentlicht werden. In diesen Konstruktionen erscheinen dieGegenstände nun als Objekte, das heißt als Dinge, die etwas bedeuten:ein spezifisches Wissen an sich speichern und im Kontext mit andereneine eigene Realität, zum Beispiel eine historische Situation zu konstitu-158


ieren vermögen. Berlin hat eine reiche und vielfältige Museumslandschaft.Neben den großen Staatlichen Museen und den Museen des Landes undder Bezirke gibt es zahlreiche größere und kleinere Häuser und Einrichtungen,die von Privaten getragen werden. In jedem Fall lohnt auch einBlick in die Museumslandschaft Brandenburg. (MF)Weitere Informationen: www.museumsportal-berlin.de/www.museen-brandenburg.de/6.0.html159


Das OrchesterEin Orchester (griechisch ρχήστρα orchestra = Tanzplatz, das heißt einhalbrunder Platz vor der Bühne eines griechischen Theaters, auf demein Chor tanzte) ist ein größer besetztes Instrumentalensemble, dasdadurch gekennzeichnet ist, dass zumindest einzelne Stimmen mehrfach(„chorisch“) besetzt sind. Im Bereich der klassischen Musik unterscheidetman das groß besetzte Symphonieorchester vom kleinerenKammerorchester. So besteht zum Beispiel das Ensemble der BerlinerSymphoniker unter anderem aus 23 ersten Violinen, 20 zweiten Violinen,16 Bratschen, 13 Celli, 11 Kontrabässen. Weiterhin gibt es Orchester,die nur aus Instrumenten einer bestimmten Gattung bestehen, zumBeispiel Blasorchester, Streichorchester oder Zupforchester. GrößereJazz-Orchester und ähnliche Formationen der Tanz- und Unterhaltungsmusikwerden meist als Big Band bezeichnet. (MF)TrompetenHarfe,Celesta,Klavier,etc.FlötenKlarinettenSchlagwerkFagottePosaunenPaukenTuba1. ViolinenHörner2. ViolinenOboenDirigentKontrabässeBratschenVioloncelloAufbau eines großen Symphonieorechesters160


Funktionen in einem Konzerthaus161


Zum TheaterTheater (von altgr. τό θέατρον théatron: „Schaustätte“) ist dieBezeichnung für eine szenische Darstellung eines inneren undäußeren Geschehens durch Schauspieler/innen vor einemPublikum. Mit dem Wort wird aber auch das Gebäude, in demTheater gespielt wird, bezeichnet. Grundsätzlich kann manzwischen Theater auf der Grundlage eines vorher angefertigtenTextes und dem Stegreiftheater unterscheiden. Einen Text,der speziell für das Theater geschrieben wurde, bezeichnetman als ein Theaterstück oder Drama; diese Texte könnenein fiktives Geschehen zur Anschauung bringen, auf Faktenberuhen oder sie verarbeiten. Typischerweise sind Texte für dasTheater in verschiedene Akte und Szenen unterteilt. Charakteristischfür solche Texte ist, dass sie die Darstellung der Handlungin Dialoge auflösen, die von den verschiedenen Schauspieler/innengesprochen werden. Die Schauspieler/innenübernehmen dabei verschiedene Rollen und stellen so Figurendar, deren Erscheinung durch Kostüme und Masken unterstütztwerden kann. Ein Theaterstück wird in der Regel auf einer Bühneaufgeführt, die vom Zuschauerraum klar – häufig durch einenVorhang – getrennt ist. Der Bühnenraum wird oft durch Malereien,Architekturelementen, Kulissen, Requisiten und vor allemauch künstlicher Beleuchtung zu einem Bühnenbild gestaltet,das die szenischen Darstellungen bis zur Illusion unterstützenkann. Entsprechend verfügen größere Theater über eine mehroder weniger aufwändige Bühnentechnik, spezialisierte Werkstättenund einschlägig qualifizierte Handwerker/innen undArbeiter/innen mit spezifischen Berufsbildern. Es gibt alle nurdenkbaren Formen und Arten von Theater in allen möglichenGrößenordnungen. Eigene Theatergattungen sind zum Beispieldas Figurentheater (Marionetten-, Schatten- und Puppentheater),das Pantomimentheater, das Tanztheater, das Kabarett,das Passionsspiel und Varieté. (www.berlin-buehnen.de)162


Typische Funktionenund Berufe in einemTheater163


HinterbühneBühneKulissenZuschauerbereichBühnenbereichVorhangRängeParkettEingangFoyerSchematische Darstellung eines Theaters164


Zur OperAls Oper (von ital. opera in musica, „musikalisches Werk“) bezeichnetman eine musikalische Gattung des Theaters, bei der vor allem dieMusik zum Träger der Handlung, der Stimmungen und Gefühle wird.Die Oper entsteht aus der Zusammenwirkung verschiedener künstlerischerElemente: der Musik (Orchester, Sängerensemble, Chorund Dirigent), dem Text (Libretto), Ballett und Tanz und – wie beimTheater – dem Schauspiel, Masken und Kostümen, dem Bühnenbildund der Beleuchtung. Eine Oper aufzuführen ist daher immer ein sehraufwändiges Unternehmen (an einem größeren Operhaus sind ca. 250Menschen beschäftigt).Der Oper verwandte Formen des Musiktheaters sind die Operette(ital.: „kleine Oper“), die sich durch eher leichte, eingängige Musik,eine heitere oder sentimentale Handlung und gesprochene Dialogezwischen den Musiknummern von der durchkomponierten Operunterscheiden. Dies gilt auch für das Musical, für das modernereMusikformen (Jazz, Pop) und zum Teil sozialkritische Inhalte charakteristischsind.Typische Elemente einer Oper sind die Ouvertüre, ein eigenständigesMusikstück, mit der die Oper eröffnet wird, die Arie (Lied), die voneinzelnen (Solo) oder mehreren Sänger/innen gemeinsam (Duett,Terzett, Quartett) v<strong>org</strong>etragenen Gesänge und der Ch<strong>org</strong>esang. Viele,dann „Große Oper“ genannten Opern umfassen auch Tanzeinlageneines Balletts. Wie beim Theater wird eine Oper häufig in verschiedenenAkte (mit unterschiedlichen Szenenbildern) unterteilt aufgeführt.In Berlin gibt es drei große Opernhäuser, die Staatsoper, die KomischeOper und die Deutsche Oper. Daneben haben sich als kleineres Hausdie Neuköllner Oper und die Zeitgenössische Oper (ohne eigens Haus)etabliert. Musicals werden u.a. im Theater des Westens und im Theateram Potsdamer Platz aufgeführt. (MF)165


Zum Berliner SchulsystemFür das Schulwesen in Berlin zuständig ist die Senatsverwaltungfür Bildung, Wissenschaft und Forschung. Sie ist dieSchulaufsichtsbehörde und fungiert für die zentral verwaltetenSchulen auch als Schulträger. Die Schulaufsichtsbehördetrifft Entscheidungen über alle („inneren“) Schulangelegenheitenvon grundsätzlicher Bedeutung, wie zum Beispiel dieGrundlagen der Schul<strong>org</strong>anisation und des Unterrichts sowiedie Aufstellung des Schulentwicklungsplanes. Sie übt darüberhinaus die fachliche Aufsicht über die öffentlichen Schulen aus.Die für die jeweiligen Schulen zuständigen Schulaufsichtsbeamtenunterstützen und beraten die Schulen bei der Entwicklungvon Schulprogrammen.In Berlin werden die Aufgaben des Schulträgers von denBezirken übernommen. Ihnen obliegt die Verwaltung undUnterhaltung der „äußeren“ Schulangelegenheiten der allgemeinbildenden Schulen, hierzu zählen insbesondere Bau,Ausstattung und Unterhaltung. Die Einrichtung von Klassenund die Zuweisung von Schülerinnen und Schülern an dieSchulen fällt in den Verantwortungsbereich der Bezirksämter,sie decken den Sachbedarf, stellen das Verwaltungspersonalund sind für die laufende Verwaltung der Schulen verantwortlich.Die mit diesen Aufgaben verbundenen Ausgaben,die auch die Ausgaben für Lehrmittel und die Bereitstellungvon Honorarmitteln für außerunterrichtliche Aktivitäteneinschließen, werden von den Bezirken übernommen.In Berlin gibt es 371 Grundschulen, 42 Hauptschulen, 53 Realschulen,110 Integrierte Sekundarschulen, 94 Gymnasien und82 öffentliche Sonderschulen mit insgesamt 11.578 Klassen.Für das Schuljahr 2010/11 wurden aus 21 Schulen 17 Gemeinschaftsschulengebildet. Dazu kommen 128 private schulische168


13121110987654321GymnasiumIntegrierteSekundarstufeIntegrierteSekundarschuleGrundschuleGemeinschaftsschuleEinrichtungen unterschiedlicher Art. Im Schuljahr 2010/11werden in Berlin an den 803 öffentlichen allgemein bildendenschulischen Einrichtungen insgesamt 291.930 Schüler undweitere 28.128 Schüler in privaten schulischen Einrichtungenin den verschiedenen Schularten unterrichtet. Darüber hinauswurde 94.234 Schülern Unterricht an beruflichen Schulenerteilt.Innerhalb der letzten zehn Jahre hat das Land Berlin fast einFünftel seiner Schüler verloren. Auch im laufenden Schuljahrsetzte sich dieser Trend fort (minus ca. 1 Prozent gegenüberdem Vorjahr).Die Grundschule dauert in Berlin 6 Jahre, das Abitur kann inKlasse 12 (Gymnasium) oder Klasse 13 (Integrierte Sekundarschule)gemacht werden. Alle Grund-, Gemeinschafts- undSekundarschulen sind Ganztagsschulen. (MF)169


Weitere Informationen:www.berlin.de/sen/bwfwww.berlin.de/rubrik/politik-und-verwaltung/bezirksaemter/www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/www.spiegel.de/thema/pisa_studien/ - Zum Ländervergleich


Informationen zu Fördermöglichkeiten, Ansprechpartner/-innen und Projekten kultureller Bildung – eine Auswahl Bundesebene Im Land Berlin In den Bezirken Fortbildungsmöglichkeiten StiftungenBundesebeneBeauftragter für Kultur und Medien (Bundesregierung)www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Beauftragter fuerKulturundMedien/Kulturpolitik/KulturelleBildung/kulturelle-bildung.htmlBundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e.V.www.bkj-remscheid.de/Bundesverband Freier Theaterwww.freie-theater.de/index.htmlBundesverband Tanz in Schulenwww.bv-tanzinschulen.deDeutsches Informationszentrum Kulturförderungwww.kulturfoerderung.<strong>org</strong>Dachverband Tanzwww.dachverband-tanz.de/Deutscher Bühnenverein (Theater und Orchester)www.buehnenverein.de/de/172


KulturGut vermitteln – Museum bildet!Datenbank des Deutschen Museumsbundes zu Vermittlungsprojektenim musealen Kontextwww.museumbildet.de/Im Land BerlinSenatskanzlei - Kulturelle Angelegenheitenwww.berlin.de/sen/kultur/foerderung/interkulturelle-projektarbeit/Datenbank Kulturelle Bildung Berlinwww.datenbankkulturellebildung.de/Kulturprojekte Berlin GmbHwww.kulturprojekte-berlin.de/Berliner Projektfonds Kulturelle Bildungwww.kulturprojekte-berlin.de/projektfondsEs gibt drei Fördersäulen: Fördersäule 1: zeitlich befristete Kooperationsprojekte (3001 –20.000 Euro; Ausschreibungen halbjährlich) Fördersäule 2: strukturbildende Projekte von stadtweiter Bedeutung(Berlin weiter Aktionsradius, mind. 6 Stadtbezirke verbindend; Ausschreibungeinmal jährlich) Fördersäule 3: Förderung in den Bezirken bis zu maximal 3.000 EuroBBK (Berufsverband Bildender Künstler Berlin e.V.)www.bbk-berlin.de/Kulturelle Jugendbildung:www.bbk-kulturwerk.de/con/kulturwerk/front_content.php/idcat.51173


Landesmusikrat Berlinwww.landesmusikrat-berlin.de/Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung Berlin e.V.www.lkj-berlin.de/Museumsportalwww.museumsportal-berlin.de/TanzZeit – Zeit für Tanz in Schulenwww.tanzzeit-schule.de/Theaterwww.berlin-buehnen.de/TUSCH (Theater und Schule Berlin)www.tusch-berlin.de/In den BezirkenCharlottenburg-Wilmersdorf:Kulturamtwww.berlin.de/ba-charlottenburg-wilmersdorf/abteilung/fin/kulturamt.htmlElke von der Lieth: elke.vonderlieth@charlottenburg-wilmersdorf.deFriedrichshain-Kreuzberg:Künstlerdatenbank beim Kulturamt Friedrichshain-Kreuzberg:www.kulturamt-friedrichshain-kreuzberg.de/Fachbereich Kunst und KulturFrau Ute Schnorrbusch: schnorrbusch@kulturamtfk.de174


Lichtenberg:Kunst- und Kulturamtwww.berlin.de/ba-lichtenberg/verwaltung/behoerdenwegweiser/bww14.htmlFrau Dr. Ute Müller-Tischler: kulturamt@lichtenberg.berlin.deMarzahn-Hellersdorf:Künstler- und Projektförderungwww.berlin.de/ba-marzahn-hellersdorf/verwaltung/bildung/fachbereichkult.htmlChristina Dreger: christina.dreger@ba-mh.verwalt-berlin.deMitte:Kunst in Schulenwww.berlin.de/ba-mitte/<strong>org</strong>/kulturamt/kunstinschulen.htmlSimone Krupsack-Dabel – Tel: 9018-33478Neukölln:Bezirksamt Neukölln von BerlinAbteilung Bildung Schule Kultur und Sportwww.kultur-neukoelln.de/client/media/273/antragsformular_projektfonds.pdfBettina Busse: bettina.busse@bezirksamt-neukoelln.deWorkshops für LehrerInnen und ErzieherInnen:www.kultur-neukoelln.de/projekte-kulturpaedagogik.phpPankow:Fachbereich Kunst und Kultur:www.berlin.de/ba-pankow/kunstundkultur/index.htmlProjektförderungwww.berlin.de/ba-pankow/kunstundkultur/projektfoerderung/index.htmlwww.berlin.de/ba-pankow/amtfuerkulturundbildung/Regina Stührmann: regina.stuehrmann@ba-pankow.verwalt-berlin.de175


Reinickendorf:ATRIUM (Jugendkunstschule)www.atrium-berlin.de/kontakt.htmlinfo@atrium-berlin.deKunstamt Reinickendorfc/o Heimatmuseumc.gerner@heimatmuseum-reinickendorf.deinfo@kunstamt-reinickendorf.deSpandau:Kunstamtwww.berlin.de/ba-spandau/verwaltung/abt/bks/kunst.htmlHerr Albert: f.albert@ba-spandau.berlin.deJugendkunstschule Bastionwww.berlin.de/ba-spandau/verwaltung/abt/bks/jugendkunstschule.htmlSteglitz-Zehlendorf:Kulturförderungwww.kultur-steglitz-zehlendorf.de/kulturfoerderung.htmlDoris Fürstenberg: schwartzsche.villa@berlin.deTempelhof-Schöneberg:Amt für Bildung, Kultur und Seniorenbetreuungwww.berlin.de/ba-tempelhof-schoeneberg/<strong>org</strong>anisationseinheit/bildung-kultur/kult_berliner_projektfonds.htmlFrau Knarr-Herriger: ute.knarr-herriger@ba-ts.berlin.deTreptow-Köpenick:Kulturamt – Dezentrale Kulturarbeitwww.berlin.de/ba-treptow-koepenick/<strong>org</strong>anisationseinheiten/kultur/dezentralekulturarbeit.htmlSusanne Steinhöfel: susanne.steinhoefel@ba-tk.berlin.de176


FortbildungsmöglichkeitenBildungsserver Berlin-Brandenburgwww.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/Datenbank zum Studium KulturFür Studieninteressierte, Hochschulakteure und Arbeitgeberwww.studium-kultur.de/Bundesakademie für kulturelle Bildung Wolfenbüttelwww.bundesakademie.deFachhochschule Potsdam - Studiengang Kulturarbeitwww.kulturarbeit.<strong>org</strong>/deFreiwilliges Soziales Jahr Kulturwww.fsjkultur.de/Junges DT: Theater & Schule & Uniwww.deutschestheater.de/junges_dt/theater_schule_uni/Kompetenznachweis Kulturwww.lkj-berlin.de/kompetenznachweis/KontextSchule Berlinwww.kontextschule.<strong>org</strong>/LISUM (Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg)www.lisum.berlin-brandenburg.de/siehe hierzu insbesondere:ARTuS! - Kunst unseren Schulen; ein Projekt zum künstlerisch-ästhetischenLernen an brandenburgischen Schulen. Landesinstitut fürSchule und Medien Berlin-Brandenburg und Institut für Theaterpädagogikder Universität der Künste Berlin (Hg), Berlin, Strasburg, Milow/177


Uckerland 2009.www.bildungsserver.berlin-brandenburg.de/artus.htmlSenatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschungwww.berlin.de/sen/bildung/fort_und_weiterbildung/weiterbildungsangebote/Train the Trainer (Theater an der Parkaue)www.parkaue.de/index.php?topic=336Universität der Künste Berlin - Weiterbildender StudiengangArt in Context (Master) im Institut für Kunst im Kontextwww.kunstimkontext.udk-berlin.de/Universität der Künste Berlin - Weiterbildender Studiengang Theaterpädagogik(Master) / Darstellendes Spielwww.udk-berlin.de/sites/content/themen/fakultaeten/darstellende_kunst/studiengaenge/weiterbildende_studiengaenge/theaterpaedagogik_master___darstellendes_spiel/index_ger.htmlRelevante Stiftungen und Förderer im Bereich Kultureller Bildung(Auswahl – die Beschreibungen sind den jeweiligen Webseitenentnommen)Allianz KulturstiftungFörderung von Kultur und Kunst sowie insbesondere der Jugend imGeiste der europäischen Integration.Schwerpunkt: Gattungs- bzw. Medienübergreifende zeitgenössischeKonzepte und Initiativen Unterstützung von Projekten, die innovativin Inhalt oder Methode sind, und die neue Ansätze in Kunst, Kultur undBildung im Moment ihrer Entstehung bewusst wahrnehmen.178


Keine direkte Antragsmöglichkeit; Medienübergreifend, zeitgenössischeKonzepte.www.allianz-kulturstiftung.deAltana-KulturstiftungDer interdisziplinäre Ansatz des Bildungsprogramms der ALTANAKulturstiftung ermöglicht eine Fächer übergreifende Zusammenarbeitvon Künstlern, Kursleitern und Lehrern. Dabei geht es stets um diedirekte Begegnung mit der Kunst und den Künstlern. Bildende Kunst,Musik und Literatur werden auf eine Weise erfahrbar gemacht, die alleSinne nachhaltig anspricht.www.altana-kulturstiftung.deBHF-BankstiftungDie BHF-Stiftung fördert Projekte der kulturellen Bildung von Kindernund Jugendlichen, die [dadurch] in ihrer Persönlichkeitsentwicklungwichtige neue Dimensionen kennen lernen. Diesen Projekten[werden] sowohl unter sozial- wie auch kulturpolitischen Fragestellungenhohe Bedeutung [gegeben]. Antrag.www.bhf-bank-stiftung.deRobert Bosch-StiftungDer Programmbereich Gesellschaft und Kultur entwickelt Initiativenzur Förderung erfolgreicher Integration von Migranten. Im Mittelpunktstehen dabei Kinder und Jugendliche. Ein weiteres Arbeitsfeld ist dieFörderung von bürgerschaftlichem Engagement und die Erarbeitungneuer Strategien in der politischen Bildung. Die Förderung von Kunstund Kultur konzentriert sich auf den Adelbert-von-Chamisso-Preis fürdeutsche Autoren nicht-deutscher Muttersprache, einen Filmförderpreisfür Koproduktionen zwischen jungen deutschen und ost- sowiesüdosteuropäischen Filmemachern und das Heranführen von Kindernund Jugendlichen an Kultur.www.bosch-stiftung.de179


Andrea von Braun Stiftunglnterdisziplinäre Zusammenarbeit. Einbezogen sind dabei nicht nurakademische Disziplinen, sondern auch Kunst, Kultur und Handwerksowie traditionelles und überliefertes Wissen und Können.Schwerpunkt: Schaffung und Förderung eines Dialog Forums, dieFörderung von Wissenschafts- und Forschungsprojekten, die Vergabevon Stipendien, die Verleihung eines Förderpreises sowie öffentlicheVerbreitung. Die Stiftung ist offen für lnteressenten und Antragstelleraus allen Bereichen. Formloser Antrag.www.avbstiftung.deBuchDruckKunst e.V.Zweck ist die Verbreitung und Vertiefung zeitgenössischer Buchkunstund Buchkultur. Der Verein hilft, Räume zum Erfahrungsaustausch zuschaffen, dokumentiert und archiviert. Schwerpunkt: Förderung zeitgenössischerBuchkunst, durch Vorträge, Ausstellungen, Seminare etc.www.buchdruckkunst.deBürgerstiftung Berlinlm aktiven Zusammenleben mit verschiedenen Kulturen sollen sozialeKompetenzen, Selbstvertrauen, Eigeninitiative, kreative Fähigkeitengefördert werden.Schwerpunkt: Jugendpflege, insbesondere die lntegration gesellschaftlicherRandgruppen von Jugendlichen. Formloser Antrag.www.buergerstiftung.berlin.deDeutsche Bank StiftungBildung, Hilfe zur Selbsthilfe Musik und Kunst. Schwerpunkt: beruflicheQualifikation.www.deutsche-bank-stiftung.deDeutsche Kinder und JugendstiftungMomentan fokussieren die Aktivitäten der DKJS vier Themenfelder:Kita und Schule gestalten, Bildungspartner vernetzen, Verantwortung180


wagen und Perspektiven schaffen.Schwerpunkt: Partnerschaften zwischen öffentlichen und privatenAkteuren. Keine direkte Antragsmöglichkeit.www.dkjs.deDeutsche KindermedienstiftungGOLDENER SPATZFörderung des Kinderfilms, des Kinderfernsehens und weiterer elektronischerMedien für Kinder in Deutschland sowie Veranstaltung desDeutschen Kinder-Medien-Festivals GOLDENER SPATZ in Gera undErfurt. Schwerpunkt: Film und elektronische Medien. Keine direkteAntragsmöglichkeit. Kinder- Medien-Festivals.www.goldenerspatz.deDeutscher Musikrat - Proiektgesellschaft GmbHDer DMR setzt sich für die Weiterentwicklung der Musikkultur inDeutschland ein. Ziele: Förderung der musikalischen Bildung undErziehung; Betonung des gesellschaftlichen Stellenwertes der Musik;Stärkung des aktiven Musizierens. Schwerpunkt: 5 Kernbereiche:Förderung professioneller Musiker, Jugendprojekte, Laienmusizieren,zeitgenössische Musik, musiktheoretische lnformation und <strong>Dokumentation</strong>.Antragsformular und Wettbewerbsausschreibungen.www.musikrat.deFonds Darstellende Künste e.V.Die Förderungsmöglichkeiten des Fonds erstrecken sich auf alle Arbeitsfelderund Sparten der Darstellenden Künste. Schwerpunkt: Der Fondsunterstützt insbesondere qualitativ anspruchsvolle und risikofreudigeProjekte, die ohne eine Förderung nicht realisierbar wären, u.a. KinderundJugendtheater. Antragsformular.www.fonds-daku.deHauptstadtkulturfondsDer Fonds soll durch die Förderung aktueller kultureller und künstleri-181


scher Projekte dazu beitragen, von Berlin aus den überregionalen undinternationalen kulturellen Dialog aufzunehmen und zu festigen.Schwerpunkt: Berücksichtigt werden können Konzepte aller künstlerischenSparten (Ausnahme Film), die für die Bundeshauptstadt Berlinbedeutsam sind. Die Projekte sollen für Berlin erarbeitet und in Berlinpräsentiert werden. Antragsformular.www.berlin.de/hauptstadtkulturfondsJoachim und Anita Stapel Stiftung - „Denken – Lernen – Verstehen“Förderung von Projekten zur Verbesserung der Sprach-, Lese- und Kommunikationsfähigkeitjunger Menschen insbesondere durch gemeinsamesTheaterspiel. Ausschreibung und Verleihung eines Literatur-/Theaterpreises.www.stapel-stiftung.deJugend- und Familienstiftung (JSFB)Beratung und Förderung von Jugendprojekten, Familienprojekten,Ausstattungen, Tagungen, Studien etc., die die methodische undstrukturelle Weiterentwicklung der Jugend- und Familienarbeit zumZiel haben, lmpuls gebende Einzelinitiativen. Schwerpunkt: Entwicklungeines vielfältigen und modernen Jugendhilfeangebots, in derKinder und Jugendliche ihre eigenen Vorstellungen aktiv umsetzenkönnen und generationenübergreifende Aktivitäten ihren Stellenwerthaben. Antragsformular.www.jfsb.deKinder brauchen MusikStiftung für eine aktive musikalische KindheitZweck der Stiftung ist die musikalische Jugendförderung, (Singen,Musizieren, Komponieren, Text dichten und der Musiktherapie vonKindern). Schwerpunkt: lnsbesondere sollen Musikprojekte mit integrativenund ganzheitlichen Ansätzen gefördert werden, in denenMusik mit Spiel, Theater oder Bewegung kombiniert wird, um sozialeFähigkeiten und Strukturen zu stärken. Formloser Antrag.www.kinderbrauchenmusik.de182


Kreuzberger KinderstiftungZiel ist die Errichtung und das Betreiben einer außerschulischenBildungseinrichtung aus dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, in derKinder aus diesem Bezirk ihre musischen und kreativen Fähigkeitenentfalten lernen sollen. Schwerpunkt: Unterstützung außergewöhnlicherund neuer Vorhaben vornehmlich regionaler Träger der KinderundJugendarbeit, die musischen Zwecken, solchen des interkulturellenLernens, der Förderung des Selbsthilfegedankens oder derinternationalen Begegnung dienen. Antragsformular.www.kreuzberger-kinderstiftung.deKulturstiftung der LänderKINDER ZUM OLYMP! heißt die Jugendinitiative, die im Herbst 2003von der Kulturstiftung der Länder mit dem Ziel gestartet wurde, Kinder,Jugendliche und Kultur in einen aktiven und innovativen Kontakt zubringen. Schwerpunkt: Kooperationen zwischen Kultur und Schule- Kultureinrichtungen und Künstlern und Schule und Kindergarten.Wettbewerb.www.kulturstiftung.deKulturstiftung des BundesFörderung innovativer Projekte der Kunst und Kultur, insbesondere iminternationalen Kontext. Antrag.www.kulturstiftung-bund.deMärchen-Stiftung Walter KahnErhaltung, Förderung und Erweiterung des europäischen Märchengutessowie die Unterstützung und Förderung von Wissenschaft undForschung auf dem Gebiet der Märchen. Schwerpunkt: In Zusammenarbeitmit der Europäischen Märchengesellschaft e.V. und der DeutschenAkademie für Kinder- und Jugendliteratur e.V. das Märchenerzählen in Kindergärten und Schulen zu unterstützen. FormloserAntrag.www.maerchen-stiftung.de183


Mercator-StiftungBildung nimmt eine Schlüsselrolle ein, um unsere Gesellschaft zukunftsfähigzu gestalten. Nur so sind wir den Herausforderungen der globalisiertenWelt gewachsen. Die Bedeutung kultureller Bildung für Wissenserwerb,für Persönlichkeitsbildung, Kreativität und Nachhaltigkeit wirddabei noch häufig unterschätzt. Ziel ist es, Kunst und Kultur stärker inunserem Bildungssystem zu verankern und es damit im Hinblick aufeine neue Lehr- und Lernkultur zu verändern. Antrag.www.stiftung-mercator.de/Montag Stiftung Jugend und GesellschaftDie Arbeit der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft basiert aufdem Leitgedanken „Veränderung durch Handeln“ sowie den definiertenGrundsätzen der Stiftungsgruppe Montag: Verantwortung,Handlungsbereitschaft, Sachlichkeit, Nachhaltigkeit, Kooperation,Ebenbürtigkeit und Offenheit. Ausgehend von diesem Grundverständnisentwickelt und fördert die Stiftung Ideen, Initiativen undStrukturen, die Inklusion und Teilhabe in unserer Gesellschaft aktivund nachhaltig ermöglichen.www.montag-stiftungen.com/jugend-und-gesellschaft/OuverTüre e.V.Deutsch-Französischer Verein zur Förderung des internationalenSprach- und KulturaustauschsZiele: Zusammenarbeit zwischen ehemaligen Stipendiaten der Robert-Bosch-Stiftung. Entwicklung und Realisierung von Projekten im Bereich der soziokulturellenund politischen Bildung. ideelle Unterstützung und Beratung von lnstitutionen und Gruppen,die im Sinne des Vereins tätig sind. Schwerpunkt: Jugend-, Kulturund Sprachaustausch auf europäischer Ebene, insbesonderezwischen Deutschland und Frankreich.Diese Projekte richten sich vor allem an Jugendliche sowie natürliche184


und juristische Personen, die im Kultur- und Bildungsbereich tätig sind.Formloser Antragwww.ouvertuere.<strong>org</strong>PwC-StiftungDie Stiftung unterstützt innovative Projekte in allen Bereichen der ästhetischenBildung, wenn sie Kreativität und Initiative fördern und Kinderund Jugendliche aktiv an Kunst und Kultur heranführen. Schwerpunkt:Innovative modellhafte Projekte, die kulturelle Inhalte verstärkt in derBildung verankern. Antragsformular.www.pwc.deQuartiersmanagement Berlin Quartierfonds 1: Dieser Fonds dient der Finanzierung von kurzfristigenund schnell sichtbaren Maßnahmen im Quartier bis 1.000 €.Aktivierung der Bewohner/innen; Anleitung zur Selbsthilfe; Stärkungnachbarschaftlicher Kontakte; Belebung der Stadtteilkultur.Antragsformular. Quartierfonds 2: Der Q2 fördert sozio-kulturelle Projekte in einemRahmen zwischen 1.000 und 10.000 €. Antragsformular. Quartierfonds 3: Der Q3 fördert sozio-kulturelle Projekte und Maßnahmenab 10.000 € und dient der Finanzierung von nachhaltigwirkenden Maßnahmen in den Quartieren. Antragsformular.www.quartiersmanagement-berlin.deRadial StiftungFörderung von Maßnahmen künstlerischen lnhalts durch finanzielleZuwendung von interdisziplinären Kunstprojekten zur Bildung und gesellschaftlichenlntegration von Jugendlichen und jungen Erwachsenen.Schwerpunkt: Projekte und lnitiativen, die sich durch künstlerische Offenheitder Disziplinen und kreative lnnovationsfreude auszeichnen undBildungs- und Ausbildungsprojekte, die das Prinzip der Offenheit und dieZugänglichkeit zu hochwertigen kulturellen lnhalten fördern. Antrag.www.radialstiftung.de185


Schering StiftungFörderung Wissenschaft und Kultur. lm Bereich Kultur liegen dieFörderschwerpunkte auf den Disziplinen Bildende Kunst und DarstellendeKunst (einschließlich Musik und Tanz). Förderpreis BildendeKunst; Osteuropa-Stipendium.www.scheringstiftung.deUrsula Lübbe StiftungDie Stiftung hat sich die Förderung von Bildung, Kunst und Kultur insbesonderefür Kinder und Jugendliche durch die Fokussierung auf KinderundNachwuchsförderung sowie den verantwortlichen Umgang mit demSchlüsselmedium Buch und den audiovisuellen Medien zur Aufgabegemacht. Sie möchte außerdem die Kulturvermittlung an die kommendenGenerationen auf der Bühne und in Museen fördern.www.ursula-luebbe-stiftung.deYehudi Menuhin StiftungDie Stiftung hat es sich zur Aufgabe gestellt Kinder, Jugendliche undErwachsene in der Arbeit mit professionellen Musikern, Tänzern, darstellendenund bildenden Künstlern nachhaltig in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit,Kreativität, sozialen Kompetenz und künstlerischen Ausdrucksfähigkeitzu stärken. Schwerpunkt: Koordinierung und Begleitung vonProgrammen und Projekten in sozialen und interkulturellen Lernfeldern,vom Kindergarten über Schule bis hin zur Erwachsenenbildung. Preise /Stipendien / Wettbewerbe. Keine Antragsmöglichkeit.www.mus-e.deEin Verzeichnis aller Stiftungen mit Sitz in Berlin (darunter 140 mitdem Schwerpunkt Kunst und Kultur) findet sich hier:www.berlin.de/imperia/md/content/senatsverwaltungen/justiz/stiftungsverzeichnis_i_bis_iv_01_08_06.pdfBundesverband Deutscher Stiftungenwww.stiftungen.<strong>org</strong>/186


Wissenschaftlicher Beirat Renate Breitig, TUSCH, Berlin Detlef David, LISUM Berlin-Brandenburg Prof. em. Helmut Hartwig, Institut für Kunst im Kontext, UdK Prof. Dr. Ute Pinkert, Institut für Theaterpädagogik, UdK Isabel Pfeiffer-Poensgen, Kulturstiftung der Länder Dr. Angelika Tischer, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaftund Forschung Dr. Annette Wostrak, Kulturwissenschaftlerin, Mitinitiatorin der„Offensive Kulturelle Bildung“ Prof. Dr. Wolfgang Zacharias, Kultur- und Schulservice MünchenZur Begleitung der dreijährigen Forschung zu den ZOOM-Patenschaftenin Berlin wurde ein wissenschaftlicher Beirat zusammengestellt,der die Aufgabe hatte, den Aufbau der begleitenden Forschungsowie die jährlichen Zwischenberichte des Leitungsteams kritischgegenzulesen und zu diskutieren.Insgesamt fanden vier Treffen statt (29.02.08; 27.11.08, 24.09.09 und15.11.10), bei denen die Zusammenstellung des Forschungsteams, dieForschungsmethode und auch einzelne Beobachtungen, Fragen undThesen im Verlauf des Forschungsprozess reflektiert und Vergleichezu anderen Modellprojekten und deren begleitender Forschungengezogen wurden. Zur Debatte standen auch Kultur- und Bildungsbegriffe(und deren Dekonstruktion) im Feld der Kulturellen Bildungund die Überlegung, dass die Stärkung und Qualifizierung von Lehrer/innen, Künstler/innen und Kulturinstitutionsmitarbeiter/innen in ihrerprofessionellen Kooperationsfähigkeit parallel zu einer verbindlichenVerankerung von Kultureller Bildung in den Systemen Schule undKunst- und Kulturbetrieb geschehen müsse.187


Team Begleitforschung ZOOM-PatenschaftenMichèle Adelhardt studierte Angewandte Theaterwissenschaft und istausgebildete Lehrerin für Deutsch als Fremdsprache. Sie arbeitet alsfreischaffende Dramaturgin und Autorin. Begleitende Forschung vonZOOM 11 (2009/10) und ZOOM 7 (2010).Erdal Ugur Ahlatci studierte Medieninformatik, arbeitet als Softwareentwicklerund initiiert künstlerische Projekte mit Jugendlichen.Begleitende Forschung von ZOOM 3 (2008)Ishtar Al Jabiri ist Diplom-Soziologin und staatlich anerkannte Erzieherin.Begleitende Forschung von ZOOM 1 (2008)Angelika Bartl studierte Kunsterziehung/Französisch und bildendeKunst. Promotion in Kunst- und Medienwissenschaften. Sie arbeitetals Kunstwissenschaftlerin und freie Kunstvermittlerin. BegleitendeForschung von ZOOM 3 und ZOOM 1 (2009/10).Mari Brellochs studierte freie Kunst und Philosophie, arbeitet zu Kunstals Organisation und künstlerischer Forschung. Leitung des Projektes„Kunst und Schule – prozessorientiertes künstlerisches Arbeiten inTeams. Begleitende Forschung von ZOOM 4 (2008).Stella Cristofolini studierte Kulturwissenschaften, Ästhetische Alltagskulturund Europäische Ethnologie. Sie arbeitet an der Schnittstelle vonTheorie und künstlerischer/sozialer Praxis im Bereich Theater/Performance/Installationund als Projektleiterin. Begleitende Forschung vonZOOM 10.Michael Fehr hat in Kunstgeschichte promoviert. Er ist seit 2005 Direktordes Instituts für Kunst im Kontext an der Universität der KünsteBerlin.188


Sophie Goltz studierte Sozialwissenschaften. Sie ist Kuratorin undKunstvermittlerin und arbeitet zurzeit am Neuen Berliner Kunstverein.Begleitende Forschung von ZOOM 6.Anna-Christina Gorbatschova studierte Slavistik, Violine, Gesang undSchulmusik. Sie ist als Lehrerin für Musik und Gesang und als freischaffendeKonzertsängerin tätig. Begleitende Forschung von ZOOM 2.Claudia Hummel studierte Kunsterziehung. Sie arbeitet als wissenschaftlicheLehrkraft am Institut für Kunst im Kontext an der Universitätder Künste Berlin. Claudia Hummel hat zusammen mit MichaelFehr die Konzeption der künstlerisch-wissenschaftlichen Begleitforschungder ZOOM-Patenschaften erarbeitet.Ursula Jenni Ausbildung als Primarlehrerin in der Schweiz undStudium der Theaterpädagogik und Mediation. Tätig als freischaffendeTheaterpädagogin und Projektleiterin bei TUSCH – Theater und Schule.Begleitende Forschung von ZOOM 7 (2008/9).Anne Krause studierte Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis.Sie arbeitet projektbezogen als freie Kunstvermittlerin im Rahmenverschiedener Ausstellungen und Institutionen zeitgenössischerKunst. Begleitende Forschung von ZOOM 5.Barbara Lenz studierte Ethnologie und Kulturwissenschaften. Sie istfreischaffend im Bereich kulturelle Bildung tätig und konzipiert partizipativeAusstellungs- und Vermittlungsprojekte für Museen. BegleitendeForschung von ZOOM 4 (2009/2010).Harald Olkus studierte Kommunikationswissenschaften, Anglistikund Geschichte. Er arbeitet als freischaffender Redakteur und Autorfür unterschiedliche Medien und Kulturinstitutionen. BegleitendeForschung von ZOOM 9.189


Andrea Plamper ist promovierte Erziehungswissenschaftlerin undarbeitet freiberuflich als Schulcoach und im vorschulischen Bereich.Begleitende Forschung von ZOOM 8 (in 2009/10).Özge Tomruk studierte Theaterwissenschaft und Genderforschung /Kommunikationswissenschaft. Promotion im Bereich Theaterwissenschaft.Begleitende Forschung von ZOOM 8 in (2008).Sascha Willenbacher studierte Angewandte Theaterwissenschaft inGießen und ist Dramaturg / Theaterpädagoge am THEATER AN DERPARKAUE, Junges Staatstheater Berlin. Begleitende Forschung vonZOOM 9 (in 2008) und ZOOM 11 (in 2009).Gastautorinnen im Glossar Kulturelle BildungBarbara Meyer, Geschäftsführung und künstlerische Leitung desInternationalen JugendKunst- und Kulturhaus Schlesische 27.Dorothea Kolland, Musikwissenschaftlerin und Leiterin des KulturamtsNeukölln.Katja Jedermann, künstlerische Lehrkraft am Institut für Kunst imKontext an der Universität der Künste Berlin.Ursula Rogg, Autorin und Lehrerin für Kunst und Darstellendes Spiel.(AB) Angelika Bartl; (ACG ) Anna-Chrsitina Gorbatschova; (AK) AnneKrause; (AP) Andrea Plamper; (BL) Barbara Lenz; (BM) Barbara Meyer;(CH) Claudia Hummel; (DK) Dorothea Kolland; (HO) Harald Olkus;(KJ) Katja Jedermann; (MA) Michèle Adelhardt; (MF) Michael Fehr;(SG) Sophie Goltz; (SW) Sascha Willenbacher; (UR) Ursula Rogg190


„Kulturelle Bildung“ kommt nicht allein über die Beschäftigungmit kulturellen Phänomenen oder das Herstellen von künstlerischenProduktionen und die Realisierung von künstlerischedukativenProjekten zustande, sondern ergibt sich aus – zuerstund vor allem – der Form der Zusammenarbeit von Institutionen,Berufsgruppen und Personen, die im kulturellen Alltag normalerweiseohne Bezug auf die jeweils anderen ihren jeweiligenZielen, Interessen und entsprechend spezialisierten Tätigkeitennachgehen. So verstanden bezeichnet gelungene „KulturelleBildung“ weniger die Teilhabe an dieser oder jener Form vonKultur, sondern die Fähigkeit, die durch die eigene Sozialisationentstandene Bedingtheit des eigenen Wahrnehmens undHandelns erkennen und Äußerungen wie Handlungen andererPersonen und Gruppen als ebenbürtig wahrnehmen, sie inihrem jeweiligen Eigensinn akzeptieren, respektieren und möglicherweiseverstehen zu können. „Kulturelle Bildung“ kann dahernur ein Weg sein, mit Kunst in ein unmittelbares Verhältnis zutreten – das Erlernen von künstlerischen Techniken als Vorbedingungfür die Produktion von Kunst und Kultur kann sie ebensowenig wie Ausbildung und Bildung in anderen Bereichenersetzen.Institut für Kunst im KontextPATENSCHAFTENK NSTE & SCHULE

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